Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Individualisierungsthese
2.1 Der Begriff der Individualisierung
2.2 Ursachen der Individualisierung
2.2.1 Sozialer Wandel
2.2.2 Ökonomischer Wandel
2.2.3 Wertewandel
2.3 Auswirkungen der Individualisierung auf die Gesellschaft
3. Ansätze zur Erklärung von Wahlverhalten
3.1 Der Erklärungsansatz der Michigan- School
3.2 Kurze Übersicht über den makrosoziologischen Erklärungsansatz
4. Auswirkungen der Individualisierung auf die Bundestagswahl
4.1 Überlegungen
4.2 Schwindende Milieus und abnehmende Stammwählerzahlen
4.3 Personalisierung des Wahlentscheides und Issueorientierung der Wähler
5. Fazit
6. Literaturliste
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit ist ein Versuch, die Auswirkungen der Individualisierung auf die Wahlentscheidung des Elektorats zur Bundestagswahl 1998 zu erfassen. Der Begriff „Versuch“ ist hierbei bewusst gewählt, denn es ergeben sich mehrere Probleme: Ein wichtiges ist der Ausdruck der „Individualisierung“ an sich. Er ist mit einer solchen Vielzahl von Assoziationen besetzt, dass es schwerfällt, ihn genau abzugrenzen. Insbesondere der historische und räumliche Geltungsbereich sind umstritten. Dieser Aufsatz wird deshalb bei der Bearbeitung der Individualisierung auf die Nachkriegszeit in Deutschland begrenzt. Teilweise sind jedoch auch Prozesse von Belang, die vor 1945 einsetzten.
Eine weitere Definition ist dennoch erforderlich. Sie erfolgt zu Beginn des Kapitels „Die Individualisierungsthese“ (Kapitel 2.1, S.4 f.). Hierbei sollen Ursachen (S.5 ff.) und Auswirkungen (S.7 f.) besprochen werden.
Ebenfalls Problem der Individualisierungsthese ist die mangelhafte Nachprüfbarkeit. Die These konnte empirisch nicht bestätigt werden. Gründe hierfür sind zum einen deren Umfang und zum anderen fehlendes statistisches Material. Sie ist in ihren Auswirkungen so umfangreich, dass Einflüsse auf quasi alle gesellschaftlichen Bereiche denkbar wären. Es bleiben weitere Kritikpunkte.
Um die Frage „Welche Auswirkungen hat die Individualisierung konkret auf das Wahlverhalten?“ zu klären, wird vor allem der theoretische Ansatz der Michigan- School betrachtet (Kapitel 3.1, S.8), denn er eignet sich gut zu ihrer Untersuchung. Weitere relevante Einflüsse auf die Wahlentscheidung unter Gesichtspunkten der Individualisierung, die nicht außer Acht gelassen werden sollten (makrosoziologischer Ansatz), werden in Kapitel 3.2 (S.10) kurz erklärt.
Als Antwort auf die oben gestellte Frage ist eine Vielzahl von Möglichkeiten denkbar. Würde die Gesellschaft in immer kleinere Einheiten gespalten, so ließen sich bestehende Bündnisse zwischen Wählern und Parteien eventuell nicht mehr aufrecht erhalten, Wahlergebnisse kämen nur mit geringer ausgeprägten Parteibindungen zu Stande und bislang wirkende sozialstrukturelle Einflüsse verlören an Wirkung. Inwieweit solche denkbaren Modifikationen des Wahlverhaltens in der Realität Eingang finden, soll in Kapitel
4: „Auswirkungen der Individualisierung auf die Bundestagswahl 1998“ (ab S. 10) untersucht werden. Da Individualisierung als Prozess stattfindet (vgl. hierzu Wohlrab- Sahr 1997: S. 25/26), ist es problematisch, die Folgen auf nur eine Bundestagswahl zu untersuchen. Deshalb wird es hin und wieder einen Rückblick in die Vergangenheit geben.
Ein weiter gefasstes Spektrum an Bundestagswahlen wäre wünschenswert, würde jedoch den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen.
2. Die Individualisierungsthese
2.1 Der Begriff der Individualisierung
Der Begriff der Individualisierung ist nur schwer zu fassen. Er ist historisch mit verschiedenen Bedeutungen versehen (z.B. der Individualisierungsbegriff Max Webers, Georg Simmels, etc). Erschwerend kommt hinzu, dass der ursprünglich rein wissenschaftliche Ausdruck in die öffentliche Diskussion kam und mit neuen Inhalten assoziiert wurde.
Ich möchte mich in meiner Bearbeitung auf die Individualisierungsvorstellungen der „Münchener Schule“ (Gellert 1996: 576) und ihrem wichtigsten Vertreter Ulrich Beck konzentrieren. Er war es hauptsächlich, der die Individualisierungsdiskussion in etwas neuerer Zeit entfachte. Seine Definition lautet (Beck 1993: 150):
„ ´Individualisierung´ meint erstens die Auf lösung und zweitens die Ab lösung industriegesellschaftlicher Lebensformen durch andere, in denen die Einzelnen ihre Biografie selbst herstellen, inszenieren, zusammenflickschustern müssen.“
Weitere Fragen bleiben jedoch offen. Friedrichs (1998b: 8/9) klassifiziert diese in fünf Probleme, die ich kurz anschneiden möchte:
1. Der historische Geltungsbereich der Individualisierung ist unklar. Je nach Ansatz kann man zu der Ansicht kommen, die Individualisierung hätte bereits in der Renaissance, zur Zeit der Industrialisierung oder erst nach dem zweiten Weltkrieg begonnen.
2. Bezieht sich die Individualisierung nur auf Deutschland oder ist sie international zu erkennen?1
3. Wie wird das Individualisierungskonzept definiert? Ist Individualisierung ein Prozess2 oder ein Zustand und inwiefern kann sie auf andere Handlungsbereiche übertragen werden?
4. Ist die Individualisierung bei Personen, die in unterschiedlichen sozialen Gruppen leben unterschiedlich ausgeprägt?
5. Worin liegen die Ursachen der Individualisierung? Aus welchen Bindungen wurde das Individuum entlassen mit welchen Auswirkungen auf das Verhalten?
2.2 Ursachen der Individualisierung
2.2.1 Sozialer Wandel
Wesentliche Voraussetzungen für die Individualisierung wurden durch die sich ändernden sozialen Bedingungen geschaffen. Die Modernisierung traditioneller Lebensformen spielt hierbei eine wichtige Rolle. Erst durch Ablösung der alten rechtlich- politischen Normen (Gensicke 1996: 4) in historisch neuem Ausmaß (vgl. Hitzler 1997: 56) wurde es möglich, dass sich soziale Klassen bzw. Milieus gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr so stark voneinander abgrenzten wie noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Eine Abgrenzung der Klassen durch „ständisches Gepräge“ und „soziale (Selbst-) Wahrnehmbarkeit“ mittels „bewusster und gelebter Besonderheit“ sowie eigener „Kontakt-, Hilfs- und Heiratskreise“ (Beck 1986: S.139 ff.) ist heute kaum noch zu finden. Diese Entwicklung bedeutete einen enormen Freiheitsgewinn, denn Zwänge, die von Klassen, Schichten und Familien auferlegt waren entfielen (Beck/ Sopp 1997b: 13). Solche Zwänge konstituierten sich hauptsächlich in Traditionen und Leitmodellen dieser sozialen Gruppen (Hitzler 1997: 49). Die aus den Umwälzungen resultierende Pluralisierung von Lebensläufen (Wohlrab- Sahr 1997: 27) führte zur Auflösung der traditionellen Herkunftsmilieus (Jagodzinski/ Quandt 1997: 747), woraufhin neue entstanden.
Für die Individuen ergaben sich neue Handlungsmöglichkeiten und -alternativen, die bislang nicht existierten (Jagodzinski/ Quandt: 748). Es wurde möglich, im Verlauf eines Lebens verschiedenen sozialen Lagen anzugehören, die intra- generationelle Mobilität stieg (Schnell/ Kohler 1995: 635). Die Folge war eine abnehmende Prägekraft: wer in seinem Leben vielfältigen Einflüssen ausgesetzt ist wird nicht mehr nur in eine bestimmte Richtung sozialisiert, sondern von vielen Eindrücken geprägt. Sie können oftmals auch gegensätzlich wirken. Die Akteure selbst nehmen sich selbstständig, autonom und unabhängig war (Jagodzinski/ Quandt 1997: 748). Gesellschaftlich werden diese Eigenschaften häufig erwartet.
2.2.2 Ökonomischer Wandel
Eine weitere Bedingung für den Prozess der Individualisierung waren wirtschaftliche Umbrüche. Durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde die kapitalistische Ökonomie eingeführt, ein System, das auf Innovationen beruht und stetigen Veränderungen ausgesetzt ist (vgl. Greven 1997: 231). Das Traditionsprinzip wurde hierdurch geschwächt, was erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaftsstrukturen hatte: Bevölkerungsexplosion, Urbanisierung und Expansion des sekundären Sektors. Erst später nahm das Tempo der rasanten Umstürze ab, mit der Folge anderer Veränderungen.
Die nicht mehr so stark ansteigende Bevölkerungszahl machte es in Verbindung mit dem Ausbau des Sozialstaates möglich, die vorhandenen Ressourcen auf mehr Personen zu verteilen als bisher (Gensicke 1996: 9). Auch die Arbeitnehmer profitierten vom Wirtschaftsaufschwung. Diese Entwicklungen sind im Begriff „Fahrstuhleffekt“ (Hitzler 1997: 53) festgehalten.3
Eine ebenfalls zu beachtende Ursache der Individualisierung, die in der Nachkriegszeit stattfand, ist die Tertiärisierung der Gesellschaft (Gensicke 1996: 11). Vor allem in der Arbeitswelt werden neue Anforderungen gestellt. Folgen hiervon sind beispielsweise unstetige Verläufe von Erwerbsbiografien, sinkende Lebensarbeitszeiten, etc. die wiederum ihren Einfluss auf Gesellschaftsstrukturen haben.
2.2.3 Wertewandel
Die Theorie des Wertewandels basiert im wesentlichen auf der Annahme Ronald Ingleharts, dass das Prinzip der Knappheit auf Wertprioritäten anwendbar ist. Die Wertschätzung der Individuen ist für die Dinge am größten, die sehr knapp sind. In Anlehnung an Maslow4 geht Inglehart davon aus, dass bestimmte Grundbedürfnisse in der jüngeren Generation gedeckt sind und sie sich somit an anderen Werten orientiert als die vorhergehende Generation. Die vorhandenen Werte der älteren Generation nennt er materialistisch, die neu entstehenden der jüngeren postmaterialistisch (Bürklin/ Klein 1998: 143). Der Vorgang wurde von ihm „ stille Revolution “ getauft, weil sich der Wertewandel nur schleichend durch einen Generationenwechsel vollzieht.
Des Weiteren wird von Inglehart angenommen, dass Personen von der sozio- ökonomischen Lage in ihren formativen Sozialisationsjahren geprägt werden und diese Prägungen im weiteren Verlauf ihres Lebens stabil bleiben (Dalton 1986: 429).5
Unterstützt durch die Bildungs- und Medienexpansion (Gensicke 1996: 11) ergibt sich nach Helmut Klages nun ein Wandel weg von Pflicht- und Akzeptanzwerten hin zu Werten der individuellen Selbstentfaltung. Es werden nunmehr individualistische Werte (wie z.B. Ungebundenheit, Selbstentfaltung,...), hedonistische Werte (beispielsweise Genuss, Spannung, Abenteuer, etc.) und eine idealistische Gesellschaftskritik (z.B. Partizipation, Emanzipation von Autoritäten, Gleichbehandlung, etc.) betont (vgl. Bürklin/ Klein: 153/ 154). Somit veränderten sich auch Erziehungspraktiken. Die Erziehungsziele von Eltern wurden etwa seit Ende der 1960er/ Anfang der 1970er Jahre liberaler (vgl. Gensicke 1996: 9- 11); eher traditionelle Vorstellungen wie „Ordnungsliebe und Fleiß“ verloren an Wichtigkeit. Die Bevölkerung entwickelte eine neuartige Sensibilität für öffentliche Belange (vgl. ebenda).
Ausgehend von der Theorie Ingleharts wäre im Endeffekt eine verhältnismäßig größte Zahl an Postmaterialisten zu erwarten gewesen, die Zahlen zeichnen jedoch ein anderes Bild: die Bevölkerung besteht zum größten Teil aus dem Mischtypen von Materialist und Postmaterialist. Eine Wertesynthese scheint stattgefunden zu haben (Gensicke 1996: 13). Der Wertewandel hat zumindest teilweise Eingang in die Bevölkerung und die Individualisierung gefunden.
2.3 Auswirkungen der Individualisierung auf die Gesellschaft
Die für die (wahl-) soziologische Forschung bedeutsamste Auswirkung ist, dass im Zuge der Individualisierung das Handeln der Individuen immer schlechter vorauszusagen ist (vgl. Jagodzinski/ Quandt 1997: 748). Ursache hierfür ist die „Differenzierung von Lebens(führungs-)formen und Lebenswegen“ (Berger 1997: 81). Sie stellt die Individuen vor schwierige Aufgaben: Im Verlaufe eines Lebens kommt es nun häufig zu Unregelmäßigkeiten in Form von „biografischen Brüchen und Irritationen“ (Hitzler 1997: 53), zum Teil bedingt durch eine sinkende Halbwertszeit des Wissens. Der Mensch muss sich sein Leben selber gestalten, es sich „zusammenbasteln“ ohne einigermaßen verlässliche Leitlinien. (ebenda: 57). Daraus können sich Risiken ergeben, und dennoch stecken Chancen in dieser eigenverantwortlichen Lebensführung (Greven 1997: 240).
Durch die Vielfalt der Biografien verfestigen sich soziale Bindungen und Verpflichtungen nur noch in schwachen Ausmaßen (vgl. Beck/ Sopp 1997b: 10). Insbesondere sind Jugendliche betroffen, denn sie werden doppelt freigesetzt: zum einen werden Werte und Normen subjektiviert und zum anderen findet eine „Desintegration auf der sozialen, beruflichen und politischen Erfahrungsebene“ (Beck /Sopp 1997b: 15) statt.6
Auflösungstendenzen der Geschlechterrollen, der Kleinfamilie und des Maßstabes „links“ und „rechts“ im Politischen (vgl. Hitzler 1997: 49/ 50) und somit eine Pluralisierung der Gesellschaft sind die Folge.
Der Unstetigkeit der Lebensläufe sind jedoch auch positive Seiten abzugewinnen. Findet eine gehäufte Konfrontation einer Person mit ursprünglich nicht erfahrbaren sozialen Lagen statt, so ist zu erwarten, dass Vorurteilen gegenüber anderen Individuen aus diesen Lagen vorgebeugt wird. Dennoch: alte Konfliktlagen werden im Prozess der Individualisierung transformiert, ohne sie aufzulösen und weitere entstehen (vgl. Beck/ Sopp 1997b: 16). Interessantes „Versuchsfeld“ für die Individualisierungstheorie ist der Osten Deutschlands. Viele der erwarteten Eigenschaften einer „individualisierten Gesellschaft“ sind hier bereits anzutreffen. So beispielsweise ein breites Spektrum an Erfahrungen, eine erhöhte Flexibilitätsbereitschaft (vgl. Berger 1997: 91) und eine „Chaosbewältigungsqualifikation“ (Hradil 1995: 3-20), die nicht unbedingt negativ gesehen werden sollte. Ebenfalls im Hinblick auf eine durch Individualisierungsprozesse stattfindende Säkularisierung (die sich vor allem in Westdeutschland vollzieht, da die neuen Länder bereits weitgehend säkularisiert sind) spielt Ostdeutschland den Vorreiter.
Um die Auswirkungen der nun dargestellten Individualisierung auf das Wahlverhalten erfassen zu können, werden im nächsten theoretischen Kapitel Ansätze zur Erklärung des Wahlverhaltens erläutert.
3. Ansätze zur Erklärung von Wahlverhalten
3.1 Der Erklärungsansatz der Michigan- School
Geistige Väter dieses Ansatzes sind Campbell, Converse, Miller u.a. (1960). Sie gehen in ihrem Modell davon aus, dass die Wahlentscheidung auf individualpsychologischen Faktoren aufbaut und entfernen sich somit von einer eher soziologischen Sichtweise (vgl. Bürklin/ Klein 1998: 57). Die (objektive) Sozialstruktur wird weniger berücksichtigt, denn Campbell u.a. nehmen an, dass sie vermittelt über politische Einstellungen (attitudes) auf das Kreuz in der Wahlkabine wirkt. Am Ende eines Kausalitätstrichters („funnel of causality“), in dem sich die in der Sozialisationsphase gemachten Erfahrungen ansammeln, entsteht ein „System aufeinander bezogener Einstellungen“ (ebenda: 58). Die aktuelle politische Einstellung könnte im Gedankenmodell dort gemessen werden. Das System besteht aus der Determinanten- Trias Parteiidentifikation (langfristig wirksam), Kandidaten- und Issueorientierung (kurzfristig wirksam). Die Parteiidentifikation kann als psychologische Mitgliedschaft in einer Partei gesehen werden (ebenda: 59). Die Kandidatenorientierung bewertet in der Zeit kurz vor Wahlen den im Wahlkampf stehenden Kandidaten einer Partei. Die Issueorientierung sagt etwas über das Einverständnis der Wähler mit den Positionen einer Partei in aktuellen Streitfragen aus. Je besser diese drei Faktoren in Bezug auf eine Partei zusammenpassen, desto wahrscheinlicher wird die Wahl (vgl. ebenda).
In welcher Weise Parteiidentifikation, Kandidaten- und Issueorientierung und die Wahlentscheidung zusammenwirken ist schwer abzuschätzen. Sie stehen vermutlich unter wechselseitigen Beeinflussungen mit jeweils unterschiedlich starker Wirkung aufeinander. Die Beziehungen könnten in einem nicht- rekursivem Modell festgehalten werden (s. Grafik 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die drei Faktoren verändern sich in ihrem Einfluss auf die Wahl7 und lassen sich auch messen, so z.B. in einer Normal- Vote- Analyse (vgl. ebenda: 71).8
Der Charakter von Wahlen9 wird von Campbell u.a. (1960: 531) in drei Typen zusammengefasst:
- Maintaining election: Die Wahlentscheidung des Elektorats wurde im wesentlichen unter Einfluss der Parteiidentifikation gefasst; an der bisherigen politischen Situation wird sich kaum etwas ändern.
- Deviating election: Die Wahl weicht von der vorangegangenen ab, da die Faktoren Kandidatenorientierung bzw. Issueorientierung die Parteiidentifikation überlagern, nicht jedoch umorientieren bzw. auflösen.
- Realigning election: Die Wahl unterscheidet sich grundsätzlich in ihrer Ursache von den beiden anderen Wahltypen, denn ein Wechsel der Parteiidentifikation hat stattgefunden.
Realigning- bzw. Dealigning 10 - Prozesse werden für das vierte Kapitel noch von Bedeutung sein.
3.2 Kurze Übersicht über den makrosoziologischen Erklärungsansatz
Der makrosoziologische Erklärungsansatz des Wahlverhaltens entstand im Wesentlichen durch Lipset und Rokkan (1967). Sie gehen davon aus, dass entlang von „ Cleavages “ (sozialen Konfliktlinien) Koalitionen zwischen Wählergruppen und Parteien entstehen. Damit sich Konflikte in solchen Koalitionen manifestieren können, müssen vier Schwellen überwunden werden: Legitimation, Inkorporation in das politische System, Repräsentation sozialer Gruppen und die Möglichkeit der Machterlangung durch Mehrheiten (Lipset/ Rokkan 1967: 27).
In Westeuropa entstanden die Cleavages einerseits im Zuge einer nationalen Revolution und andererseits durch die industrielle Revolution. Zur ersten Gruppe gehören die Konfliktlinien Kirche contra Staat und Zentrum contra Peripherie. Zur zweiten die Konflikte Stadt contra Land und Arbeiter contra Unternehmer. Entlang dieser Brüche sind schließlich die Parteiensysteme entstanden (vgl. Lipset/ Rokkan 1967: 14).
4. Auswirkungen der Individualisierung auf die Bundestagswahl 1998
4.1 Überlegungen
Um die Ergebnisse der vorherigen Kapitel etwas zu bündeln und eine weitere Untersuchung des Themas des Aufsatzes zu erleichtern, sollen hier Deutungsmuster des veränderten Wahlverhaltens in einer Klassifikation dargestellt werden (nach Schultze: 504 ff.):
1. Quantitative Interpretationen
2. Qualitative Interpretationen: Dealigning- Prozesse bzw. Realigning- Prozesse
3. Qualitative Interpretationen: Partisan Realignment.
Ad 1.: Bei quantitativen Interpretationen veränderten Wahlverhaltens wird davon ausgegangen, dass die Cleavages in der Gesellschaft zwar fortbestehen, jedoch in abgeschwächter Form. Die Verhaltensänderungen resultieren im Wesentlichen aus gewandelten Berufsstrukturen und der Bildungsexpansion. Vertreter dieses Ansatzes stehen also in der Tradition des makrosoziologischen Erklärungsansatzes.
Ad 2.: Hierbei werden Realigning- Prozesse (s.o.) als Übergangsphase gesehen. Dealigning- Prozesse wären dauerhafter Natur. Es wird davon ausgegangen, dass der Wähler eine individuelle Kosten- Nutzen- Rechnung aufstellt und an Hand dieser seine Wahl trifft. Außerdem wäre diesem Ansatz zu Folge die Rationalität des Elektorats gestiegen. Ad 3.: Partisan Realignment lässt sich durch den Wertewandel erklären. Für diesen gibt es zwei Erklärungsmuster. Die erste Deutungsmöglichkeit ist die „stille Revolution“ nach Inglehart (s.o.), die zweite geht davon aus, dass sich neue Konfliktlinien herauskristallisieren.
Keiner der drei Ansätze kann eigenständig die Modifikationen des Verhaltens der Wähler erklären. Es blieben bei einem solchen Versuch immer Ungereimtheiten. Da alle drei in ihren Grundannahmen von für die Individualisierung bedeutsamen Wandlungsprozessen ausgehen, sollte es möglich sein, den Prozess mit ihrer Hilfe zu erklären.
Es stellt sich die Frage, wie Verfechter der einzelnen Deutungsmuster die Auswirkungen der Individualisierung auf das Kreuz in der Wahlkabine erklären würden. Dazu muss gesagt werden, dass die Überlegungen rein hypothetisch sind11.
Sollten Cleavages als Reaktion auf die zunehmende Individualisierung nur noch in abgeschwächter Form fortbestehen, so wäre eine erhöhte Wechselbereitschaft die Folge, da Orientierungsmaßstäbe schwächer wirkten. Somit könnten bisher gebundene Wähler für Parteien votieren, die vormals für sie nicht in Frage kamen. Das Wählerpotential der einzelnen Parteien würde sich ausweiten und oftmals überschneiden. Der Wahlausgang würde erheblich durch die Mobilisierungsfähigkeit der Parteien beeinflusst.
Wäre lediglich ein Realigning gegeben, müsste davon ausgegangen werden, dass die Individualisierung zu einem „Stühlerücken“ führte. Die Bindungen, die in ihrer Konsequenz aufgelöst wurden etablierten sich wieder. Umgekehrt hieße das für die individualisierte Gesellschaft aber, dass jeder seinen Platz in ihr gefunden hat und fähig geworden ist, mit den neuen Umständen fertig zu werden. Als Auswirkung auf Wahlen kann eine kurzfristig sinkende Wahlbeteiligung vermutet werden. Ebenso wäre, wie bei der quantitativen Interpretation, eine Fragmentierung der Parteienlandschaft denkbar. Letztendlich käme es nach einem Innovationsprozess wieder zu einer mehr oder weniger stabilen Verteilung von Wählerschichten und ihren Parteineigungen.
Eine fehlende Fähigkeit, sich der individualisierten Gesellschaft anzupassen, würde zu Dealignment führen. Psychologische Parteibindungen würden nicht neu entstehen. Im Gegensatz zum Realignment dürfte die Partizipation an Wahlen dauerhaft auf einem niedrigen Niveau verharren. Zudem würde verstärkt eine Personalisierung von Wahlen bzw. eine vermehrt an Hand von Issues getroffene Wahl stattfinden.
Für die Vertreter der „stillen Revolution“ dürfte es auf Grund von steigender Lebenserwartung und daraus resultierender „Überalterung“ der Gesellschaft eher schlecht aussehen, denn der schleichende Wandel hätte kaum eine Chance.
Im Falle zusätzlicher Konfliktlinien müssten neue Parteien entlang denselbigen entstehen.
Das nächste Kapitel soll sich damit befassen, inwieweit die oben genannten möglichen Auswirkungen der Individualisierung sich tatsächlich in der Realität offenbaren.
4.2 Schwindende Milieus und abnehmende Stammwählerzahlen
Betrachtet man die Milieus der deutschen Gesellschaft, so ist festzustellen, dass sie sich in ihrer vertikalen Differenzierung seit den 1980er Jahren kaum geändert haben. Der Relation zwischen der Ober-, Mittel- und Unterschicht sind weitestgehend konstant geblieben. Zugenommen dagegen hat die horizontale Differenzierung (vgl. Vester 1997: 107). Jagodzinski und Quandt (1997: 763) kommen zu dem Schluss einer Homogenisierung zwischen sozialen Gruppen und einer größeren Heterogenität innerhalb derselben. Im Einklang mit diesen Feststellungen steht die Entwicklung der Arbeitermilieus. Hier hat das traditionelle Arbeitermilieu in seiner Größe abgenommen und neue Arbeitermilieus sind entstanden (vgl. Vester 1997: 109). Individualisierung jedoch fand vor allem in den Milieus der Mittelschichten statt (vgl. ebenda). Interessant ist Vesters (1997: 112) Diagnose: „Die Deklassierten und schlecht Ausgebildeten [...] neigen [...] zur politischen Abstinenz“. So wird Wahlenthaltung vor allem bei den „Modernisierungsverlierern“ zu finden sein (auch: Stöss 1997: 231).
Die von Vester dargestellte Entwicklung hat zudem einen Einfluss auf die Stammwählerschaft der SPD. Da Personen in den neu entstandenen Milieus über eine allenfalls schwache Parteibindung verfügen und das traditionelle Arbeitermilieu schrumpft, verkleinert sich das Stammwählerpotential der Sozialdemokraten.12
Eine ähnliche Diagnose ist bei der CDU/ CSU zu machen. Konfessionelle Bindungen, die bis in die achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts oft wahlentscheidenden Charakter hatten (vgl. Jacobs 2000: 142) haben einen Bedeutungsverlust erfahren. Zwar wählte bei der Bundestagswahl 1998 immer noch die Mehrzahl der katholischen Wähler weiterhin ihre Stammpartei CDU/ CSU (vgl. ebenda: 141), aber die Anzahl der Personen mit Bindungen - und hier insbesondere mit starken Bindungen - an die Amtskirche nehmen auf protestantischer sowie auf katholischer Seite ab (vgl. ebenda: 146 und149). Unter kirchenfernen Katholiken ließ sich nur eine relativ schwache Präferenz für die Union feststellen (vgl. ebenda: 146 f.). Besonders das Zusammenschmelzen des katholischen Sozialmilieus trägt, ähnlich wie bei der SPD, zu einer verminderten Stammwählerzahl von CDU und CSU bei.
Jedenfalls kann festgehalten werden: Die Grundsockel der beiden großen Parteien Deutschlands brechen weg (vgl. Jung/ Roth 1998: 17). Ursache hiervon sind nicht nachlassende Bindungen der traditionellen Milieus an ihre traditionellen Vertreter, sondern der Schrumpfprozess der traditionellen Milieus (vgl. ebenda: 17), der in seinen Ausmaßen in
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
der Folge der Individualisierung entstand. Eine Auswirkung der Individualisierung auf die Bundestagswahlen 1998 ist demzufolge erkennbar.
Hinzu kommt, dass eine abnehmende Neigung, die Volksparteien zu wählen feststellbar ist (s. Grafik2).
Wenn die Wahlergebnisse von CDU/ CSU und SPD zusammengezählt werden, ist ein Abnahmetrend der kumulierten Werte seit 1976 zu erkennen.13 Wird die Parteienlandschaft als Spiegel der Wählerschaft gesehen, so ist auch die Etablierung von BÜNDNIS ´90/ DIE GRÜNEN und der PDS (bei der man nach dem dritten Einzug in das gesamtdeutsche Parlament davon ausgehen muss, dass sie in Zukunft dort vertreten sein wird) im Sinne einer Fragmentierung des Parteiensystems ein Indiz für die Auswirkungen der Individualisierung auf Wahlen. Dahingehend ist ebenfalls die abnehmende Unterstützung für die großen Volksparteien zu werten.
Untersuchungen von Schnell und Kohler (1995: 643) ergeben eine von 1953- 1992 abnehmende Erklärungskraft von beruflicher Stellung, Konfessionszugehörigkeit und Bildung in Hinblick auf die Wahlentscheidung. Sie konstatieren einen „Rückgang des Einflusses der Klassenvariablen auf die CDU/ SPD- Wahlabsicht“ (Schnell/ Kohler 1995: 647). Die „Untersuchung einer Individualisierungshypothese am Beispiel der Parteipräferenz von 1953-1992“14 muss jedoch mit Vorsicht genossen werden; sie war einer erheblichen Kritik ausgesetzt (vgl. Jagodzinski/ Quandt 1997 und Müller 1997). Müller bemängelte v.a. die Form des Einbezugs sozialer Gruppen in die Analyse. Sie änderten sich im untersuchten Zeitraum zu stark, so dass ein unverfälschtes Ergebnis nicht zu erwarten war. Nach einer wiederholten Untersuchung der Daten mit anderen Methoden, sah jedoch auch Müller eine „tendenzielle Übereinstimmung“ der Ergebnisse mit den Daten Kohlers und Schnells (1997: 756).
4.3 Personalisierung des Wahlentscheides und Issueorientierung der Wähler
Bezogen auf die Individualebene hatte die Parteiidentifikation, die immer weniger mittels beruflicher Stellung, Konfessionszugehörigkeit und Bildung erklärt werden kann (vgl. Schnell/ Kohler 1995:643), bei der Bundestagswahl 1998 den größten Einfluss auf die Wahlentscheidung (vgl. Brunner/ Walz 2000: 104). Erst dann folgten Issueorientierung (Sachkompetenz) und Kandidatenorientierung. Bei den Wahlen zum Bundestag im Jahre 1994 waren sogar noch bei ca. 50% der unentschiedenen Wähler und bei gut 80% der Nichtwähler „rudimentäre Bindungen an ihre Herkunftspartei“ festgestellt worden (Stöss 1997: 234).
Werden Effekte herausgerechnet, die für alle beiden großen Parteien in gleichem Ausmaß positiv bzw. negativ wirken15, so stellt sich ein anderes Bild dar. Nun spielt die Kandidatenorientierung pro Schröder und somit pro SPD die bedeutsamste Rolle.
Anschließend folgen die Parteiidentifikation, die für die CDU positiv wirkt, und schließlich die Issueorientierung, v.a. in Gestalt des Themas Arbeitslosigkeit mit positiver Auswirkung für die SPD (vgl. Brunner/ Walz 2000: 106).
Interessantes Faktum ist, dass Sachkompetenzen für Personen ohne Parteibindungen eine relativ geringe Rolle spielten. Weniger als die Hälfte dieses Wählertyps entschieden sich auf Grund der vorherrschenden Streitfragen (vgl. Brettschneider 2000: 119). Es blieb für sie somit die Entscheidung mit Hilfe von kandidatenbezogenen Kriterien. Bei Personen mit einer starken „Kirchlichkeit“, die eigentlich eine relativ große Bindung an die Union besitzen, wirkt sich die Unzufriedenheit mit dem Kandidaten der CDU/ CSU dahingehend aus, dass abweichendes Wahlverhalten praktiziert wird (vgl. Jacobs 2000: 157). In diesem Fall überlagert die Kandidatenorientierung der Personengruppe die eigentliche Parteiidentifikation. Es könnte somit durchaus eine Personalisierung der Wahl gesehen werden. Die Individualisierung wirkt sich in diesen beiden Fällen (sowohl bei „Parteibindungslosen“ als auch bei „Kirchennahen“) nur sehr bedingt auf die Wahlentscheidung aus.
Wähler ohne oder mit nur geringen psychologischen Bindungen an Parteien weisen eine im Vergleich zu Personen mit diesen Präferenzen höhere Bereitschaft zur Wechselwahl auf (vgl. Brettschneider 2000: 117). Durch die allgemein gestiegene Wahrscheinlichkeit von Wechselwahl (vgl. Jacobs 2000: 149) kann eine Auswirkung der Individualisierung auf das Wahlverhalten diagnostiziert werden, denn das Modell der Individualisierung geht von einer Lockerung von (v.a. traditionellen) Bindungen aus.
In Ostdeutschland ist die Parteiidentifikation nicht so stark ausgeprägt wie im Westen Deutschlands (vgl. ebenda: 158). Gleichzeitig wurde die Wahlentscheidung dort häufiger auf Basis der Kandidatenorientierung getroffen (vgl. ebenda: 160), was vermutlich von der personalisierten Wahlkampfführung bzw. der Berichterstattung darüber (vgl. Brettschneider 2000: 109) herrührt. Im Gegensatz zu den neuen Bundesländern orientierten sich die Bürger in den alten eher an Sachthemen (vgl. Jacobs 2000: 160). Der Anteil der Personen am Gesamtelektorat, der sich ausschließlich durch eine Kandidatenschau hat leiten lassen, beträgt lediglich sechs Prozent (vgl. Brettschneider 2000: 132). Diese Werte sind nur Angaben über den Kandidaten der Volksparteien und dürften sich noch etwas erhöhen, wenn sie auf andere Parteien und Personen und auf die tatsächlichen Wähler bezogen werden. Es ist erkennbar, dass der Faktor der Kandidatenorientierung isoliert gesehen nicht viel Aussagekraft hat. In Verbindung mit anderen Faktoren, lässt sich dennoch eine Bedeutungszunahme der Variablen Kandidatenorientierung (vgl. ebenda: 132) und Issueorientierung (vgl. Jacobs 2000: 160) bemerken, selbst wenn ihr Einfluss von Wahl zu Wahl unterschiedlich bewertet werden muss.
Insgesamt gesehen kann geurteilt werden: Die Bundestagswahl 1998 wurde durchaus von aktuellen Ereignissen und kurzfristigen Faktoren mitbestimmt. Daraus lässt sich ebenfalls ein Beleg für die Individualisierung sehen und zwar aus demselben Grund, der oben bereits genannt wurde, nämlich einer Schwächung der Parteiidentifikation.
Eine Abnahme der Partizipation kann, zumindest für Bundestagswahlen nicht konstatiert werden. Bei der Bundestagswahl 1998 lag die Wahlbeteiligung mit 82,3% so hoch wie nie zuvor in einer gesamtdeutschen Wahl.
5. Fazit
Schlussendlich lässt sich als Fazit ziehen, dass die Individualisierung durchaus Einflüsse auf die Wahlentscheidung zur Bundestagswahl 1998 hatte. Einige neueren Entwicklungen im Wählerverhalten sind mit Hilfe der Individualisierungsthese erklärbar, so z.B. sinkende Stimmenzahlen für die Volksparteien, das Fünfparteiensystem, häufigere Wechselwahl und zunehmende Bedeutung kurzfristiger Effekte.
Dennoch, die Individualisierungsthese ist sehr problematisch, da einige wissenschaftliche Belege fehlen, um sie nachweisen zu können. Der zeitliche Geltungsbereich der Individualisierung sollte erfasst werden, um Untersuchungen zu den Auswirkungen des Prozesses auf das Wahlverhalten in sinnvoller Weise durchführen zu können. Denn die Daten zu Wahlverhalten können immer im Bezugspunkt zur letzten Wahl oder auch zu Wahlen vor fünfzig Jahren gesetzt werden. Mit erheblichen Auswirkungen auf die resultierenden Ergebnisse.
Ob sich das Fünfparteiensystem halten kann, ob die Anteile der Wählerstimmen der Volksparteien nicht durch die Auswirkungen der Massenmedien wieder steigen, ob sich der Bedeutungszuwachs kurzfristiger Effekte erhält - alles Fragen deren Antworten noch keineswegs sicher sind. Im Parteiensystem jedenfalls steckt erhebliches Stabilisierungspotential für die Wählerlandschaft.
Die Individualisierung ist längerfristig angelegt. Sollten sich die Wahlverhaltensinnovationen dauerhaft etablieren, so könnte das ebenfalls als Beleg für die Auswirkungen der Individualisierung angesehen werden.
6. Literaturliste:
- ALEMANN, ULRICH VON/ HEINZE, ROLF G./ SCHMID, JOSEF (1998): Parteien im Modernisierungsprozess, in: Aus Politik und Zeitgeschichte [fortan: APUZ], B 1-2/98: 29- 36.
- BECK, ULRICH (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- BECK, ULRICH (1993): Die Erfindung des Politischen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- BECK, ULRICH/ SOPP, PETER ( HRSG.) (1997a): Individualisierung und Integration: Neue Konfliktlinien und neuer Integrationsmodus?, Opladen: Leske + Budrich.
- BECK, ULRICH/ SOPP, PETER (1997B): Einleitung: Individualisierung und Integration - Versuch einer Problemskizze, in: Beck, Ulrich/ Sopp, Peter (Hrsg.), Individualisierung und Integration: Neue Konfliktlinien und neuer Integrationsmodus?, Opladen: Leske + Budrich: 9- 16.
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© Johannes Schilling 2000
[...]
1 Auf Grund der Beschränkung auf eine Bundestagswahl, wird im Folgenden nur die Individualisierung in Deutschland betrachtet.
2 Individualisierung wird im Folgenden als Prozess behandelt (s. Einleitung). 4
3 Er beschreibt eine Gesellschaft, in der alle sozialen Schichten eine Stufe höher fahren und sich in einer neuen Situation wiederfinden. Die schichtspezifische Identität geht hierbei verloren. Außerdem findet ein Diversifizierungsprozess statt; die sozialen Schichten zersplittern. Die zu Beginn des Prozesse bestehenden sozialen Ungleichheitsrelationen bleiben in dessen Verlauf bestehen. Widerstand gegen den Fahrstuhleffekt ist deshalb unwahrscheinlich, weil die Mehrheit sich letztendlich in einer besseren Position als zuvor befindet.
4 Maslow stellt eine Bedürfnishierarchie auf, die in einer Pyramide dargestellt werden kann. Auf der untersten Stufe dieser Pyramide stehen grundlegende physiologische Bedürfnisse, wie z.B. Nahrung, etc. Sind die Bedürfnisse der untersten Ebene gedeckt, wird die nächsthöhere Ebene für die Individuen wichtig. Auf der obersten Stufe steht das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. (vgl. Bürklin/ Klein 1998: 142, Abb. 24)
5 Diese Annahme rief Kritik hervor, es soll hier jedoch nicht weiter darauf eingegangen werden. 7
6 Sollte sich diese Diagnose bewahrheiten, so hätte dieser Prozess erhebliche Auswirkungen auf die Wahlentscheidung, denn längerfristige Bindungen würden kaum noch eingegangen (vgl. Hitzler 1997: 58).
7 Z.B. Personalisierung von Wahlen. Mehr dazu in Kapitel 4.3.
8 Es werden die Wählerabwanderungen in sozialen Milieus erhoben (Ækurzfristige Effekte) bzw. Unterschiede von Wählergruppen zur Normalwahlverteilung (Ælangfristige Effekte) ermittelt.
9 Im Falle von Campbell et al. wurden US- Präsidentschaftswahlen untersucht.
10 Bei Dealigning- Prozessen wird davon ausgegangen, dass die Parteibindung durch eine gestiegen Rationalität in der Gesellschaft abnimmt.
11 Sie sind auf der Basis der Überlegungsarbeit des Verfassers entstanden.
12 Der Arbeiteranteil in der SPD- Wählerschaft betrug 1998 nur noch 12% (Jung/ Roth 1998: 18). Entgegen diesem Trend scheint sich unter Arbeitern im Osten Deutschlands der Gedanke einer Vertretung ihres Milieus durch die SPD zu entwickeln. Die Daten der Bundestagswahl 1998 sprechen für diese These (vgl. Jung/ Roth 1998: 16).
13 Ausnahme ist die Bundestagswahl 1994, bei der der kumulierte Wert um 0,5 Prozentpunkte höher als bei der Bundestagswahl 1990 lag.
14 So der Titel des Artikels von Schnell und Kohler.
15 Dies geschieht bei der Ermittlung von Aggregateffekten (vgl. Brunner/ Walz 2000: 104). 14
- Arbeit zitieren
- Johannes Schilling (Autor:in), 2000, Die Individualisierung in der Nachkriegszeit und ihre Auswirkungen auf die Wahlentscheidung der Bevölkerung zur Bundestagswahl 1998., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100055