Sprache, Stil und Erzählweise des Romans „Hiob“ von Joseph Roth


Hausarbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Kurze Inhaltsangabe einschließlich Aufbau

3. Die einfache Sprache – Syntax und Wortwahl

4. Der kunstvolle Stil
4.1 Stilistische Mittel / Rhetorische Figuren
4.2 Die Märchenhaftigkeit des Romans
4.3 Einfluss der biblischen Sprache

5. Die variable Erzählweise
5.1 Sachliches Erzählen: Beobachten und Dokumentieren
5.2 Perspektivenwechsel
5.3 Einheit von Zeit, Ort und Handlung?

6. Schlusswort

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Geschichte „eines einfachen Mannes“ liest sich leicht und engagiert und bewegt das Gemüt des Lesers. „Man schämt sich nicht [...] ganz sentimentalisch erschüttert zu sein.“[1] heißt es in Stefan Zweigs Hiob – Rezension. Beinahe jeder Autor versucht eben diese Wirkung bei seinen Lesern zu erreichen. Dabei hat jeder Autor seinen eigenen Stil, ja beinahe seine eigene Sprache. Joseph Roth, der selbst lange Zeit als Journalist gearbeitet hatte, stellte eine programmatische Forderung, die ihm selbst wohl bei jeder schriftstellerischen Arbeit gegenwärtig war:

„Aus dem Vergehenden, dem Verwehenden, das Merkwürdige und zugleich das Menschlich – Bezeichnende festzuhalten, ist die Pflicht des Schriftstellers. Er hat die erhabene bescheidene Aufgabe, die privaten Schicksale aufzuklauben, welche die Geschichte fallen lässt. Blind und leichtfertig, wie es scheint.“[2]

Während der thematische Stoff Roths bereits eine „sentimentale Erschütterung“ impliziert, weil es sich um menschliche Grundprobleme und Grundthemen handelt, muss jetzt lediglich noch die Sprache und der Stil dieser Grundstimmung angepasst werden.

Roth hat dabei einen ganz eigenen Stil. Viele seiner Kritiker beschreiben ihn als „Analytiker“ und „eminenten Beobachter“ (Hermann Kesten), seine Sprache als „immer wunderbar einfach, strahlend treffsicher [...] (Ulrich Greiner) und seine Werke „erlebt man statt zu lesen“ (Stefan Zweig).

In folgender Arbeit soll es nun darum gehen, eben diese Besonderheiten der Roth´schen Sprache und Erzählweise in dem Roman „Hiob“ (1930) zu analysieren und seinen Stil zu charakterisieren. Dabei sollen sowohl die Aspekte der Syntax und Wortwahl, der Erzählhaltung, der verwendeten stilistischen Mittel und der besonderen Sprache (Bezug zur Bibel und zu der Gattung Märchen) erörtert werden. Abschließend wird geprüft, ob sich in dem Roman „Hiob“ eine Einheit von Handlung, Zeit und Ort nachvollziehen lässt, was eigentlich ein typisches Merkmal des aristotelischen Dramas darstellt.

2. Kurze Inhaltsangabe und Aufbau

Der 1930 erschienene Roman „Hiob“ von Joseph Roth, dessen Handlung etwa in der Zeit zwischen 1905 und 1920 spielt, erzählt die Lebens- und Leidensgeschichte der ostjüdischen Familie Singer aus Zuchnow, einem kleinen „Schtetl“ in Wolhynien (heute Ukraine).[3] Der Roman lässt eine deutliche Zweiteilung erkennen, die durch die jeweiligen Schauplätze zustande kommt.

Der erste Teil, der die Kapitel 1 bis 9 umfasst, spielt in dem russischen Städtchen Zuchnow, der Heimat der jüdischen Familie Singer. Der Protagonist Mendel Singer, der ein „frommer, gottesfürchtiger und gewöhnlicher“ (Joseph, Roth: Hiob. S. 7.) Mann war, erfuhr Ereignisse, die ihm Leid und Unglück brachten: Sein jüngstes von vier Kindern wird körperlich und geistig behindert geboren und leidet an Epilepsie, der älteste Sohn Jonas wird aufgefordert Militärdienst zu leisten (mit dem jüdischen Glauben unvereinbar), der zweite Sohn Schemarjah soll ebenfalls Dienst leisten, kann diesem jedoch durch Flucht entgehen. Die Tochter Mirjam lässt sich mit den gefürchteten Kosaken ein, was sich später zu einer krankhaften Neigung zu Männern entwickelt. Zwar prophezeit ein Rabbi die Heilung Menuchims, jedoch deutet nichts auf die Erfüllung dieser Vorhersage hin. Als sich Schemarjah aus Amerika meldet und die Familie zu sich lädt, wandert die Familie, vor allem wegen der Tochter, aus. Der krankhafte Menuchim muss jedoch zurückbleiben.[4]

Das neunte Kapitel kann hier als Übergangskapitel gesehen werden, da es die Ankunft in New York schildert. Der zweite Teil, der die Kapitel 10 bis 16 umfasst, spielt in New York.Der Aufenthalt Mendel Singers in Amerika beginnt zunächst vielversprechend. Die Familie lebt in relativ gesicherten Verhältnissen (unterstützt von Sam alias Schemarjah). Die Beziehung zwischen der Tochter und den Eltern verbessert sich und es treffen sogar gute Nachrichten über Menuchim ein. Doch all dies wendet sich bald ins Unglück: Mendel bekommt zunehmend Heimweh, der Erste Weltkrieg bricht aus, Jonas wird als vermisst gemeldet, Schemarjah fällt als amerikanischer Soldat. Zu allem Überfluss erträgt Deborah, Mendels Frau, dies alles nicht und stirbt. Mirjam wird wahnsinnig und kommt in eine Nervenheilanstalt. Aus all diesen Schicksalsschlägen heraus sagt sich Mendel von Gott los und verliert seinen Glauben. Lebensmüde wartet er nun auf seinen Tod. Doch nun geschieht das Wunder: der geheilte Menuchim kommt als erfolgreicher Dirigent nach New York und findet seinen Vater. Der über dieses Ereignis mehr als frohe Mendel, kehrt am Ende dankbar zu seinem Glauben zurück.[5]

3. Die einfache Sprache – Syntax und Wortwahl

In einer Einschätzung des Hiob – Romans von Hermann Kesten heißt es, dass die Sprache Roths gekennzeichnet ist von „strikter Einfachheit, die sprachliche Umwege nicht kennt“ und keinerlei „Prunk“ braucht.[6] Diese Einfachheit der Sprache kommt schon in den ersten Sätzen des Romans „Hiob“ zur Geltung:

„Vor vielen Jahren lebte in Zuchnow ein Mann namens Mendel Singer. Er war fromm, gottesfürchtig gewöhnlich, ein ganz alltäglicher Jude. Er übte den schlichten Beruf eines Lehrers aus. In seinem Haus, das nur aus einer geräumigen Küche bestand, vermittelte er den Kindern die Kenntnis der Bibel. Er lehrte mit Eifer und ohne aufsehnerregenden Erfolg. Hunderttausende vor ihm hatten wie er gelebt und unterrichtet [...]“ (Roth, J.: Hiob. S. 7.)

Diese Satzreihe besteht aus sechs Sätzen, worunter nur ein Relativsatz zu finden ist. Vier der Sätze haben einen parallelen Aufbau, wobei drei davon anaphorisch sind (Er war [...], Er übte [...], Er lehrte [...]). Ein Satz beginnt mit einer Ortsbestimmung (In seinem Haus [...]) und einer mit einer Zeitbestimmung (Vor vielen Jahren [...]). Doch trotz dieser Inversionen wirken die Sätze gleichartig.[7]

Allgemein kann man über die Erzählweise Roths in „Hiob“ feststellen, dass sie gekennzeichnet ist von einer linearen Satzfolge, von einem parataktischen Aufbau, von einer klaren, einfachen und direkten Sprache. Nur selten werden diese Sätze durch einen untergeordneten Gliedsatz unterbrochen. Kausale Verknüpfungen fehlen fast ganz.[8]

Roth selbst rechtfertigt oder begründet diese Schreibweise folgendermaßen:

„Da aber eine Sprache nicht nur aus Worten besteht, sondern auch strukturell und stilmäßig zu begreifen ist, muß ich ein Deutsch mit ganz einfacher Struktur schreiben. Deshalb sind meine Sätze kurz.“[9]

Der parataktische Satzbau, der oftmals durch Anaphern verstärkt wird, wirkt im Roman sachlich, eindringlich, manchmal hämmernd[10]:

„Amerika drang auf ihn ein. Amerika zerbrach ihn. Amerika zerschmettert ihn.“ (Roth, J.: Hiob. S. 103)

Diese Dreier – Konstruktionen (Triaden) vertiefen die Wirkung des Gesagten. Hypotaxen sind nur sehr selten zu finden und sind auch meistens einfacher Natur:

„Und während es in um seine Lippen lächelte und während es in seinem Kopf schüttelte, begann sein Herz langsam zu vereisen.“ (Roth, J.: Hiob. S. 104)

Die Geschichte „eines einfachen Mannes“ liest sich aus eben diesen Gründen leicht, glatt und reibungslos. Sie scheinen fast zum Vorlesen geeignet, was durch einen ruhigen und gleichmäßigen Erzählfluss begünstigt wird:

„Dreißig Jahre war er erst alt. Aber seine Aussichten mehr zu verdienen waren gering, vielleicht überhaupt nicht mehr vorhanden. Wurden die Schüler älter, kamen sie zu anderen weiseren Lehern. Das Leben verteuerte sich von Jahr zu Jahr. Die Ernten wurden ärmer und ärmer. Die Karotten verringerten sich, die Eier wurden hohl, die Kartoffeln erfroren [...] die Hühner ein Nichts.“(Roth, J.: Hiob. S. 8.)

Ebenso einfach wie die Syntax, ist auch die Wortwahl. Hans – Jürgen Blanke schreibt in seiner Hiob – Interpretation, dass „Roths sprachliches Charakteristikum schlichte und kunstlose Worte sind, die mit ihrer Klarheit und Verständlichkeit stets auf Präzision und Unmittelbarkeit des Eindrucks zielen.“ Eine ökonomische Begrifflichkeit ist für Roth oberstes Gebot.[11] Das beweisen zum Beispiel die letzten Satzreihen bzw. Satzperioden der einzelnen Kapitel, die eine prägnante Formulierung oder eine abstrakte Begrifflichkeit als Zusammenfassung oder als erläuterndes Bild darstellen:

„Nur der Himmel blieb still und blau, blau und still.“ (Ende 8. Kapitel)

„Schon war er einsam, Mendel Singer: Schon war er in Amerika...“ (Ende 9. Kapitel)

„Sein Herz jubelte, und sein Körper musste tanzen.“ (Ende 10. Kapitel)

„[...] meine Schuld ist es, meine Schuld! Ich singe Psalmen. Es ist nicht genug! Es ist nicht genug.“

(Ende 11. Kapitel)

[...]


[1] Eckhoff, Astrid: Joseph Roth Hiob. Eine Interpretation. Staatsexamensarbeit. Bergen 1987. S. 50.

[2] Göggel, Emil: Lektürehilfte Joseph Roth Hiob. Stuttgart, Dresden 1993. S. 110.

[3] Eisenbeis, Manfred: Lektüreschlüssel Joseph Roth Hiob. Stuttgart 2006. S. 7.

[4] Göggel, Emil: Lektürehilfte Joseph Roth Hiob. Stuttgart, Dresden 1993. S. 7 f.

[5] Ebd. S. 24.

[6] Göggel, Emil: Lektürehilfte Joseph Roth Hiob. S. 115.

[7] Eisenbeis, Manfred: Lektüreschlüssel Joseph Roth Hiob. Stuttgart 2006. S. 68.

[8] Göggel, Emil: Lektürehilfte Joseph Roth Hiob. S. 115.

[9] Eckhoff, Astrid: Joseph Roth Hiob. Eine Interpretation. Staatsexamensarbeit. Bergen 1987. S. 50.

[10] Eisenbeis, Manfred: Lektüreschlüssel Joseph Roth Hiob. Stuttgart 2006. S. 68.

[11] Blanke, Hans – Jürgen: Joseph Roth Hiob Interpretationen. München, Oldenbourg 1993. S. 85.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Sprache, Stil und Erzählweise des Romans „Hiob“ von Joseph Roth
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Der literarische Ort: J. Roth. Galizien – eine literarische Heimat
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V93171
ISBN (eBook)
9783638064194
Dateigröße
2207 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprache, Stil, Erzählweise, Romans, Joseph, Roth, Galizien, Heimat
Arbeit zitieren
Lisa Schlönvogt (Autor:in), 2008, Sprache, Stil und Erzählweise des Romans „Hiob“ von Joseph Roth, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93171

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