Mehrsprachigkeit - Definitionen, Typen und wissenschaftliche Fragestellungen


Seminararbeit, 2007

13 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Zur Definition der Mehrsprachigkeit

3. Typen der Mehrsprachigkeit
3.1. Erwerb
3.2. Kompetenz (Weinreich)
3.3. Gesellschaft
3.3.1. Bedeutung von Mehrsprachigkeit für die Gesellschaft
3.3.2.Typen von Gesellschaften
3.3.3.Formen mehrsprachiger Gesellschaften

4. Die Mehrsprachigkeitsforschung und deren wissenschaftliche Fragestellungen:
4.1.Psycholinguistische Fragestellungen
4.2.Systemlinguistische Fragestellungen
4.3.Soziolinguistische Fragestellungen

5. Gründe für die Förderung von Mehrsprachigkeit
5.1. Aus kognitiver Sicht
5.2. Aus psychologischer Sicht
5.3. Aus pragmatischer Sicht

6. Schlussfolgerung

Literatur

Mehrsprachigkeit ist die Regel und Einsprachigkeit die Ausnahme!

1. Einleitung

Es geht nicht mehr um die Frage, ob eine oder mehrere Fremdsprachen in den Schulen gelernt werden sollen. Die Europäisierung und Globalisierung von Wirtschaft und Politik lässt niemanden nun die Wahl ohne eine Fremdsprache erfolgreich weiterzuleben. Jede Schule muss nun mehr verschiedene Sprachen vermitteln, so dass die Kinder und Jugendlichen für ihre Zukunft bereit sind, weil die Fremdsprache eine Grundvoraussetzung in jedem Gebiet z. B. moderne Berufsausbildung sein wird.

Als eine Folge zunehmender gesellschaftlicher Globalisierungsprozesse haben Zwei und Mehrsprachigkeit in den letzten Jahrzehnten einen Bedeutungszuwachs erfahren. Durch die Integrationsprozesse in der Europäischen Union werden mehrsprachige Kompetenzen auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Länder erforderlich. Zu Beginn verfolgte Ansätze einer europäischen Einheitssprache (Lingua Franca) wurden zugunsten einer kommunikativen Mehrsprachigkeit verworfen. Auch die Förderung von Regional- und Minderheitensprachen rückte in den letzten Jahren verstärkt in den Blickpunkt der Europäischen Union. Mit Sprach-Schutz-Programmen werden versucht, bisher unterdrückte und im Niedergang befindliche Sprachen zu revitalisieren. Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Mehrsprachigkeit ihrer Bürger zu fördern und möglichst früh mit einer gezielten Fremdsprachenförderung zu beginnen (vgl. Hufeisen 1998).

Es mag vielen auf den ersten Blick simpel erscheinen: Mehrsprachigkeit heißt, mehrere Sprachen zu beherrschen. Oder? Doch schon eine solche - zugegeben sehr simpel formulierte - Erklärung ist problematisch und keinesfalls so klar, wie sie auf den ersten Blick scheint. Denn 'Mehrsprachigkeit', so machen viele Beiträge deutlich, ist beileibe kein klares Konzept.

So weist etwa eine Reihe der Beitragenden auf die im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (Europarat 2001) vorgenommene Unterscheidung von Pluralingualismus (individuelle, persönliche Mehrsprachigkeit) und Mehrsprachigkeit (gesellschaftliche Mehrsprachigkeit) hin. Diese begriffliche Unterscheidung wird allerdings in den meisten Beiträgen nicht übernommen; vielmehr geht es hauptsächlich um die persönliche Mehrsprachigkeit, die immer in gesellschaftlich mehrsprachigen Kontexten entwickelt bzw. gefördert werden soll.

Doch auch die persönliche Mehrsprachigkeit lässt sich nicht ohne weiteres konzeptuell erfassen. So widmen sich die Beiträge einerseits der so genannten "lebensweltlichen Mehrsprachigkeit" und Fragen zur damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Multikulturalität bzw. zur Mehrsprachigkeit in Migrationsgesellschaften (Hu, 2003; Krumm, 1994) andere beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit dem schulischen bzw. institutionellen Fremdsprachenlernen, das zur individuellen Mehrsprachigkeit führen soll.

2. Zur Definition der Mehrsprachigkeit

Mit der Mehrsprachigkeit bezeichnet man ganz einfach:

1. die Fähigkeit eines Menschen, mehr als eine Sprache zu sprechen und sich in ihr ausdrücken zu können (Multilingualismus; Multilinguismus).
2. die Geltung oder verbreitete Anwendung mehrerer Sprachen in einer Gesellschaft, einem Sprachgebiet einem Staat (Polyglossie).

Durch die Globalisierung werden Mehrsprachigkeit, Multilingualismus und Polyglossie zunehmend zu Schlüsselbegriffen zum Verständnis vieler gesellschaftlicher Veränderungen:

- Der globale Migrationsdruck fördert Diglossie und Polyglossie.
- Für Migranten in fremde Sprachgebiete ist Bilingualismus und Multilingualismus meist lebenswichtig.
- Bilinguale und multilinguale Kompetenz ist für viele Arbeitsplätze zunehmend eine Voraussetzung.

In der Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Technik entstehen neue globale „Codes“ und Fachsprachen, oft aus Elementen des Englisch unter Hinzufügung von Elementen anderer Sprachen. Multilinguale Sprecher können durch Kenntnis der „Codes“ und „Slangs“ globaler multilingualer Netzwerke informationelle und ökonomische Vorteile erlangen. Die Vielfalt der Sprachen in heterogenen Gesellschaften ist sowohl aus ökonomischer wie aus kultureller Sicht produktiv. Daher ist Mehrsprachigkeit ein Zeichen von Normalität (vgl. Bußmann, 1990).

In Reaktion auf die Globalisierungsfolgen kann es sinnvoll sein, etwa den frühen multilingualen Spracherwerb von Kleinkindern und linguistische Forschung zum Phänomen des "Code-Switching[1] zu fördern.

- Was ist nun Mehrsprachigkeit?

Würde man auf der Straße fragen, „Was bedeutet Mehrsprachigkeit?“ würden viele Menschen antworten: „Zwei Sprachen gleich gut zu sprechen“. Auch in der Wissenschaft gibt es ähnliche Definitionen, z.B. „Beide Sprachen wie ein Einheimischer zu beherrschen“("native-like control", Bloomfield). Auf der anderen Seite gibt es auch Definitionen, nach denen die Fähigkeit, vollständige, sinnvolle Äußerungen in mehr als einer Sprache zu machen, bereits als Mehrsprachigkeit anerkannt wird ("complete meaningful utterances", Haugen).

Baker betrachtet den Begriff Mehrsprachigkeit als einen Schirmbegriff: Unter diesem Schirm befinden sich viele verschiedene Fähigkeiten in mindestens zwei verschiedenen Sprachen. Das sind Fähigkeiten beim Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben, die oft sehr unterschiedlich ausgeprägt sind, z.B. das Kind, das alles auf Arabisch versteht, aber immer auf Deutsch antwortet. Es gibt auch Unterschiede zwischen erworbenen Fähigkeiten und dargestellten Leistungen. Häufig erlebt man, dass Kinder, die angeblich eine Sprache nie gesprochen haben, in das Land der zweiten Sprache fahren und innerhalb weniger Wochen fließend die andere Sprache sprechen können.Wenn die Definition von Mehrsprachigkeit so schwer ist, ist es vielleicht besser über Menschen mit einem mehrsprachigen Alltag zu sprechen. Damit ist die Situation, die viele Kita-Kinder haben gut beschrieben: unterschiedliche Sprachen im Kindergarten, in der Familie, im Lebensmittelgeschäft, auf dem Spielplatz, in der Straßenbahn (Baker, 2007).

Das Lernziel Mehrsprachigkeit bedeutet das Lernen von mehreren Sprachen, Viele Autoren widmen sich in diesem Zusammenhang auch der Rolle des Englischen als erster Fremdsprache, seiner Funktion als Lingua franca sowie der im Zuge einer Erziehung zur Mehrsprachigkeit dem Englischunterricht zufallenden Aufgabe, das Fundament für das Erlernen weiterer Sprachen zu legen.

Schon diese Überlegungen zur Konzeption von Mehrsprachigkeit verdeutlichen, wie komplex (und kompliziert) der Gegenstandsbereich ist, der sich hinter dem Begriff 'Mehrsprachigkeit' verbirgt. Entsprechend unterschiedlich fallen auch die Ausführungen der Beitragenden zur Förderung und Erforschung von Mehrsprachigkeit aus. Einigkeit besteht bei vielen darüber, dass die Abgrenzungen und Ausschließungstendenzen zwischen einzelnen Sprachen im Fremdsprachenunterricht wenig hilfreich zur Förderung von Mehrsprachigkeit sind und dass es stattdessen darum gehen muss, über einzelsprachliche Grenzen hinweg das Sprachenlernen selbst verstärkt zum Thema zu machen, damit Lernende von ihren jeweiligen Sprachlernerfahrungen und Sprachkompetenzen profitieren können. Insbesondere die zentrale Rolle der Konstrukte 'Language Awareness' sowie 'Sprachlernbewusstheit' werden in vielen Beiträgen betont, da sie sprachenübergreifende (und 'sprachenlernübergreifende') Reflexionen ermöglichen und für das Erlernen jeder neuen Sprache relevant sind. In diesem Zusammenhang greifen auch einige Beiträge den Gedanken eines nicht mehr nur einzelsprachlich ausgerichteten Faches 'Sprachenlernen' auf (z.B. Christ, 1994), dem die Aufgabe zufallen könnte, anstelle einer Sprache mehrere (vorhandene) Sprachen sowie das Sprachenlernen selbst zum Gegenstand des Unterrichts zu machen.

Interessant in diesem Kontext ist auch das von List/List (2001) entwickelte und hier ebenfalls präsentierte Konzept der "Quersprachigkeit": "Ein fruchtbares Potential, die symbolischen Dienste unterschiedlicher Medien und Register zu erkennen, zwischen ihnen zu unterscheiden, sie womöglich selbst zu mischen oder abwechselnd zu benutzen und quer durch sie hindurch zu handeln“. Im Gegensatz zur 'Mehrsprachigkeit' handelt es sich hier also um ein Konzept, das das Spiel mit Sprache(n) aus jeweils persönlicher (Sprachbenutzer-)Sicht betont und das sich mit lebensweltlicher wie mit schulisch zu fördernder Mehrsprachigkeit oder Konstrukten wie Sprachlernbewusstheit gut vereinbaren lässt (vgl. Bausch, Königs, Krumm 2004).

[...]


[1] "Als code-switching bezeichnet man den "Wechsel zwischen verschiedenen Sprachvarietäten bei bilingualen bzw. multilingualen Sprechern je nach Erfordernissen der Kommunikationssituation" (Bußmann, 1990).

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Mehrsprachigkeit - Definitionen, Typen und wissenschaftliche Fragestellungen
Note
1.7
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V116891
ISBN (eBook)
9783640190096
ISBN (Buch)
9783640190188
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mehrsprachigkeit, Definitionen, Typen, Fragestellungen
Arbeit zitieren
Dd. Bahar Albayrak (Autor:in), 2007, Mehrsprachigkeit - Definitionen, Typen und wissenschaftliche Fragestellungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116891

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