Gliederung
1. Einleitung
2. Die Silbe
2.1. Die phonologische Silbe
2.2. Die morphologische Silbe
3. Silbentrennung
3.1. Die phonologische Silbentrennung
3.2. Die morphologische Silbentrennung
4. Neuregelung der Silbentrennung
5. Literatur
1. Einleitung
In dieser Hausarbeit möchten wir die Neuregelung der Silbentrennung in der deutschen Orthographie untersuchen. Darauf hinarbeitend erklären wir zu Beginn die Begriffe Silbe und deren Untergruppen. Dann werden wir die Gesetzmäßigkeiten der Silbentrennung benennen und mit der Umsetzung in Regeln vergleichen. Abschließend hinterfragen wir die Struktur der Neuregelung.
Im Deutschen trennt man im Allgemeinen nach dem phonologischen Prinzip. Wir werden die Hintergründe des Prinzips darstellen und die Ausnahmen der morphologischen Silbentrennung erläutern. Diese Hintergründe basieren weitestgehend auf das Silbenbaugesetz. Mit diesem werden wir uns nicht näher beschäftigen; wir verweisen daher auf Eisenbergs "Grundriss der Grammatik. Das Wort." Auch die Zuordnung, wann ein wohlgeformter Rand vorliegt, wird hier nicht weiter untersucht, da dies den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde.
Wörter, die nur aus einer Silbe bestehen, heißen Einsilber und werden im Folgenden so benannt. Weitere Fachwörter werden im Text erläutert oder erklären sich selbst. Zur besseren Unterscheidung verwenden wir, beim Trennen nach dem phonologischen Prinzip einen Bindestrich (-) und beim Trennen nach dem morphologischen Prinzip ein Doppelkreuz (#).
2. Die Silbe
Die Zerlegung eines mehrsilbigen Wortes kann nach phonologischen oder morphologischen Gesetzmäßigkeiten erfolgen. In den Regeln für die deutsche Rechtschreibung von 1902 werden die Silben in Sprechsilben und Sprachsilben unterschieden. Wobei die Sprechsilbe der phonologischen und die Sprachsilbe der morphologischen Silbe entspricht. Das Verwechslungen in diesem Falle sehr wahrscheinlich sind, liegt auf der Hand. Außerdem bezeichnet der Begriff "Silbe" in vielen sprachwissenschaftlichen Abhandlungen sowohl die phonologische Silbe als auch den Überbegriff für phonologische und morphologische Silbe. Daher kommt es leicht zu Verwechslungen. Die morphologische Silbe wird auch als Morphem bezeichnet. Die phonologische Silbe wird nicht als Phonem bezeichnet, weil sie anderweitig semantisch determiniert ist. Eine eigenständige Bezeichnung im Sinne von "Morphem" für die phonologische Silbe fehlt. Das Autorinnenkollektiv schlägt hier die Einführung des Begriffes "Phonolus" als Gegenstück zum "Morphem" vor. Ein Diagramm verdeutlicht die Sinnhaftigkeit.
Silbe
phonologische morphologische
Phonolus Morphem
(Sprechsilbe) (Sprachsilbe)
2.1. Die phonologische Silbe (Phonolus)
Die phonologische Silbengliederung ist dem Muttersprachler intuitiv zugänglich. Die Silbe ist eine auditive, artikulatorische Grundeinheit. Es folgen nur Laute aufeinander, die nacheinander gut artikuliert werden können. Die Charakterisierung "gut" meint hier die Abfolge der Laute nach dem allgemeinen Silbenbaugesetz des Deutschen. Die Silben sind Träger von Akzenten und können betont oder unbetont sein. Bei mehrsilbigen Wörtern ist in der Regel die erste Silbe betont.1 Silben bestehen aus einem Anfangsrand, einem Kern und einem Endrand. Die Reihenfolge der Laute in den Silbenbestandteilen ist ebenfalls nach dem allgemeinen Silbenbaugesetz beschreibbar.
2.2. Die morphologische Silbe (Morphem)
Das Morphem ist laut sämtlicher Grammatiken als die kleinste bedeutungstragende Einheit definiert. Man unterscheidet in freie und gebundene Morpheme. Freie Morpheme können nicht getrennt werden, weil sie Einsilber sind. Das "Silbentrennung" in dieser Arbeit im Vordergrund steht, gehen wir nicht weiter auf die freien Morpheme ein.
Bei den gebundenen Morphemen differenziert man vier verschiedene Klassen:
Lexikalische Morpheme, Grammatische Morpheme, Wortbildungsmorpheme und Fugenelemente. Das lexikalische Morphem heißt auch Stammmorphem. Im Deutschen gibt es ungefähr 3000 verschiedene Stammmopheme; zum Beispiel Kirch # turm, lauf # en. Grammatische Morpheme sind beispielsweise geh # st, Kind # er , derer gibt es 16 verschiedene. Zu den circa 100 Worbildungsmorphemen zählt man Präfixe, Suffixe, Zirkumfixe und Infixe; zum Beispiel be # malen, Dumm # heit. Außerdem existieren noch acht Fugenelemente; zum Beispiel das Fugen-"s" in Schiff # s # bau.
3. Silbentrennung
3.1. Die phonologische Silbentrennung
Mehrsilbige Wortformen haben Silbengrenzen. Sie befinden sich zwischen dem Endrand der ersten Silbe und dem Anfangsrand der zweiten Silbe. "Silbengrenzen sind nicht durch spezielle lautliche Mittel markiert, sondern sie ergeben sich aus der Struktur der benachbarten Silben."2 Im Regelfall werden Wortformen nach phonologischen Silbengrenzen getrennt. Bezüglich der phonologischen Silbengrenze werden in einfachen mehrsilbigen Wortformen drei Fälle unterschieden.3
1. Fall:
Jede Silbe hat in der Explizitlautung einen Vokal als Kern. Dieser Vokal heißt dann silbischer Vokal. Folgen also in einer Wortform zwei silbische Vokale unmittelbar aufeinander, so liegt zwischen ihnen die Silbengrenze; zum Beispiel [ ]. Diese Regel trifft nicht auf Diphthonge zu, weil nur einer der beiden Vokale als silbisch angesehen werden kann; zum Beispiel [ ]. Folgt aber einem Diphthong ein Vokal, so gehört der Vokal zur zweiten Silbe; zum Beispiel [ ].
2. Fall:
Steht in einer Wortform zwischen zwei silbischen Vokalen ein Konsonant, so gehört er zur zweiten Silbe; zum Beispiel [ ], [ ]. Befinden sich mehrere Konsonanten in einer Wortform zwischen den silbischen Vokalen, so gehören alle Konsonanten zur zweiten Silbe, die einen wohlgeformten Anfangsrand bilden können; zum Beispiel [ ], [ ].
3. Fall:
Im Kernwortschatz des Deutschen gibt es keine offenen betonten Silben mit ungespanntem Vokal. Das bedeutet, das diese Silben mindestens einen Konsonanten im Endrand aufweisen, zum Beispiel [ ]. Nach Fall 2 müsste das < l > zur zweiten Silbe gehören, nach Fall drei aber zur ersten Silbe. Insofern gehört also das < l > zu beiden Silben gleichzeitig. Das heißt die Silbengrenze liegt im Konsonanten und bildet ein Silbengelenk. Graphemisch wird dies meist durch eine Konsonantenverdopplung verdeutlicht, eine Ausnahme bilden die Mehrgraphen.
3.2. Die morphologische Silbentrennung
Die morphologische Silbengrenze liegt zwischen den einzelnen Morphemen. Bei den folgenden drei Ausnahmen wird nicht nach dem Grundprinzip getrennt.
1.Ausnahme:
Bei Wörtern mit konsonantisch anlautenden Suffixen trennt man nur das Suffix ab.
phonologische Trennung morphologische Trennung
wir - klich wirk # lich
Wa - gnis Wag # nis
2. Ausnahme:
Wortformen, die ein Präfix aufweisen, trennt man zwischen Präfix und Stammmorphem.
phonologische Trennung morphologische Trennung
en - traten ent # raten
au - flassen auf # lassen
3. Ausnahme:
Zusammengesetzte Wörter trennt man erst nach ihren morphologischen Bestandteilen und diese dann bei Bedarf nach phonologischen Silbengrenzen.
phonologische Trennung morphologische Trennung
Hau - stür Haus # tür
Mie - trecht Miet # recht
Die Trennung dieser Beispiele nach morphologischen Prinzipien haben Muttersprachler schon sehr verinnerlicht und stellt selten eine Schwierigkeit dar. Die phonologische Trennung ist ihnen in diesem Falle meist befremdlich.
4. Neuregelung der Silbentrennung
Die Gesetzmäßigkeiten der morphologischen und phonologischen Silbentrennung werden in der "Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung" in einer verständlichen und nutzerfreundlichen Form dargestellt. Dabei kommt es in einzelnen Paragraphen zu einer Vermischung von phonologischer und morphologischer Silbentrennung. Im Folgenden werden wir die Umsetzung der Gesetzmäßigkeiten in den Regelungen erläutern und kommentieren.
-107 Geschriebene Wörter trennt man am Zeilenende so, wie sie sich beim langsamen Sprechen in Silben zerlegen lassen.4
Dieser Paragraph folgt ausschließlich dem phonologischen Silbentrennungsprinzip. Dem das allgemeine Silbenbaugesetz mit dem Sonoritätsschema zu Grunde liegt. In diesem Paragraphen wird nach Augst die Hauptregel der Silbentrennung "Folge dem Syllabieren!"5 benannt. Zu kritisieren ist, dass "langsames Sprechen" und nicht "lautes Vorlesen" als Kriterium benannt wird. Denn nur lautes Vorlesen macht sich an der Struktur des geschriebenen Wortes fest. Wohingegen das Sprechen meist unabhängig von der Schriftstruktur stattfindet.
-108 Steht in einfachen Wörtern zwischen Vokalbuchstaben ein einzelner Konsonatenbuchstabe, so kommt er bei der Trennung auf die neue Zeile. Stehen mehrere Konsonantenbuchstaben dazwischen, so kommt nur der letzte auf die neue Zeile.
In diesem Paragraphen werden der erste Fall der phonologischen und die ersten zwei Ausnahmen der morphologischen Silbentrennung vereint. Das Kriterium der Trennung ist nicht ersichtlich, sondern es wird nur graphematisch motiviert. Im Paragraphen 108 wird nicht mehr der zweite Fall der phonologischen Silbentrennung berücksichtigt. Statt dem Trennungskriterium "wohlgeformter Anfangsrand", tritt hier eine Pauschalisierung auf. Das heißt, nur der letzte Konsonant gehört zur zweiten Silbe. Dies soll der Verständlichkeit dienen, denn "Nicht-Grammatiker" wissen wohl kaum, wann ein Anfangsrand wohlgeformt ist oder nicht.
Im zweiten Satz ist von mehreren Konsonantenbuchstaben die Rede. Das sind nicht die Phoneme, sondern die Grapheme. Der Paragraph ist daher eine Graphemregel. Nach dieser Regel würde <sch> nach <sc> und <ch> nach <c> getrennt werden. Erst ein späterer aber nicht über- oder untergeordneter Paragraph schränkt diese Ungenauigkeit erst ein. §109 Stehen Buchstabenverbindungen wie ch, sch; ph, rh, sh oder th für einen Konsonanten, so trennt man sie nicht. Dasselbe gilt für ck .
Dieser Paragraph bedarf eigentlich keiner Eigenständigkeit, da er nur eine Einschränkung des vorhergehenden darstellt und nur als solcher gekennzeichnet hätte werden sollen. Mit "einen Konsonanten" sind hier die Phoneme gemeint, die Mehrgraphen sind. Unverständlich ist, warum in diesem Paragraphen die Nichttrennung von <ck> mit festgeschrieben wird, da <ck> kein Mehrgraph ist. Vielmehr steht <ck> für eine Verdopplung des Konsonantenbuchstabens <k> und kennzeichnet damit ein Silbengelenk Aus diesem Grunde ist auch die Nichttrennung sehr fragwürdig und die Festlegung mutet willkürlich an. §110 In Fremdwörtern können die Verbindungen aus Buchstaben für einen Konsonanten + l, n oder r entweder entsprechend §108 getrennt werden, oder sie kommen ungetrennt auf die neue Zeile.
Nach der alten Regelung wurden Fremdwörter nach den morphologischen Grenzen der Herkunftssprache getrennt. Da diese dem Deutschsprachigen meist nicht zugänglich sind, kann in Zukunft auch nach den phonologischen Grenzen getrennt werden. §111 Zusammensetzungen und Wörter mit Präfix trennt man zwischen den einzelnen Bestandteilen.
In diesem Paragraphen werden die Ausnahmen zwei und drei der morphologischen Silbentrennung wiedergegeben. Erstaunlich ist dabei, dass die Affixe nicht vollständig benannt werden, sondern nur die Präfixe. Zudem bleibt unklar, dass die morphologischen "Bestandteile" gemeint sind.
Das Regelwerk weist unter diesem Paragraphen darauf hin, irreführende Trennungen zu vermeiden.
-112 Wörter, die sprachhistorisch oder von der Herkunftssprache her gesehen Zusammensetzungen sind, aber oft nicht mehr als solche empfunden oder erkannt werden, kann man entweder nach §108 bis §110 oder nach §111 trennen.
Der letzte Paragraph weist darauf hin, dass die Möglichkeit besteht, bei Zusammensetzungen, die nicht mehr als Zusammensetzungen erkannt werden nach dem phonologischen Prinzip getrennt werden dürfen. Er ist eigentlich nur eine Einschränkung von §111, denn es handelt sich um eine Abweichung von den Trennungen bei zusammengesetzten Wörtern. Die Neuregelung der Orthographie versucht die Silbentrennung dem Sprachgefühl der Schreiber weiter anzupassen. Da das Trennen nach phonologischen Grenzen uns wesentlich leichter fällt, geht die Tendenz auch bei den wenigen Ausnahmen der Trennung nach morphologischen Prinzip hin zu einer allgemeinen phonologische Silbentrennung.
Die Neuregelung der Silbentrennung bleibt in seiner Darstellung sehr fragwürdig. Die einzelnen Paragraphen stehen scheinbar wild durcheinander. Der §107 stellt die Oberregel dar, dies ist aber vollkommen falsch. Eine Oberregel müsste besagen, dass man erst die Komposita in ihre morphologischen Bestandteile trennen muss und dann die Einzelteile weiter getrennt werden (siehe § 111 und E1), wie es in den Regeln für die deutsche Rechtschreibung von 1902 noch im ersten Absatz zur Silbentrennung vermerkt ist.6 Schon im Vorschlag zur Neuregelung der Orthographie greift Günther zu Recht die Struktur der Paragraphen der Silbentrennung an: "Es fehlt [...] eine klare Gliederung, aus der hervorgeht, was eine Regel ist, was eine Illustration, und was eine (unverbindliche) Empfehlung."7 Das Problem wurde nicht behoben und liegt immer noch so vor. Es handelt sich um schwerwiegende Formfehler, die dazu führen, dass man bei Trennungsschwierigkeiten erst einmal alle Paragraphen lesen muss, um sich dann intensiver den herauszusuchen, der Anwendung findet. Das Problem der Undurchsichtigkeit und "Unordnung" zieht sich unser Erachtens durch das ganze neue Regelwerk.
So scheint es vielleicht verständlich, dass nicht nur bei den Worttrennungen sich die Nachschlagewerke Duden und Bertelsman sehr häufig widersprechen.
5. Literatur
Augst, G.: Zwei Reformvorschläge zur Worttrennung im Vergleich. Eine Stellungnahme zum Aufsatz von H. Günther. In: Deutsche Sprache 18, S. 205-217.
Dudenreaktion (Hg.): Duden. Grammatik, Dudenverlag, Mannheim, Leipzig/ Wien/ Zürich, 51995.
Dudenreaktion (Hg.): Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache, Dudenverlag, Mannheim/ Wien/ Zürich, 211996.
Eisenberg, P.: Grundriss der deutschen Grammatik. Das Wort, Metzler,
Stuttgart/Weimar, 1998.
Günther, H.: Die Worttrennung am Zeilenende. Zur Diskussion des Vorschlags zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. In: Deutsche Sprache 18, S. 193-205.
Hofrichter, W.: Die Grundlagen der graphischen Worttrennung im Deutschen, Enzyklopädie, Leipzig, 1989.
Königlich preußisches Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- Angelegenheiten (Hg.): Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst Wörter verzeichnis. Berlin 1902.
[...]
1 Unsere Belegarbeit behandelt nur den Kernwortschatz des Deutschen.
2 Dudenverlag (Hg.): Duden. Grammatik, S. 44.
3 Die nachfolgenden Ausführungen richten sich nach dem Duden. Grammatik, S. 44 ff.
4 Vgl. Die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung. in: Duden. Die deutsche Rechtschreibung. S.909f.
5 Augst, S. 209
6 Regeln für die deutsche Rechtschreibung, S.18
7 Günther, S. 201
- Arbeit zitieren
- Antje Leisner (Autor:in), 2000, Silbentrennung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100000