Was ist ein Netzwerk? Versuch einer Annäherung an diesen unscharfen Begriff durch die Beobachtung von Alltäglichem


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Methodik

3 Der Morgen

4 Das Telefongespräch

5 Der Netzwerkbegriff in der Werbung - das Beispiel TeleSon ‚Nullsensation‘

6 Fähigkeit zum networking - Notwendigkeit für moderne Arbeitnehmer ?!

7 Exkurs: Überlegungen zu einem System der Erfassung von Be- kanntschaftsgraden in personenbezogenen (sozialen) Netzwerken

8 Computernetzwerke

9 Zusammenfassung und Definition

10 Schlussbetrachtung

Literatur

1 Einleitung

In unserem Seminar „Netzwerke in der Gesellschaft - Gesellschaft als Netzwerk“ ist unzählige Male der Begriff Netzwerk gefallen. Und auch wenn das den geneigten Leser überraschen mag, ist der Autor dem Begriff allenfalls marginal näher gekommen. Im Gegenteil scheint es so, als ob das Seminar in diesem Zusammenhang mehr für Verwirrung als für Aufklärung gesorgt hätte. Dazu haben wesentlich zwei Dinge beigetragen. Zum einen der inflationäre Gebrauch des Begriffs im Alltagsleben und zum anderen die nicht beendete Diskussion um den Begriff im Seminar selbst. Zwar wurde versucht Begriffe zu finden, die subjektiv eine gewisse Ähnlichkeit mit ‚Netz‘ oder ‚Netzwerk‘ aufweisen - es wurde vom Sieb über die Hängematte bis hin zum Kescher alles mögliche genannt - aber spätestens wenn es darum ging genau zu benennen, warum diese Begriffe als ähnlich empfunden wurden, kam die Diskussion ins Stocken. Ein Kommilitone gab zu bedenken, dass man sich dem Begriff ‚Netzwerk‘ semantisch nähern müsste; vor allem die Silbe ‚werk‘ dürfe nicht vergessen werden. Sie würde bedeuten, dass ein Netzwerk immer in irgendeiner Form ‚gemacht‘ sei, also durch menschliches Handeln produziert.

Sicherlich wäre es ohne Schwierigkeiten möglich gewesen sich noch etliche Stunden oder gar Tage mit der eigentlichen Bedeutung des Begriffes Netzwerk (und seiner Abgrenzung zu anderen Begriffen, seinem häufigen Gebrauch oder der Frage seiner scheinbaren Konstruiertheit) zu beschäftigen. Da dies aber nicht das originäre Anliegen des Seminars war, blieb zumindest bei einigen Teilnehmern die Frage nach den Eigenschaften eines Netzwerkes offen.

Nun ist eine offene Frage etwas, was den Studenten oder die Studentin gemeinhin beschäftigen sollte und es ist anzunehmen, dass - um mit Max Weber zu sprechen wenn man in unserer intellektualisierten Welt etwas nicht weiß, „man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte“ (WEBER 1919:488).

Diesen wissenschaftlichen Grundsatz als Motivation annehmend - auch wenn sicherlich Situationen erdacht werden könnten, in denen er nicht bzw. noch nicht gilt - ist der nächste Schritt eine geeignete Methode zu finden, mit welcher der jeweiligen Fragestellung nachgegangen werden kann. Die aufgeworfene Frage nach einer Definition von Netzwerk und seinen Eigenschaften, bietet unterschiedliche Ansatzmöglichkeiten. In dieser Arbeit soll über die Beobachtung von Alltäglichem eine Annäherung an den Begriff des Netzwerks erfolgen. Daher mag an manchen Stellen eine eher umgangssprachlich-erzählende Schreibweise auffindbar sein. Dies ist im Sinne der gewählten Methodik jedoch beabsichtigt, um den Gedankengang beim Interpretationsprozess der einzelnen Situationen nachvollziehbarer zu machen.

2 Methodik

In dieser Arbeit werden Situationen bzw. Dinge beschrieben, denen der Autor im Verlauf eines Tages begegnet ist. In diesen taucht entweder der Begriff Netzwerk oder netzwerken (bzw. die entsprechenden englischen Äquivalente) auf oder der Autor versucht die Situation bzw. die Dinge als Netzwerk zu verstehen, ohne dass sie sich selbst als solches darstellen. Denn wie BOMMES & TACKE (2006:37) dazu feststellen, bezeichnen sich „nicht alle Netzwerke [] selbst als solche, und umgekehrt kann nicht unbesehen jede Selbstdarstellung als Netzwerk soziologisch für bare Münze genommen werden - jedenfalls dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass es wissenschaftlich möglich ist, begrifflich genauer zu fassen und abzugrenzen, was als ein Netzwerk gelten kann und was nicht.“ Bei dieser Methodik muss die „system- und konjunkturspezifische Bedeutung“ (BOMMES & TACKE 2006:38) des Netzwerkbegriffs beachtet werden, damit dieser für unterschiedliche gesellschaftliche Kontexte respezifizierbar bleibt.

Der Autor hat versucht seinen Tagesablauf nicht unbewusst zu verändern, um mehr oder weniger Möglichkeiten zu haben, den Netzwerkbegriff zu schärfen. Natürlich kann ein Tag auch nicht für jeden Tag des Lebens stehen. So gäbe es sicher noch mehr Möglichkeiten die jeweilige Situation als Netzwerk zu denken, wenn mehrere Tage beobachtet werden würden. Beispielsweise benutzt der Autor nicht jeden Tag das europäische Fernstraßennetz. Diese Tatsache tut der hier vorgenommenen Untersuchung jedoch keinen Abbruch, da die Intention dieser Arbeit ist, sich dem Netzwerkbegriff zu nähern und nicht jede vorstellbare Alltagssituation daraufhin zu überprüfen, ob sie mit dem Netzwerkbegriff passend beschrieben werden kann. Es wurde dem Autor im Laufe des Tages sehr schnell klar, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt ‚Netze‘ oder ‚Netzwerke‘ zu denken - auch in Situationen in denen normalerweise keine Rede davon wäre, es sei denn eine Beobachtung der hier vorgenommenen Art stünde an.

Andererseits mag die Tatsache, dass sich der Autor vorgenommen hatte explizit darauf zu achten, welche Dinge oder Situationen des Alltags für die Definition des Netzwerks gewinnbringend sein könnten, dazu geführt haben, dass manche Beobachtung etwas konstruiert oder überspitzt erscheint. Das ist aber nicht als Schwäche zu sehen, sondern vielmehr als der Versuch möglichst keine Situation zu verpassen, dem Netz- werkbegriff seine Unschärfe zu nehmen. Alle Namen von Bekannten wurden durch ‚Person Buchstabe‘ ersetzt.

3 Der Morgen

Der Wecker klingelt, ich stehe auf. Ich erinnere mich, dass heute der Tag ist, an dem ich meinen Alltag beobachten wollte, um Situationen aufzuspüren, die geeignet sind sich dem Netzwerkbegriff anzunähern. So taste ich nach meinem Wecker um dem Klingeln ein Ende zu machen und gehe ins Bad. Mein Wecker ist batteriebetrieben, ist also nicht vom Stromnetz abhängig. Nur einen Moment später fällt mir jedoch ein, dass es ein Funkwecker ist und somit doch vielleicht Teil eines Netzwerkes. Diesen Gedanken aufgreifend, versuchte ich mir vorzustellen, wie genau ein elektronisches Gerät mit dem was gemeinhin als Stromnetz bezeichnet wird, verbunden ist.

Ein elektronisches Gerät, bspw. ein Bügeleisen, hat genau eine Verbindung über die es kommunizieren könnte - den Netzstecker. Gleiches gilt für den Toaster, die Kaffeemaschine und den Wasserkocher. Ich blieb gedanklich beim Toaster hängen. Betrachtet man den Toaster genauer, kann man dann sagen, dass er Teil eines Netzwerkes ist? Eher nicht, da er wie schon erwähnt nur eine Verbindung hat mit dem er bspw. mit dem Umspannwerk kommunizieren kann. Aber stimmt das eigentlich? Schließlich kommuniziert der Toaster mit mir; er zeigt mir an wann mein Toast den gewünschten Bräunungsgrad erreicht hat. Und ich kann mit ihm kommunizieren, denn ich zeige ihm wie lange er toasten soll - bei meinem Toaster durch das Drehen eines Rädchens. Aber ist es möglich dies als Netzwerk zu betrachten, also mich, den Toaster und das Umspannwerk? Ich denke nicht. Die Teilnehmer dieses Netzwerkes hätten nicht die Möglichkeit autark zu kommunizieren oder sich bewusst aus diesem Netzwerk zu entfernen. Der Toaster ist nur Teil meines Netzwerkes (und Teil des Stromnetzes), wenn ich das möchte und er kann nicht kommunizieren, ohne dass ich ihn dazu auffordere.

Es ist also nicht von einem Netzwerk zu sprechen, wenn die Teilnehmer sich nicht entscheiden können, aus diesem auszutreten oder wenn sie über stark unterschiedliche Möglichkeiten der Kommunikation verfügen bzw. in ihrer Möglichkeit zur Kommunikation von anderen abhängig sind - wie z.B. in einer Hierarchie (vgl. POWELL 1990:300-301).

4 Das Telefongespräch

Nachdem ich dann aus dem Badezimmer kam, rief ich Person A an, um zu erfahren wie weit die Planungen zum lange ins Auge gefassten Pokerabend gediegen waren. Schon während des Wählens dachte ich darüber nach, ob die technischen Aspekte des Telefonierens zu meinen Netzwerküberlegungen beitragen könnten. Im Nachhinein informierte ich mich darüber wie eigentlich ein Gespräch bei einem ISDN-Anschluss vermittelt wird. Zusammenfassend ist zu sagen, dass es mehrere hierarchische Ebenen der Vermittlung gibt (VE:A = Auslandsvermittlungsstelle, VE:F = Fernvermittlungsstelle, VE:O = Ortsvermittlungsstelle) (ENDE 2006:7). Da es sich um ein Ortsgespräch handelte, musste das Gespräch nur über die VE:O vermittelt werden. Die folgende Abbildung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Struktur der Vermittlungstechnik des Telefonnetzes.

Quelle: eigene Darstellung nach ENDE 2006:7

Der einzelne Teilnehmer ist zunächst direkt mit der VE:O verbunden. Wenn ein Telefongespräch nicht über das Ortsnetz hinaus geht - i.d.R. sind etwa 10.000 bis 100.000 Teilnehmer zu einem Ortsnetz zusammengefasst - dann wird hier das Gespräch direkt vermittelt. Entsprechend wird ein Ferngespräch über die VE:F und ein Auslandsgespräch über die VE:A vermittelt. VE:Fs und VE:As sind jeweils mit anderen VE:Fs und VE:As verbunden. Die VE:Os sind sternförmig um die VE:Fs organisiert (vgl. ENDE 2006:7).

Technisch gesehen nutze ich also eine Struktur ähnlich dem Stromnetz, wenn ich telefoniere. Dies ergibt sich aus der umfassenden Betrachtungsweise aller Vermittlungsstellen und Endgeräte nebst den möglichen Verbindungen. Anders sieht es bei der isolierten Betrachtung der Gesprächsteilnehmer aus. Dann sind Person A und ich, in dem Mo- ment, als sie abhob eine Verbindung eingegangen in der nur wir beide existieren. In Abbildung 2 ist dies skizziert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Telefongespräch.

Quelle: eigene Darstellung

In dieser isolierenden Betrachtungsweise kann man eher nicht von einem Netzwerk sprechen. Es gibt zwar eine Verbindung und auch zwei Punkte/ Teilnehmer, aber eben auch nicht mehr. Nun ergab sich, dass Person A auch keine weitergehenden Informationen hinsichtlich des Planungsstandes des Pokerabends hatte. So beschloss ich kurzerhand die Vorzüge des ISDN-Anschlusses zu nutzen und Person B zum Gespräch hinzuzuziehen. Ich wollte also eine Dreierkonferenz eingehen. Dazu hielt („parkte“) ich das Gespräch mit Person A und wählte die Nummer von Person B. Diese wohnt allerdings nicht im gleichen Ortsnetzbereich, so wurde das Gespräch über ‚meine‘ VE:O und die angeschlossene VE:F zu der entsprechenden VE:O weitervermittelt. Es klingelte und Person B hob ab. Ich initialisierte die Dreierkonferenz, so dass wir die Planung nun zu dritt fortsetzen konnten.

Dabei hatte sich die Situation in Abbildung 2 verändert. Wir waren nunmehr drei Teilnehmer, wobei hier zwischen technischer und sprachlich-praktischer Verbindung unterscheiden werden muss. Von dem Moment an, da ich die Dreierkonferenz einleitete bis zu dem Moment, da sie fertiggestellt war änderte sich die sprachlich-praktische Situation gleich mehrfach. Abbildung 3 gibt hier eine kurze Zusammenfassung. Person B hob ab und wir konnten zu dritt telefonieren. Dabei können alle gleichzeitig sprechen und es sind auch immer alle zu hören.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Was ist ein Netzwerk? Versuch einer Annäherung an diesen unscharfen Begriff durch die Beobachtung von Alltäglichem
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V94551
ISBN (eBook)
9783640101153
ISBN (Buch)
9783656626237
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Netzwerk
Arbeit zitieren
Henning Mertens (Autor:in), 2008, Was ist ein Netzwerk? Versuch einer Annäherung an diesen unscharfen Begriff durch die Beobachtung von Alltäglichem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94551

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