Die Front im Kino: Ernst Lubitschs Anti-Nazi-Satire To Be Or Not To Be


Hausarbeit, 2002

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Zu Thema und Zielsetzung der Arbeit

1. Die Schauspieler in “To Be Or Not To Be”
1.2. Das Bild von Warschau in „To Be Or Not To Be“

2. Die Nazis in „To Be Or Not To Be“
2.2. Der Nazi - Humor in „To Be Or Not To Be“

3. Fazit : „To Be Or Not To Be“ ein typischer Lubitsch Film?

Literaturangaben

Einleitung: Zu Thema und Zielsetzung der Arbeit

„Endlich kommt es auch zu uns! Das Meisterwerk von Ernst Lubitsch. Hier geht es wirklich um Sein oder Nichtsein. Schauspieler spielen um ihr Leben!“

So schwärmte der deutsche Original-Trailer[1], als „Sein oder Nichtsein“ mit einiger Verspätung 1960 endlich in die hiesigen Kinos kam. Der kleine Verleih Hamburger Deutsche Film hatte sich Lubitschs Spätwerk angenommen und vermarktete es mit dem unpassenden Beinamen „Heil Hamlet“.

Der Film galt jahrzehntelang als heikel und eine Veröffentlichung in Deutschland als risikoreich. Zu radikal waren bereits die Anfeindungen gewesen, die Lubitsch 1941 mit seinem Film in den USA ausgelöst hatte. In den Vereinigten Staaten führten Anti-Nazi-Satiren Ende der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre zu heftigen emotionalen Reaktionen und kaum zu den anvisierten Lachern. Hatte Charlie Chaplins „The Great Dictator“ 1940 noch wohlwollende Zurückhaltung geerntet, reagierte die amerikanische Öffentlichkeit und Presse auf „Sein oder Nichtsein“ empört. Als Lubitsch im November 1941 mit den Dreharbeiten begonnen hatte, waren die Vereinigen Staaten noch nicht direkt in den II. Weltkrieg involviert. Ganz anders stellte sich die Situation dar, als die Dreharbeiten am 23. Dezember beendet wurden: Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor vom 7.Dezember hatten Italien und das Dritte Reich den USA am 11. Dezember den Krieg erklärt. Doch im nachhinein erscheint der Zeitpunkt nicht nur aus weltpolitischen Gründen ungünstig - Hauptdarstellerin Carole Lombard fand kurz vor dem Starttermin bei einem Flugzeugabsturz den Tod, während sie auf einer Amerikatournee für Kriegsanleihen warb.

Man unterstellte Lubitsch, er belustige sich auf Kosten eines okkupierten und blutenden Polens. Die New York Times befand seinerzeit, der Film sei geschmacklos, verharmlose die faschistischen Verbrechen und Verbrecher und so wie er ist, „one has a strange feeling, that Mr. Lubitsch is a Nero, fiddling while Rome burns.“[2].

Während sich Chaplin später von seiner Hitler-Satire distanzierte, und versicherte, „ hätte ich etwas von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewußt, ich hätte The Great Dictator nicht zu zustande bringen... können“[3] verteidigte Lubitsch seinen Film verbissen. Wie sehr ihn die negativen Rezensionen und Reaktionen kränkten, läßt sich an und in diversen späteren Briefkorrespondenzen mit Kritikern des Filmes ab-, bzw. nachlesen. Lubitsch fühlte sich missverstanden, sich und seinen Film fälschlicherweise in Verruf gebracht.

Angesichts der unterschiedlichen Positionen, die Chaplin und Lubitsch zu ihren Anti-Nazi-Satiren einnahmen, und der dogmatischen Ablehnung, auf die „Sein oder Nichtsein“ traf, wird die Arbeit der Frage nach den Möglichkeiten, das Entsetzen und das Entsetzliche satirisch aufzuarbeiten nachgehen. Allgemein gilt die Aussage, daß Humor, zumindest in Friedenszeiten, keine geschmacklichen Grenzen kennt. Aber verliert der Humor in Krisenzeiten seine Unschuld, oder sollte gerade dann gelacht werden?

Im ersten Abschnitt soll dem Vorwurf nachgegangen werden, der emigrierte Regisseur treibe Scherze auf Kosten eines leidenden Polens. Hierbei wird beleuchtet, wie Lubitsch die polnische Darstellertruppe inszeniert. Diffamiert die Präsentation ihrer Schwächen und Eitelkeiten die Theaterkünstler, immerhin Bürger des unterdrückten Polens, in unangemessener Art und Weise und macht sie zu Witzfiguren? Anschliessend soll in einigen Beobachtungen eruiert werden, welches Bild Lubitsch von Warschau skizziert.

Das zweite Kapitel wird den Vorhaltungen gelten, „To Be Or Not To Be“ bagatellisiere die nationalsozialistischen Greueltaten und -täter. Professor Siletzky und Gruppenführer Erhardt werden als Beispiel dienen, um aufzuzeigen, wie in „To Be Or Not To Be“ das Terrorregime und dessen Macht- sowie Befehlsstrukturen dargestellt wird, und den Film von den Beschuldigungen hoffentlich entlasten können. In einem weiteren Schritt wird diesbezüglich auch auf Filmzitate eingegangen, die 1941 so viel Widerwillen hervorriefen. Als Beispiel soll an dieser Stelle nur das Erhardt-Zitat: „ Was der (Tura, Anmerk. des Verfassers) mit Shakespeare gemacht hat, das machen wir heute mit Polen“ aufgeführt werden.

So mancher Filmkritiker und -historiker vertritt die Ansicht, „Sein oder Nichtsein“ verdanke seine Qualität gerade einer ihm eigenen „spezifischen Konstellation von Theater- und Naziprotagonisten“[4]. Erst das komplexe Zusammen- und Verwirrspiel von Politik und Theater sorgt für das Gleichgewicht in der vielschichtigen Komödie. Diesem Standpunkt soll im Schlußwort das Interesse gelten, welches zudem noch die Frage erörtern wird, wie sich „To Be Or Not To Be“ in dem Oeuvre Lubitschs einordnen läßt.

1. Die Schauspieler in “To Be Or Not To Be”

„I have also satirized the attitude of actors who always remain actors regardless how dangerous the situation might be, which I believe is a true observation.”[5]

(Ernst Lubitsch)

„To Be Or Not To Be“ ist zunächst eine Satire über Schauspieler, ihre kleinen Schwächen, den Ehrgeiz, die Kollegen an die Wand zu spielen, die ganz großen Hoffnungen und vor allem die Berufskrankheit Eitelkeit. Im-Film-Regisseur Dobosh will ein „ernstzunehmendes Stück, ein realistisches Zeitdrama, ein Dokument Nazi-Deutschlands“ aufführen. Aber sein „Gestapo“-Projekt wird von seinen Schauspielern immer wieder sabotiert. Jeder nutzt die Gelegenheit, sich unvergesslich in Szene zu setzen, besonders gut auszusehen oder „einen Lacher“ zu bekommen. Nach dem diverse „Heil Hitlers“ vom Flur Hitlers Kommen bekunden, tritt Theaterschauspieler Bronski als eben dieser auf, und grüßt seine Anhänger mit „Heil myself“. Maria Tura, weiblicher Star des Ensembles, hat für ihren Auftritt in der KZ-Szene ein „himmlisches“ rückenfreies Abendkleid ausgewählt.

Nach dem Überfall auf Polen wird das ganze Land zu einer Bühne unter der Regie der Nazis. Der Film ändert an dieser Stelle seine Tonart und kommt nun als tatsächliches Kriegsdrama daher, bis, ausgelöst durch das kurze Abenteuer Maria Turas mit dem jungen Flieger Sobinski, die eitlen Künstler plötzlich mit den Kriegswirren konfrontiert werden. Nun geht es beim Schauspielen nicht mehr um die Gunst des Publikums, auf einmal geht es tatsächlich um Sein oder Nichtsein: ums Überleben. Es beginnt eine Kostümierungskomödie, in der das zuvor geprobte Gestapo-Stück „virtuell als Spiel im Spiel enthalten“ ist.[6]

Als Widerstandskämpfer müssen die Schauspieler in die Rollen verschiedenster Nazigrößen schlüpfen, sich diesen annähern, um wie sie denken und handeln zu können. Die Nazis werden von ihnen imitiert, ihr Verhalten wird vorausgesagt. In diesem Spiel, das von der Bühne herab ins Leben gestiegen ist, müssen sich die Akteure nun natürlich zurücknehmen, und nicht mehr auf Lacher und Beifall bedacht sein. Doch fällt dieser Vorsatz den Darstellern, und besonders Joseph Tura, offensichtlich schwer, und so gestalten sie ihre Nazirollen sehr übertrieben. Als Beispiel könnte man das ältere Ensemblemitglied Rawitch aufführen, der bei seinen Auftritten als Nazi in unendliche Monologe zu verfallen droht, und von seinem

jüngeren Kollegen unterbrochen und zum Abgang gezwungen werden muß. Gemessen an ihren Vorbildern jedoch wirken die Akteure beinahe blass. Auf diese Technik Lubitschs, die Nazis selbst als Schmierenkomödianten, als üble Blender darzustellen, soll allerdings später eingegangen werden.

[...]


[1] Originaltrailer auf der „Citizen Kane“ DVD von 1998, erschienen bei Arthouse

[2] Hake, Ernst Lubitsch - eine deutsche Aufsteigergeschichte, Zitat aus der New York Times vom 7.3.1942,
S. 140

[3] Töteberg (Hrsg.), Metzler Filmlexikon, S. 239

[4] Middel, To be Or Not To Be, in: Karpf (Hrsg.), Ins Kino gegangen, gelacht, S. 104

[5] Middel, To be Or Not To Be, in: Karpf (Hrsg.), Ins Kino gegangen, gelacht, S. 108

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Front im Kino: Ernst Lubitschs Anti-Nazi-Satire To Be Or Not To Be
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Neuere deutsche Literatur und Medien)
Veranstaltung
Ernst Lubitsch
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V9684
ISBN (eBook)
9783638163170
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ernst Lubitsch, Lubitsch, Filmkomödie, Filmsatire, Nazis im Film, Anti-Nazi-Film, Anti-Kriegsfilm, To be or not to be, Widerstand im Film, Faschismus im Film, Carole Lombart, Jack Benny, Sig Ruman
Arbeit zitieren
Benjamin Dostal (Autor:in), 2002, Die Front im Kino: Ernst Lubitschs Anti-Nazi-Satire To Be Or Not To Be, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9684

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