Grunderwerbsteuer und Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Rechtsvergleich mit den Niederlanden und Spanien


Bachelorarbeit, 2020

59 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen
2.1 Die Grunderwerbsteuer
2.2 Historische Entwicklung
2.3 Volkswirtschaftliche Bedeutung
2.4 Asset Deal / Share Deal
2.5 Anteilsveräußerungen im geltenden Grunderwerbsteuerrecht
2.5.1 Veräußerungen im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG
2.5.2 Veräußerungen im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG
2.5.3 Veräußerungen im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG
2.6 RETT-Blocker-Struktur

3 Die geplante Reform
3.1 Absenkung der relevanten Beteiligungsquote
3.2 Verlängerung der bisherigen Haltefristen
3.3 Ausweitung des Ergänzungstatbestandes auf Kapitalgesellschaften

4 Rechtsvergleich Niederlande und Spanien
4.1 Das niederländische System
4.1.1 Grundlagen
4.1.2 Besteuerung von Immobilienunternehmen
4.1.3 Beteiligungsquote
4.1.4 Mittelbare Beteiligungen
4.2 Das spanische System
4.2.1 Grundlagen
4.2.2 Besteuerung von Immobilienunternehmen
4.2.3 Beteiligungsquote
4.2.4 Mittelbare Beteiligungen
4.3 Zusammenfassung

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Steuereinnahmen aus der Grunderwerbsteuer in Deutschland von 2004 bis 2018 (in Milliarden Euro)

Abb. 2: Entwicklung der Anzahl der Transaktionen auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt von 2009 bis 2018 (in Tausend)

Abb. 3: Entwicklung des durchschnittlichen Grunderwerbsteuersatzes in Deutschland von 2009 bis 2018 (in Prozent)

Abb. 4: Veränderung der Grunderwerbsteuersätze in den deutschen Bundesländern von 1997 - 2015

Abb. 5: Anteilseignerwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG

Abb. 6: Anteilserwerb nach § 1 Abs. 3 GrEStG

Abb. 7: Besteuerung von Share Deals nach § 1 Abs. 3a GrEStG

Abb. 8: RETT-Blocker-Struktur

Abb. 9: Zusammenfassung der relevanten Punkte des Grunderwerbsteuerrechts in Deutschland, den Niederlanden und Spanien

1 Einleitung

Die Grunderwerbsteuer tritt durch Fälle wie den Verkauf des Sony Centers in Berlin 2017 immer wieder in Diskussion: trotz des Veräußerungspreises von rund 1,1 Milliarden Euro wurde keine Grunderwerbsteuer gezahlt.1 Möglich wird dies dadurch, dass das Grundvermögen nicht direkt erworben wird, sondern durch einen Share Deal, also den Anteilserwerb an der Gesellschaft, die das Grundvermögen hält. Zwar wird Grunderwerbsteuer nicht nur beim direkten Grundstückserwerb ausgelöst; das Gesetz enthält einige Nebentatbestände, nach denen Grunderwerbsteuer auch beim Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft anfällt, jedoch nur, wenn innerhalb von fünf Jahren mindestens 95% an der grundstückshaltenden Gesellschaft erworben werden.2 Dies schafft einen gewissen Spielraum für Gesellschaften und Investoren. Die sich daraus ergebenden Steuergestaltungsmöglichkeiten stellen bereits die gängige Praxis bei Share Deals dar3, wodurch dem Fiskus jährlich schätzungsweise bis zu einer Milliarde Euro Grunderwerbsteuer entgehen.4

Eine Reform des Grunderwerbsteuergesetzes soll diese Regelungen nun verschärfen. Die durch gestalterische Maßnahmen einhergehenden Steuermindereinnahmen seien von erheblicher Bedeutung.5 Daher wollen die Länder mit der Reform die missbräuchlichen Steuergestaltungen durch einzelne verschiedene Änderungen eindämmen.6 Des Weiteren sei es laut dem Bundesrat nicht akzeptabel, dass der Erwerb eines Eigenheims in jedem Fall mit Grunderwerbsteuer belastet wird, wohingegen die Grunderwerbsteuer im Bereich hochpreisiger Immobilientransaktionen regelmäßig gespart werden kann.7 Die Bundesregierung hat am 31.07.2019 den Gesetzentwurf zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes beschlossen8, dessen relevanten Punkte die folgenden Änderungen beinhalten:

- Absenkung der relevanten Beteiligungsgrenze von 95% auf 90%
- Verlängerung der Haltefristen von fünf auf zehn Jahre
- Ausweitung des Ergänzungstatbestandes von Personen- auf Kapitalgesellschaften.

Im Verhältnis zu den gesamten Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen machte die Grunderwerbsteuer mit 14,08 Milliarden Euro in 2018 nur 1,97% aus9 und spielt daher eine eher untergeordnete Rolle im deutschen Steuerrecht. Bei kostenintensiven Transaktionen von Anteilen an Gesellschaften in der Immobilienbranche kann sie jedoch einen erheblichen Teil der Transaktionen darstellen.10 Deswegen und aufgrund der unterschiedlich hohen und tendenziell steigenden Steuersätze bei entsprechenden Transaktionen ist es von Notwendigkeit, die Grunderwerbsteuer als relevanten Entscheidungsfaktor mit einzubeziehen.11 Aufgrund der aktuell geplanten Reform soll daher die folgende Forschungsfrage beantwortet werden:

Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es nach Inkrafttreten der Grunderwerbsteuerreform?12

Die Reform sollte ursprünglich zum 01.01.2020 in Kraft treten, wurde aber am 24.10.2019 durch die Koalitionsfraktion verschoben, um den Gesetzesentwurf zu überarbeiten.13 Das deutsche Besteuerungssystem bezüglich Grunderwerbsteuer und Share Deals ist im europäischen Kontext vergleichsweise streng.14 Aus diesem Grund und da der ursprüngliche Gesetzesentwurf bereits in einigen Punkten und aufgrund seiner Komplexität in Kritik geraten ist15, sollen die Änderungen und insbesondere die Kritikpunkte am Grunderwerbsteuerrecht zum exemplarischen Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union herangezogen werden. Die zwei zum Vergleich dienenden Länder sind die Niederlande und Spanien. Hieraus ergibt sich die folgende zweite Forschungsfrage:

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen dem deutschen, niederländischen und spanischen Besteuerungssystem bezüglich Grunderwerbsteuer und Share Deals feststellen?

Der erste Teil der Arbeit widmet sich den Grundlagen der Grunderwerbsteuer, ihrer historischen Entwicklung und der volkswirtschaftlichen Bedeutung in Deutschland. Außerdem werden die Unterschiede zwischen einem Asset Deal und einem Share Deal erläutert. Zuletzt geht es um die Anteilsveräußerungen im derzeit geltenden Grunderwerbsteuerrecht und um steuergestaltende Strukturen. Im zweiten Teil werden die einzelnen Änderungen der Grunderwerbsteuerreform erläutert und analysiert. Der dritte Teil stellt den Rechtsvergleich mit den Niederlanden und Spanien dar, in dem die einzelnen Besteuerungssysteme dargestellt und jeweils mit dem deutschen System verglichen werden. Am Schluss steht eine Zusammenfassung des Vergleichs der drei Besteuerungssysteme. Die Arbeit endet mit dem vierten Teil, dem Fazit, der Beantwortung der Forschungsfragen und einem Ausblick.

2 Grundlagen

2.1 Die Grunderwerbsteuer

Der Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer ist gem. § 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG16 ) der Erwerb inländischen Grundbesitzes. Die Grunderwerbsteuer ist eine Verkehrsteuer, da sie wie beispielsweise die Kraftfahrzeugsteuer oder die Versicherungsteuer an einen Rechtsvorgang anknüpft und sich nicht wie die Grundsteuer auf das Vermögen bezieht.17 Im Fall der Grunderwerbsteuer stellt der Rechtsvorgang den Übergang der rechtlichen und wirtschaftlichen Verfügungsmacht an einem Grundstück, einem Haus oder einer Wohnung dar. Die Steuer wird den einzelnen Bundesländern geschuldet, die dazu berechtigt sind, den Steuersatz festzulegen.18 Die Bemessungsgrundlage ist der Kaufpreis. Die Steuerlast ergibt sich aus der Multiplikation des Kaufpreises mit dem Steuersatz des Bundeslandes, in dem sich das Grundstück befindet.19 Bereits der Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes, d.h. in der Regel der Abschluss eines Kaufvertrages, und nicht erst der Zeitpunkt des tatsächlichen Rechtsträgerwechsels löst nach § 1 GrEStG Grunderwerbsteuer aus.20 Die Steuerschuldnerschaft hängt von der Art des Erwerbsvorgangs gem. § 13 Nr. 1 - 7 GrEStG ab. Steuerschuldner beim zivilrechtlichen Übergang des Grundstücks sind regelmäßig alle Beteiligten auf der Erwerberseite sowie auf der Veräußererseite als Gesamtschuldner.21 Die Grunderwerbsteuer ist eine direkte Steuer, da der Steuerschuldner auch zugleich Steuerträger ist. Die Grunderwerbsteuer entsteht bei Rechtsvorgängen, die zivilrechtlich eine Übertragung eines inländischen Grundstücks auf einen neuen Rechtsträger begründen.

Erwerbsvorgänge stellen nach dem GrEStG u.a. der Grundstückskauf, das Meistgebot, die Abtretung von Rechten eines Übereignungsanspruchs, der Erwerb der Verwertungsbefugnis, die Anteilsvereinung sowie der Wechsel von mindestens 95% der Anteilseigner einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft dar.22 Neben dem direkten Grundstückserwerb kann folglich ebenfalls der Erwerb der Anteile an Gesellschaften, die inländischen Grundbesitz halten, Grunderwerbsteuer auslösen. Besteuerungsgegenstand ist in dem Fall nicht der Erwerb der Gesellschaftsanteile selbst, da kein speziell auf den Grundbesitz bezogenes Verpflichtungsgeschäft und kein tatsächlicher Rechtsträgerwechsel stattfindet. Demnach ist der zivilrechtliche Erwerbsvorgang des Grundstücks nicht gegeben. Vielmehr stellt dieser Vorgang einen durch das Gesetz fingierten Rechtsträgerwechsel und einen fingierten Erwerb des inländischen Grundbesitzes dar. Der zivilrechtliche Übergang des Grundstücks ist hierbei nicht relevant, jedoch aber die grunderwerbsteuerliche Zuordnung des Grundstücks zum Erwerber.23 Die Grunderwerbsteuer tritt im Verhältnis zur Erbschaftsteuer und zur Schenkungsteuer prinzipiell zurück, denn § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG schließt die Grunderwerbsteuer bei Grundstückserwerben aufgrund von Tod und bei Grundstücksschenkungen aus. Die Umsatzsteuer wird im Verhältnis zur Grunderwerbsteuer grundsätzlich ausgeschlossen, da nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG24 Umsätze, die unter das GrEStG fallen, umsatzsteuerfrei sind. Ausnahmen können hierbei nach § 9 Abs. 2 UStG bei Umsätzen gemacht werden, die von einem Unternehmer an einen anderen Unternehmer ausgeführt werden. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, freiwillig auf die Umsatzsteuerfreiheit zu verzichten.25

2.2 Historische Entwicklung

Bereits in den früheren deutschen Bundesstaaten wurden der Grunderwerbsteuer ähnliche Abgaben bei Grundstücksveräußerungen erhoben, einerseits in Form einer sogenannten22 23 24 25 Grundwechselabgabe, andererseits in Form eines Urkundenstempels. Mit Einführung des Reichsstempelgesetzes vom 15.07.1909 wurde erstmals eine vereinheitlichte Grundwechselabgabe eingeführt, dessen Erhebung den Ländern und Gemeinden zustand. Das am 12.09.1919 erlassene Grunderwerbsteuergesetz hob das Besteuerungsrecht der Länder und Gemeinden auf.26 Seitdem stellt die Grunderwerbsteuer eine verlässliche Einnahmequelle in Deutschland dar. In 1983 wurde der einheitliche Steuersatz von 7% auf 2% gesenkt, jedoch von der Steuer befreiende Tatbestände erheblich gekürzt, sodass das Aufkommen der Grunderwerbsteuer um 88,35% von 1,03 Mrd. € auf 1,94 Mrd. € stieg. Die Erhöhung des länderübergreifenden Steuersatzes in 1997 auf 3,5% hielt bis 2006 an. Im Rahmen der Föderalismusreform 2006 wurde beschlossen, die Besteuerung erneut den einzelnen Bundesländern zu überlassen.27 So sollte die Einnahmeautonomie der Bundesländer gestärkt werden, die bis dato nicht über die Möglichkeit verfügten, ihre Steuereinnahmen an ihre Bedürfnisse anzupassen.28

2.3 Volkswirtschaftliche Bedeutung

Der höchste Steuersatz beträgt mittlerweile 6,5% in Schleswig-Holstein, NordrheinWestfalen, Saarland, Brandenburg und Thüringen. Lediglich Bayern und Sachsen haben den Steuersatz nicht verändert und besteuern Grunderwerb noch mit 3,5%.29

Abbildung 1: Steuereinnahmen aus der Grunderwerbsteuer in Deutschland von 2004 bis 2018 (in Milliarden Euro):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt (2019)

Abbildung 2: Entwicklung der Anzahl der Transaktionen auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt von 2009 bis 2018 (in Tausend):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt (2019)

Abbildung 3: Entwicklung des durchschnittlichen Grunderwerb Steuersatzes in Deutschland von 2009 bis 2018 (in Prozent):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jahre 2009 - 2015: Statistisches Bundesamt, Interhyp, BFW Research 2016; Jahre 2016 - 2018: Grunderwerbsteuer 2020, Deutsche Immobilienagentur. URL: https:// kapitalanlageimmobilien.net/news/immobilien/artikel/grunderwerbsteuer/#grunderwerbsteuer-2020 (Stand: 09.03.2020), eigene Berechnung und Darstellung.

Die gesamten Grunderwerbsteuereinnahmen in Deutschland (siehe Abbildung 1) stiegen im Zuge der Föderalismusreform und den darauf folgenden erhöhten Steuersätzen von 2006 bis 2007 um insgesamt 13,4% von 6,13 Mrd. € in 2006 auf 6,95 Mrd. € in 2007 an. Die Verringerung der Bauanträge und des Häuserpreisindexes während der Wirtschaftskrise 2008/2009 bewirkten den Rückgang der Steuereinnahmen um insgesamt 30,08%.30 In 2009 betrugen die Grunderwerbsteuereinnahmen nur noch 4,86 Mrd. €.

Von 2009 bis 2018 ist eine stetige Zunahme der Grunderwerbsteuereinnahmen zu verzeichnen: im Durchschnitt sind die Steuereinnahmen von 2009 bis 2018 jährlich um 12,65% gestiegen (eigene Berechnung). Seit der Föderalismusreform 2006 sind die einzelnen Bundesländer dazu berechtigt, den Grunderwerbsteuersatz selber festzulegen.3130 31

Wie aus Abbildung 3 ersichtlich wird, erhöhten einzelne Bundesländer von 2009 bis 2018 außer in 2016 jedes Jahr den Steuersatz, sodass der durchschnittliche Steuersatz in Deutschland stieg. In 2009 betrug der durchschnittliche Steuersatz noch 3,63%, in 2018 lag er schon bei 5,37%. Aus einer von Fritzsche und Vandrei in 2016 durchgeführten Studie zeigen sich deutliche negative Korrelationen zwischen der Höhe der Grunderwerbsteuer und der Anzahl der Immobilientransaktionen (hier Ein- und Zweifamilienhäuser). Demnach geht die Erhöhung der Grunderwerbsteuer um 1% mit der Verringerung der Immobilientransaktionen um insgesamt 12,5% einher.32 In 2009 gab es ca. 560.900 Immobilientransaktionen, in 2018 726.600, was einen Anstieg von 29,54% innerhalb von neun Jahren bedeutet (siehe Abbildung 2, eigene Berechnung). Offensichtlich ist trotz der gestiegenen Steuersätze und trotz des gleichzeitig steigenden Immobilienpreisindexes33 insgesamt kein Rückgang an den gesamten Immobilientransaktionen von 2009 bis 2018 in Deutschland zu erkennen. Dies wird durch die trotz der steigenden Steuersätze höhere Bereitschaft der Privathaushalte zu großen Anschaffungen begründet. Die Finanzierungsbedingungen sind aufgrund der niedrigen Zinsen für Wohnungsbaukredite günstiger geworden, was größere Transaktionen im Immobilienbereich erleichtert.34 Der jährliche stetige Anstieg der Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer kommt demnach durch die Kombination aus steigenden Immobilienpreisen und wachsenden -transaktionen und der gleichzeitigen regelmäßigen Erhöhung der Steuersätze in einzelnen Bundesländern zustande.35

In 2018 betrugen die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer 14,08 Mrd. €. Dies macht einen relativ geringen Anteil in Höhe von 1,97% der gesamten Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden in 2018 aus.36 In Relation zu den Einnahmen aus den gesamten Ländersteuern in 2018 stellen die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer einen Anteil von 58,88% dar.37

Zweck der Grunderwerbsteuer ist nach § 3 AO die Einnahmeerzielung. Zur erstmaligen Einführung des geltenden Grunderwerbsteuergesetzes in 1919 schreibt Ott in seinem Kommentar: „Die Grundwechselabgaben knüpfen an einen Verkehrsvorgang an, der sich nicht leicht der Kenntnis der Steuerbehörden entziehen kann und deshalb besonders geeignet ist, dem Staat eine ergiebige Einnahmequelle zu verschaffen.“38 Besteuert werden soll lediglich der Grundstücksumsatz. Da die Grunderwerbsteuer weder an die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers noch an das Äquivalenzprinzip anknüpft, nach welchem die Steuer eine Gegenleistung für eine Leistung des Staates darstellen soll, ist sie laut dem Wirtschaftsinstitut Köln eine „volkswirtschaftlich schwer zu begründende Steuerart“.39 Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip, welches als Fundamentalprinzip im deutschen Steuerrecht gilt, werden Staatsleistungen durch die Steuerzahlungen finanziert, die sich nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers berechnen.40 Da die Grunderwerbsteuer prozentual auf den finalen Kaufpreis des Grundstücks erhoben wird, bezieht sie sich nicht auf die individuelle Finanzkraft des Steuerzahlers. Außerdem steht sie in keinem realen Verhältnis zu dem Wert, der tatsächlich durch die Staatskasse in das zu erwerbende Grundstück investiert wurde, repräsentiert also auch nicht das Äquivalenzprinzip.41 Dies bestärkt Otts’ Ansicht, die Grunderwerbsteuer sei vorrangig eine leichte und lukrative Einnahmequelle und das fiskalische Interesse der öffentlichen Hand die grundlegende Begründung zu ihrer Durchführung und Erhaltung.

Darüber hinaus ist ein Anstieg der Grunderwerbsteuersätze in einigen Bundesländern nach der im Rahmen der Föderalismusreform in 2009 beschlossenen Schuldenbremse ab 2020 festzustellen. 13 von 16 Bundesländern erhöhten so bis 2012 den Grunderwerbsteuersatz auf mindestens 4,5% (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Veränderung der Grunderwerbsteuersätze in den deutschen Bundesländern von 1997 - 2015

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt; Interhyp; BFW Research 2016

In der Literatur werden die zusätzlichen Einnahmen aus der Erhöhung des Grunderwerb steuersatzes von den Ländern tatsächlich als Substitution für die ab 2020 wegfallenden Finanzmittel durch Verschuldung gesehen.42

Der derzeit geltende Länderfinanzausgleich stellt durch das sog. Normierungsverfahren einen weiteren Vorteil für Bundesländer mit einem vergleichsweise niedrigen Transaktionsaufkommen bei der Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes dar. Die Zahlungen der Grunderwerbsteuereinnahmen der einzelnen Bundesländer für den Länderfinanzausgleich berechnen sich auf Grundlage des relativen Anteils des Wertes der Transaktionen der jeweiligen Bundesländer zum Gesamtwert der Transaktionen auf Bundesebene. Erhöht ein Bundesland mit niedrigem Transaktionsaufkommen den Grunderwerbsteuersatz, werden die Mehreinnahmen zu den gesamten Einnahmen auf Bundesebene hinzugerechnet. Davon ausgehend, dass sich die Anzahl der Transaktionen in dem Bundesland nicht verändert haben, muss das Bundesland nur in der prozentualen Höhe etwas zum Länderfinanzausgleich beitragen, wie sein relatives Transaktionsaufkommen hoch ist. Daraus ergibt sich, dass Länder mit hohem Transaktionsaufkommen automatisch mehr zum Länderfinanzausgleich zahlen müssen, wenn Länder mit niedrigem Transaktionsaufkommen den Grunderwerbsteuersatz erhöhen, obwohl die Mehreinnahmen nicht durch sie generiert wurden.43 Dieser Spielraum verzerrt das Bild der Grunderwerbsteuer und schafft Nachteile für Bundesländer mit höherem Transaktionsaufkommen.44 Außerdem bewirkt die Systematik des Länderfinanzausgleichs wenig Anreize für eine Senkung des Grunderwerbsteuersatzes.45 Die Grunderwerbsteuer stelle ferner ein Transaktionshemmnis dar und verhindere Investitionen an Grundstücken, die ohne oder mit einem geringeren Steuersatz getätigt worden wären.46 Ein weiterer Kritikpunkt ist der aus der Grunderwerbsteuer resultierende Lock-In-Effekt. Durch die hohen Nebenkosten bei Transaktionen kommt es vermehrt dazu, dass Eigentümer Grundstücke nicht veräußern, obwohl eine Veräußerung ohne Grunderwerbsteuer stattgefunden hätte.47 Außerdem stellen die Erhöhungen der Grunderwerbsteuersätze einen Widerspruch zur Niedrigzinspolitik dar. Die Wohneigentumsquote in Deutschland beträgt seit Jahren trotz niedrigen Zinsen nur 45%.48 Der von Fritzsche und Vandrei nachgewiesene Effekt der Verringerung der Immobilientransaktionen von 12,5% bei der Erhöhung der Grunderwerbsteuer um 1% geht mit den genannten Kritikpunkten einher.

2.4 Asset Deal / Share Deal

Da der Verkauf eines Unternehmens steuerrechtlich nicht gesondert geregelt ist, gelten in diesem Fall die allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen. Im Zivilrecht finden sich dagegen zwei Handlungsalternativen. Einerseits kann das Unternehmen durch einen Asset Deal erworben werden. Bei einem Asset Deal werden alle Vermögensgegenstände, also alle Wirtschaftsgüter und alle Verbindlichkeiten, an das erwerbende Unternehmen veräußert. Jeder Vermögensgegenstand wird zivilrechtlich einzeln auf den Erwerber43 44 45 46 47 48 übertragen49 und stellt jeweils einen Sachkauf im Sinne des § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB50 dar. Folglich besteht die veräußernde Gesellschaft nur noch aus finanziellen Mitteln, die zwischen den Gesellschaftern aufgeteilt werden.51 Anschließend veranlassen die Gesellschafter die Liquidation der Gesellschaft.

Bei der zweiten Variante, des Share Deals, werden die Anteile an einer Gesellschaft durch den Veräußerer, der die Gesellschaftsanteile bis dato hält, auf den Erwerber übertragen. Zivilrechtlich stellt dies einen Rechtskauf im Sinne des § 453 Abs. 1 BGB dar.

Da beide Alternativen zur Übertragung einer Gesellschaft auf eine andere als ökonomisch gleichwertig gelten, sollten Veräußerer und Erwerber die Entscheidung prinzipiell unabhängig von den steuerrechtlichen Folgen treffen. Jedoch gibt es Anhaltspunkte im Steuerrecht dafür, dass die Besteuerung der Unternehmenstransaktion in einigen Fällen doch eine bedeutende Rolle spielt, was zu Interessenkonflikten zwischen Veräußerer und Erwerber führen kann.52 Oft werden bei solchen Unstimmigkeiten die sich für eine Partei ergebenden finanziellen Nachteile durch eine Angleichung des Kaufpreises wieder ausgeglichen.53

Für die Veräußerung von Grundstücken ist der Share Deal insbesondere durch die in den letzten Jahren gestiegenen Grunderwerbsteuersätze für Investoren interessanter geworden.54 Werden Grundstücke über einen Asset Deal veräußert, fällt durch den direkten Rechtsträgerwechsel in jedem Fall Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an, welche bei einem Share Deal in einigen Fällen durch bestimmte Gestaltungsstrukturen vermieden werden kann.

[...]


1 Haimann, R. (2017): Investoren zahlen 1,1 Milliarden Euro für Sony-Center. „Die Welt“ v. 04.10.2017.

2 Joisten, C. et al. (2019): Reform der Erfassung von Share Deals bei der Grunderwerbsteuer. Institut Finanzen und Steuern, S. 1.

3 ebd.

4 Koalition verschiebt Reform gegen Schlupfloch bei Grunderwerbsteuer, Handelsblatt v. 24.10.2019. URL: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/steuerpolitik-koalition-verschiebt-reform-gegen- schlupfloch-bei-grunderwerbsteuer/25152228.html (Stand: 09.03.2020).

5 Deutscher Bundestag (2019): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes, Drucksache 19/13437, v. 23.09.2019.

6 ebd.

7 Deutscher Bundesrat (2019): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes, Drucksache 355/1/19, v. 09.09.2019.

8 Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes verzögert sich, Haufe v. 25.10.2019. URL: https://www.haufe.de/ steuern/gesetzgebung-politik/aenderung-des-grunderwerbsteuergesetzes_168_495648.html (Stand 09.03.2020).

9 Monatsbericht des BMF (2018): Die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder im Haushaltsjahr 2018.

10 Nachmann/Hobelsberger in: Kindler/Nachmann (2014): Handbuch Insolvenzrecht in Europa, Rn. 561.

11 Schwedhelm, R./Zapf, A. (2016): Die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Umstrukturierungen im Konzern gemäß § GrEStG § 6a GrEStG - Fallstricke und ungelöste Problemfelder (Teil I), Rn. 1906.

12 bezogen auf den Gesetzesentwurf vom 31.07.2019.

13 Labetzki, T./Lange, M. (2019): Grunderwerbsteuer-Reform und Share Deals. „ZIA - Die Immobilienwirtschaft“ v. 25.10.2019.

14 Joisten, C. et al. (2019): S. 1.

15 Kalina-Kerschbaum, C./Eichholz, M. (2019): Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Grunderwerbsteuer. Bundessteuerberaterkammer v. 10.10.2019.

16 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG), neugefasst durch Bek. v. 26.02.1997, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 25.03.2019 (BGBl. I S. 357).

17 Bundesfinanzministerium: Besitz- und Verkehrssteuern. URL: https://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Glossareintraege/B/009_Besitz-_und_Verkehrsteuern.html?view=renderHelp (Stand 09.03.2020).

18 Niespor, M. (2015): Grunderwerbsteuer, Deutscher Bundestag v. 04.02.2015.

19 Voigtländer, M./Hentze, T. (2017): Reformoptionen für die Grunderwerbsteuer, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, S. 9.

20 Krich, S. (2018): Grunderwerbsteuer im Konzern, S. 22.

21 Viskorf, H.-U. in Boruttau (2007): GrEStG § 13 Rn. 12-25.

22 FAQ Grunderwerbsteuer, Senatsverwaltung für Finanzen. URL: https://www.berlin.de/sen/finanzen/ steuern/informationen-fuer-steuerzahler-/faq-steuern/artikel.9062.php (Stand: 09.03.2020).

23 Käshammer, D./ Bolik, A. S. (2019): JStG 2019: Grunderwerbsteuer, Investmentsteuer, Abgabenordnung.

24 Umsatzsteuergesetz (UStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBl. I S. 386), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2886).

25 Hofmann, R. (1998): Die Grunderwerbsteuer, NWB Nr. 16 vom 14.04.1998 Seite 1230 Fach 8 Seite 1311. 5

26 Weilbach, D./Baumann, W.: GrEStG Einführung / 1 Entwicklung der Grunderwerbsteuer, Rn. 1.

27 Niespor (2015).

28 Buettner, T./Krause, M. (2017): Föderalismus im Wunderland: Zur Steuerautonomie bei der Grunderwerbsteuer, S. 1.

29 Grunderwerbsteuer 2019 - Höhe Bundesland & berechnen (2019), Grunderwerbsteuer Info. URL: https:// www.grunderwerbsteuer-info.de/grunderwerbsteuer-2019-berechnen-nach-bundesland/ (Stand: 09.03.2020). 6

30 An de Meulen, P./Micheli, M. (2013): Droht eine Immobilienpreisblase in Deutschland?, in: Wirtschaftsdienst, 93. Jg., H. 8, S. 539-544.

31 Niespor (2015).

32 Fritzsche, C./Vandrei, L. (2016): The German Real Estate Transfer Tax: Evidence for Single-Family Home Transactions, ifo Working Paper No. 232, S. 17.

33 Voigtländer, M./Hentze, T. (2015): Bedeutung der Grunderweibsteuer für das Wohnungsangebot, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, S. 8.

34 An de Meulen/Micheli (2013): S. 539-544.

35 Voigtländer/Hentze (2015): S. 8.

36 Bundesfinanzministerium (2018): Die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder im Haushaltsjahr 2018, Monatsbericht des BMF.

37 Bundesfinanzministerium (2019): Steuereinnahmen (ohne reine Gemeindesteuern) v. 23.01.2019. URL: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/ Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2019-01-31-steuereinnahmen-kalenderjahr-2018.pdf? blob=publicationFile&v=2 (Stand: 09.03.2020).

38 zitiert nach Weilbach/Baumann: Rn. 1.

39 vgl. Voigtländer/Hentze (2015): S. 4.

40 Eggert, W.: Leistungsfähigkeitsprinzip, Gabler Wirtschaftslexikon v. 19.02.2018. URL: https:// wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/leistungsfaehigkeitsprinzip-40634/version-264014 (Stand 09.03.2020).

41 Voigtländer/Hentze (2015): S. 10.

42 Gnewuch, J. (2012): Die Grunderwerbsteuer als Transaktionshemmnis, Die Wohnungswirtschaft, 3/2012, S. 32-33.

43 Bechtoldt, S. et al. (2014): Acht Jahre nach der Reform der Grunderwerbsteuer: Bundesländer nutzen ihre Spielräume für Steuererhöhungen, DIW Wochenbericht Nr. 50.2014, S. 1287.

44 Boysen-Hogrefe, J. (2017): Grunderwerbsteuer im Länderfinanzausgleich: Umverteilung der Zusatzlast der Besteuerung, Wirtschaftsdienst, 97. Jahrgang, Heft 5, S. 354-359.

45 Voigtländer/Hentze (2017): S. 13.

46 ebd.: S.11.

47 Gnewuch (2012): S. 32-33.

48 Redaktion Beck-aktuell (2017): Steuerzahlerbund fordert deutliche Entlastung bei der Grunderwerbsteuer. 13

49 Beisel, W./Klumpp, H.-H. (2006): Unternehmenskauf, Kapitel 4, Rn. 16-31.

50 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2911) geändert worden ist.

51 Eilers, S./Schmidt, R. in: Herrmann, C./Heuer, G./Raupach, A. (2008): Einkommensteuergesetz, § 17 EStG, Anm. 287.

52 Schneider, D. (1992): Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 200.

53 Jänisch, C. (2005): Unternehmenstransaktionen, Rn. 11.

54 Fischer, H. (2016): Grunderwerbsteuer und Share Deal - Warum nicht sein darf, was nicht sein kann, Handelsblatt v. 02.06.2016. URL: https://blog.handelsblatt.com/steuerboard/2016/06/02/grunderwerbsteuer- und-share-deal-warum-nicht-sein-darf-was-nicht-sein-kann/ (Stand: 09.03.2020).

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Grunderwerbsteuer und Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Rechtsvergleich mit den Niederlanden und Spanien
Note
1,3
Jahr
2020
Seiten
59
Katalognummer
V1000533
ISBN (eBook)
9783346385970
ISBN (Buch)
9783346385987
Sprache
Deutsch
Schlagworte
grunderwerbsteuer, gestaltungsmöglichkeiten, rechtsvergleich, niederlanden, spanien
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Grunderwerbsteuer und Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Rechtsvergleich mit den Niederlanden und Spanien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1000533

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Grunderwerbsteuer und Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Rechtsvergleich mit den Niederlanden und Spanien



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden