Die Herrschaftsideologie der flavischen Kaiser


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Herrschaftsideologie der flavischen Kaiser
2.1 Absichten und Veränderungen unter Vespasians Herrschaft
2.2 Vespasians Legitimation durch Legenden
2.3 Die Entwicklung der Ideologie unter Kaiser Titus
2.4 Kaiser Domitians Herrschaftsvorstellungen

3. Flavische Ideologie in zeitgenössischen Münzprägungen

4. Architektur während der Herrschaft der Flavier

5. Zusammenfassung

Bibliographie

1. Einleitung

Mit dem Herrschaftsantritt von Vespasian nahmen die politischen und sozialen Wirren des Jahres 68/69 n. Chr. ein Ende. Die Feldherren Galba, Otho und Vitellius hatten nach Kaiser Neros Tod für kurze Zeit die Macht im römischen Reich inne, konnten sich allerdings nicht behaupten, was sich in ihren kurzen Regierungszeiten widerspiegelte. Dieser Zustand sollte sich im Juli des Jahres 69[1] ändern, als Vespasian zum Kaiser proklamiert wurde. Unter seiner Herrschaft begann eine Zeit der politischen Stabilität, die sich bis 96 n.Chr. erstreckte, dem Todesjahr Domitians, dem letzten Kaiser der flavischen Dynastie.[2] Die von den Flaviern initiierten Veränderungen hingegen gingen weit über ihre Regierungszeit hinaus, ihre Formen und Richtungen des politischen wie auch des kulturellen Lebens reichten bis zum Herrschaftsantritt des Kaisers Commodus im Jahre 199 n. Chr. Besonders die Bildung einer neuen Machtaristokratie wird den flavischen Kaisern immer wieder als Hauptverdienst angerechnet.[3]

Es stellt sich nun die Frage, wie es den Flaviern möglich war, ihre Herrschaft zu legitimieren und auf welche Art und Weise es ihnen gelang die Verhältnisse der damaligen Zeit zu reformieren. Hierfür ist es unabdingbar zu verstehen, wie sich die Flavier selbst sahen, was ihre Herrschaftsideologie war und wie sich diese nach außen hin zeigte. Die vorliegende Seminararbeit wird sich mit diesen Fragen beschäftigen und geht dabei chronologisch vor. Da die Herrschaftsideologie der Flavier keineswegs einheitlich war, die Vorstellungen der drei Kaiser gar erhebliche Unterschiede aufweisen, werden sie getrennt voneinander betrachtet werden. Vespasian wird als erster flavischer Kaiser am ausführlichsten zu behandeln sein, zum einen, weil mit ihm der Wandel in Politik und Kultur seinen Ursprung findet, und zum anderen, weil die Quellenlage für seine Person vergleichsweise reichlich ist. Im Anschluss wird zudem auch näher darauf eingegangen, wie die flavische Ideologie im Münzwesen und in der Architektur verankert ist. Vor allem Ersteres spiegelt sehr gut das Bild wider, das die Kaiser von sich selbst hatten bzw. wie sie von anderen gesehen werden wollten.

2. Die Herrschaftsideologie der flavischen Kaiser

2.1 Absichten und Veränderungen unter Vespasians Herrschaft

Wenn man bedenkt, dass Vespasian aus einer einfachen sabinischen Bauernfamilie stammte,[4] also keineswegs zu den „honores“ gehörte, liegt die Vermutung nahe, dass er nach jeder greifbaren Legitimation Ausschau hielt um seiner Position als Kaiser Stärke zu verleihen. Das wäre allerdings einer Persönlichkeit wie Vespasian nicht gerecht geworden. Versuche von Zeitgenossen den Stammbaum der Flavier auf Herkules zurückzuführen konnte der Kaiser nur belächeln, er blieb zeitlebens nüchtern, behielt seine eigene Weltanschauung.[5] Stets war er volksnah und an den Problemen des Volkes interessiert.[6] Dem Beispiel früherer Politiker folgend verbrachte er viel Zeit in den Sallust Gärten. Er empfing nicht nur Senatoren, sondern ließ auch Menschen niedrigeren Ranges zu sich kommen.[7] Dadurch, dass Vespasian für jeden zugänglich war und nicht überheblich auftrat, legte er den Grundstock für die Erfüllung seines Wunsches nach Ruhe und Frieden.[8] Während Kaiser Nero die Ideologie von Princeps und „res publica“ erneut aufgenommen hatte und infolgedessen Säuberungsaktionen gegen die Opposition durchführte um seine Herrschaft zu verteidigen,[9] setzte sich Vespasian für die Wiederherstellung des früheren Ruhe- und Gleichgewichtszustandes ein. So hob er während seiner Amtszeit die „ maiestas -Klagen“ auf und erlies allen, welche unter Nero verurteilt worden waren, ihre Strafen.[10]

Um seinen Machtbereich auszubauen und zu stärken, musste Vespasian Senatoren und Ritter einsetzen, die ihm gewogen waren. Daher war es nachvollziehbar, dass er seinen Söhnen Titus und Domitian schon zu seinen Lebzeiten wichtigen Funktionen übertrug. Die harmonische Beziehung zwischen Vespasian und seinen Söhnen stellte einen wichtigen Bestandteil der flavischen Ideologie dar.[11] Titus erlangte die höchste Form der Mitregentschaft,[12] war seinem Vater aber trotzdem untergeordnet.[13] Titus und Domitian allein kamen für Vespasian als Nachfolger in Frage, denn es war ihm wichtig seinem Volk die Aussicht auf eine friedliche und sichere Nachfolge vor Augen stellen zu können.[14] Trotz seines dynastischen Denkens ging der Kaiser behutsam und vorsichtig bei der Übertragung der Macht auf seine Familie vor.[15] Neben Titus und Domitian versah Vespasian auch andere Mitglieder seiner Familie mit Ehren und politischen Funktionen. Sowohl sein Bruder Flavius Sabinus als auch sein Schwiegersohn Petillius Cerialis waren für seinen politischen Aufstieg wichtig und wurden infolgedessen entsprechend belohnt.[16]

Bei der Reorganisation des Heeres war Vespasian ebenfalls stets darauf bedacht, nicht zu souverän aufzutreten. Er zeigte seine Abhängigkeit dadurch, dass er die Soldaten begrüßte und sich „Imperator T. Flavius Vespasianus Caesar“ nannte.[17] Den Titel Caesar übernahmen sowohl Galba und Otho, sondern auch Vespasian. Als Letzterer ihn an seine beiden Söhne weitergab, war der Name längst eine Institution geworden.[18] Anstatt weggelassen zu werden wurde er von den Kaisern angenommen und spiegelte somit die Kontinuität des Augusteischen Prinzipats wider. Vespasian ging ganz in der Truppe auf und hob sich kaum von ihr ab. Dadurch entsprach er dem altrömischen Feldherrnideal,[19] was wiederum als Beleg dafür gesehen werden kann, dass sich Vespasian an altrömischen Tugenden, Traditionen und Vorbildern orientierte. Der Kaiser stellte vor allem die Kontinuität mit dem julisch-claudischen Prinzipat, insbesondere die rühmlichste Zeit, von Augustus angefangen bis hin zu Claudius, zur Schau.[20] Die politische Zerrüttung erforderte die Neugründung der Stadt Rom. Dabei verzichtete Vespasian auf leere Titel und bevorzugte statt dessen den inneren Aufbau,[21] ähnlich wie Augustus, den er sich als Vorbild nahm und wie dieser „göttliche Ehren“[22] erlangen wollte. Augustus bzw. Caesar standen auch Pate für Vespasians Bezeichnung „adsertor libertatis“.[23] Um der römischen Bevölkerung ein Zeichen dieses Neuaufbaus zu liefern, ließ er das Capitol wieder errichten und beteiligte sich sogar eigenhändig daran.[24] Dadurch gewann er die Zustimmung der Massen, die ihn infolgedessen als „conservator“ und „restitutor“ bezeichneten und die Familie der Flavier insgesamt als die Vertreter des Römertums sahen.[25] Indem Vespasian den Tempel des Divus Claudius vollenden ließ, wandte er sich bewusst von Nero ab, dem fälschlicherweise vorgeworfen wurde den Tempel absichtlich zerstört zu haben um die Vergöttlichung des Claudius zu verhindern.[26] Diesen verehrte Vespasian weiter als Bauherr von vielen nützlichen Konstruktionen, wie etwa Häfen und Aquädukten, die bei der Bevölkerung mehr Beifall fanden als andere Bauwerke.[27] Vespasian trat sowohl als Bauherr und Richter, als auch als Herr des Friedens auf[28] und er hatte die drei typischen Eigenschaften eines idealen Feldherrn inne: Er war „civilis“, obwohl er der „primus inter pares“ war, er war „clemens“ und er besaß „mediocritas pristina“.[29]

Obwohl Vespasian an frühere Formen anknüpfte, zeigte die Verbindung von Kaisertum und Konsulat dennoch, dass Neros Vorstellungen auch bei den Flaviern weiterwirkten.[30] So erließ Vespasian die „lex de imperio Vespasiani“, in der Vollmachten zum Schutz der „res publica“ festgelegt waren.[31] Damit suggerierte er aber, dass der Staat nur durch seine Autorität geschützt werden konnte und somit legitimierte er den Prinzipat.

Als Oberhaupt der römischen Gesellschaft setzte Vespasian selbst ein Exempel, indem er den gemäßigten Lebensstil und den Gehorsam eines öffentlichen Dieners, wie es in Tacitus Biographie von Agricola gefeiert wurde, pries und als modernes Äquivalent des Ruhmes und des Patriotismus der alten römischen Helden darstellte.[32]

Ein mit der flavischen Ideologie verbundener Aspekt kann in den Urkunden gefunden werden, in denen Vespasian den Spaniern latinische Rechte garantierte. Während die Magistrate der Stadt nur für den Bau von Tempeln und nützlichen Strukturen verantwortlich waren, wurden die Bürger dazu aufgefordert Einrichtungen für das allgemeine Wohl der Gesellschaft zu errichten.[33]

2.2 Vespasians Legitimation durch Legenden

Es gibt zahlreiche Anekdoten über die frühen Jahre von Vespasians Karriere. Die meisten von ihnen sind Erfindungen, die erst nach der Kaiserkrönung gemacht worden waren.[34] Folgende Geschichte ist bei Sueton zu finden:

Prandente eo quondam canis extrarius e trivio manum humanam intulit mensaeque suiecit. Cenante rursus bos arator decusso iugo triclinium irrupit ac fugatis ministris quasi repente defessus procidit ad ipsos accumbentis pedes cervicemque summisit. Arbor quoque cupressus in agro avito sine ulla vi tempestatis evulsa radicitus atque prostrata insequenti die viridior ac firmior resurrexit.[35]

[...]


[1] Vgl. D. Kienast: Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 1990, S.108; Sueton: De Vita Caesarum. Liber VIII, Übersetzt und herausgegeben von Hans Martinet, Stuttgart 1991, Vespasian 6.3.

[2] Vgl. Ronald Mellor: The new aristocracy of power, in: Flavian Rome, A.J.Boyle (Hrsg.), Leiden 2003, S.69-101, hier: S.69.

[3] Vgl. u.a. Hermann Bengtson: Die Flavier, München 1979, S.89; Mellor: The new aristocracy, S.69.

[4] Vgl. H.R. Graf: Kaiser Vespasian. Untersuchungen zu Suetons Vita Divi Vespasiani, Stuttgart 1937, S.3.

[5] Vgl. Bengtson: Die Flavier, S.82 ff.

[6] Ebd., S.89. Vgl. dazu Miriam Griffin: The Flavians, in: The Cambridge Ancient History XI. The high empire A.D.70-192, 2nd edn., Alan K. Bowman, P. Garnsey and D. Rathbone (eds), Cambridge 2000, S.1-83, hier: S.2: „He never attempted to hide the fact that his background was, at most, equestrian on his father´s side, for even as emperor, he continued to visit regularly the house in Cosa where his paternal grandmother Tertulla had raised him after his father´s death.”

[7] Vgl. Barbara Levick: Vespasian, London and New York 1999, S.65.

[8] Vgl. Hermann Graßl: Untersuchungen zum Vierkaiserjahr 68/69 n.Chr., Wien 1973, S.40.

[9] Ebd., S.26.

[10] Ebd., S.40 f.

[11] Vgl. Griffin: The Flavians, S.16.

[12] Vgl. Graf: Vespasian, S.67. Dazu meint Griffin: The Flavians, S.18f.: „In addition to avoiding friction and providing security, Vespasian may have wished to reinforce the impression that Titus was the military arm of the regime: the prominence of Imperator in his titulature may have had a similar function.”

[13] Vgl. Griffin: The Flavians, S.17 f. Titus wird schon während der Herrschaft seines Vaters als „Imperator“ bezeichnet, was seine Position dem Vater gegenüber umso problematischer machte.

[14] Ebd., S.16.

[15] Vgl. Bengtson: Die Flavier, S.100; Vgl. Mellor: The new aristocracy, S.80.

[16] Vgl. Griffin: The Flavians, S.16. “Now the former was given a belated public funeral and a statue in the forum, while the latter was appointed governor of Britain … then made suffect consul for the second time in 74.” Weitere Familienmitglieder erwähnt Griffin auf S.16 f.

[17] Vgl. Levick: Vespasian, S.66.

[18] Vgl. Griffin: The Flavians, S.14.

[19] Vgl. Graf: Kaiser Vespasian, S.30, bezieht sich auf: Tacitus: Historien, Herausgegeben und übersetzt von Helmuth Vretska, Stuttgart 1984, hier: II, 5.

[20] Vgl. Griffin: The Flavians, S.11.

[21] Vgl. Graßl: Vierkaiserjahr, S.101.

[22] K. Scott: The imperial cult under the Flavians, 1936, S.2.

[23] Vgl. Graf: Kaiser Vespasian, S.31.

[24] Vgl. Graßl: Vierkaiserjahr, S.102.

[25] Ebd., S.103 ff.

[26] Vgl. Griffin: The Flavians, S.19.

[27] Ebd.

[28] Vgl. Graf: Kaiser Vespasian, S.78.

[29] Ebd., S.88.

[30] Vgl. Graßl: Vierkaiserjahr, S.112.

[31] Ebd., S.46.

[32] Vgl. Griffin: The Flavians, S.25.

[33] Vgl. Griffin: The Flavians, S.18.

[34] Vgl. Levick: Vespasian, S.67.

[35] Sueton: De Vita Caesarum. Liber VIII, Übersetzt und herausgegeben von Hans Martinet, Stuttgart 1991, hier: Divus Vespasianus, 5 (4). Bei Cassius Dio ist eine ähnliche Stelle zu finden: Vorzeichen und Träume waren Vespasian schon lange vorher zuteil geworden und hatten ihm die Kaiserwürde verkündet: Zum Beispiel näherte sich ihm auf dem Landgut, wo er seine meiste Zeit verbrachte, ein Ochse während der Mahlzeit, kniete sich nieder und legte das Haupt unter seine Füße. Ein andernmal wieder, als Vespasian ebenfalls speiste, ließ ein Hund eine Menschenhand unter die Tafel fallen. Cassius Dio: Römische Geschichte, Übersetzt von Otto Veh, Herausgegeben von Andresen, Fuhrmann, Gigon, Hornung, Rüegg, Zürich/München, hier: 65,1 (2).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Herrschaftsideologie der flavischen Kaiser
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V94002
ISBN (eBook)
9783638070898
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herrschaftsideologie, Kaiser
Arbeit zitieren
Markus Friedrich (Autor:in), 2005, Die Herrschaftsideologie der flavischen Kaiser, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94002

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