Vergleich der Ordensgründer Ignatius von Loyola und Hieronymus Aemiliani. Weshalb haben sich ihre Orden nicht vereint?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Die katholische Reform

3 Die Ordensgründer und ihr näheres Umfeld
3.1 Ignatius von Loyola
3.2 Hieronymus Aemiliani

4 Grundentscheidung respektive optio fundamentalis

5 Die Rolle Gian Pietro Carafas
5.1 Gian Pietro Carafa und Ignatius von Loyola
5.2 Gian Pietro Carafa und Hieronymus Aemiliani

6 Weshalb kam es 1547 nicht zur Fusion der Orden?

7 Schlussbetrachtung

8 Quellen- und Literaturverzeichnis
8.1 Primärquellen
8.2 Sekundärliteratur

1 Einleitung

Im Jahr 1540 wurden neben der Gesellschaft Jesu1 auch die Regularkleriker von Somasca (CRS) von Papst Paul III. approbiert.2 Während es über das Leben und Wirken des Ordensgründers Ignatius de Loyola und die ersten Jesuiten eine gewaltige Fülle an Quellen und Forschungsliteratur gibt,3 wurde hingegen zum Leben des Gründers der Clerici regulares S. Majoli Papiae congregationis Somaschae – oder kurz Somasker – bislang kaum geforscht.4 Dabei sind die Lebenswege gerade des Ignatius von Loyola und des Hieronymus Aemiliani sich auf so frappierende Weise ähnlich, dass man im ersten Augenblick sogar geneigt ist, von einer späteren Legendenbildung im Falle des weniger bekannten Heiligen auszugehen, was aber schon wegen der vorhandenen Belege für die Richtigkeit der Eckdaten seines Lebens nicht statthaft wäre.5 Die älteste auf uns gekommene Vita des Hieronymus Aemiliani stammt aus dem Jahr 1605 und ist in italienischer Sprache abgefasst.6 Ihr Erscheinungsort ist Vicenza. Eine in Rom gedruckte lateinische Fassung ist aus dem Jahr 1657 überliefert.7

Ein wenig anders liegen die Dinge, wie bereits angedeutet, im Falle des ersten Jesuitengenerals Ignatius de Loyola. Er hat uns mit dem Bericht des Pilgers mittelbar eine Semiautobiographie hinterlassen,8 welche in ihrer tradierten Form vom Jahr 1521 bis zum Jahr 1538 reicht.9 Dieses Buch ist daher die verlässlichste Quelle für jene Jahre.10 Aber auch die Exerzitien des Ignatius und ein geistliches Tagebuch lassen Rückschlüsse auf seine Biographie zu.11 Des Weiteren hat Ignatius de Loyola, den Hugo Rahner einst als „schweigsamen, bis in die Fingerspritzen hinein unliterarischen Basken“ charakterisierte,12 der Nachwelt 6815 Briefe hinterlassen.13 Und auch die Ordensverfassung14 der Societas Jesu geht auf Ignatius zurück.15

Bevor wir mit der vergleichenden Betrachtung der Ordensgründer beginnen, muss zunächst noch der Begriff der katholischen Reform geklärt werden, um Ignatius und Hieronymus später sinnvoll in diesen Prozess einordnen zu können. Auch die Rolle Gian Pietro Carafas darf nicht außer Acht gelassen werden, wenn es um die Frage geht, in welchem Verhältnis Ignatius zu Hieronymus’ Kongregation gestanden haben mag. Die finale Fragestellung dieser Untersuchung lautet: Weshalb kam es 1547 trotz Bitte der Somasker nicht zur Fusion mit den Jesuiten?

Wenn es auch schwerlich gelingen dürfte, zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen“,16 so soll mit dieser Arbeit doch zumindest der Versuch unternommen werden, anhand der Lebenswege des Ignatius und des Hieronymus sowie insbesondere der programmatischen Ausrichtung der Gesellschaft Jesu eine wahrscheinliche Erklärung dafür abzuleiten, weshalb die auf den ersten Blick so verwandten Kongregationen sich letztlich nicht zu einem einzigen Orden zusammenschlossen.

2 Die katholische Reform

Während der Begriff „Gegenreformation“ zum ersten Mal 1776 bei dem Göttinger Juristen Johann St. Pütter begegnet, der ihn im Plural der evangelischen Reformation gegenüberstellt,17 wurde die Bezeichnung „katholische Reform“ bereits im 16. Jh. für eine Bewegung gebraucht, deren Träger für eine Reform der alten Kirche eintraten, sich jedoch von den Protestanten distanzierten.18 Dass das Programm einer reformatio ecclesiae allerdings schon während der Zeit des großen Schismas (1309–1417) ein Thema innerhalb der Kirche gewesen ist, wird anhand der Worte des Gegenpapstes Johannes XXIII. deutlich, mit denen 1414 das Konstanzer Konzil eröffnet wurde: streben solle man nach „pacem, exaltationem et reformationem ecclesiae, ac tranquillitatem populi christiani“. 19 Nach damaligem Verständnis des Wortes reformatio kann dieses Trachten als ein Streben nach einer Rückkehr zum ursprünglichen Christentum gedeutet werden – einer Rückkehr zu einem verlorenen Idealzustand.20 Und sogar bis in die Gründungszeit der Bettelorden reichen die Wurzeln jener Reformbemühungen, die sich an dem Ideal der apostolischen Kirche orientierten und „in der Formel ecclesia semper reformanda Ausdruck fanden“.21 Auch war im Zuge der von dem Niederländer Gerhard Groote ausgehenden Erneuerungsbewegung devotio moderna die verinnerlichte, persönliche Christusfrömmigkeit in Anlehnung an die Bibel in den Vordergrund gerückt worden.22 Nach Rogelio Garcia-Mateo verstehe es sich von selbst, dass Ignatius sich bei seinem Bekehrungsvorgang in den Geist dieser spirituellen durch die devotio moderna befruchteten Erneuerung hineingestellt habe.23

Wiederum ein Niederländer ist es gewesen, der mit seinem 1524 erschienenen Werk De immensa Dei misericordia, dessen sola misericordia Dei sich weitgehend mit der Lutherschen Vorstellung von sola fide und sola gratia deckt, spürbaren Einfluss auf die altkirchlichen Reformbemühungen auf dem gesamten Kontinent nahm: Erasmus von Rotterdam.24

Uns müssen aber, da sowohl Ignatius von Loyola als auch Hieronymus Aemiliani die für die jeweilige Ordensgründung entscheidenden Jahre in „Italien“ zugebracht haben, in erster Linie die religiösen Reformbemühungen daselbst interessieren. Sie waren es auch, welche die „gesamtkirchliche Entwicklung im katholischen Bereich bis hin zum Konzil von Trient“ nach Klaus Ganzer „am nachhaltigsten beeinflusst haben“.25 Generell kann vom Vorhandensein zweier verschieden gearteter Reformbewegungen gesprochen werden: von den spirituali um Gasparo Contarini (1483–1542), Reginald Pole (1500–1558) und Giovanni Morone (1509–1580) einerseits sowie den intransigenti um Gian Pietro Carafa (1476–1559) und Marcello Cervini (1501–1555) andererseits.26 Erstere verband besonders die negative Antwort auf die Rechtfertigungsfrage: Keiner könne sich durch seine eigenen Taten rechtfertigen, sondern man müsse vielmehr zur göttlichen Gnade seine Zuflucht nehmen, die man durch den Glauben an Christus erlange, hatte Contarini 1523 an einen Freund geschrieben.27 Die in der Tat frappierende Ähnlichkeit mit protestantischen Positionen war selbstverständlich dazu geeignet, das Misstrauen der intransigenti zu wecken, die sich zwar für eine Reform des Klerus stark machten, jedoch nicht ein Jota von den scholastischen Traditionen abweichen mochten und sich in der Rechtfertigungsfrage entschieden gegen die spirituali wandten.28 Und so sah Carafa, der spätere Papst Paul IV., in den Kardinälen Pole und Morone auch nichts weiter als verkappte Ketzer, die es unerbittlich zu bekämpfen galt.29

3 Die Ordensgründer und ihr näheres Umfeld

Im Folgenden möchten wir uns den Ordensgründern selbst und ihrem näheren Umfeld zuwenden, wobei wir mit dem „Architekten“ der Gesellschaft Jesu den Anfang machen wollen, von deren Gründung der Historiker Eberhard Gothein im Jahre 1895 schrieb, sie sei „die folgenreichste Erscheinung der Gegenreformation“ gewesen.30 Dass sie nicht minder als Erscheinung der katholischen Reform betrachtet werden kann, ist vielfach dargelegt worden.31

3.1 Ignatius von Loyola

I ñ igo López de Onaz y Loyola wurde wahrscheinlich im Jahr 1491 bei Azpeitia als 13. Kind baskischer Edelleute geboren.32 Gleich seinem berühmten Vater Beltrán de Loyola waren auch beinahe alle seine Brüder Soldaten geworden. Obwohl von seinem Vater für den geistlichen Stand vorgesehen, schlug auch der junge Iñigo, der sich später Ignatius nennen sollte, zunächst eine militärische Laufbahn ein.33 Als Page kam der Heranwachsende zur Ausbildung nach Arévalo in die Obhut Velázquez de Cuéllars (1440–1516), der zu jener Zeit den Posten eines Finanzministers bei Königin Isabella inne hatte.34 Dort lernte er das Reiten und den Umgang mit dem Degen, außerdem Verwaltung und Korrespondenz sowie höfische Sitten und die hohe Minne kennen und lieben. Sein späterer Sekretär Polanco schreibt über den Ordensgründer und Heiligen: er sei ziemlich frei gewesen „in Sachen der Liebe, des Spiels und der Ehre“.35 1515 stand der junge Mann zusammen mit seinen Brüdern wegen heute nicht mehr bekannter Vergehen vor Gericht und kam sogar für kurze Zeit in Haft.36 In den auf uns gekommenen Akten ist nur die Rede von „nächtlichen Exzessen, von bedeutenden und schweren Vergehen“.37 Jene Dokumente sind es auch, in denen zum ersten Mal sein Name auftaucht.38 Nachdem Don Velázquez zunächst sein Amt als Finanzminister und kurze Zeit darauf auch sein Leben verloren hatte,39 trat der junge Ritter 1517 als Offizier in die Dienste des Herzogs Don Antonio Manrique de Lara (1466–1535), der als Vizekönig die kastilische Krone in Navarra repräsentierte.40 Im Jahr 1521 gehörte Ignatius „zur Besatzung einer Zitadelle, welche die Franzosen berannten; und während nun alle anderen der Meinung waren, man solle sich unter der Bedingung freien Abzugs ergeben, da sie die Unmöglichkeit einer Verteidigung klar einsahen, redete er dagegen mit so viel Gründen auf den Befehlshaber ein, daß dieser sich trotz allem zur Verteidigung entschloß entgegen der Ansicht aller anderen Offiziere, die sich aber dann doch durch seinen Mut und seine Tapferkeit mitreißen ließen.“41

Bei dem nun folgenden Angriff der Franzosen auf die Festung Pamplona wurde Ignatius durch eine Kanonenkugel so schwer an den Beinen verwundet, dass man ihn nach zwölf oder 15 Tagen in einer Sänfte in seine Heimat auf das väterliche Schloss brachte.42 Dort allerdings, lesen wir im Bericht des Pilgers, habe sich herausgestellt, dass man das Bein schlecht eingerichtet hatte; es musste nochmals gebrochen werden. Ignatius aber habe den schrecklichen Schmerz durch nichts anderes zu erkennen gegeben als durch ein kräftiges Ballen der Fäuste.43

Da die Rekonvaleszenz eine längere Zeit andauerte und seine geliebten Ritterromane nicht greifbar waren, „gab man ihm ein Leben Christi und eine Sammlung von Heiligenleben in spanischer Sprache“.44

Statt künftig wie bisher die großen Ritter nachzuahmen, wollte Ignatius nun lieber den geistlichen Helden nacheifern. Er dachte bei sich: „Wie wäre es, wenn ich all das täte, was der heilige Franziskus getan hat, oder das, was der heilige Dominikus tat? Solche Überlegungen stellte er über vielerlei an, was ihm gerade gut schien. Dabei nahm er sich immer schwierige und mühsame Aufgaben vor; und wenn er sich solche vornahm, meinte er, in sich Kraft genug zu finden, um sie auch wirklich durchzuführen. Seine ganze Überlegung bestand darin, daß er zu sich selber sagte: Der heilige Dominikus hat dies getan, also muß auch ich es tun; der heilige Franziskus hat jenes getan, also muß auch ich es tun“.45

Auch begann in dem jungen Mann der Plan zu reifen, sofort nach seiner Genesung eine Pilgerfahrt nach Jerusalem zu unternehmen.46 Seine Metamorphose vom Krieger zum Heiligen wurde neben der Lektüre noch durch eine Erscheinung bestärkt. Eines Nachts sei ihm, als er gerade wach gelegen habe, Maria mit dem Jesuskind erschienen. Bei jenem Anblick habe er dann für geraume Zeit ganz außerordentlichen Trost empfangen und sei gleichzeitig von einer solchen Abscheu vor seinem ganzen vergangenen Leben und besonders vor den Sünden des Fleisches erfüllt worden, dass er glaubte, aus seiner Seele seien alle Vorstellungen verschwunden, die er früher in sie hineingeprägt hatte.47 Von da wird es auch verständlich, dass er, sobald es seine Gesundheit zuließ, auf einem Maultier reitend zum Marienheiligtum Montserrat pilgerte,48 dort seine bisherigen Kleider einem Bettler schenkte49 und sich stattdessen in ein Gewand hüllte, das aus einem Stück grob gewebten, „ganz rauhen Stoffes“ bestand, „aus dem man gewöhnlich Säcke herstellt“.50 Durch die folgenden lang gezogenen Buß- und Fastenübungen in einer Höhle bei Manresa verschlechterte sich sein Gesundheitszustand jedoch dramatisch und er bekam schwere Depressionen.51 In dieser Zeit entwarf er die Grundzüge seiner Exerzitien.52

Da Ignatius von Loyola sich dazu entschlossen hatte, Priester zu werden, musste der 33-Jährige, nachdem er von seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem im Jahr 1523 zurückgekehrt war,53 nun erst einmal in Barcelona Latein lernen, um sich für ein Studium zu qualifizieren.54 Seine erste Hochschule befand sich in Alcalá, wo er Vorlesungen über Logik und Physik hörte.55 In Alcalá zogen Loyola und die Gefährten, die er zu diesem Zeitpunkt bereits um sich geschart hatte, mehrfach den Verdacht der Heterodoxie auf sich, doch endeten die eingeleiteten Untersuchungen jedes Mal mit einem negativen Befund.56 Von dort aus führte ihn sein Weg nach Salamanca,57 an die damals wichtigste Universität Spaniens.58 Allerdings kam Ignatius dort abermals mit der Inquisition in Berührung.59 Er wich deshalb nach Frankreich aus, um an der Sorbonne zu studieren.60 Zwar konnte er sein Studium dort vergleichsweise unangefochten fortführen und letztlich abschließen, doch wurde er auch in Frankreich mehr als einmal bei der Inquisition denunziert.61

Mit seinen Pariser Studienkollegen legte er am 15. August 1534 in der Marienkirche auf dem Montmartre ein Gelübde folgenden Inhalts ab: Man wolle sich der Arbeit für das Gottesreich in Jerusalem widmen oder, sofern dies nicht zu bewerkstelligen sein sollte, sich dem Papst zur Verfügung stellen.62 Nachdem Ignatius und seine Freunde 1536 nach Venedig gekommen und sich dort der Krankenpflege gewidmet hatten,63 zogen seine Gefährten nach Rom, wo sie vom Papst die Erlaubnis erhielten, nach Jerusalem zu pilgern.64 Ignatius selbst begleitete sie nicht, weil er befürchtete, seine Gegenwart könnte den Erfolg des Unternehmens gefährden.65 In Rom hielt sich nämlich zu jener Zeit der Theatiner-Kardinal Gian Pietro Carafa auf, zu dem Loyola ein äußerst angespanntes Verhältnis hatte, seit er ihn in einem Brief wegen dessen Lebensweise persönlich angegriffen hatte.66 Wir werden uns an späterer Stelle noch eingehend mit diesem Gegenstand beschäftigen.

[...]


1 S. Hartmann 2008, S. 13.

2 S. Hofmann 1937, Sp. 661; Hofmeister 1962, Sp. 135; Bautz 1970, Sp. 46.

3 Die Anzahl der Biographien des Ignatius ist Legion. Die Bandbreite reicht von literarisch wertvollen Lebensbeschreibungen nach Art historischer Romane – etwa der Biographie Ludwig Marcuses (Marcuse 1973) – bis hin zu einem von William W. Meissner vorgenommenen Psychogramm des Ordensgründers (Meissner 1997). Auf eine generelle Auswahl an Titeln wird an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet, dagegen wird im Laufe der Arbeit, wo immer es geboten erscheint, auf spezifische Fachaufsätze und Monographien verwiesen werden.

4 Die spärliche Literatur, die über Lexikonartikel hinausgeht, beschränkt sich auf den italienischsprachigen Raum. Hier seien zwei Titel genannt, von denen der ältere gewissermaßen eine Zwitterstellung zwischen Forschungsliteratur und klassischer Heiligenvita einnimmt: D. Stanislao Santinelli, La vita del beato Girolamo Miani Fondatore della Congregazione de’ Cherici Regolari di Somasca, Venedig 1749, im Folgenden D. S. S., La vita del beato Girolamo Miani; Brunelli 1996. – Jener Secondo Brunelli hielt am 6.10.2011 in Venedig auch einen Vortrag über die Familien „Miani e Morosini – i genitori del fondatore dei Somaschi“.

5 Man vgl. die Arbeit Brunellis.

6 Andrea Stella, La vita del venerabile servo d’Iddio il padre Girolamo Miani, nobile venetiano, Vicenza 1605; im Folgenden A. S., La vita del venerabile Girolamo Miani.

7 Augustino Turtura [auch Tortora], De vita Hieronymi Aemiliani Congregationis Somaschae Fundatoris, Rom 1657, im Folgenden A. T., De vita Hieronymi.

8 Ignatius von Loyola, Der Bericht des Pilgers. Übersetzt und erläutert von Burkhart Schneider SJ, Freiburg 1956, im Folgenden Ignatius, Bericht des Pilgers; zu anderen Viten s. Becher 1956, S. 81–109.

9 Es könnte eine ursprüngliche Fassung gegeben haben, in der auch die Jugendjahre des Ordensgründers geschildert werden, denn im Vorwort des Paters Gon ç alves da Câmara zum Bericht des Pilgers heißt es: „Im September schließlich […] rief mich der Vater [Ignatius] und begann, sein Leben und seine Jugendstreiche [Hervorhebung nicht im Original] offen und deutlich mit allen Einzelheiten zu erzählen“ (Ignatius, Bericht des Pilgers, S. 37); vgl. auch Knauer 2006, S. 11, Anm. 6.

10 Oft wird schlicht von Autobiographie gesprochen (vgl. bspw. Garcia-Mateo 1990, S. 19; Kritik bei Coupeau 2008, S. 33), allerdings ist die Entstehungsgeschichte des Buches vergleichsweise abenteuerlich. John W. O’Malley schreibt darüber: „Da Ignatius seinem portugiesischen Vertrauten die Lebensgeschichte auf spanisch erzählte, hörte Câmara aufmerksam zu und machte sich erst nachträglich auf seinem Zimmer Notizen über das Gehörte. Später arbeitete er die Notizen aus und diktierte sie umgekehrt einem spanischen Schreiber, der seine Worte wörtlich aufschrieb. Wir wissen, daß in der ersten Erzählperiode ein Monat zwischen der Erzählung und der Zeit lagen, die da Câmara fand, um seine Notizen zu diktieren – in diesem Falle sogar einem italienischen Schreiber. Selbst wenn da Câmara ein vorzügliches Gedächtnis gehabt haben sollte – wie seine Zeitgenossen von ihm glaubten –, so ist der vorliegende Text doch durch den Filter vieler Ohren und Sprachen gegangen, bevor er zu Papier gebracht wurde“ (O’Malley 1995, S. 21). – Hinzu kommt natürlich noch die Tatsache, dass Ignatius von Loyola selbst den Text mit großem Abstand zum Geschehen diktierte, nämlich zwischen 1553 und 1555. Die Autobiographie ist also eher ein Zeugnis dafür, wie der Ordensgründer aus der Retrospektive die einzelnen Abschnitte seines früheren Lebens sah und deutete (vgl. auch Baberowski 2014, S. 11–24).

11 Für die Exerzitien s. bspw. Balthasar 1965; Endean 2008; eine Übersetzung des geistlichen Tagebuches haben Adolf Haas und Peter Knauer vorgelegt: Haas – Knauer 1961.

12 Rahner 1956 a, S. 35. – Und an anderer Stelle bemerkt Rahner, Ignatius habe „die Feder zeitlebens nur mit schwerer Mühe geführt“ und er verberge „sich hinter den ungeschickt schüchternen Sätzen seiner Geistlichen Übungen und der wie aus rauen Blöcken aufgetürmten Ordensverfassung der Gesellschaft Jesu“ (Rahner 1956 b, S. 1). Man vgl. auch Josef Stierlis Bemerkung, das „spröde Wort des Ignatius“ gebe „nur stockend Zeugnis von seinem Geist. Seine mühsamen Sätze hinken hinter seinem Werk her.“ Ignatius sei „immer ganz ein Mann der Tat, nicht des Wortes“ gewesen (Stierli 1981, S. 12). Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass dieser Mann die umfangreichste erhaltene Korrespondenz einer Persönlichkeit aus dem 16. Jahrhundert hinterlassen hat, dessen Briefe allein zwölf Bände der Monumenta Historica Societatis Jesu füllen (s. O’Malley 1995, S. 14; Bertrand 1985, S. 39).

13 Eine Zusammenstellung ausgewählter, ins Deutsche übertragener Briefe bietet Rahner: Ignatius von Loyola, Geistliche Briefe. Eingeführt von Hugo Rahner SJ (Menschen der Kirche in Zeugnis und Urkunde, Bd. 2), Einsiedeln 31956, im Folgenden Ignatius, Geistliche Briefe; eine noch größere Anzahl übersetzter Briefe findet sich in Knauer 1993.

14 Ignatius von Loyola, Die Satzungen der Gesellschaft Jesu. Aus dem Spanischen übersetzt und eingeleitet von Mario Schoenenberger und Robert Stalder, in: Balthasar, Hans U. von (Hrsg.), Die großen Ordensregeln, Einsiedeln – Zürich – Köln 1948, im Folgenden Ignatius, Satzungen der Gesellschaft Jesu.

15 S. Knowles 1966, S. 62–63.

16 Ranke 1885, VII; vgl. dagegen Beard 1935, S. 74–87.

17 S. Ganzer 1995, Sp. 346; für die Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Gegenreformation“ s. Elkan 1914, S. 473–493 u. Kaufmann 2000, Sp. 538–544. – Nach dem katholischen Kirchenhistoriker Hubert Jedin bezeichne der Begriff „katholische Reform“ die Selbstbesinnung der Kirche auf das katholische Lebensideal durch innere Erneuerung, die schon im Spätmittelalter erste Vorläufer hat, wohingegen mit „Gegenreformation“ die Selbstbehauptung der Kirche im Kampf gegen den Protestantismus gemeint sei (s. Jedin 1946 u. Jedin 1967, S. 447–686).

18 S. Prosperi 1996, S. 287.

19 Zit. nach Prosperi 1996, S. 287.

20 Vgl. Weiss 2005, S. 11. – Schon bei Seneca und Plinius begegnet der Begriff „im Sinne einer moralischen oder politischen Veränderung des gegenwärtigen Zustandes durch Rückkehr zu vergangenen Zeiten“ (Weiss 2005, S. 11).

21 Garcia-Mateo 1990, S. 34.

22 Vgl. Ganzer 1991, S. 7; für diese Bewegung generell s. Post 1968.

23 S. Garcia-Mateo 1990, S. 34–35.

24 Vgl. Ganzer 1991, S. 13. – Während Luther den Bruch mit dem Papsttum forderte, rief Erasmus von Rotterdam, der eine innere Erneuerung der Kirche anstrebte, den deutschen Reformator in einem Brief vom 30.05.1519 zur Mäßigung auf (Erasmus, An Martin Luther, Brief Nr. 110); auch begründete er 1524 in einem Schreiben an Herzog Georg von Sachsen seine Haltung zu Luther und der Reformation (Erasmus, An Herzog Georg von Sachsen, Bl. 26).

25 Ganzer 1991, S. 7–8.

26 Vgl. Murphy 2002, S. 448. – Der Terminus „Evangelismus“ hingegen wurde von Pierre Imbart de la Tour in die Forschung eingeführt (Imbart de la Tour 1914) und bezeichnet eher vage eine Strömung, der außer den spirituali im engeren Sinne auch verwandte Erscheinungen in Italien und anderen Ländern Europas zugerechnet werden (vgl. dazu die Diskussion u. Literaturhinweise bei Ganzer 1991, S. 2, insbes. Anm. 33; Fenlon 1972, S. 13). – Im italienischen Evangelismus erblickt Ganzer eine Vermengung von augustinischem, humanistisch-erasmianischem, reformatorischem und valdesianischem Gedankengut (s. Ganzer 1991, S. 16).

27 Zit. nach Ganzer 1991, S. 8; für das Zitat im italienischen Wortlaut s. ebd., Anm. 19; vgl. auch Russell 2014, S. 462.

28 S. Murphy 2002, S. 448, der u. a. konstatiert: „The intransigenti […] are characterized by strict adherence to the scholastic method in theology, rejection of the doctrine of justification by faith alone, and an eagerness to seek out and punish religious deviants“.

29 S. Ganzer 1991, S. 22.

30 Gothein 1895, S. III.

31 Vgl. u. a. Sievernich 2000, S. 64. – John W. O’Malley schlägt stattdessen den Begriff „Early Modern Catholicism“ vor, weil er sowohl Wandel als auch Kontinuität suggeriere “and leaves the chronological question open at both ends. It imlicitly includes Catholic Reform, Counter-Reformation, and even Catholic Restauration as indispensable categories of analysis, while surrendering the attempt to draw too firm a line of demarcation among them” (O’Malley 1991, S. 193).

32 S. Hartmann 2008, S. 9; Garcia-Mateo 1990, S. 21.

33 Vgl. Hartmann 2008, S. 9; Ignatius soll als Kind sogar die Tonsur erhalten haben (s. Garcia-Mateo 1990, S. 24).

34 S. Hartmann 2008, S. 9; Sievernich 2000, S. 55; Garcia-Mateo 1990, S. 24–25. – Die genaue Amtsbezeichnung lautete Contador Mayor del Reino und wird im Deutschen von Hartmann als Haushofmeister, von Sievernich als Großschatzmeister und von Garcia-Mateo schließlich als Finanzminister wiedergegeben.

35 Zit. nach Hartmann 2008, S. 10. – Helmut Feld schreibt in seiner 2006 erschienenen Biographie des Ordensgründers über dessen familiären Hintergrund: „Zu dem ‚Stolz der Loyolas’, der Inigo von frühester Jugend an gewissermaßen eingeimpft wurde, gehörte auch eine starke Religiosität, welche kriegerische Bestätigung und im Zusammenhang damit das ungehemmte Ausleben sexueller Lust keineswegs aus-, sondern einschloß“. Ignatius’ älterer Bruder Martín Garcia sei alles andere als ein treuer Ehemann gewesen, und sogar Pero López, ein weiterer Bruder, der Pfarrer des benachbarten Städtchens gewesen sei, habe vier Kinder hinterlassen (Feld 2006, S. 5).

36 S. Hartmann 2008, S. 10.

37 MI, Fontes Documentales, S. 229–230; s. auch Becher 1956, S.95; Garcia-Mateo 1990, S. 27, Anm. 13. – Ludwig Freiherr von Pastor bemerkte Anfang des 20. Jh.s über den jungen Ignatius ein wenig verklärend: „Er lebte als echtes Kind des Rittertums, wie es damals in Spanien bestand, erfüllt vom Geiste des katholischen Glaubens, den es in Jahrhunderte währenden Kriegen wider die Mauren verteidigt hatte: schlagfertig, kampfeslustig, hochherzig, im übrigen aber nicht eben heilig“ (Pastor 1924, S. 4).

38 S. Garcia-Mateo 1990, S. 27.

39 Für den Sturz der Familie Velázquez de Cuéllar s. Garcia-Mateo 1990, S. 27–28, Anm. 15.

40 S. Sievernich 2000, S. 56; Garcia-Mateo 1990, S. 28.

41 Ignatius, Bericht des Pilgers, 1, S. 41.

42 Ignatius, Bericht des Pilgers, 1–2, S. 41–42; Hartmann 2008, S. 10.

43 Ignatius, Bericht des Pilgers, 2, S. 42.

44 Ignatius, Bericht des Pilgers, 5, S. 43–44. – Es handelte sich dabei wohl um das „Leben Christi“ des Kartäusers Ludolf von Sachsen und eine „Sammlung von Heiligenleben“ aus der Feder des Jacobus de Voragine, die unter den Bezeichnungen Flos Sanctorum und Legenda Aurea bekannt ist (s. Falkner 1988, S. 258–264; Beutler 1990, S. 43; Garcia-Mateo 1990, S. 35). Dagegen folgt Hartmann noch der älteren Forschungsliteratur, wenn er angibt, dass es sich bei dem zweiten Buch um die die „Imitatio Christi“ des Thomas von Kempen gehandelt habe (Hartmann 2008, S. 10).

45 Ignatius, Bericht des Pilgers, 7, S. 44–45.

46 Ignatius, Bericht des Pilgers, 5, S. 46. – Das Thema Jerusalem wird ihn bis zum Jahr 1537 beherrschen (vgl. Gerhartz, S. 93–104). Die Nähe zu Christus ist in dessen Heiligem Land besonders groß. Es geht Ignatius nicht in erster Linie um die Lehre Jesu, sondern um das Leben Jesu. Die Jesusnachfolge ist sein zentrales Anliegen. Hier sieht Gottfried Maron einen bedeutenden Unterschied zwischen dem Ordensgründer und Martin Luther. Ignatius wolle dem Herrn körperlich-leiblich nahe sein, schreibt er. Ignatius von Loyola betrachte den legendarischen Fußabdruck vor der Himmelfahrt am Ölberg mit der liebevollen Genauigkeit, mit der Luther das Wort der Schrift meditiere (Maron 2001, S. 39). – Allerdings hat Johannes Beutler nachgewiesen, dass die Bibel für Ignatius von Loyola in späteren Jahren durchaus stark an Bedeutung gewinnt und zu einer wichtigen Stütze seiner Theologie wird (Beutler 1990, S. 42–53).

47 Ignatius, Bericht des Pilgers, 10, S. 46–47; s. zu seiner Wandlung auch generell Jürgens 1990, S. 39–58.

48 Ignatius, Bericht des Pilgers, 13, S. 50.

49 Ignatius, Bericht des Pilgers, 18, S. 54.

50 Ignatius, Bericht des Pilgers, 16–17, S. 53.

51 S. Hartmann 2008, S. 10. – Er dachte sogar „oftmals“ daran, sich „in die Tiefe zu stürzen […]. Wie er jedoch sich bewußt wurde, daß Selbstmord eine Sünde wäre, fing er erneut an zu schreien: ‚Mein Herr, ich will nichts tun, was Dich beleidigen könnte’“ (Ignatius, Bericht des Pilgers, 24, S. 59–60).

52 S. Hartmann 2008, S. 11.

53 Für die Zeit im Heiligen Land und die gefahrvolle Rückreise s. Ignatius, Bericht des Pilgers, 38–53, S. 71–85.

54 Ignatius, Bericht des Pilgers, 54–55, S. 85–87.

55 Ignatius, Bericht des Pilgers, 57, S. 88.

56 Ignatius, Bericht des Pilgers, 58–62, S. 89–94. – Einmal musste Ignatius in Alcalá sogar 22 Tage im Gefängnis verbringen; und am letzten Tag seiner Inhaftierung verlas ein Notar folgendes Urteil: Er „sei frei, sie sollten sich kleiden wie die übrigen Studenten und vier Jahre lang nicht über Glaubensfragen reden, bis sie mehr studiert hätten; denn bis jetzt wüßten sie in der Wissenschaft noch nicht Bescheid“ (Ignatius, Bericht des Pilgers, 62, S. 93–94).

57 Ignatius, Bericht des Pilgers, 63–64, S. 94.

58 S. Hartmann 2008, S. 11.

59 Ignatius, Bericht des Pilgers, 64–70, S. 95–101. – Auch in Salamanca setzte man Ignatius und seine Begleiter mehrere Wochen lang fest, sie wurden aber erneut frei gesprochen, weil „sich kein Irrtum in ihrer Lebensweise oder in ihrer Lehre“ hatte finden lassen (Ignatius, Bericht des Pilgers, 70, S. 101).

60 Ignatius, Bericht des Pilgers, 73, S. 103.

61 Er scheint es dort allerdings mit einen ihm wohl gesonnenen Inquisitoren zu tun gehabt zu haben (s. Ignatius, Bericht des Pilgers, 81, 86, S. 109, 114).

62 S. Schneider 1956, S. 173–174; Ravier 1982, S. 15, 72–74; Knowles 1966, S. 62; vgl. Ignatius, Bericht des Pilgers, 85, S. 113.

63 S. Hartmann 2008, S. 13.

64 Vgl. Ravier 1982, S. 27–28.

65 S. Ravier 1982, S. 27.

66 Vgl. Ravier 1982, S. 27, 78–79; Quinn 1981, S. 388–392; für den Brief selbst s. Ignatius, Geistliche Briefe, S. 72–77.

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Details

Titel
Vergleich der Ordensgründer Ignatius von Loyola und Hieronymus Aemiliani. Weshalb haben sich ihre Orden nicht vereint?
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
26
Katalognummer
V1000817
ISBN (eBook)
9783346382764
ISBN (Buch)
9783346382771
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ignatius von Loyola, Hieronymus Aemiliani, Jesuiten, Somasker, Societas Jesu
Arbeit zitieren
Jonathan Stumpf (Autor:in), 2018, Vergleich der Ordensgründer Ignatius von Loyola und Hieronymus Aemiliani. Weshalb haben sich ihre Orden nicht vereint?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1000817

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Titel: Vergleich der Ordensgründer Ignatius von Loyola und Hieronymus Aemiliani. Weshalb haben sich ihre Orden nicht vereint?



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