Von Aalcatchen bis Zungenkugel - Das PONS Wörterbuch der Jugendsprache 2008 im Fokus der Realität


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

27 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. PONS Wörterbuch der Jugendsprache 2008- Fiktion oder Realität?
2.1 Von abbitchen bis Erzeugerfraktion: Auswertung der Beispiele 1 bis 7
2.2 Von Erzeugerfraktion bis Laugenbrezel: Auswertung der Beispiele 7 bis 12
2.3 Von natsen bis Zipfelzwicker: Auswertung der Beispiele 14 bis 20

3. Fazit

4. Literaturangaben

1. Einleitung

Über die jugendliche Ausdrucksweise oder vielmehr die Existenz von Jugendsprache wird seit Jahrzehnten hitzig diskutiert und debattiert. Laien und Sprachwissenschaftler und diejenigen, die sich dafür halten, liefern sich unerbittliche Kämpfe, wenn es um die Erforschung der jugendlichen Sprache geht. Es lassen sich die unterschiedlichsten Herangehensweisen und Methoden zur Erfassung von Jugendsprache feststellen, doch bislang scheint der bahnbrechende Erfolg in dieser Kontroverse auszubleiben. Die Medien, besonders Rundfunk und Fernsehen, stellen sich auf ihre jugendliche Zielgruppe ein und benutzen endmadige (besonders schlechte) Ausdrücke von denen sicherlich jeder Jugendliche Goldminen (Ohrenschmalz) und Hummeltitten (Gänsehaut) bekommt. Ein vorzeigbares Beispiel stellt Viva dar; die Moderatoren schmeißen mit phaten (sehr guten) Ausdrücken um sich, dass sich so mancher Erwachsene einfach nur noch fremdschämen möchte. Eine Erklärung in der Süddeutschen Zeitung ist bezeichnend für den Musikkanal, in dessen Programm der Zuschauer teils vergeblich auf die versprochene Musik wartet. „Der Musikkanal Viva präsentiert sich seinen jugendlichen Zuschauern geradezu als mediales Über-Ich: Wir sind euer Fernsehen, eure Sprache, eure Farben und eure Musik heißt es in einer Pressemappe.“ (SZ 2004)

Neben den Medien, versuchen auch die meisten Erzeugerfraktionen (Eltern) sich auf ihre Sprösslinge einzustellen. Sie versuchen mit der Jugend zu kommunizieren, indem sie abgespacedte (verrückte, abgefahrene) Wörter verwenden. Da schalten sich nun die Verlagshäuser ein und werfen regelmäßig jedes Jahr neue (absurde) Jugendsprachwörterbücher auf den Markt, mit denen die Ellies und Mitarbeiter der Bildungsvermittlungsinstitute (Schulen) fleißig die pornösen (außergewöhnlich guten) Ausdrücke lernen können um die Jugend zu rallen (verstehen). „Dass sich diese Bücher trotzdem gut verkaufen, liegt an der „Prestigefunktion von Jugendlichkeit“, wie die Sprachwissenschaftlerin Eva Neuland es formuliert: Wissen über Jugendlichkeit enthält zugleich das Gebrauchswertversprechen, sich über dieses Wissen ein Stück der eigenen Jugendlichkeit zurückzuerobern.“ (SZ 2004)

Doch die Diskussionen rund um die Jugendsprache ist kein neuzeitliches Phänomen. Bereits Anfang des 19.Jahrhundert lassen sich Lexika mit „jugendsprachlichen“ Ausdrücken finden, die von Studenten geschrieben wurden. Der am meisten zitierte Verfasser eines solchen Pennäler -Lexikons[1] ist wohl der Göttinger Student Daniel Ludwig Wallis (Henne 1986: 1), der sein Werk 1813 veröffentlichte. Die folgende Textpassage stammt aus Wallis’ Werk:

„Der Student der durch sein ganzes Wesen sich von allen nicht studirenden Jünglingen unterscheidet, und oft sorgfältig zu unterscheiden sucht, hat auch eine Anzahl eigenthümlicher Ausdrücke und Phrasen. Bey allen Studirenden aller Universitäten findet sich ein mehr oder weniger wortreiches Idiotikon. Viele Wörter sind auf jeder Universität zu finden; viele hingegen sind nur auf Einer gebräuchlich. Manche sind so ziemlich sinnlos, manche hingegen sehr naiv und ihrer Bedeutung angemessen. Kürze und Derbheit sind das Gepräge der meisten.- Man muß selbst Student sein, um Wohlgefallen daran zu finden. Sobald man der Burschenwelt entrückt ist, fallen nach und nach die fremdartigen Wörter weg, so wie sich allmählig die Studenten-Manieren abschleifen.“ (Henne 1986: 1)

Wallis spricht in erster Linie davon, dass der Student sich von Nichtstudierenden abzugrenzen versucht, dazu nutzt er beispielsweise Ausdrücke die mit dem Schulalltag verbunden sind. Weiterhin gibt Wallis an, dass sich bei jedem Studenten ein gedankliches Mundartwörterbuch finden lässt, und dass diese sich nur in ihrem Umfang unterscheiden. Die verwendeten Wörter und Ausdrücke können fragwürdig oder angemessen sein, die meisten zeichnen sich aber durch Kürze und Grobheit aus, und fallen nach dem Studentendasein allmählich ab. Schlussfolgernd lässt sich also nicht bestreiten, dass die jugendliche Ausdrucksweise

1. schon seit mindestens 200 Jahren existent ist,
2. als Abgrenzung zu anderen Menschen zusehen ist,
3. regionale Unterschiede aufweist
4. gekennzeichnet ist durch Kürze und Grobheit und
5. nach der Studentenzeit allmählich aus dem Sprachgebrauch verschwindet.

Die Pennälersprache von damals ist somit womöglich mit der heutigen Jugendsprache vergleichbar. Auch die Jugendsprache ist durch Abgrenzung (z.B. gegenüber den Erwachsenen), regionale und dialektale Unterschiede, kurze und prägnante Formen (z.B. SMS-Abkürzungen) sowie unfeine Ausdrücke (z.B. Fäkalsprache) gekennzeichnet. Außerdem ist zu beobachten, dass sich die Jugendsprache meistens mit Eintritt ins Erwachsenenalter allmählich verringert oder gar ganz verschwindet. Doch wie lässt sich Jugendsprache definieren?

Auch damit haben sich zahlreiche Sprachwissenschaftler in den letzten Jahrzehnten beschäftigt. Besonders in den 60er Jahren wird die Sprache der Jugend in der Sprachforschung als negativ und absonderlich empfunden, hierzu geben Peter Schlobinski, Gaby Kohl und Irmgard Ludewigt folgende beispielhafte Äußerungen an: „Jargon einer bestimmten Sondergruppe“, der den „größeren und wertvolleren Teil der Jugend erniedrigt und beleidigt“ (Küpper 1961); „Halbstarkensprache, […] ruppig und pöbelhaft“ (Stave 1964); „Die Witzigkeit des Jargons ist nur äußerlich, in Wahrheit spiegelt er sprachliche Verwilderung und emotionale Verrohung wider“ (Lamprecht 1965). (Schlobinski : 9)

Kommen wir nun wieder zurück zu dem derzeitigen (mehr oder weniger laienhaften) Rummel, der um die jugendlichen Ausdrücke gemacht wird. In den letzten Jahren entstanden eine Vielzahl von jugendsprachlich thematisierten Wörterbüchern, u. a. die Werke Heinrich Ehmanns „affengeil. Ein Lexikon der Jugendsprache“ (1992), „oberaffengeil. Neues Lexikon der Jugendsprache“ (2000) und „Voll konkret. Das neueste Lexikon der Jugendsprache“ (2001), alle erschienen in der Beck’schen Reihe. Auch Verlaghäuser wie Langenscheidt, dessen Lexika für Tradition und Kompetenz stehen, verschonen uns nicht mit „ihren“ kreativen Ergüssen: „Langenscheidt Hä?? Jugendsprache unplugged“ erscheint seit …. Der Verlag wirbt mit der folgenden Beschreibung: „Süffisante Party! Hab viel zu viel gechipst. Gehen wir mal zum Peacing raus? - Diese und andere witzige Stilblüten aus der aktuellen Jugendsprache entschlüsselt die neue Ausgabe von "Hä?? Jugendsprache unplugged" wieder für junge und alte Nicht-Insider.
Geeignet für: Jugendliche, Sprachinteressierte, mutige Eltern und Lehrer.“ (Langenscheidt)

Als Pondon des fünfsprachigen „Langenscheidts Hä?? Jugendsprache unplugged“ gilt das „Wörterbuch der Jugendsprache“ von PONS. „Nur“ viersprachig, aber bereits seit 2001 jedes Jahr wieder überarbeitet in den Buchhandlungen anzutreffen, wirbt die Titelseite mit dem Aufdruck: „DAS ORIGINAL seit 2001 jährlich neu!“ (PONS 2007) Interessierte stellen sich nun, die Frage, wie solche Nachschlagewerke entstehen, woher die jugendsprachlichen Begriffe kommen. „Seit 2001 sammelt PONS jedes durch einen Wettbewerb für Schüler der Klassen 5-11 an deutschen Schulen die aktuelle Jugendsprache ein- und die jeweils passende Übersetzung in Deutsch sowie in einer weiteren Fremdsprache.“ (PONS 2007: 3) Der Ernst Klett Verlag zudem PONS gehört, sammelt also jedes Jahr die Wörter der Jugend an deutschen Schulen. Dazu erhalten die Lehrer und Schüler ein Informationsblatt, indem sie zu einer Teilnahme an einem Sprachwettbewerb eingeladen werden. In diesem Faltblatt klingt dies wie folgt:

„ Liebe Lehrerin, lieber Lehrer, unsere Schüler in Deutschland gehen sehr gewitzt und kreativ mit Sprache um- zu kreativ, um das nicht zu dokumentieren! Daher sammelt die PONS Redaktion bereits seit 2001 die witzigsten, coolsten Wörter aus der Umgangssprache der 11- bis 18-Jährigen, um sie im „Wörterbuch der Jugendsprache“ zu veröffentlichen.“ (PONS Infoblatt: s. Anhang )

Und so funktioniert das Ganze! Die Schüler sollen die fünf von ihnen am häufigsten genutzten, deutschen Wörter aus ihrer Jugendsprache ermitteln und vergleichen, ob diese Wörter bereits in deutschen- englischen, französischen, spanischen Nachschlagewerken existieren. Ist das nicht der Fall, dann können ihre kreativen Beiträge eingeschickt werden. Wenn sich die Schüler an diesem Wettbewerb beteiligen, winken Geldpreise für die Klassenkasse und Klassensätze mit Wörterbüchern, außerdem erhält jede teilnehmende Klasse einen Klassensatz „PONS Wörterbuch der Jugendsprache 2008“. (vgl. PONS Infoblatt: s. Anhang)

Zudem gibt PONS an im Vorwort ihres Wörterbuches an, dass sich jedes Jahr 10.000 bis 20.000 Schüler deutschlandweit an der Sammlung der kreativen Ausdrücke beteiligen. Die weitere Verfahrenweise beschreibt die PONS Redaktion wie folgt:

„In der PONS-Redaktion werden die eingeschickten Beiträge der Schüler gesammelt und gelistet- jedes Wort, das häufig eingeschickt wird und neu ist, wird in das neue Wörterbuch der Jugendsprache aufgenommen. Wir fügen kein einziges Wort hinzu, sondern stellen nur die Beiträge, die von den Jugendlichen kommen, zusammen. Die PONS-Redaktion zensiert nicht bei der Auswahl der Wörter, die Vorschläge der Jugendlichen werden so in das Wörterbuch übernommen, wie sie eingeschickt werden.“ (PONS Wtb. 2007: 4)

Der kurze geschichtliche Exkurs hinsichtlich der Jugendsprache macht bewusst, dass Jugendsprache anfänglich keinen hohen Stellenwert in der deutschen Sprache besessen hat. Letztlich scheint sich aber doch ein Wandel vollzogen zu haben; Jugendsprache wird nun gewinnbringend vermarktet (siehe PONS-Wettbewerb) und heiß in den Medien diskutiert und erlebt Dank all des Rummels ein gewisses Ansehen.

Um zu verstehen was Jugendsprache ist, möchte ich zunächst klären, was wir unter den Termini Standard- und Umgangssprache verstehen sollten. Diese Prozedur ist nötig, um sie klar von der Jugendsprache abgrenzen zu können:

„Die Standardsprache zeichnet sich durch Überregionalität aus, wogegen Umgangssprachen eine mehr oder weniger weit reichende, grundsätzlich jedoch regional begrenzte Ausdehnung haben.“ (Linke/ Nussbaumer/ Portmann 2004: 347)

Der Unterschied zwischen Standard- und Jugendsprache besteht grob gesagt in dessen Verbreitung und der damit verbundenen Häufigkeit der Verwendung. Jugendsprache verfügt, wie auch die Umgangssprache, über eine relativ begrenzte Verbreitung und dient daher nicht allen gesellschaftlichen Klassen als Kommunikationsmittel. Weiterhin heißt es in Linke, Nussbaumer und Portmann:

Umgangssprache wird unter funktionaler Perspektive oft auch als Alltagssprache bezeichnet: Dadurch wird betont, dass diese Sprachform v.a. in alltäglichen und ungezwungenen Kommunikationssituationen zum Tragen kommt.

Standardsprache wäre im Gegensatz dazu eher für öffentliche, offizielle und institutionelle Kommunikationszusammenhänge reserviert.“ (2004: 347)

Ist Jugendsprache somit die Umgangssprache der Jugend? Hat nicht aber auch jede andere Altersgruppe ihre eigene Sprache? Ist die Jugendsprache wirklich ein solches Phänomen? Reden meine Großeltern nicht auch teilweise eine ganz andere Sprache?

„Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass die Angehörigen einer bestimmten Altersgruppe aufgrund der für die verschiedenen Lebensalter konstitutiven Erfahrungs- und Handlungswelten auch ein entsprechend ähnliches Sprachverhalten an den Tag legen. […] Gemeint ist vielmehr, dass es so etwas wie ‚altersspezifische Sprachwelten’ geben muss. Man denke etwa an die Lebenswelt von Schulalltag und jugendlicher Freizeitgestaltung gegenüber der ‚erwachsenen’ Eingebundenheit in Beruf und Karriere oder an den Lebensalltag in der Kernfamilie mit Kleinkindern gegenüber einem von direkten familiären und beruflichen Verpflichtungen enthobenen Rentnerdasein etc.“ (Linke/ Nussbaumer/ Portmann 2004: 354)

Ich denke, Jugendsprache steht im Mittelpunkt der Diskussionen, weil sie neue Wortschöpfungen kreieren, zusammenfügen, was nicht zusammenpasst, und fantasievoller mit Sprache umgehen als Erwachsene. Jugendsprache ist für Außenstehende nun mal unverständlich, aber auch Erwachsene haben ihre eigene Sprach

2. PONS Wörterbuch der Jugendsprache 2008- Fiktion oder Realität?

Um zu prüfen inwieweit die unzensierten Begriffe des PONS Wörterbuches auf die tatsächliche Sprache zutreffen, habe ich einen Fragenbogen mit Beispielen aus dem PONS Wörterbuch der Jugendsprache erstellt, indem ich mir 20 Begriffe ausgesucht und notiert habe. (s. Anhang: Fragebogen) Bei der Auswahl habe ich auf Bekanntheit, Danach habe ich zusätzlich das Wörterbuch durchgestöbert, um die Begriffe herauszufiltern, die die meisten jugendsprachlichen Synonyme aufweisen. Die alltagssprachlichen Begriffe habe ich dann auf dem Fragebogen notiert und die Teilnehmer nach sinnverwandten Wörtern befragt. (s. Anhang: Fragebogen) Bewaffnet mit meinen Fragebögen und kleinen Dankeschöngeschenken für die Teilnehmer habe ich ein Gymnasium in Greifswald besucht, wo mir sogleich bewusst gemacht worden ist, dass ich ohne Erlaubnis des Landesschulamtes leider keine Umfrage in einer Schule durchführen darf. Ich habe daraufhin auf die jüngeren Geschwister von Freunden und Bekannten zurückgegriffen und diese gebeten, die Fragebögen unter ihren Freunden zu verteilen.

Für die ausführliche Auswertung der Fragebögen ist es nun wichtig den Bereich der Morphologie mit einzubeziehen. Hierzu geben Linke, Nussbaumer und Portmann (2004) die folgende Klassifizierung:

[...]


[1] Pennäler, Schüler [einer höheren Schule]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Von Aalcatchen bis Zungenkugel - Das PONS Wörterbuch der Jugendsprache 2008 im Fokus der Realität
Veranstaltung
Jugendsprache
Autor
Jahr
2008
Seiten
27
Katalognummer
V126504
ISBN (eBook)
9783640329045
ISBN (Buch)
9783640329052
Dateigröße
615 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aalcatchen, Zungenkugel, PONS, Wörterbuch, Jugendsprache, Fokus, Realität
Arbeit zitieren
Jeannette Nedoma (Autor:in), 2008, Von Aalcatchen bis Zungenkugel - Das PONS Wörterbuch der Jugendsprache 2008 im Fokus der Realität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126504

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