Plötzlich Lehrer

Viele praktische Tipps zur Unterrichtsgestaltung für nebenberufliche Lehrkräfte


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2004

40 Seiten

Dipl.-Ing. Peter Wilken (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Lernen als zeitlich orientierter Prozess im sozialen Umfeld

2 Ihre Unterrichtsgestaltung

3 Visualisierung

4. Unterrichtsmedien

5 Schüler-/Teilnehmerunterlage

6 Unterrichtsstruktur

7 Aufmerksamkeit erzeugen

8 Feedback

9 Umgang mit Lampenfieber (für neue Vortragende)

Literaturhinweise

1. Lernen als zeitlich orientierter Prozess im sozialen Umfeld

Allgemeines

Wir haben alle mal was gelernt. In der Schule und im Leben. Ganz nebenbei haben wir auch mal anderen etwas gezeigt. Später, in dieser Situation, in der wir uns jetzt befinden, soll das nun als Unterricht erfolgen.

Irgendwie hat jeder seine eigene Erfahrung mit Vortragstätigkeiten. Vielleicht haben Sie sogar schon einmal einen Fachvortrag in einem Lehrgang gehalten. Das ganze mit mehr oder weniger gutem Erfolg. Falls Sie keine Didaktikausbildung haben, wird ihr Unterrichtsergebnis vor allem durch organisatorische Maßnahmen verbessert werden können.

Da wir kurzfristig kein Hochschulstudium nachholen können, beschränken wir die Änderungen unserer Aktivitäten auf die Vortragsform und das Lehrgangsumfeld im weitesten Sinne.

Wir betrachten die Bereiche

Lernumfeld (Unterrichtsraum, Organisation)

Visualisierung (bildliche Darstellung von Inhalten)

Medieneinsatz (Wandtafel, Flipchart, Projektor)

Schülerunterlage und Inhalte (Lernbehelf)

Übungsaufgaben (Gruppenarbeit)

Feedback (Wege zur Verbesserung)

im Einzelnen.

Vorher müssen wir noch erkennen, warum wir die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen ergreifen. Deshalb im Folgenden zuerst ein Überblick über das Lernen und die anzutreffenden Lehrgangssituationen.

Der Vorgang des Lernens

Das Wichtigste bei der Unterrichtsgestaltung ist die Beachtung der Regeln für die Informationsaufnahme durch das Gehirn. Das Gehirn besteht weitgehend aus Eiweißstoffen, die chemisch und elektrisch beeinflusst werden können. Der Grundbaustein ist die Nervenzelle oder Neuron. Das Abspeichern von Wissen erfolgt durch die Vernetzung der Nervenzellen über Synapsen. Eine Nervenzelle kann mehrfache Verbindungen eingehen.

Ein Gedanke entsteht durch die Aktivierung elektrochemischer Prozesse. Längere Aktivierung eines Aktivierungsbereichs bewirkt eine bleibende neue Netzwerkverbindung. Bei der hohen Anzahl der Nervenzellen (Milliarden) sind fast unendlich viele Verknüpfungen möglich, die unser Wissen abspeichern. Natürlich möchten wir unser Fachwissen nicht nur kurzfristig vergrößern, sondern das Wissen dauerhaft im Neuronennetzwerk abspeichern oder einfacher ausgedrückt – „im Gedächtnis behalten“.

Der Prozess des Lernens ist weitgehend wissenschaftlich erforscht. Die gewonnenen Erkenntnisse müssen wir nur berücksichtigen und entsprechend agieren. Wissen wird im Langzeitgedächtnis des Gehirns abgespeichert. Vorher muss es allerdings das Ultrakurzzeitgedächtnis und das Kurzzeitgedächtnis passieren.

Das Ultrakurzzeitgedächtnis ist ständig aktiv, soweit Informationen über die Sinne einströmen. Über das Auge erreichen uns visuelle Informationen aus der Umgebung, speziell solche, die im Fokus von uns ausgewählt werden. Gleichzeitig werden Bewegungen in der weiteren Umgebung registriert und über das Ohr werden akustische Informationen wahrgenommen. Im Ultrakurzzeitgedächtnis verbleiben diese Informationen nur kurz, d. h. etwa 5 bis 20 Sekunden. Sämtliche Informationen werden wieder vergessen falls nicht zusätzliche Maßnahmen zur weiteren Abspeicherung erfolgen. Das macht für unser Gehirn auch Sinn. So werden nicht alle Eindrücke abgespeichert und wir belasten uns nicht mit unnötigen Informationen. Das Ultrakurzzeitgedächtnis arbeitet nur mit elektrischen Strömen, die im Gehirn eine Neuronenaktivität auslösen. Diese erzeugen kurzfristig Abbilder der Informationen. Sobald neue Eindrücke dazukommen (Ablenkung) verschwindet diese Abbildung und macht anderen Bildern Platz. Damit aber für uns wichtige Informationen (Lehrstoff) im Kopf verbleiben, müssen wir zusätzliche Aktivitäten in Anspruch nehmen.

Das sind in erster Linie Aufmerksamkeit und Interesse. Wenn wir diese auf eine bestimmte Information richten, verbleibt die Aktivierung des elektrischen Feldes bestehen, denn ständig werden die gleichen Nervenbahnen verwendet. Das führt dazu, dass eine Verknüpfung im Neuronennetz eingeleitet wird. Viele Nervenzellen sind durch diese Information verbunden und sie verbleibt auch vorerst nach dem Ende der elektrischen Erregung. Diese lose Verknüpfung führt zu Wissen, das für etwa 20 Minuten verfügbar bleibt. Wir bezeichnen diese Speicherung als Kurzzeitgedächtnis. Diese Gedächtnisform ist für uns bei sozialen Kontakten, insbesondere bei Diskussionen, wichtig. Auch das Lesen eines Buches erfordert eine längere Abspeicherung um den Faden der Handlung nicht zu verlieren.

Um das Gelernte aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis zu bringen, d. h. als Wissen dauerhaft abzuspeichern, müssen die Informationsinhalte wiederholt betrachtet werden. Dabei wird der eingeleitete Vorgang der Neuronenverknüpfung durch Bildung von Eiweißstrukturen fixiert. Millionen von Gehirnzellen erzeugen Millionen von verknüpften Strukturen. Ist eine bestimmte Gedächtnisstruktur biologisch erstellt, steht das Wissen dem Lernenden langfristig, teilweise lebenslang, zur Verfügung. Einmal erlerntes Wissen lässt sich ohne großen Energieaufwand jederzeit wieder aktivieren.

Dieser Prozess des Lernens lässt sich aber nicht auf die Faktoren Aufmerksamkeit, Interesse und Wiederholung beschränken. Weitere Faktoren wirken positiv oder negativ. Insbesondere der „Wirkungsgrad“ des Lernens muss berücksichtigt werden.

Die Wissenschaft berichtet, dass unsere Gedächtnisstruktur hierarchisch aufgebaut ist. Neues Wissen wird in Seiten von Heften, die sich in Schubladen eines Schrankes befinden abgelegt. Das Wiederfinden der Informationen erfolgt analog zu einer Dateistruktur im PC. Dadurch werden Informationen wesentlich besser aufgenommen, da der Inhalt sich mit bereits vorhandenen, ähnlich strukturierten Inhalten verknüpfen lässt, sozusagen einordnen lässt in eine Schublade. Nehmen wir einmal an, dass der Lehrgangsteilnehmer eine einfache Programmiersprache beherrscht, dann kennt er auch das Konstrukt einer Selektion; normalerweise mit „IF“ und „THEN“ und „ELSE“. Dieses Wissen gestattet ihm, in einer anderen Programmiersprache die synonymen Begriffe „SELECT“ und „CASE“ leichter zuzuordnen und besser als neues Wissen zu behalten. Ausdruck dieses Vorgangs sind die so genannten Aha-Erlebnisse, die unsere Lebenserfahrung mit ins Spiel bringen um neues Wissen dem vorhandenen hinzuzufügen.

Des Weiteren wurde immer mehr die Erkenntnis gewonnen, dass bei einer positiven Gemütslage, d. h. in einer angenehmen Lernsituation, neues Wissen schneller verfestigt wird. Eine emotional positive Stimmung wirkt sich günstig auf den Lernvorgang aus. Man sagt auch „Lernen erfolgt emotional“. Ein besonderes Erlebnis, das von starken Emotionen begleitet ist, wie z. B. ein Hochzeitstag, wird keiner jemals wieder vergessen.

Negativ wirken so genannte Lernblockaden. Wie der Name bereits ausdrückt wird die Wissensaufnahme beschränkt oder sogar verhindert. Stress ist ein wesentlicher Negativfaktor. Zeitdruck, Hunger, Ängste, Furcht und negative Assoziationen überlagern den Abspeicherungsvorgang vom Kurzzeitgedächtnis zum Langzeitgedächtnis. Das Wissen kann nicht langfristig im Gehirn verknüpft werden. Wenn dann noch unangenehme Zusatzwahrnehmungen erfolgen (Lärm, Streit), ist jeder Lernprozess unterbrochen. Das führt zu Frust, weil Aufmerksamkeit und Interesse bei weiteren Themen beschränkt werden. Ein Lehrgangserfolg lässt sich dann nicht mehr erreichen. Deshalb müssen wir diesen Lernblockaden besondere Aufmerksamkeit schenken.

Zusammenfassung zum Vorgang des Lernens

Wissen wird erzeugt wenn:

Interesse am Thema besteht,

Aufmerksamkeit für den Inhalt erfolgt,

der Stoff mehrfach wiederholt wird (mindestens 3 mal),

eine Möglichkeit zur Verknüpfung mit vorhandenem Wissen besteht,

das Lernumfeld emotional positiv einwirkt.

Das dauerhafte Abspeichern wird behindert wenn:

Lernblockaden (negative Emotionen oder Stress) vorherrschen,

Frust aufgebaut wird,

keine Möglichkeit zur Verknüpfung mit vorhandenem Wissen besteht.

2 Ihre Unterrichtsgestaltung

Bevor wir unsere Unterrichtsgestaltung dem Vorgang des Lernens anpassen, betrachten wir noch einmal den möglichen Ist-Zustand, in dem Sie sich befinden. Daraus werden wir Aktivitäten ableiten, die wir als Erstes durchführen müssen um unseren Unterricht zu verbessern.

Eine mögliche Ist-Situation, wie sie in vielen Fortbildungsveranstaltungen anzutreffen ist, könnte so aussehen:

Sie bekommen als Fachmann den Auftrag, in einem Lehrgang Ihre Kenntnisse beizusteuern. Meistens beschränkt sich der Auftragsinhalt auf den Satz:

„Präsentieren Sie ihr Fachwissen im Lehrgang XY! Ihr Zeitrahmen beträgt sechs Stunden!“

Eine didaktische Ausbildung erfolgt dafür nicht. Sie wissen, dass die Teilnehmer für die Bereitstellung der Informationen bezahlen. Vom Lehrgang sind der Lehrgangstermin, der Ort der Veranstaltung und eine grobe Inhaltsangabe bekannt. Die Teilnehmerzahl liegt fest. Vermutlich werden die Auftraggeber oder die Teilnehmer den Lehrgang beurteilen (direkt oder extern). Eine Ausstattung des Unterrichtsraumes steht Ihnen zur Verfügung.

Nun geht es los! Sie eignen sich das zu präsentierende Fachwissen nochmals an. Eigene Lehrgangsunterlagen oder Fachaufsätze bilden Ihre Wissensbasis. Sie entwerfen eine Struktur Ihres Vortrages. Sie prüfen den Zeitaufwand. Sie lassen Folien herstellen, deren Inhalt das Fachwissen aus den vorhandenen Unterlagen oder Büchern widerspiegelt und heften alles in einen Ordner. Die Teilnehmer erhalten diese Folien als „Hand-out“ kopiert. Jetzt nur noch den Projektor/Beamer anschalten und der Folienfilm läuft ab. Aufgrund mangelnder didaktischer Vorkenntnisse erläutern Sie die Präsentation aus Ihrer fachlichen Sicht. Eine Prüfung ob die Teilnehmer etwas verstanden haben bleibt aus.

Allen Ernstes, es gibt solche Situationen und zwar in überwiegender Anzahl.

Was ist nun mit dem oben dargestellten Lernprozess? Haben Sie alle negativen Einflüsse berücksichtigt und vermieden? Führt Ihre Präsentation zur Wissensbildung vom Ultrakurzzeitgedächtnis über das Kurzzeitgedächtnis zum Langzeitgedächtnis? Haben Sie genügend Wiederholungen eingebaut? Besteht Aufmerksamkeit und Interesse bei den Teilnehmern? Wie ist die Stimmung im Saal?

Damit nicht genug - noch einmal Bemerkungen aus der Praxis zur derzeitigen Lehrgangssituation.

Die Teilnehmer trudeln nach und nach zum mitgeteilten Termin ein. Einige sind früh erschienen, andere kommen zu spät. Jeder fragt noch mal nach, ob er im richtigen Lehrgang ist und setzt sich an einen Tisch. Fast immer ganz hinten, sozusagen als beste Fluchtmöglichkeit. Die ersten beschäftigen sich mit dem Einladungsschreiben oder sitzen nur ruhig da, um die nachfolgend eintreffenden Mitstreiter in Augenschein zu nehmen. Habe ich auch die richtige Kleidung an, was habe ich vergessen mitzubringen? Es herrscht gespenstische Ruhe, vor allem wenn die Teilnehmer sich nicht kennen. Der Letzte muss sich frustriert entschuldigen, weil sein Zug Verspätung hatte oder er im Stau stecken geblieben ist. Mit anderen Worten, die ersten Lernblockaden sind bereits aufgebaut. Wenn dann noch der Vortragende zu spät kommt oder der Raum nicht geheizt ist, liegt die Motivation der Teilnehmer erst einmal am Boden. Im weiteren Fortgang läuft der Folienfilm ab (stundenlang) und jeder Zweite vergisst schon mal das Umblättern. Weil im Handout andere Seitenzahlen als auf den Folien angegeben sind, verpassen einige komplett den Anschluss. Einer fragt dann in der Pause nach dem Ende der Veranstaltung. Der andere möchte etwas eher gehen, was wir ihm natürlich nicht verbieten können. Am Ende des Lehrgangs wünscht man sich eine gute Heimreise und jeder klopft artig auf den Tisch. Und was haben wir gelernt? – Nichts!

Wenn Sie Ihren Lehrgang so kennen, sollten Sie die nachfolgenden Ausführungen sehr genau lesen. Sie haben den persönlichen Anspruch von dieser Art Lehrgang wegzukommen? Dann entwickeln Sie die Bereitschaft, alles von dem was sie tun in Frage zu stellen und völlig neue Wege in Ihrem Fachvortrag zu beschreiten. Fangen Sie bei sich selbst an, nicht nur Stück für Stück, sondern grundsätzlich im Sinne eines guten Unterrichts. Definieren Sie Ihre Ziele neu:

- Die Teilnehmer sollen den Stoff verstehen und dauerhaft im Gedächtnis behalten!
- Es soll eine angenehme Unterrichtssituation vorhanden sein!
- Sie wollen zufriedene Lehrgangsteilnehmer haben!
- Der Lehrgang soll rund herum mit gut bewertet werden!
- Sie wollen mit sich zufrieden sein!

Dann fangen wir mal an!

Vermeidung von Lernblockaden

Furcht vor dem Unbekannten beseitigen.

(Was unbekannt ist, sollte möglichst schnell bekannt sein.)

a) Die unbekannte Art und der Umfang der Veranstaltung.

Keine Veranstaltung ohne schriftliche Einladung. Wir geben die Veranstaltung vorher bekannt. Dazu verfeinern wie die vorhandenen Informationen, zum Beispiel die aus einem Fortbildungskatalogeintrag. Der Veranstaltungsort (Straße, Gebäude, Stockwerk, Raum) wird exakt beschrieben, am besten mit einer skizzierten Wegbeschreibung. Straßenzüge, U-Bahnlinien oder Buslinien sind eingetragen. Der Termin wird nicht nur mit dem Datum, sondern auch mit der Uhrzeit (Beginn und Ende) angeführt. Der Beginn ist so zu legen, dass alle Teilnehmer stressfrei zur ersten Stunde kommen können.

Erweitern wir diese Einladung um weitere Informationen. Der Veranstalter wird genannt (Telefonnummer nicht vergessen). Die Teilnahmevoraussetzungen sind eindeutig beschrieben. Vorangegangene Lehrgänge wurden genannt oder die notwendige persönliche Vorbildung ist festgelegt. Gegebenenfalls sind auch Alter, Geschlecht, Sprachkenntnisse usw. angegeben.

Als Anlage zur Einladung fügen wir den kompletten Stundenplan bei. Hierin sollen die Themen und die anteiligen Übungsstunden genannt sein. Der Name des Vortragenden ist vermerkt. Angaben über Pausen und Schlusszeiten sind vorhanden. Weiter gibt es eine Teilnehmerliste, aus der sich die Anzahl und die Namen ersehen lassen (möglichst viele Attribute zum Teilnehmer angeben, um den Eingeladenen einen Überblick über die Struktur des Teilnehmerfeldes zu geben). Bei überregionalen Lehrgängen sollten Hotelvorschläge nicht fehlen.

Es ist nicht wichtig, ob sich bis zum Beginn der Veranstaltung noch Änderungen in den Angaben ergeben. Wesentlich ist nur, dass der Teilnehmer rechtzeitig weiß, was auf ihn zukommt.

Damit sind die Lehrgangsabläufe vollständig beschrieben und jede Unsicherheit von Anfang an beseitigt.

b) Die unbekannten Teilnehmer

Aus der Teilnehmerliste lässt sich sowohl die Größe als auch die Zusammensetzung der Gruppe erkennen. Sind sie männlich oder weiblich. Wir wissen, wer einen Doktortitel hat oder wer noch Auszubildender ist. Woher die Personen kommen (Dialekt, Anreise) und welche Vorbildung sie haben. Ob sie Mitarbeiter in einem großen Konzern sind oder aus einem Handwerksbetrieb stammen. Damit werden die Teilnehmer schon etwas bekannter.

c) Die unbekannte Lernsituation im Lehrgang

Die Ängste vor der unbekannten Lehrgangssituation liegen bei Erwachsenen vor allem beim persönlichen Versagen. Kann ich mich gut genug ausdrücken? Werde ich beim Verstehen des Stoffes mithalten können? Werde ich gegebenenfalls ausgelacht (z. B. in Sprachkursen)? Aus diesen Ängsten resultiert die gespenstische Stille am Beginn eines Lehrgangs. Angst und Ablehnung drücken sich in verschränkten Armen aus (achten Sie mal darauf).

Wir beseitigen diese Ängste organisatorisch.

Die Stille am Beginn wird beseitigt, wenn wir zur ersten Stunde Musik aus einem Radio-CD-Player ertönen lassen. Das finden Sie merkwürdig? Das haben Sie noch nie erlebt? Das gehört doch nicht in einen Fortbildungslehrgang über Messtechnik? Ich frage mal: Kann die Musik aus ihrer Sicht schaden? Nein? Dann probieren Sie es aus. Sie werden feststellen, dass die Teilnehmer überrascht sind, sich aber nicht gestört fühlen.

Damit die Teilnehmer wissen, dass sie im richtigen Raum sind, haben wir ein Flipchartblatt an die geöffnete Tür gehängt. „Herzlich willkommen! zum Lehrgang Energietechnik IV“. Bei vielen Gruppen kann man das „Herz-“ auch durch ein gemaltes Herz ersetzen. Die Tische sind von uns so gestellt, dass sich die Teilnehmer ansehen können, gleichzeitig aber auch die Darstellung des Stoffes auf den Medien gut erkennen können. Ein offenes „V“ nach vorn ist optimal.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Je nach Raumgröße und Teilnehmerzahl muss hier das günstigste ausprobiert werden.

Gleich zu Beginn sollten die Teilnehmer miteinander bekannt gemacht werden. Vermeiden Sie aber unter allen Umständen eine fortlaufende Präsentation jedes Einzelnen von links nach rechts. Da jeder an seinem Text über Firma, Wohnort, Kinder usw. im Kopf bastelt, hört er sowieso nicht das, was die anderen sagen. Besser ist die Vorstellung seines Tischnachbarn nach einem kleinen Informationsgespräch. Noch besser ist es, wenn alle sich im Kreis aufstellen und sich einen Softball zuwerfen; dabei den Namen erfragen oder schon nennen, bis nach 3 bis 4 Minuten jeder den Namen des anderen kennt. Je nach Lehrgang ist vorgegeben, ob sich die Teilnehmer siezen oder duzen. Nachdem alle völlig gelöst wieder auf ihrem Platz sitzen, bitten Sie um das Ausfüllen der Tischkarten. Kein Lehrgang ohne Namensnennung auf den Tischkarten, denn wir werden uns mit Namen ansprechen wollen. Die zusätzliche Angabe des Arbeitgebers/der Organisation kann erwünschte Kontaktgespräche in den Pausen leichter auslösen.

Damit sind die ersten Sozialkontakte hergestellt und die Teilnehmer nicht mehr gänzlich unbekannt und bedrohlich. Wir werden jetzt keine verschränkten Arme mehr sehen.

d) Der unbekannte Lehrer

Der da vorn ist der Allwissende. Er hat die Situationsautorität. Die Position vor dem Plenum erinnert jeden an seine Schulzeit mit allen Schrecken, die ein Lehrer verbreiten kann.

Spielen Sie deshalb als Vortragender nicht den Fachlehrer, sondern fordern Sie die Teilnehmer ständig zur Mitarbeit auf. Beginnen Sie passiv als Coach in der Vorstellungsrunde. Stellen Sie sich selbst vor und beschreiben Sie Ihre sonstige Tätigkeit. Nennen Sie eventuell Ihre Telefonnummer/E-mail-adresse oder wo Sie gegebenenfalls später zu finden sind. Nehmen Sie Ihre Autorität zurück und beschränken Sie ihre Vorrangstellung auf die Präsentation von Inhalten. Trauen Sie sich auch, Fehler zu machen. Eine falsche Grammatik ist kein Beinbruch, sondern bringt Sie auf das „bekannte“ Niveau der Teilnehmer. Verwenden Sie bitte keinen bedrohlichen Zeigestock.

Wir geben alles auf was autoritär sein könnte. Nachteile entstehen dadurch nicht. Wir haben es oft mit Erwachsenen zu tun, die keine Erziehung im volkstümlichen Sinn mehr nötig haben.

e) Der unbekannte Stoff

Einige Lehrgangsteilnehmer denken „Das kann ich ja doch nicht. Was soll ich in diesem Kurs“? Deshalb informieren wir die Teilnehmer gründlich über die Inhalte.

Am Beginn des Lehrgangs schreiben wir die Lernziele auf. Was wollen wir in der uns zur Verfügung stehenden Zeit erreichen. Wir stellen den Stundenplan vor (Folie, Laptop). Den Tagesablauf skizzieren wir auf einem Fahrplan (Flipchartblatt), den wir im Raum sichtbar aufhängen. In ihm sind die Themen aufgeführt und die Pausen eingetragen. Anhand des Fahrplans zeigen wir auf, was wir tun wollen und wo es schwieriger wird. Durch Abhaken im Verlauf des Vortrags stellen wir fest, was bereits erledigt ist. Wir erzeugen einen roten Faden, an dem jeder sich orientieren kann. Jeder weiß, wie er beteiligt ist und was auf ihn zukommt.

Damit ist der „Berg“ des Lehrgangsinhalts beschrieben.

Furcht vor Misserfolg und Blamage vermeiden

Diese Furcht entsteht immer dann, wenn beim Teilnehmer ein Minderwertigkeitgefühl vorherrscht. Er beteiligt sich nicht und wagt nicht nachzufragen. Wir beseitigen die Furcht, wenn wir die oben genannten Faktoren des Unbekannten beseitigen und während des Unterrichts bei jedem das Selbstwertgefühl aufbauen. Jeden Beitrag werden wir positiv bewerten. „Vielen Dank für das Präsentieren des Ergebnisses!“. Jeder darf im Plenum etwas sagen ohne blamiert zu sein. Dabei müssen Unterbrechungen des eigenen Vortrags in Kauf genommen werden. Fehlerhafte Beiträge werden ohne Bewertung korrigiert. Keine Fragen stellen, wenn Unvermögen ersichtlich ist. Dies führt zwangsläufig zur Resignation. Falls sich zeigt, dass der Stoff zu schwierig ist, muss nach unten korrigiert werden. Man kann auch das aktuelle Unterrichtssegment so lange wiederholen, bis es von allen verstanden worden ist. Die Übungen sollten immer in Gruppenarbeit durchgeführt werden. Das präsentierte Ergebnis ist immer das der Gruppe. So kann sich ein einzelner nicht blamieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Plötzlich Lehrer
Untertitel
Viele praktische Tipps zur Unterrichtsgestaltung für nebenberufliche Lehrkräfte
Autor
Jahr
2004
Seiten
40
Katalognummer
V29857
ISBN (eBook)
9783638312707
ISBN (Buch)
9783640864188
Dateigröße
1220 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Aufsatz befasst sich mit der optimalen Unterrichtsgestaltung von Fachlehrgängen. Er enthält viele praktische Tipps für die Vortragenden um die Qualität ihrer Lehrtätigkeit zu verbessern. Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand
Schlagworte
Didaktik, Lehrgangsleiter
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. Peter Wilken (Autor:in), 2004, Plötzlich Lehrer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29857

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