Museumsdidaktik und Zeitzeugengespräch am Beispiel der Ausstellung in der DenkStätte Weiße Rose in der LMU München

Titel der Ausstellung: “Die Weiße Rose. Ausstellung über den Widerstand von Studenten gegen Hitler. München 1942/43.“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

23 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Der DenkStätten-Besuch als didaktische Herausforderung

2 Das Museum und die Gedenkstätte als außerschulischer Lernort
2.1 Das Museum aus didaktischer Sichtweise
2.2 Die Gedenkstätte

3 Welches Vorwissen benötigen die Schüler für den Besuch in der DenkStätte?
3.1 Wissen über den Nationalsozialismus und heutige Tendenzen
3.2 Wissen über Widerstandsbewegungen wie die Weiße Rose

4 Die Vorbereitung eines Arbeitsbesuches im Museum
4.1 Rahmenplanung
4.2 Inhaltliche Planung
4.3 Probleme des Lehrers bei der Vorbereitung des Besuchs in einer Gedenkstätte

5 Warum ist ein Zeitzeugengespräch sinnvoll?

6 Der Ablauf im Museum mit Zeitzeugengespräch

7 Beschreibung und didaktische Beurteilung der DenkStätte
7.1 Beschreibung der räumlichen Gegebenheiten
7.2 Interview mit Michael Kaufmann, dem Leiter der DenkStätte
7.3 Verbesserungsvorschläge für die Denkstätte

8 Außerschulisches Lernen ist einen Aufwand wert

9 Literaturverzeichnis

1 Der DenkStätten-Besuch als didaktische Herausforderung

Besucht man mit einer Klasse ein Museum, so ist kann dies als eine Art des außerschulischen Lernens angesehen werden. Jede Form des Unterrichts, die außerhalb des Schulgebäudes stattfindet, erfordert einen größeren organisatorischen Aufwand. Doch man zieht auch viel Profit aus solchen Exkursionen: Andere räumliche Gegebenheiten und fremde Personen machen die Schüler neugierig. Diese Neugier nimmt der Lehrer als Basis, um das Interesse der Schüler für die zu behandelnde Thematik zu wecken und einen möglichst großen Lerneffekt zu erzielen.

Als Beispiel für einen Museumsbesuch habe ich eine Führung durch die DenkStätte mit anschließendem Zeitzeugengespräch gewählt. Die DenkStätte wurde in der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Gedenken an den Widerstand der Weißen Rose eingerichtet.

Ein Aufenthalt mit der Klasse in der DenkStätte und besonders ein Zeitzeugengespräch sind eine echte Herausforderung. Der Nationalsozialismus und der Widerstand sind sensible Themen, mit denen der adäquate Umgang schwierig ist. Nur mit didaktischen Vorüberlegungen ist es möglich, diese Herausforderung entsprechend zu meistern.

In dieser Seminararbeit sollen zunächst allgemeine Dinge erläutert werden, nämlich was ein Museum und eine Gedenkstätte überhaupt sind und welche Ansprüche sie erheben. Danach gehe ich auf die didaktisch-methodische Vorbereitung auf einen effektiven Besuch in einer Ausstellung zum Thema Nationalsozialismus ein. Welches Vorwissen müssen die Schüler mitbringen? Welche Punkte muss man bei der Planung eines Ausstellungsbesuches besonders beachten? Warum ist ein Zeitzeugengespräch sinnvoll? Im Rahmen des Hauptseminars “Sprache und Literatur im Dritten Reich als Problem des Deutschunterrichts“ unternahm ich einen Besuch in die DenkStätte und werde dessen Ablauf schildern. Der letzte Punkt meiner Arbeit sind die Beschreibung und die didaktische Beurteilung der Denkstätte.

2 Das Museum und die Gedenkstätte als außerschulischer Lernort

2.1 Das Museum aus didaktischer Sichtweise

Die ersten Museen der Neuzeit entwickelten sich aus den privaten Sammlungen Reicher und Adliger. Im Barock wurden neben Raritäten und Naturalien besonders Kunstobjekte gesammelt. Später machten viele Adelige ihre Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich oder die Objekte gingen direkt in den Besitz der Bevölkerung über. Seit Einführung der Schulpflicht erweiterte sich der Besucherkreis von Museen beträchtlich.[1]

Um diese nunmehr breite Besucherschicht zu bilden, ohne sie zu langweilen, hat man eine besondere Form der Pädagogik, die Museumspädagogik, entwickelt. Damit kann die Aufgabe des Museums, “komplexe, wissenschaftlich fundierte Zusammenhänge an ein breiteres Publikum zu vermitteln“,[2] hinreichend bewerkstelligt werden.

Als oberstes, ideelles Ziel der Museumspädagogik gilt es, die “Entwicklung demokratisch und rechtstaatlich denkender und handelnder Persönlichkeiten anzuregen“.

Museumspädagogik ist eine Grenzwissenschaft und fungiert als Mittler zwischen der Museologie und der Erziehungswissenschaft. Um die Bildungs- und Erziehungsziele unserer Gesellschaft zu verwirklichen, wendet die Museums­pädagogik museumsspezifische Kommunikationsformen an, deren Hauptform die Präsentation ist.[3]

Ausstellungen sollen mithilfe von didaktischen Methoden wissenschaftlich, zugleich aber auch ästhetisch und attraktiv gestaltet werden, um Ausstellungsaussagen pädagogisch möglichst effektiv zu vermitteln.[4] Ein allgemeines Problem vieler Museen besteht darin, dass quasi eine Art verbales Kommunikationsverbot herrscht: Wer überhaupt spricht, der flüstert, um andere Besucher nicht zu stören. Zusätzlich bewirkt die Führung als die häufigste Vermittlungsform gewissermaßen eine Einwegkommunikation.[5] Dieses Problem für alle Beteiligten möglichst zufrieden stellend zu lösen, ist ein momentanes Arbeitsfeld der Museumsdidaktik.

Neben der pädagogischen Ausgestaltung ist die Öffentlichkeitsarbeit ein weiterer wesentlicher Faktor, welche Meinung sich die Besucher über das Museum bilden und ob sie wieder kommen.[6]

Mit einer Klasse bietet sich ein Museumsbesuch praktisch immer an, solange es die Zeitplanung und das Budget zulassen, denn zu fast jedem Punkt im Lehrplan lassen sich geeignete Museen ausfindig machen; auch fächerübergreifendem Lernen kann hier Rechnung getragen werden.

2.2 Die Gedenkstätte

Eine Sonderform des geschichtlichen Museums ist die Gedenkstätte. “Das Unbegreifliche begreifbar [sic] zu machen und die Erinnerung wachzuhalten, das ist das Ziel der Gedenkstätten und Gedenkorte, die in den letzten 50 Jahren zur Erinnerung an die Verbrechen der Deutschen errichtet wurden.“[7]

Hauptfrage bei der Einrichtung einer Gedenkstätte zum Nationalsozialismus ist, wie “der Terror des Dritten Reiches, Krieg und Völkermord einer Generation zu vermitteln [ist], die dazu keinen biographischen Bezug besitzt“.[8]

Weitere wichtige Überlegungen sind, ob nur dokumentiert oder auch eine Moral vermittelt werden soll. Wie pädagogisch soll die Ausstellung sein? Wie wird ein maximaler Lerneffekt bei den Besuchern erreicht? Wie tiefgreifend soll die Darstellung sein? Soll sich die Ausstellung selbst erklären oder bedarf sie einer Führung?[9]

Kaum merkt man heute, wie braun München zur Zeit des Nationalsozialismus war und dass es die “Hauptstadt der Bewegung“ war.[10] Allgemein bekannt ist zwar, dass auf dem Königsplatz Aufmärsche stattfanden und das Haus der Kunst eigentlich als nationalsozialistischer Prachtbau errichtet worden ist. Bewusst ist allerdings kaum jemanden, welche Vielzahl von ’normalen’ Gebäuden zu den Zwecken des Regimes umfunktioniert wurde.[11] Nach Kriegsende war die Devise der Landeshauptstadt, alle Spuren ihrer Vergangenheit zu verwischen. Erst 1993 geriet das Thema in die öffentliche Diskussion, was bewirkte, dass von da an Münchens Geschichte von allen Seiten beleuchtet wurde.

Der neuen Haltung gegenüber der Vergangenheit Rechnung tragend, wurden in ganz München neue Gedenkstätten eingerichtet bzw. bestehende erweitert. In der LMU beispielsweise, “die in das System des Nationalsozialismus eingebunden war“,[12] erinnern nun drei Gedenktafeln an die Weiße Rose: Eine Tafel hinter der Balustrade im Lichthof der Universität, ein Relief am authentischen Ort im Lichthof, und die Gedenktafel-Collage auf dem Boden vor dem Haupteingang. 1997 wurde die DenkStätte eingerichtet, auf die ich in dieser Arbeit noch näher eingehen werde.[13]

Eine Gedenkstätte bietet sich, falls möglich, besonders am Ort der Schule bzw. dem eigenen Wohnort an. Die schreckliche Geschichte des eigenen Ortes macht viel betroffener als diejenige eines Ortes in weiter Ferne. Weil die Schüler somit besonders zum Nachdenken angeregt werden, ergibt sich eine intensivere Auseinandersetzung mit dem ganzen Thema Nationalsozialismus und Widerstand.

3 Welches Vorwissen benötigen die Schüler für den Besuch in der DenkStätte?

3.1 Wissen über den Nationalsozialismus und heutige Tendenzen

Um aus dem Besuch in der DenkStätte profitieren zu können, müssen die Schüler Grundwissen über den Nationalsozialismus besitzen. Deshalb empfiehlt sich für das Gymnasium erst ein Besuch ab der 10. Klasse, weil dort der Nationalsozialismus im Lehrplan verankert ist.

“Die Durchführung von Mahn-Mal-[!] und Gedenk-Stätten-Besuchen[!] fordert weit mehr als eine Geländebegehung oder eine deskriptive Vorgehensweise.“[14] Es ist Rump zufolge eine ”dringende Aufgabe, Erinnern und Gedenken als Zielsetzung der Integration von historischem Wissen und politischer Gegenwart zu sehen.“[15] Wenn an die Lebens- und Erfahrungswelt der Teilnehmer angeknüpft wird, wird Lernen erst möglich.[16] Nur wer die Belange der Gegenwart eigenständig deuten kann, versteht die Intention der Gedenkstätten. Solche aktuellen Themenkomplexe betreffen etwa “Gewalt im Alltag heute, Achtung und Missachtung der Menschenrechte in der Gegenwart, politische Gewalt, gegenwärtig stattfindende Kriege und Konflikte sowie die Diskriminierung von Minderheiten in unserer modernen Gesellschaft.“[17]

Dass im gesellschaftspolitischen Bereich noch viel Bildungsarbeit geleistet werden muss, ist ein bekanntes Thema. Deutsche haben einen eklatanten Mangel an staatsbürgerlichen Grundkenntnissen und wissen nach Brumlik z.B. nichts oder nur sehr wenig über die Gewaltenteilung.[18]

Konsequenterweise muss im Unterricht immer wieder über aktuelle Problematiken gesprochen werden – Erziehung zu einem mündigen Bürger ist ja das Ziel der Schule! Im Deutschunterricht bieten sich als Einstieg in diesen Themenkomplex z.B. Videos und Zeitungsausschnitte an.

3.2 Wissen über Widerstandsbewegungen wie die Weiße Rose

Im Münchener Raum übten zahlreiche Menschen Widerstand gegen das Hitler-Regime. Beispielsweise existierten Einzelkämpfer wie Johann Georg Elser, Gruppen wie den Kreisauer Kreis. Widerstand kam auch aus den Kirchen, z.B. von Pater Rupert Mayer, aus der katholischen Jugend und aus der Arbeiterjugend.[19]

[...]


[1] Vgl. Herff: Museen. S. 18ff.

[2] Meier u. Reust: Medium Museum, S. 49.

[3] Tripps: Was ist Museumspädagogik?, S. 4.

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. Otto: Kommunikation in Museen, S. 25.

[6] Vgl. Meier u. Reust: Medium Museum, S. 61.

[7] Rump: Gedenkstättenpädagogik, S. 10.

[8] Sonnenberger: Einleitung, S. 20.

[9] Vgl. ebd., S. 21 f.

[10] Die Weiße Rose, hg. v. Die Weiße Rose Stiftung, S.12.

[11] Vgl. Reichel: Politik mit der Erinnerung, S. 62 ff.

[12] Rump: Gedenkstättenpädagogik, S. 18.

[13] Ebd.

[14] Ebd., S. 19.

[15] Ebd., S. 20.

[16] Vgl. Dobmeier: Das Führungsgespräch im Museum, S. 213 ff.

[17] Rump: Gedenkstättenpädagogik, S.20.

[18] Vgl. Brumlik: Generationen und Geschichtsvermittlung der NS-Erfahrung, S. 27 f.

[19] Vgl. Vieregg: Wächst Gras darüber? S.140-239.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Museumsdidaktik und Zeitzeugengespräch am Beispiel der Ausstellung in der DenkStätte Weiße Rose in der LMU München
Untertitel
Titel der Ausstellung: “Die Weiße Rose. Ausstellung über den Widerstand von Studenten gegen Hitler. München 1942/43.“
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Sprache und Literatur im Dritten Reich als Problem des Deutschunterrichts
Autor
Jahr
2002
Seiten
23
Katalognummer
V92550
ISBN (eBook)
9783638063791
Dateigröße
474 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Museumsdidaktik, Zeitzeugengespräch, Beispiel, Ausstellung, DenkStätte, Weiße, Rose, München, Sprache, Literatur, Dritten, Reich, Problem, Deutschunterrichts
Arbeit zitieren
M.B.A. + Eng. Sonja Wagner (Autor:in), 2002, Museumsdidaktik und Zeitzeugengespräch am Beispiel der Ausstellung in der DenkStätte Weiße Rose in der LMU München, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92550

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