Mencor Olson: Die Logik des kollektiven Handelns


Referat (Ausarbeitung), 1997

22 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

0. Einleitung

1. Theorie der Gruppen und der Organisationen
1.1. Die traditionelle Theorie der Gruppen
1.2. Zum Zweck der Organisation
1.3. Eine Systematik der Gruppen
1.3.1. Die "latente" Gruppe
1.3.2. Die "mittelgroße" Gruppe
1.3.3. Die "privilegierte" Gruppe
1.4. Zusammenfassung

2. Zwangsmitgliedschaft und die Theorie vom "Nebenprodukt" und den "Sonderinteressen"
2.1. Zwangsmitgliedschaft
2.2. Die Theorie vom "Nebenprodukt"
2.3. Die Theorie der "Sonderinteressen"
2.4. "Nicht-wirtschaftliche" Lobbys
2.5. Die "vergessenen Gruppen" - die schweigend leiden

3. Resumé

4. Literatur

0. Einleitung

Der amerikanische Nationalökonom Mencur Olson untersucht in seinem 1968 erstmals erschienem Buch "Über die Logik des kollektiven Handelns" die Entstehung und das Funktionieren von Interessenverbänden. Er analysiert die Dynamik von Gruppen- und Organisationsverhalten und kommt zu dem Schluß, daß sich im allgemeinen nur verhältnismäßig kleine Interessengruppen spontan zusammenschließen und diese durch ihren engen Zusammenhalt oft in der Lage sind, wesentlich größere Gruppen auszubeuten. Die großen unorganisierten und unorganisier baren Gruppen, die einige der wichtigsten Interessen vertreten und zur größten Gruppe gehören, werden dagegen fast immer benachteiligt, es sei denn es wird ihnen durch politische Entscheidungen und staatliche Mittel ermöglicht, sich zu organiseren.

"Große" Gruppen organisieren sich nicht primär zum Zwecke koordinierten Handelns - sie haben als Gruppe keinen Grund dafür. Vielmehr sind es die persönlichen Anreize, die die Einzelnen dazu bringen, sich der großen Gruppe anzuschließen, denn das Handeln des rational bestimmten Menschen beschränkt sich zuallererst auf seine eigenen und individuellen Interessen .

In der vorliegenden Arbeit, möchte ich vorstellen, wie Olson diese Theorie des Gruppenverhaltens erklärt und aus welchen Gründen dennoch große Organisationen existieren, wirksam arbeiten und zudem Macht und Einfluß auf die Politik genommen haben und nehmen.

1. Theorie der Gruppen und der Organisationen

1.1. Die traditionelle Theorie der Gruppen

OLSON sucht zunächst nach den Ursachen für die Entstehung von Gruppen und Interessengemeinschaften. Zusammengefaßt besagen traditionelle Theorien aus der Politikwissenschaft, Soziologie und Sozialpsychologie, daß der Mensch von jeher die "Neigung" oder gar den "Instinkt" gehabt habe, sich in Gruppen zusammenzuschließen. So folgten nach der ersten und ursprünglichsten Gruppe - der Familie und Sippe - Verbände, in denen sich Altersgruppen, Nachbarschaften und andere, relativ kleine Gruppen zusammengefunden haben. In den heutigen "zivilisierten" Industriegesell- schaften verlieren insbesondere verwandtschaftliche Einheiten immer mehr an Bedeutung und werden von "Staaten, Kirchen, größere Unternehmungen, Universitäten und Berufsverbände(n)"1 abgelöst, die die Bedürfnisse und Interessen des "modernen" Menschen erfüllen.

Olson merkt an, daß in keiner dieser Theorien - außer mit dem Hinweis auf den "Instinkt" - etwas über die Ursachen für die Entstehung von Gruppen oder Verbänden gesagt wird. Er bestreitet außerdem, daß in der modernen Gesellschaft die großen Verbände vorherrschen, weil sie dazu geeignet wären, bestimmte Funktionen für den modernen Menschen besser zu erfüllen. Olson hält es für nahezu unwahrscheinlich, daß Menschen aus den gleichen Gründen in kleine wie in große Organisationen eintreten, da es die Größe der Gruppe sei, die determiniere, welche Funktionen von ihr überhaupt erfüllt werden könnten. Abgesehen davon, daß nicht dort lückenlos solche Organisationen entstehen, wie sie benötigt würden, übersehen bisher alle Theorien auch, daß sich kleine und große Gruppen nicht nur dem Grade, sondern auch dem Wesen nach unterscheiden. "Insoweit also als die traditionelle Theorie überhaupt eine Unterscheidung zwischen kleinen und großen Gruppen trifft, geschieht dies offensichtlich im Hinblick auf den Umfang der Funktionen, die sie erfüllen, und nicht im Hinblick auf den Erfolg, den sie dabei haben, oder ihre Fähigkeit, Mitglieder zu gewinnen."2

1.2. Zum Zweck der Organisation

Jeder Mensch ist ein Individuum und hat ganz individuelle und persönliche Interessen, die sich für gewöhnlich am Besten auch durch sein individuelles Handeln verwirklichen lassen. Schwierig ist es jedoch für den Einzelnen, die gemeinsamen Interessen einer größeren Gruppe ganz allein zu verfolgen. Hier wird es durch individuelles und unorganisiertes Handeln kaum möglich sein, den Interessen von Vielen gerecht zu werden. Deshalb ist es in diesem Fall sinnvoll, sich gemeinsam zu organisieren. Für Olson entsteht aus diesem Sachverhalt die Definition der Gruppe: Die charakteristische und primäre Funktion für nahezu alle Organisationen, die "im wesentlichen wirtschaftlich ausgerichtet sind, (...) ist die Förderung der Interessen ihrer Mitglieder."3 Und: "Es ist kein Zufall, daß man von den verschiedenen Arten der aufgeführten Organisationen erwartet, daß sie hauptsächlich für die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder arbeiten."4 So erwartet man z.B. im Allgemeinen vom Staat, daß er sich für die gemeinsamen Interessen seiner Bürger einsetzt.

Um die Bedürfnisse seiner Mitglieder zu befriedigen, bemüht sich eine Organisation "öffentliche Güter" oder auch sogenannte "Kollektivgüter" zu erlangen. Kollektivgütern zeichnen sich dadurch aus, daß man sie niemanden, der Mitglied dieser Gruppe ist, vorenthalten kann. Kollektivgüter sind solche Güter, die jedem Mitglied der Organisation zugänglich und nutzbar sind. Ein Kollektivgut ist bereitgestellt, "...durch die Erreichung eines gemeinsamen Zieles oder die Befriedigung eines gemeinsamen Bedürfnisses."5

Olson definiert den Zusammenhang von Gruppe und Kollektivgut folgendermaßen: "Es gehört zum Wesen der Organisation, daß sie einen unteilbar allen zugute kommenden Vorteil bietet"6 So stellt der Staat z.B. allen seinen Bürgern Verteidigung, Polizeischutz und das System von Recht und Ordnung zur Verfügung. Keinem Bürger dieses Staates kann man die Nutzung dieser Güter verweigern.

1.3. Eine Systematik der Gruppen

1.3.1. Die "latente" Gruppe

Obwohl alle Mitglieder der Gruppe ein gemeinsames Interesse haben, einen ihnen gemeinsam zu nutzenden Vorteil zu erlangen (also ein Kollektivgut), baut Olsons Theorie auf der Tatsache, daß ein rational handelnder Mensch jedoch nicht daran interessiert sein kann, auch die Kosten für die Beschaffung dieses Kollektivgutes zu tragen. Dies ist insbesondere in einer "latenten" Gruppe der Fall: In einer Gruppe die soviele Mitglieder hat, daß keiner es bemerken würde, falls ein Einzelner sich nicht an der Beschaffung des Gutes beteiligt.

Ein Kollektivgut zu beschaffen, kostet Zeit und Geld. Olson nimmt zur Veranschaulichung als Beispiel einen im vollständigen Wettbewerb stehenden Gewerbezweig, der an einem höheren Preis für seine Produkte interessiert ist. Nur durch Eingriffe von außen (z.B. staatliche Preisstützen wie Zölle, Kartelle oder Subventionen) wäre ein höherer Preis zu erzielen. "Um eine solche Unterstützung vom Staat zu erlangen, müssen die Unternehmer dieser Branche wahrscheinlich eine Lobby organisieren."7 Solch eine Organisation aufzubauen und sich darin aktiv zu beteiligen kostet jedoch Zeit und Geld - eben das, was die Unternehmer dieses Gewerbezweiges einsparen wollen. Ein Unternehmer würde - laut Olson - nicht rational handeln, wenn er jetzt Kapital für die Unterstützung einer Lobby opferte, um für seine Branche staatliche Hilfe zu erlangen. Es liegt nämlich nicht in seinem Interesse, sich mit irgendwelchen Kosten zu belasten.

Der höhere Preis, den seine Lobby erkämpfen könnte, wäre ein Kollektivgut, etwas das allen Mitgliedern dieser Gruppe zugute kommen würde. Jeder Unternehmer dieses Gewerbezweiges würde von dem höheren Preis profitieren, unbeachtet, ob er sich an der Organisation der Lobby beteiligt hätte oder nicht.

Da es sehr viele Unternehmer gibt, die dieses Produkt vertreiben, würde keiner bemerken, ob sich dieser Eine beteiligt oder es sein läßt. Dies ist die typische Situation in einer latenten Gruppe: Der Einzelne kann hier keinen entscheidenden und damit fühlbaren Beitrag leisten: "Seine eigenen Anstrengungen werden keinen merklichen Einfluß auf die Situation seiner Organisation haben; er selbst jedoch kann sich jeder Verbesserung erfreuen, die von den anderen herbeigeführt wurde, gleichgültig ob er zur Unterstüztung ihrer Organisation beigetragen hat oder nicht."8 Jedes rational handelnde Mitglied einer latenten Gruppe, habe deshalb keinen Grund, einen Beitrag zur Unterstützung der Organisation zu leisten. Olson behauptet, wenn der Unternehmer einer Organisation beitritt, um höhere Preise für sein Produkt zu erhalten, dann könne er - zur Verwirklichung dieses Ziels - ebensogut auch versuchen, seine Produktion zu drosseln.

Aus diesem Grund gibt es in latenten (sehr großen) Gruppen keinen Anreiz für die Mitglieder, so zu handeln, daß ein Kollektivgut erlangt wird, egal wie wertvoll das Kollektivgut für die Gruppe als Ganzes sein mag.

Zusammengefaßt sind es folgende Faktoren, die große Gruppen davon abhält, ihre eigenen Interessen zu fördern: Mit steigender Mitgliederzahl wird es immer schwieriger überhaupt zu einer Gruppenübereinkunft oder - organisation zu gelangen. Je größer die Gruppe ist, umso höher sind deshalb die Organisationskosten, wie z.B. für Kommunikation, Verhandlung und Bildung. Egal, wie wenig von dem Kollektivgut letzendlich erlangt wird, werden die Kosten der "ersten Einheit eines Kollektivgutes ziemlich hoch sein".9 Sollte dennoch eine große Gruppe es geschafft haben, sich zu organisieren, ist der Anteil, den der Einzelne am erlangten Kollektivgut erhält so klein, daß sich für ihn die Kosten für die Bereitstellung des Guts nicht rentieren würden. Beteiligt er sich deshalb nicht an den Kosten, würde niemand in der Gruppe reagieren, weil sein Beitrag nicht einmal fühlbar wäre.

Ein rational handelnder Mensch wird einer latenten Gruppe deshalb nur dann beitreten, und sich in irgendeiner Form für die Gruppe engagieren, wenn es einen besonderen, selektiven Anreiz gibt.

Ein selektiver Anreiz, ist ein individueller, persönlicher Anreiz, der "selektiv" auf die Einzelperson in der Gruppe wirkt. Latente Gruppen können funktionieren, weil der, der einen Beitrag leistet, anders behandelt wird, als derjenige, der dies nicht tut. Solche Anreize können sowohl positiver, als auch negativer Art sein, d.h. für die Beteiligung an der Organisation kann die Einzelne Belohnung oder Bestrafung erwarten.

Hier greift das Beispiel des Staates: Er stellt - wie bereits erwähnt - eine Menge Kollektivgüter zur Verfügung, die jedem Menschen innerhalb der Nation zugänglich sind (Verteidigung, Polizeischutz, System von Recht und Ordnung). Der Staat kann allerdings nur deshalb existieren, weil er seine BürgerInnen/MitgliederInnen dazu mit Zwang verpflichtet, seine Beiträge - nämlich Steuern - zu zahlen. Kein bedeutender Staat der Neuzeit war lt. Olson in der Lage, sich durch freiwillige Abgaben oder Beiträge selbst zu erhalten. Der selektive Anreiz ist hier also: Bestrafung bei Nichtzahlung der Steuern.

Die große Gruppe nennt Olson deshalb in seiner Untersuchung "latente" Gruppe, weil sie eine latente Macht oder Fähigkeit haben, ihre Mitglieder durch selektive Anreize zu mobilisieren.

1.3.2. Die "mittelgroße" Gruppe

Je kleiner eine Gruppe ist, desto wahrscheinlicher wird es, daß das Kollektivgut bereitgestellt wird. Primär ist dies davon abhängig, ob der Anteil des einzelnen Mitglieds am Gesamtgewinn des Kollektivguts so groß ist, daß sich die Beteiligung an seiner Beschaffung lohnt.

Olson definiert die "mittelgroße" Gruppe als eine solche, in der der Anteil, den der Einzelne aus dem Kollektivgut erlangt, immer noch so gering ist, daß er nicht ohne weiteres bereit sein würde, bei der Bereitstellung mitzuwirken. Der entscheidende Faktor ist jedoch, daß diese Gruppe so klein ist, daß es irgendjemand merken wird, wenn ein Mitglied sich nicht beteiligt. Jedes Mitglied kann hier - im Gegensatz zur latenten Gruppe - einen fühlbaren und entscheidenden Beitrag leisten. In diesem Fall wird sich der Preis des Kollektivguts für die anderen zahlenden Mitglieder spürbar erhöhen. Es ist dann auch damit zu rechnen, das ebenfalls die anderen Mitglieder nicht mehr bereit sein werden, für den "Kauf" des Guts zu investieren, weil für sie selbst der Preis zur Erlangung des Kollektivguts mit jedem abspringendem Mitglied steigt. Es könnte sogar sein, daß sich soviele Mitglieder der Beteiligung entziehen, daß das Kollektivgut schließlich gar nicht mehr besorgt wird, weil die Gruppe der Zahlenden so klein geworden ist, das sich für niemanden mehr die Investition lohnen würde. Jedes Mitglied kann diese Möglichkeit abwägen und überlegen, ob für sie das Kollektvgut so wichtig ist, das sie lieber einen kleinen Teil dazu beiträgt, oder riskiert, daß es schließlich gar nicht bereitgestellt wird.

1.3.3. Die "privilegierte" Gruppe

Olson stellt fest, daß es am Leichtesten für kleine Gruppen ist, sich mit Kollektivgütern zu versorgen. Aus diesem Grunde nennt er sie die "privilegierte" Gruppe.

In privilegierten Gruppen sind die Organisationskosten aufgrund der kleinen Mitgliederzahlen sehr viel geringer und der Anteil, den der Einzelne vom Kollektivgut erhält, ist am Größten. Jedes Mitglied einer solchen Gruppe wird feststellen, daß sein persönlicher Gewinn aus dem Kollektivgut so groß ist, daß sich die Investition auf jeden Fall lohnen würde. Sind kleine Gruppen außerdem "durch einen beträchtlichen Grad an Ungleichheit gekennzeichnet"10, ist die Wahrscheinlichkeit, daß es zur Bereitstellung des Guts kommt am Größten, denn dann würde eventuell sogar nur eine Person allein die gesamten Kosten tragen, wenn sie feststellt, daß der Vorteil, den sie durch das Kollektivgut erhält, so groß ist, daß sich die Investition auch rentieren würde, wenn sie ganz alleine zahlt.

Für die kleine Gruppe kann sich allerdings folgender Nachteil ergeben: Da ein einmal beschafftes Kollektivgüter allen Mitglieder einer Gruppe zur Verfügung steht, sobald einer in der Gruppe es für sich beschafft hat, gibt es für die passiven Mitglied keinen Grund, sich an der Beschaffung des Guts finanziell (oder sonstwie) zu beteiligen. Das Gros der Mitglieder kommt, solange es damit rechnen kann, daß andere Mitglieder ein genügend großes Interesse am Gut haben, kostenlos in den Genuß des erlangten Vorteils. In privilegierten Gruppen tragen also immer die Mitglieder mit den größten Interessen am Kollektivgut den größten Teil der Kosten. Auf diese Weise kommt es deshalb hier oft zur Ausbeutung der "Kleinen" (der Minderheit) durch die "Großen" (die Mehrheit). Auch ist es charakteristisch für kleine Gruppen, daß die Menge des Kollektivgutes nicht das Optimum erreicht, da nur ein Teil der Gruppe sich an seiner Bereitstellung beteiligt.

Priviligierte Gruppen haben einen Vorteil, der bis hierhin noch ausgeklammert wurde: Sie bieten ihren Mitgliedern "soziale Anreize." Jeder Mensch hat lt. Olson den mehr oder minder starken Wunsch, Ansehen, Anerkennung, Prestige oder Achtung zu erlangen. Auch aus diesen Gründen, kann es dazu kommen, daß sich Menschen um eine aktive Mitarbeit in Gruppen bemühen. Gesellschaftliche Stellung und Achtung ist ein individuelles Gut und kann einer der sogenannten "selektiven Anreize" sein, die den Menschen dazu führen, daß sie sich in einer Gruppen engagieren.

Allerdings ist dieser Anreiz im allgemeinen nur in kleinen Gruppen wirksam, denn nur hier stehen Mitglieder im persönlichen Kontakt zueinander, der nötig ist, um sich überhaupt Anerkennung oder Achtung zu zollen. In großen Gruppen hingegen funktionieren solche sozialen Anreize nicht, hier sind die Mitglieder nicht persönlich oder gar freundschaftlich miteinander verbunden. Wenn jemand sich in einer latenten Gruppe nicht engagiert, wird er dafür nicht primär mit dem Verlust ihrer Wertschätzung oder Zuneigung bestraft (Ein Außnahmefall ist denkbar, wenn ein Mitglied sich einer Pflichtbeteiligung entzog und die Nichtachtung dieser Pflicht wird öffentlich bekannt gemacht, wie z.B. bei einer Steuerhinterziehung).

1.4. Zusammenfassung

Olson widerlegt mit seinen Thesen über die Systematik der Gruppen die Behauptung der traditionellen Theorien, die großen modernen Verbände würden heute die Aufgaben der kleinen Primärgruppen übernehmen können. Das Bestehen großer Gruppen läßt sich nicht aus denselben Gründen herleiten, wie das Bestehen kleiner Gruppen. Die Größe der Gruppe ist "einer der bestimmenden Faktoren bei der Entscheidung, ob die freiwillige, rationale Verfolgung individueller Ziele gruppenorientiertes Verhalten hervorbringen oder nicht."11 Tatsächlich sind die große Organisationen nur sehr schwer in der Lage, die Interessen ihrer Mitglieder durch die Bereitstellung von Kollektivgütern zu gewährleisten.

Es ist dennoch so, daß die Funktionen, die viele große Vereinigungen erfüllen, für eine Vielzahl von Menschen einen Vorteil bilden. Olson geht aufgrund seiner Untersuchung über die Gruppengrößen jedoch davon aus, daß die Gründe für die Entstehung großer Gruppen andere sind, als die Gründe, aus denen sich kleine Gruppen bilden. Denn eine große latente Gruppe "wird selbst bei vollkommener Übereinstimmung keine Neigung zeigen, sich so zu organisieren, daß ihre Ziele durch freiwilliges rationales Handeln der Gruppenmitglieder erreicht würden."12 Oder noch deutlicher: Latente Gruppen organisieren sich nicht zum Zwecke koordinierten Handelns, weil sie als Gruppe einen Grund dafür haben. Die Betroffenen treten nicht primär deshalb einer großen Vereinigung bei, um sich bei der Bereitstellung eines Kollektivguts zu beteiligen. Aus welchen anderen Motivationen latente Gruppen entstehen, versucht Olson im Folgenden zu erklären.

2. Zwangsmitgliedschaft und die Theorie vom "Nebenprodukt" und den "Sonderinteressen"

"Wenn die einzelnen in einer großen Gruppe keinen Anreiz haben, eine Lobby zu organisieren, um einen kollektiven Vorteil zu erlangen, wie kann dann die Tatsache erklärt werden, daß manche große Gruppen organisiert sind?"13 Olson erklärt ihre Existenz dadurch, daß die latenten Gruppen ihre Mitglieder durch andere Maßnahmen gewinnen, als nur durch die Bereitstellung kollektiver Güter. Es ist die "latente" Macht, die große Verbände und Organisationen dazu befähigen ihre Mitglieder zu mobilisieren und so ihre kollektiven Güter zu erhalten.

2.1. Zwangsmitgliedschaft

Die Zwangsmitgliedschaft ist einer der Tatsachen, die die Erfolge von latenten Gruppen erklären. Die amerikanischen Gewerkschaften z.B. haben sich lt. Olson deshalb so erfolgreich organisieren können, weil für sämtliche Arbeiter in ihrem Wirkungskreis sowohl die Mitgliedschaft als auch die Unterstützung der von ihnen ausgerufenen Streiks obligatorisch ist.

Als sich die ersten Gewerkschaften, die zunächst lediglich kleine, lokale Vereinigungen waren, sich darum bemühten, höhere Löhne für ihre Arbeiter zu erhalten, wurde sehr schnell klar, daß alle Unternehmen eines Gewerbes mitziehen müßten, damit die Betriebe, die gute Löhne zahlen, auch konkurrenzfähig bleiben und überleben können. Deshalb bemühte man sich zunehmends um die Gewinnung auch überregionaler Mitglieder, sowohl um Arbeiter, als auch um Unternehmer. Man war daran interessiert, daß alle Unternehmungen auf einen Markt gebracht werden, und dort die gleichen Tarife zahlen. Je mehr Mitglieder die Gewerkschaften haben würden, desto besser waren ihre Chancen, ihre Ziele auch durchzusetzen: alle, die nicht in der Gewerkschaft waren, waren gleichzeitg potentielle Streikbrecher, und bedrohten den Erfolg.

Der Erfolg der Gewerkschaften erwuchs aus der Tatsache, daß die Mitgliedschaft in ihnen und die Unterstützung der von ihnen ausgerufenen Streiks obligatorisch war. Alle Nicht-Mitglieder mußten durch den sogenannten "closed-shop"14 empfindliche Nachteile in Kauf nehmen, eine Maßnahme, die den Gewerkschaften ganz besonders zum Gewinn neuer Mitglieder verhalf.

Die Zwangsmitgliedschaft hält Olson in dem Fall der Gewerkschaften für unbedingt legitim. Die Gewerkschaften hätten niemals irgendwelche Forderungen der gesamten Arbeiterschaft durchsetzen können, wenn sie sich darauf verlassen hätten, daß zufriedene Arbeiter freiwillig ihre Beiträge zahlen. Ebensowenig könnte man den Bürgern eines Landes die Wahl überlassen, freiwillig ihre Steuern zu zahlen. Zwangsmaßnahmen sind zumeist notwendig, wenn Kollektivgüter bereitgestellt werden sollen, die ohne selektive Anreize (seien sie nun positiver oder negativer Art) überhaupt nicht bereitgestellt werden würden.

2.2. Die Theorie vom "Nebenprodukt"

Das zentrale Ziel der Gewerkschaften war jedoch zunächst nicht die Erlangung irgendeines Kollektivgutes, sondern die Gewinnung neuer Mitglieder. Sie wußten, daß sie nur mithilfe einer möglichst großen Mitgliederzahl die Macht haben würden, Einfluß zu nehmen und ihre Forderungen durchzusetzen.

Die Gewerkschaften forderten höhere Löhne, obwohl dieses gleichzeitig eine verminderte Anzahl von Arbeitsplätzen bedeuten könnte und dadurch die Arbeiterschaft als Ganzes im Nachhinein schlechter dastehen würde. Dennoch gewann man durch die diese öffentliche Forderung an zahlreichen Mitgliedern - jedes Individuum sah seinen ganz persönlichen Vorteil im Beitritt der Gewerkschaft.

Auch erst durch gezielte Verhandlungen und die Anwerbung von Unternehmern, "die allein die Macht hatten, die Arbeiter zum Eintritt in die Gewerkschaften zu zwingen, begannen sie zu gedeihen."15

Die politische Macht, die die Gewerkschaften heute auszeichnet, haben sie erst dadurch gewonnen, daß sie sich zunächst völlig unpolitisch engagiert haben, sie sind ein Beispiel dafür, daß also ihre politische Macht "ein Nebenprodukt ihrer nichtpoltitischen Tätigkeiten ist."16

Die "Nebenprodukt-Theorie" von Mencur Olson erklärt das Bestehen und Funktionieren von latenten Gruppen. "Das gemeinsame Merkmal, das alle großen wirtschaftlichen Gruppen mit bedeutenden Lobby-Organisationen kennzeichnet, ist, daß diese Gruppen, auch für irgendeinen anderen Zweck organisiert sind. Die großen und mächtigen wirtschaftlichen Lobbies sind tatsächlich die Nebenprodukte von Organisationen, die ihre Stärke und

Anhängerschaft erhalten, weil sie zusätzlich zu ihrer Lobby-Tätigkeit für Kollektivgüter noch andere Funktionen ausüben."17 Diese großen Lobbys verfügen alle über ganz bestimmte selektive Anreize, durch die sie ihre Anhängerschaft gewinnen: Entweder sie haben die Macht, Zwang auszuüben oder sie verfügen über positive Anreize, die sie den Individuen der latenten Gruppe anbieten, d.h. sie bieten ihren Mitgliedern andere wirtschaftliche oder soziale Vorteile weil sie noch für irgendeinen anderen Zweck organisiert sind, als nur für die Bereitstellung von Kollektivgütern: sie "verkaufen" sozusagen auch private Güter.

So gibt es in den Gewerkschaften heute fast keinerlei Zwangsmitgliedschaft mehr, es sind jetzt die positiven Anreize, die die Arbeiter dazu bringen, einer Gewerkschaft beizutreten. Z.B. bieten die Gewerkschaften ihren Mitgliedern Versicherungen im Falle von Krankheit oder für den Rechtsschutz, sie bieten Unterstützung bei der Suche nach Arbeit, vermitteln bei Streitfällen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder stellen Fonds bereit zur Altersvorsorge oder im Falle eines Streiks. Nur in solchen Fällen hat auch in sehr großen Verbänden oder Organisationen die Einzelne einen Anreiz, einen Teil der Kosten zur Erreichung des Kollektivgutes zu tragen - weil sie private Vorteile dadurch erhält.

Als weiteres Beispiel erwähnt Olson eine der größten Interessengruppen der amerikanischen Ärzte, abgekürzt AMA. Die AMA stellt eine Menge sehr wichtiger nicht-kollektiver Leistungen denjenigen zur Verfügung, die sie unterstützen: Sie stellen die Verteidigung für ihre Mitglieder in Prozessen wegen Fehlbehandlung, veröffentlichen maßgebliche medizinische Fachliteratur, geben wichtige Kongresse zu medizinischen und politischen Themen, u.s.w. "Die AMA "hat ihren Mitgliedern Vorteile geboten, die im Gegensatz zu den politischen Leistungen der Organisation den Nichtmitgliedern vorenthalten werden können, und die folglich einen Anreiz bilden, der Organisation beizutreten."18 Die Mitgliederwerbung der AMA kann man im Übrigen schon fast als eine Art von subtilem Zwang ansehen, weil Nicht-Mitglieder innerhalb ihrer Berufsgruppe wesentliche Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Ein weiteres Beispiel ist eine landwirtschaftliche Organisation, die zunächst lediglich als ein genossenschaftlicher Verbund arbeitete. Der Genossenschaft beizutreten war insbesondere für ihre Kunden ein beträchtlicher wirtschaftlicher Vorteil, und so wuchs die Mitgliederzahl der Lobby und mit ihr auch ihre politische Macht. Ihre letzlich erreichte Möglichkeit, Einfluß auf die Politik zu nehmen, war jedoch lediglich ein Nebenprodukt der anderen nicht-politischen Tätigkeiten. Ähnlich erging es einer staatlich subventionierten Organisation, die zur Unterstützung der Landwirte in den U.S.A. gegründet wurde. Sie bot ihren Mitgliedern zahlreiche nicht-kollektive Vorteile: einschlägige Informationsmaterialien wurden versendet, es gab persönliche Betriebsberatungen u.s.w. Die Organisation gewann soviele Mitglieder, daß sie dadurch auch immer mehr an Einfluß und Macht im politischen Bereich gewann - ein Nebenprodukt ihrer nichtpolitischen Tätigkeit. Dieser Fall ist zudem ein Beispiel für ein Interessenverband, der einen ganzen Berufsstand umfaßt, sich aber nur durch staatliche Hilfe zu einem solchen formieren konnte.

2.3. Die Theorie der "Sonderinteressen"

"Der Teil der Gesellschaft, für den die meisten Lobbies arbeiten, sind die Unternehmer."19 Lt. Olson hat hier eine vergleichsweise kleine Minderheit in der Bevölkerung eine gewaltige Macht. Und zwar ist dies aus folgendem Grund möglich: Die Unternehmer verteilen sich auf zahlreiche verschiedene Gewerbezweige, die alle nur aus wenigen Firmen bestehen. Jeder Produktionszweig hat nämlich sogenannte "Sonderinteressen" (zB. die Unternehmen, die in der chemischen Industrie arbeiten, die Holzindustrie, Papierindustrie, Möbelindustrie, etc.), deshalb organisieren sich diese verschiedenen Gewerbezweige auch gesondert. Diese einzelnen Unternehmer aus den einzelnen Produktionszweigen konstituieren in den meisten Fällen nur mittelgroße Gruppen. Mittelgroße Gruppen lassen sich - wie bereits festgestellt - ungleich leichter organisieren als die großen latenten Organisationen, wie z.B. die der Arbeiter, Freiberufler oder Landwirte, und können daher recht leicht zur Förderung ihrer Interessen tätig werden. Zudem haben "praktische Beobachter feststellen könne, daß das organisierte und aktive Interesse kleiner Gruppen dahin tendiert, die nicht-organisierten und nicht-geschützten Interessen großer Gruppen zu obsiegen."20 Der Haupttypus der Organisationen, die die Unternehmerinteressen vertritt, ist der "Handelsverband", der im Schnitt aus 25 bis maximal 50 Mitgliedern besteht. Diese kleine Zahl sieht Olson als ein Grund an, daß es soviele Handelsverbände gibt, die im Übrigen ihren Mitgliedern zudem noch meist einige nicht-kollektive Leistungen bieten (zB. technische Forschungs- und Beratungsdienste). Ein anderer Grund für die Macht der Handelsverbände ist, daß sie meist aus recht vermögenden Unternehmern bestehen, die relativ leicht für die Erlangung eines Kollektivgutes auch etwas investieren können. Außerdem sind diese Handelsverbände meist die einzige organisierte Kraft, wenn es um Entscheidungen geht, die nur ihren Industriezweig betreffen.

Allerdings: haben diese Unternehmer im Grunde genommen nur in den Fragen eine so große Macht, die für sie speziell von großem Interesse sind. Wenn es um Fragen geht, die die Unternehmerschaft als Ganzes betrifft, wird es auch für sie schwierig, sich zu organisieren, denn in diesem Fall sind auch sie nurmehr eine latente oder große Gruppe, die "es mit der organisierten Arbeitnehmerschaft und anderen großen organisierten Gruppen aufnehmen" muß.21 Auch wenn sie sich als eine solche organisiert haben, ist es für sie schwierig, ohne weiteres die direkte Unterstützung der gesamten Unternehmer zu gewinnen. Bisher, so Olson, sei es "die Unternehmerschaft als Ganzes in ihren Versuchen, die Entwicklung zur sozialen Wohlfahrtsgesetzgebung und progressiven Besteuerung hin aufzuhalten, erfolglos geblieben".22 (Eine Entwicklung die allerdings in der gegenwärtigen Situation in der BRD eher rückläufig ist.)

2.1.5. "Nicht-wirtschaftliche" Lobbies

Die erläuterten Theorien vom Nebenprodukt und den Sonderinteressen erklären die Existenz der wichtigsten wirtschaftlichen Interessenverbände, treffen jedoch nicht auf Organisationen zu, in denen die Mitglieder nicht rein nach rationalen Gesichtspunkten agieren. Die Existenz von Verbänden, die politische, religiöse oder philanthropische Ziele verfolgen, also für Vorteile kämpfen, die nicht allein ihren Mitgliedern zugute kommen, kann durch diese Theorien nicht erklärt werden. Olson geht in seiner Untersuchung von dem Verhalten des "homo oeconomicus" aus, die Gründe für nicht-rationales und ideologisches Verhalten müsse man eher auf dem Gebiet der Psychologie oder der Sozial-Psychologie suchen.

In einigen Organisationen, die sich für die Durchsetzung ideologischer Ziele einsetzen, kann man feststellen, daß ihre meist philantropischen Gründe für das Engagement in diesen Gruppen relativ unbedeutend sind. Ein Beispiel dafür sind politische Parteien. Deren formale Organisationen haben zumeist wenige Mitglieder und sind schlecht strukturiert. Vielmehr winken die gut organisierten Partei-Apparate mit persönlichen, nicht-kollektiven Anreizen, in Form von gutbezahlten und gesellschaftlich angesehenen Ämtern. Ein Großteil der politisch-engagierten sind außerdem Geschäftsleute und andere Vertreter von Interessenverbänden, die bei gewichtigen Entscheidungen für ihre Unternehmen Einfluß nehmen wollen.

Manche Theorien besagen, daß alles individuelle Verhalten von Menschen aus rationalen Gesichtspunkten geschieht, d.h. durch alles Handeln erwartet man sich einen persönlichen Vorteil. So seien Menschen z.T. in religiösen Verbänden engagiert, weil sie sich dadurch z.B. ein besseres Leben nach dem Tode erhoffen, oder ansonsten in Angst vor Strafe durch eine höhere Macht leben würden. Menschen würden sich in Wohlfahrtsorganisationen engagieren, weil sie sich eine individuelle Befriedigung davon versprechen: Das eigene Selbstwertgefühl oder/und ihr soziales Ansehen steigt.23

2.5. Die "vergessenen Gruppen" - die schweigend leiden

Die unorganisierte Gruppe ist lt. Olson die größte, und vertritt im Grunde die lebenswichtigsten Interessen: Die Angestellten, Steuerzahler, Konsumenten, Leute die Frieden oder Krieg wünschen, die eine Inflation oder Depression verhindern möchten.

Diese Menschen werden die Schritte, die sie zur Wahrung ihrer Interessen beitragen könnten, nicht freiwillig tun, denn sie wissen, daß ihr Tun nichts spürbares verändert. Genauso logisch wäre es, lt. Olson, wenn man anfangen würde, seinen Konsum zu steigern, weil man eine Depression verhindern will, oder wenn man beginngen würde zu sparen, weil man glaubt, dadurch eine Inflation aufhalten zu können.

3. Resumé

Mencur Olson hat im Rahmen seiner Untersuchung zahlreiche orthodoxe Theorien über das Entstehen und Wirken von Gruppen hinterfragt und auch widerlegt. So ging Karl Marx in seiner Theorie des Staates und der Klasse24 davon aus, daß es zu einem Klassenkampf zwischen allen organisierten menschlichen Interessengruppen kommen würde, weil diese durchweg egoistisch und nur für ihre eigenen individuellen Vorteile handeln würden. Zudem würde ihnen jedes Mittel recht sein, um ihre Interessen durchzusetzen. Doch es kam niemals zu einem solchen Klassenkampf weil gerade das Egoistische und das Rationale vorherrscht und die Menschen sich nicht freiwillig und ohne genügend große individuelle Anreize zu großen Interessenverbänden zusammenschließen.

Nicht-marxistische Philosophen gingen davon aus, daß sich die verschiedenen Interessenverbände immer gegenseitig im Gleichgewicht halten. Der Wirtschaftswissenschaftler John R. Commons25 ist der Überzeugung, daß die zahlreichen Interessenverbände (oder auch Pressure-Groups) das Volk wesentlich besser repräsentiere, als alle gesetzgebenden Körperschaften. Einige Poltikwissenschaftler sind der Meinung, man könne erst dann von einem bestehendem Interesse sprechen, wenn es in einer Gruppenhandlung Ausdruck gefunden hat. Das Interesse der größeren Gruppe würde sich dann immer gegenüber dem speziellen Interessen der Minderheit durchsetzen und letzendlich seien es auch die Interessen der großen Gruppen, die die Handlung der Regierenden bestimmen würden. Diese Theoretiker gehen im Grunde davon aus, daß alle Interessen und Bedürfnisse der Menschen in organisierten Gruppen ihren Ausdruck finden würden und das alle Organisationen gemeinsam ein tendenziell gerechtes Gleichgewicht für die Gesamtbevölkerung herstellen würden, da sich immer nur die Interessen der Mehrheit durchsetzen würden.

Olsons Theorie über die "Logik des kollektiven Handelns" zeigt jedoch auf, warum gerade die Interessen der Mehrheit sich gegenüber den kleinen Interessenverbänden mit "Sonderinteressen" nicht durchsetzen können. Wenn es dennoch großen Interessengruppen gelingt, sich zu organisieren, dann geschieht dies aber weder "spontan" noch auf der Basis der Freiwilligkeit und ist damit nicht unbedingt ein liberaleres Gegengewicht zum Zwangs-Charakter des Staates, den viele Politikwissenschaftler kritisieren. Olson weist darauf hin, daß im Übrigen bereits die Anarchisten den Traum von einer Gesellschaft hatten, die aus zahlreichen harmonischen, natürlichen und freiwilligen Vereinigungen besteht, die die Interessen der Bevölkerung gerecht vertreten würden.

Das solche Vorstellungen lediglich Visionen bleiben ist sicherlich sehr ernüchternd, scheint sich aber in den allermeisten Fällen zu bewahrheiten. Insbesondere während der Präsentation von einigen Interessenverbänden im Rahmen des Seminars "NonProfit-Organisationen" bestätigten sich die Thesen von Olson bei allen vorgestellten Interessenverbänden. Sein Modell vermag zu erklären, warum bestimmte Interessen, die, obwohl sie von einem Großteil der Bevölkerung geteilt werden, nicht zur Gründung einer Organisation führen, oder warum die größten Interessengruppen - wie z.B. Verbraucherverbände oder Organisationen der Steuerzahler - immer noch eine solche geringe Macht haben.

4. Literatur

- Olson, Mancur: Die Logik des kollektiven Handelns. Tübingen 1992

[...]


1 Olson, Mancur: Die Logik des kollektiven Handelns. Tübingen 1992, 17

2 Ebd., 19

3 Ebd., 4

4 Ebd., 6

5 Ebd., 14

6 Ebd., 14

7 Ebd., 10

8 Ebd., 15

9 Ebd.,46

10 Ebd., 33

11 Ebd., 50

12 Ebd., 58

13 Ebd., 130

14 closed-shop: Unternehmungen, in der nur Gewerkschaftsmitglieder arbeiten dürfen.

15 Ebd.,134

16 Ebd., 135

17 Ebd., 130

18 Ebd., 138

19 Ebd., 139

20 Ebd., 142

21 Ebd., 145

22 Ebd.

23 s. Fußnote, 158

24 Marx, K. und Engels, F., Das kommunistische Manifest, abgedruckt in: K. Marx, F. Engels. Ausgewählte Schriften in 2 Bänden, Berlin 1958, Bd. 1.

25 Literatur von John R. Commons: s. Olson 1968 1994, 167

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Mencor Olson: Die Logik des kollektiven Handelns
Hochschule
Universität Lüneburg
Veranstaltung
Seminar Management in NonProfit-Organisationen
Note
2,7
Autor
Jahr
1997
Seiten
22
Katalognummer
V97022
ISBN (eBook)
9783638096973
Dateigröße
372 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik, Kulturwissenschaften, Gruppendynamik, Volkswirtschaft
Arbeit zitieren
Julia Schumacher (Autor:in), 1997, Mencor Olson: Die Logik des kollektiven Handelns, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97022

Kommentare

  • Gast am 25.10.2014

    ich habe leider noch nicht genau verstanden, was Olson an der traditionellen Theorie kritisiert, bzw. die Zusammenhänge in seiner Kritik.

Blick ins Buch
Titel: Mencor Olson: Die Logik des kollektiven Handelns



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