Stehen das Konzept der standardisierten Reifeprüfung und der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz im Widerspruch?

Eine Annäherung


Seminararbeit, 2017

15 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hintergrund
2.1 Was ist PISA?
2.2 Bildungsstandards
2.3 Standardisierte Reifeprüfung (AHS/BHS)
2.4 Gleichheitsgrundsatz

3 Unfaire Gleichbehandlung!?
3.1 Widerspruch!?
3.2 Conclusio

4 Bibliographie

1 Einleitung

Im Zuge des Seminars „Theorie und Praxis der Schulentwicklung - Evidenzbasierte Schulentwicklung“ möchte ich mich kritisch mit dem Verhältnis von Bildungstheorie, empirischer Bildungsforschung und dem verfassungspolitischen Gleichheitsgrundsatz, auseinandersetzten. Da neben der allgemeinen Beschäftigung mit evidenzbasierter Schulentwicklung vor allem österreichische Bildungsreformen seit PISA 2000 im Fokus des Seminars standen, möchte ich innerhalb der vorliegenden Arbeit das Hauptaugenmerk auf Schulprozesse nach der Jahrtausendwende legen. Grundsätzlich soll der Versuch unternommen werden sich im Verlauf der Arbeit unten angeführter Frage anzunähern: „ Stehen das Konzept der standardisierten Reifeprüfung und der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz im Widerspruch? “

Dabei werde ich mich an der folgenden Einteilung „Hintergrundinformationen“ und dem Schlagwort „Unfaire Gleichbehandlung?“ orientieren.

Bei den nachstehenden Ausarbeitungen handelt es sich lediglich um eine Annäherung an genannte Problematik. Dies ist primär der Tatsache geschuldet, dass bezüglich der Fragestellung nur auf eine beschränkte Quellenlage zurückgegriffen werden kann und eine eigenständige empirische Untersuchung den Rahmen weit überschreiten würde. Dessen ungeachtet, ist Ziel dieser Arbeit eine kohärente und gut argumentierte Abhandlung zu schreiben. Grundlegend für derlei Überlegungen sind allgemein gültige Begriffsdefinitionen. Insbesondere im Bereich der Geisteswissenschaften, wo in vielen Fällen kein letztgültiger Konsens hinsichtlich bestimmter Fachausdrücke herrscht, besteht die Notwendigkeit, innerhalb eines festgelegten Rahmens, sich auf valide Begriffsbestimmung zu einigen. Mit diesen Abgrenzungen wird die Grundlage für ein weiteres Operieren geschaffen. Aufgrund dessen, werde ich versuchen die für die Arbeit wichtigsten Begriffe eindeutig zu definieren bzw. Bezeichnungen wie sie meinem Verständnis nach zu verstehen sind, zu kommunizieren. Um die Fragestellung nun zu bearbeiten, soll im Vorfeld ein geschichtlicher Kontext der zu bearbeitenden Themenfelder hergestellt werden. Angesichts dessen, werden sich die anschließenden vier Absätze der Historie der Themenbereiche PISA, Bildungsstandards, standardisierte Reifeprüfung und dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit widmen.

2 Hintergrund

Primär möchte ich auf den nachstehenden Seiten folgende Fragen beantworten um einen geeigneten Kontext zum Bearbeiten der Fragestellung zu schaffen.

- Was ist PISA?
- Was ist der sogenannte PISA-Schock und welche Folgen werden damit verbunden?
- Bildungsstandards und Standardisierte Reifeprüfung als bildungspolitische Maßnahmen
- Verfassungsrechtlicher Gleichheitsgrundsatz

2.1 Was ist PISA?

PISA („Programme for International Student Assessment“) ist Teil des OECD- Indikatorenprogramms und ist ein bildungswissenschaftliches Instrument, welches dem internationalen Vergleich von normativ festgelegten Kompetenzen von 15-/16-jährigen Schülern und Schülerinnen dient. Die regelmäßige Durchführung von PISA obliegt der Organisation for Economic Cooperation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), kurz der OECD. Neben der UNESCO hat sich die OECD in den letzten Jahren eine Datenbasis von bedeutender Größe aufgebaut. Unter Einbeziehung dieser möchte sie die Beobachtung internationaler Entwicklungstrends sowohl im sozialen als auch im ökonomischen Bereich möglich machen. Allgemeines Ziel ist es mit den erhobenen Daten die Wirtschaftsentwicklung und den Lebensstandard ihrer Mitgliedstaaten zu verbessern. Vor dem Hintergrund, des zentralen Themas Bildung, hat die OECD Ende der 90er Jahre das PISA-Programm zur regelmäßigen Überprüfung von Schüler/innenleistung entwickelt.1 Bei PISA handelt es sich demnach um ein evidenzbasiertes Instrument, welches sich mit folgenden Fragestellungen beschäftigt:

- „Sind die Schüler/innen durch schulische Qualifikationen ausreichend auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet?
- Haben die Schüler/innen die notwendigen Basiskompetenzen erworben, die sie im täglichen Leben und für das lebenslange Lernen benötigen?
- Sind die Schüler/innen in der Lage, Problem effektiv zu analysieren, ihre Lösungen, Ideen und Vorstellungen zu begründen und verständlich zu kommunizieren?“2

Das Hauptanliegen der PISA-Studie wird in den angeführten Fragen ersichtlich. Primär stehen anwendungsbezogene Fähigkeiten von Jugendlichen im Vordergrund, d.h. diese Kompetenzen sollen die Schüler/innen als handlungsfähige Subjekte klassifizieren. Die Überprüfung von reinem „Faktenwissen“ spielt dabei nur eine marginale Rolle. Das System funktioniert nach dem Prinzip einer Drei-Jahres-Erhebung, bei welcher das Hauptaugenmerk auf den drei Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft liegt. Die Schwerpunktsetzung erklärt sich angesichts der Annahme, dass Lesen und Schreiben unabdingbare Grundfähigkeiten jedes sozialen Lebens darstellen. Die naturwissenschaftliche Gewichtung erklärt sich dahingehend, dass wir uns vermehrt mit einer technologischen Durchdringung der Gesellschaft konfrontiert sehen und ein adäquater Umgang mit diesen technischen Entwicklungen konstant wichtiger wird. Wie bereits erwähnt, liegt der Fokus auf der Überprüfung von Kernkompetenzen, welche für eine selbständige Lebensführung grundlegend sind. Teilnehmende an den PISA-Studien sind die 30 OECD-Mitgliedstaaten und darüber hinaus 27 weitere Partnerländer.3

Für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse stellen die aus den PISA-Studien gezogenen Konsequenzen für das österreichische Bildungssystem, dar. Seit 2000, den ersten PISA-Veröffentlichungen, fand ein neuer Begriff Eingang in den öffentlichen und politischen Diskurs. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Bezeichnung „PISA-Schock“ zum rhetorischen Trendwort und prägte zahlreiche bildungspolitische Debatten. Die Ergebnisse der ersten PISA-Studien brachten erhebliche Zweifel am österreichischen Selbstbild, vor allem hinsichtlich des Bildungssystems mit sich. Entgegen der öffentlich angenommenen Erwartungen, konnte Österreich mit seinen Schülern/innen nur einen Platz im schwachen Mittelfeld markieren. Nach den zweiten PISA-Studien musste ein weiterer Leistungsabfall verzeichnet werden. Auf diese empfundenen Niederlagen folgten schließlich starke Reaktionen in der Öffentlichkeit und Politik. Das Thema PISA dominierte lange den medialen Alltag und es kam zunehmend zu einem parteipolitischen Schlagabtausch, in welchem verschiedenste Vorschläge im Hinblick auf das Bildungssystem diskutiert wurden. Die Rufe nach Bildungsreformen 4 wurden immer lauter bis es schlussendlich nach einem langen bildungspolitischen Prozess, auf welchen ich hier nicht gesondert eingehen möchte, zur Umsetzung bildungspolitischer Maßnahmen kam. Schließlich kam es zu Beschlüssen, wie etwa der Implementierung der sogenannten Bildungsstandards, welche die bestehende Unterrichtskultur verändern sollten. Im Weiteren kam es vor dem Hintergrund der Bildungsstandards im Schuljahr 2014/2015 flächendeckend an allen allgemeinbildenden 5 höheren Schulen zur Implementierung der standardisierten, kompetenzorientierten Reifeprüfung. Und im Schuljahr 2015/16 kam es zur Einführung neuen Reife- und Diplomprüfung an berufsbildenden höheren Schulen und den Bildungsinstitutionen für Kindergartenpädagogik und Sozialpädagogik.6

2.2 Bildungsstandards

Im folgenden Abschnitt möchte ich kurz auf die wichtigsten Aspekte der Bildungsstandards und standardisierten Reifeprüfung rekurrieren. Vor allem, welches Ziel mit der Einführung dieser allgemeingültigen Kriterien verfolgt wurde, soll im Vordergrund stehen.

Die PISA-Veröffentlichungen haben im Grunde im gesamten deutschsprachigen Raum zu einem bildungspolitischen Paradigmenwechsel geführt. In erster Linie gab es eine Hinwendung zu output-orientierten Inspektionen. Mit dieser Neuorientierung wurde der Weg für die Einführung der Bildungsstandards geebnet, welche schließlich im Jahr 2009 ihre gesetzliche Legitimation erfuhren.

Die internationalen Leistungserhebungen haben dafür gesorgt, einer sich „sicher“ geglaubten Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Das Ergebnis, dass mehr als 20% der österreichischen Schüler/innen nach neun Schuljahren nicht sinnerfassend lesen können, markierte ein Versagen im österreichischen Bildungssystem. Die zentralen Zielvorstellungen der eingeführten bildungspolitischen Maßnahmen waren demnach, mehr Nachhaltigkeit innerhalb der Lernprozesse zu garantieren und im Weiteren eine zunehmende Ergebnisorientierung zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund, sollen Bildungsstandards vorrangig dazu dienen, dass Schüler/innen nicht lediglich Fachinhalte erwerben, sondern insbesondere Kompetenzen, wie etwa das Verfassen von Texten, sinnerfassend Lesen, etc. entwickeln. Weinert, ein deutscher Psychologe, definiert den Kompetenzbegriff wie folgt: „Kompetenzen sind das Ergebnis von Lernprozessen. Sie sind kontextabhängig ausgeprägt, da sie in der Auseinandersetzung mit der Umwelt erworben werden. Sie ermöglichen damit die Bewältigung unterschiedlicher Aufgaben und Lebenssituationen. Kompetenzen umfassen Wissen und kognitive Fähigkeiten, das Vermögen der Selbstregulation sowie sozial kommunikative und motivationale Elemente.“7

Um Bildungsstandards nicht ausschließlich vorauszusetzen, sondern diese auch umzusetzen, ist ein enges Verhältnis von pädagogischen und psychologischen Kompetenzmodellen und Konzepte der Messung unabdingbar. Um dieser Annahme gerecht zu werden kam es dann im Zuge des allgemeinen Paradigmenwechsels im österreichischen Bildungssystem und der Etablierung der Bildungsstandards im Weiteren zur Einführung der standardisierten Reifeprüfung.

2.3 Standardisierte Reifeprüfung (AHS/BHS)

Die standardisierte Reifeprüfung fand in Österreich erstmals flächendeckend im Schuljahr 2014/15 an allen AHS und 2015/2016 an allen BHS statt. Die folgenden Ausführungen hinsichtlich standardisierter Reifeprüfungen beziehen sich auf beide Schultypen, auch wenn im Hinterkopf zu behalten ist, dass es sich hier um Prüfungszentralisierungen zum einen der AHS und zum anderen der BHS handelt. Da aber die standardisierten Prüfungen den gleichen Kriterien folgen, soll hier davon abgesehen werden, eine weitere Unterteilung zu machen.

Überdies muss ganz Allgemein von einer Teilstandardisierung gesprochen werden, da sich die Angleichung der Reifeprüfungen für alle Schulen, auf die Hauptgegenstände Deutsch, Mathematik und einer weiteren lebenden Fremdsprache bezieht. Die übrigen für die Matura relevanten Gegenstände folgen zwar den gleichen formalen Kriterien liegen aber nach wie vor im Zuständigkeitsbereich der Klassenlehrer/innen. Die neue Reifeprüfung folgt einem von einer Expertengruppe etablierten „Drei-Stufen-Modell“. Der erfolgreiche Abschluss beruht auf der Notwendigkeit alle drei Bereiche positiv zu absolvieren. Die standardisierte Maturitätsprüfung stützt sich auf die drei Pfeiler: Vorwissenschaftliche Arbeit, drei bzw. vier schriftliche und drei mündliche Prüfungen.

Die VwA soll nicht lediglich ein Abfassen von Texten sein, sondern soll zeigen, dass die Jugendlichen im Stande sind selbständig Zusammenhänge zu erfassen und eigene Gedanken innerhalb einer kohärenten Arbeit zu formulieren. Die Arbeit soll unter dem Gesichtspunkt einer von den zu Unterrichtenden selbstständig formulierten Fragestellung verfasst werden.

Die schriftliche Reifeprüfung setzt sich aus zentralen Fragestellungen zusammen. Das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens ist gesetzlich mit der Ausarbeitung dieser zentralen Fragen beauftragt. Alle Aufgabenstellungen werden durch Feldtestungen geprüft und geeicht. Die für die Korrektur verantwortlichen Lehrkräfte folgen einem festgelegten Korrektur- und Bewertungsschlüssel.

[...]


1 Vgl. Schreiner et al. 2007. S. 7.

2 Schreiner et al. 2007. S. 8.

3 Vgl. Schreiner et al. 2007. S. 8-9.

4 Vgl. Bauer 2005. S. 110 – 114.

5 Vgl. BIFIE – Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens 2017.

6 Vgl. BIFIE – Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens 2017

7 Vgl. Siller et al. 2011. S. 3. -6.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Stehen das Konzept der standardisierten Reifeprüfung und der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz im Widerspruch?
Untertitel
Eine Annäherung
Hochschule
Universität Wien
Note
2
Autor
Jahr
2017
Seiten
15
Katalognummer
V1000201
ISBN (eBook)
9783346375643
ISBN (Buch)
9783346375650
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Standardisierte Reifeprüfung, Pisa, Gleichheitsgrundsatz, Bildungsstandards
Arbeit zitieren
Madlen Schwaiger (Autor:in), 2017, Stehen das Konzept der standardisierten Reifeprüfung und der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz im Widerspruch?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1000201

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