„When shall we be married?“ Widower's Houses im Gattungskontext der Liebeskomödie


Seminar Paper, 2007

18 Pages, Grade: 1,6


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Widower' Houses – ein sozialistisches Pamphlet?

Was heißt hier Komödie?

Widower's Houses eine Liebeskomödie?

Widower's Houses eine didaktisch-realistische Liebeskomödie

Primärliteratur

Sekundärliteratur

Widower' Houses – ein sozialistisches Pamphlet?

Widower's Houses ist Teil der ersten Sammlung von Bernard Shaws Theaterstücken mit dem Titel „Plays Unpleasant“. Es ist sogar Shaws erstes Theaterstück überhaupt. Die Stücke der Plays Unpleasant sind deshalb so benannt, weil sie dem Zuschauer die unangenehmen Tatsachen der Welt, insbesondere soziale Missstände aufzeigen sollen.[1] Der Ruf eines rein politischen Autors wurde Shaw deshalb bereits mit seinem ersten Stück zu Teil und haftete ihm ein Leben lang an – obwohl nur die frühen Stücke (wie eben Widower's Houses) leicht in diese Richtung tendieren. Es ist anzunehmen, dass Shaws Mitgliedschaft bei den Fabiern und sein politisches Engagement als Abgeordneter im Londoner Stadtrat bei der Interpretation seiner Stücke eine Rolle spielte, denn Shaw plädiert in seinen Stücken nie offen für den Sozialismus, erwähnt ihn wenn, dann nur satirisch.[2] Dennoch waren die Reaktionen auf sein erstes Stück Widower's Houses aus dem Jahr 1892 dominiert von politischen Interpretationen des Stücks, indem es als sozialistisches Pamphlet abgetan wurde.[3]

Der Kritiker Massingham urteilt nach der Premiere von Widower's Houses als einer der wenigen sachlich: „It is neither tragedy nor melodrama, nor comedy nor burlesque. [...] It is a study of modern life, [...]“.[4] Dabei macht Massingham die Schwierigkeit bei der Klassifizierung des Stückes deutlich. Es scheint den traditionellen Gattungen des Dramas nicht zuzuordnen.

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Shaw selbst gab dem Stück den Untertitel „An Original Didactic Realistic Play in Three Acts“[5] und an anderer Stelle wird das Stück deshalb zu den gesellschaftskritischen problem plays, die vor dem ersten Weltkrieg entstanden, gezählt.[6]

Es scheint also, als sei Widower's Houses eine Art realistisches Belehrungsstück, ohne irgendwelche Gattungsmerkmale, oder andere formale Kriterien zu erfüllen.

Diese Sichtweise beschränkt sich allerdings hauptsächlich auf die inhaltliche Ebene des Stücks und lässt Shaws handwerkliche Fähigkeiten als Dramatiker außer Acht. Denn betrachtet man zudem die Entstehungsgeschichte von Widower's Houses, so findet man durchaus Hinweise, die das Stück zum Beispiel durchaus als Liebeskomödie erscheinen lassen, denn ursprünglich war Widower's Houses als solche konzipiert. Die Handlung dafür lieferte der Kritiker William Archer, der die Handlung für eine romantische Komödie in der Tradition des well-made play schrieb. Shaw sollte daraus die Dialoge für ein Stück schreiben, das zunächst den Titel The Way to a Woman's Heart trug, verbrauchte aber bereits nach dem zweiten Akt das Material und Archer weigerte sich, an seinem perfekten Handlungsschema etwas zu verändern. So beendete Shaw die ursprünglich romantische Komödie sieben Jahre später nach seinen eigenen Vorstellungen und mit dem Titel Widower's Houses.[7] Shaw selbst beschreibt das Stück selbst „in intention a work of art as much as any comedy of Molièrs's is a work of art“.[8]

Im Folgenden soll nun erarbeitet werden, welche typischen Merkmale die Liebeskomödie ausmachen und ob sich diese Merkmale bei Widower's Houses finden lassen. Genauer betrachtet werden hierzu das Handlungsschema und die Figuren und ihre Konstellation. Anschließend soll beurteilt werden, welcher dramatischen Gattung Widower's Houses zugeordnet werden kann.

Was heißt hier Komödie?

An dieser Stelle soll zunächst geklärt werden, welche Gattungsmerkmale die Komödie und im Speziellen die Liebeskomödie aufweist.

Die Komödie hat ihre Wurzeln in der Antike, entstanden im Dionysos-Kult, und ist bis heute als dramatische Gattung erhalten.[9] Aufgrund ihrer so langen Geschichte, kann die Komödie kaum auf eine allgemein gültige Theorie der Komödie oder eine eindeutige Definition verweisen, die eindeutige Gattungsmerkmale beschreibt. Außerdem ist das Komische der Komödie immer abhängig von der Epoche und dem Kulturkreis, in dem es vorkommt und bedient sich vieler unterschiedlicher Phänomene, wie dem Humor, der Ironie oder Satire.[10]

Der Autor Andrew Horton geht sogar soweit und sagt, dass genau wie die Sprache, das Komische vielschichtig, ständig im Fluss, immer unvollendet, abhängig vom Kontext und der Intertextualität von Autor, Text und Betrachter sei.[11]

Dennoch kann man in der Literatur einige Merkmale finden, die sich dem Wandel der Zeit nicht unterworfen haben und über die Jahrhunderte konstant geblieben sind.[12]

Das offensichtlichste Merkmal der Komödie ist wohl ihr Ziel: das Lachen. Dieses Ziel kann jedoch auf höchst unterschiedliche Art und Weise herbeigeführt werden, fast immer jedoch durch eine Art der Normabweichung – sei es im Bereich der Sprache, der Handlung oder der Charaktere. Das falsche sprachliche Register oder die Platzierung eines Charakters in einem unpassenden sozialen Umfeld kann komisch wirken.

Ein typisches formales Merkmal der Komödie, in deren Verlauf niemals jemand stirbt, ist das gute Ende, das oft durch ein Fest, einen Tanz oder eine Hochzeit als Zeichen der Harmonie gekennzeichnet ist.[13]

Die Figuren der Komödie sind typisiert. Sie sind außerdem eindimensional angelegt, auf eine bestimmte menschliche Eigenschaft oder soziale Verhaltensweise reduziert und handeln dementsprechend. Der Charakter dieser Figuren entwickelt sich im Lauf der Handlung nicht weiter, sondern bleibt statisch, dem verkörperten Stereotyp entsprechend.

Im Lauf der Handlung entsteht oft durch Zufälle, andere Widrigkeiten oder auch die typischen Charaktereigenschaften der Figuren ein scheinbar zunächst unlösbares Problem, das von ihnen im Laufe der Handlung überwunden wird.

Außerdem spielt sich die Komödie in der Regel im Bereich des Alltäglichen ab und beschäftigt sich kaum mit Schicksals-, Seinsfragen oder dem Erhabenen, sondern hat oft ausgeprägte Gesellschaftsbezüge.[14]

Die Liebeskomödie im Speziellen handelt von den Irrungen und Wirrungen eines Liebespaares, das durch ein katastrophale Ereignisse getrennt wird und sich am Schluss wieder findet – es siegen das Leben und die Liebe. Shakespeare ist Autor vieler solcher Komödien, die auf die Identifikation der Zuschauer mit dem Helden angelegt sind. Dadurch wird der Zuschauer aufgefordert, sich für die Perspektive des Helden oder seine Position zu engagieren.[15]

Insgesamt lassen sich also folgende Gattungskonstanten der Liebeskomödie festhalten: eine Liebesgeschichte zwischen einem Paar, die Normabweichung der Figuren, das scheinbar unlösbare Problem im Alltäglichen, die stereotypen Figuren, sowie das gute Ende.

Nun gilt es zu überprüfen, ob sich bei Widower's Houses diese Merkmale finden lassen, oder nicht.

Widower's Houses eine Liebeskomödie?

Betrachtet man die Handlung, so steht eindeutig die Liebesgeschichte zwischen Dr. Harry Trench und Blanche Sartorius im Mittelpunkt der Geschichte. Beide lernen sich zufällig während einer Reise in Deutschland kennen und es kommt schon bald zu einem Heiratsantrag. Entgegen den Konventionen der Liebeskomödie stellt sich der Vater nicht gegen die Beziehung, sondern regelt die Angelegenheit geschäftsmäßig und schnellstmöglich, nachdem er erfahren hat, dass Trenchs Tante die Adlige Lady Roxdale ist, für die er selbst als Verwalter arbeitet.[16] Im zweiten Akt erfährt Trench dann – wieder zufällig, nämlich als Trench und Cokane Sartorius in dessen Haus besuchen und Sartorius die beiden mit seinem Mitarbeiter Lickcheese alleine lässt- dass Sartorius' Reichtum aus der skrupellosen Ausbeutung bettelarmer Mieter herrührt. Das für die Liebeskomödie typische, scheinbar unlösbare Problem für das Paar ist geschaffen – allerdings nicht durch elterliche Bedenken, sondern durch Trenchs moralische Bedenken gegenüber der Arbeit seines zukünftigen Schwiegervaters. Trench prangert Sartorius und dessen Verhalten auf theatralische Art und Weise an[17] und löst die Verlobung mit Blanche. Diese jedoch erfährt nichts von den Gründen für das Verhalten ihres Verlobten und missversteht es als Niedrigschätzung ihrer Person und ihres gesellschafltichen Standes. Es bleibt aber nicht bei der Offenbarung des Berufes von Sartorius und dem tragischen Missverständnis zwischen Trench und Blanche.

[...]


[1] Bernard F. Dukore, Bernard Shaw, Playwright: Aspects of Shavian Drama (Columbia: University of Missouri Press, 1973) 271.

[2] Richard F. Dietrich, British Drama, 1890 to 1950: A Critical History (Boston: Twayne Publishers, 1989) 85.

[3] „A new form of didactic Socialistic demonstration, [...] a Fabian pamphlet, [...] His propaganda: I beg pardon, his new play, [...]“, Bernard Shaw. „The Author to the Dramatic Critics,“Bernard Shaw: The Drama Observed. Volume I: 1880-1895. Hg. Bernard F. Dukore. Pennsylvania: Pennsylvania State University Press, 1993. 216

[4] Henry William Massingham. „A Realist Play.“Shaw: The Critical Heritage. Hg. T.F. Evans. London: Routledge, 1976. 53.

[5] Michael Holroyd, Bernard Shaw: The Search for Love (London: Chatto & Windus, 1988) 280.

[6] Paul Goetsch. „Das englische Drama seit Shaw.“Das Englische Drama. Hg. Josefa Nünning. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1973. 408.

[7] Dietrich, British Drama, 1890 to 1950, 84.

[8] Arthur Ganz, George Bernard Shaw (London: Macmillan Press Ltd., 1983) 81.

[9] Sonja Fielitz, Drama: Text & Theater (Berlin: Cornelsen Verlag, 1999) 149.

[10] Elke Platz-Waury, Drama und Theater: Eine Einführung (Tübingen: Gunter Narr Verlag, 51999) 183.

[11] Andrew Stott, Comedy (New York: Routledge, 2005) 7.

[12] ebd., 1.

[13] Fielitz, Drama: Text & Theater, 150 - 152.

[14] Platz-Waury, Drama und Theater, 184 – 187.

[15] Fielitz, Drama: Text & Theater, 152.

[16] Bernard Shaw, Plays Unpleasant Dan. H. Laurence (Hg.), London: Penguin, 2000, 31-52.

[17] „[...]that your fortune has been made out of a parcel of unfortunate creatures that have hardly enough to keep body and soul together – made by screwing, and bullying, and threatening [...] Bernard Shaw, Plays Unpleasant, 69-70.

Excerpt out of 18 pages

Details

Title
„When shall we be married?“ Widower's Houses im Gattungskontext der Liebeskomödie
College
University of Heidelberg
Grade
1,6
Author
Year
2007
Pages
18
Catalog Number
V88611
ISBN (eBook)
9783638025126
ISBN (Book)
9783640191864
File size
444 KB
Language
English
Keywords
Widower, Houses, Gattungskontext, Liebeskomödie
Quote paper
Eva-Maria Griese (Author), 2007, „When shall we be married?“ Widower's Houses im Gattungskontext der Liebeskomödie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88611

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