Elemente des Melodramas in ROMA (2018) von Alfonso Cuarón


Seminararbeit, 2020

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Figuren des Melodramas
2.1 Cleo
2.2 Sofia
2.3 Antonio
2.4 Fermfn
2.5 Resümee

3. Symbolische Elemente
3.1 Kontraste
3.2 Brüche

4. Filmmittel
4.1 Bild
4.2 Ton

5. Fazit: ROMA als „echtes" Melodrama

6. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

In der vorliegenden Seminararbeit wird Alfonso Cuarons Film ROMA (2018) auf Elemente des Melodramas untersucht. Die Analyse wird hierbei sowohl auf der inhaltlichen als auch filmstilistischen Ebene stattfinden, wobei konkrete melodramatische Elemente aufgezeigt und ihre Funktion für den Film benannt werden. Dabei werden die für die Handlung wichtigsten Figuren analysiert und eine Auswahl der im Film vorkommenden symbolischen Motive benannt, die für eine Einordnung von ROMA in einen melodramatischen Kontext sprechen. Außerdem sollen einige individuellen Besonderheiten des Films, unter anderem auf filmstilistischer Ebene herausgestellt und in einem abschließenden Fazit Stellung dazu genommen werden, inwiefern der Film das Genre auf seine eigene Weise verkörpert.

2. Figuren des Melodramas

ROMA thematisiert das Leben einer Familie im gleichnamigen Stadtteil Mexiko-Stadts zu Anfang der 1970er-Jahre. Der Film behandelt die Geschehnisse in einer mittelständischen Familie, ist also in einen häuslichen Schauplatz eingebettet und kann daher als Familienmelodrama bezeichnet werden (Elsaesser 1991: 84). In der Folge werden die für die Filmhandlung wichtigsten Figuren und ihre Funktion in Bezug auf das Genre anhand einschlägiger Sequenzen dargestellt.

2.1 Cleo

Cleo, die Protagonistin des Films, ist als Hausmädchen bei einer Familie oberen Mittelschicht angestellt. Sie erledigt dort die im Haushalt anfallenden Aufgaben und pflegt eine enge Beziehung zu den vier Kindern, die neben dem zweiten Hausmädchen Adela zunächst ihre stärksten Bezugspunkte bilden. Sie selbst ist indigener Abstammung und verkörpert aufgrund ihrer ethnischen Herkunft und des herrschenden Klassizismus in der mexikanischen Gesellschaft die für das Melodrama typische weibliche Außenseiterin (Oroz 1995: 64).

Besonders am Anfang des Films spielt sich die Beziehung zwischen Cleo und den Eltern der Familie ausnahmslos auf professioneller Ebene ab und wirkt distanziert. Cleo unterhält sich mit Adela hauptsächlich auf Mixtekisch, einer Sprache, die in der Familie niemand versteht.

Außerdem ist ihr Zimmer räumlich vom Rest der Familie getrennt. In einigen wenigen Szenen, etwa beim gemeinsamen Fernsehschauen (Abb.1), erscheint sie für einen kurzen Moment als vollständiges Familienmitglied, ehe die Mutter Cleo erneut als Angestellte behandelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 (16:40)

Obwohl Cleo zu Beginn des Films als Außenstehende erscheint fällt auf, dass sie in der Beziehung zu den Kindern eine zentrale Rolle hat. So ist es zum Beispiel stets Cleo, die die Kinder ins Bett bringt und die Aufgaben der Mutter übernimmt. In den Augen der Kinder ist Cleo ein zentrales Bindeglied der Familie, da sich die Eltern-Kinder-Beziehung zumindest teilweise als gestört offenbart.

Cleos schafft es, mit einer Reihe von Ungerechtigkeiten beinahe stoisch umzugehen und Schicksalsschläge emotionslos zu ertragen. Insgesamt scheinen sich Cleos Gefühle eher im Inneren abzuspielen, was für das klassische Melodrama eher untypisch ist (Brooks 1995: XV). Außerdem besitzt sie einen hohen Grad an charakterlicher Standfestigkeit. Dies wird im übertragenen Sinne in der Szene dargestellt, in der ein aus dem Fernsehen bekannter Muskelprotz vor seinen Schülern seine schwierigste Übung präsentiert. Niemand außer Cleo ist in der Lage, diese auszuführen. Eine Ausnahme stellt die Szene dar, in der Cleo ihre tote Tochter in den Händen hält - hier manifestiert sich bei der Protagonistin ein hohes Maß an Trauer und sie empfindet Schuld, da sie das Kind nicht wollte. Ansonsten bleibt ihre Gefühlslage dem Zuschauenden fast immer verborgen.

2.2 Sofi'a

Sofia, Mutter von vier Kindern, wird von ihrem Ehemann Antonio für eine andere Frau verlassen. Zu Beginn des Films wird deutlich, dass sie mit aller Macht versucht, dieses Schicksal abzuwenden und vor ihren Kindern geheim zu halten. In der Szene, als Antonio das Haus und gleichzeitig seine Familie verlässt wird deutlich, dass Sofia bis zum Schluss versucht, ihn zum Bleiben zu überreden - vergeblich. Das Bestreben der Ehefrau, ihren Mann zu idealisieren und die Familie vereint halten zu wollten, ist laut Oroz eine Charakteristik der weiblichen Figur im Melodrama (1995: 69f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 (34:26)

Sofia und Cleo stehen anfangs in einem vorwiegend professionellen Verhältnis. Im Verlauf der Trennung erlebt diese distanzierte Beziehung eine Wendung. Als Cleo ihr die Vermutung über die Schwangerschaft anvertraut, nimmt sich Sofia ihrer an und arrangiert eine Untersuchung im Krankenhaus, die sich Cleo allein kaum leisten könnte. Cleos ungewollte Schwangerschaft und Sofias Trennung geschehen im Film parallel, was zur Folge hat, dass die beiden Frauen ihr Schicksal - die Überwindung des Verlassenwerdens durch die Männer - teilen und zeitgleich zu Opfern werden.

In einer Filmszene kommt Sofia angetrunken und nachdem sie den Wagen des Vaters in der Hauseinfahrt beschädigt hat auf Cleo zu und sagt: "Egal, was sie euch Frauen sagen, wir sind immer allein". Das Wir-Gefühl beschreibt die Solidarität zwischen ihnen und ab diesem Moment beginnt sich Cleos Stellung in der Familie zu verändern. Zum Ende des Films bekundet Sofia die Liebe der Familie gegenüber Cleo, kurz nachdem diese zwei Kinder vor dem Ertrinken retten konnte.

Sofia und Cleo teilen also dasselbe Unglück, da sie mit ihrem Schicksal als Mutter allein gelassen werden. Dieses Verlassenwerden durch Fermm auf der einen, Antonio auf der anderen Seite geschieht völlig unabhängig von sozialem Stand und ethnischer Zugehörigkeit und ist somit eine universelle Kritik an einer Männergesellschaft, die in der patriarchal geprägten, nationalen Identität Mexikos verankert ist (Acevedo-Munoz 2003: 124f). Auf die männlichen Figuren sowie ihre Bedeutung für die Handlung wird im kommenden Teil näher eingegangen.

2.3 Antonio

Der Familienvater Antonio bildet in ROMA zusammen mit Fermm die Verkörperung des Mannes. Obwohl seine Figur nur in wenigen Szenen in Erscheinung tritt, hat er auf die Dramaturgie des Films einen großen Einfluss. Seine Figur tritt zum ersten Mal in der Sequenz in Erscheinung, in der er mit seinem Ford Galaxy in den Innenhof des Wohnhauses einfährt. Dabei wird seine Figur durch den riesigen Wagen verkörpert, der symbolisch für Stärke, Erfolg, Bildung und damit einhergehender Macht steht - allesamt typische patriarchale Eigenschaften, die in ROMA durch Antonio zumindest oberflächlich erfüllt werden. Aufgrund der Reaktion seiner Frau und Kinder wird deutlich, welchen Stellenwert er innerhalb der Familie genießt. Auffällig jedoch ist, dass er dieser Bedeutung im Film nicht gerecht wird, denn weder in der Rolle des Familienvaters noch der des Arztes übernimmt Antonio Verantwortung, wenn er gebraucht wird. Genauso wie sein Wagen wird auch sein Image in ROMA beschädigt - typisch für das Melodrama (Acevedo-Munoz 2003: 124). Obwohl Antonio keinesfalls den klassischen Macho verkörpert, ist seine Figur dennoch eine kritische Darstellung von Männlichkeit.

2.4 Fermm

Fermm tritt, ähnlich wie Antonio, nur in einigen aber dennoch für die melodramatische Filmhandlung entscheidenden Szenen in Aktion und verkörpert in ROMA die Rolle des Machos in der mexikanischen Gesellschaft (Acevedo-Munoz 2003: 125) sowie die des im Melodrama vorkommenden Antihelden (Oroz 1995: 78).

Cleo lernt Fermfn durch Adela kennen wird bei ihrem ersten Treffen ungewollt schwanger. Bereits hier äußert sich Fermfns Fable für das Kämpfen. Mit einer Duschstange bewaffnet vollzieht er im Stil eines Balztanzes eine eingeübte Bewegungsabfolge, die in der späteren Sequenz auf dem Übungsplatz wieder aufgenommen wird. Der Zuschauende erfährt, dass Fermfn eine dunkle Vergangenheit hat und erst dank der Kampfkünste wieder auf die rechte Bahn geraten ist. Beim Wiedersehen der beiden ein paar Wochen später berichtet Cleo ihm, dass ihre Monatsblutung bereits seit längerer Zeit ausgeblieben ist. Die Szene im Kino ist Sinnbild für die Verkörperung des verantwortungslosen Erzeugers. Fermfn gibt sich erst verständnisvoll, lässt Cleo jedoch kurz vor Ende des im Hintergrund laufenden Films allein im Kino zurück. Synchron wird auf der Kinoleinwand im Hintergrund in Form einer Mise en abyme ein Flugzeugabsturz gezeigt, der beim Zuschauenden nichts Gutes vermuten lässt.

Als Cleo Fermfn an seinem Wohnort, einem entfernteren und ärmeren Teil in der Peripherie Mexiko-Stadts aufsucht, um ihn zur Verantwortung zu ziehen weigert er sich, die Vaterschaft zu akzeptieren und bedroht Cleo sogar. Fermfn verkörpert in ROMA also eine Männerfigur, die sich aufgrund seines sozialen Hintergrunds und seiner charakterlichen Eigenschaften deutlich von der Antonios unterscheidet. Nichtsdestotrotz sind beide ein Sinnbild für Kritik am Patriarchat, da sie einerseits dominieren, sich andererseits jedoch der Verantwortung gegenüber der Frau entziehen. Beide haben auf der diegetischen Ebene gemeinsam, dass sie ihrer Funktion als Vater nicht nachkommen und die weiblichen Hauptfiguren zu Opfern der patriarchalisch geprägten Gesellschaft machen (Acevedo-Munoz 2003: 125f).

2.5 Resümee

Bei der Betrachtung der Hauptfiguren in Cuarons Film fällt auf, dass ein formeller Aspekt des Melodramas auf der kritischen Darstellung der weiblichen Unterlegenheit gegenüber der patriarchalen Dominanz beruht (Oroz 1995: 64). Hierbei werden die Frauenfiguren, in diesem Fall vor allem Cleo, in den Mittelpunkt der Handlung gesetzt. Sowohl Cleo als auch Sofia werden zu Opfern, die sich jedoch zum Ende hin aus den melodramatischen Strukturen befreien können und das Unglück, welches von den Männern ausgeht, überwinden. Die Männerfigur wird in ROMA im Gegensatz zu der weiblichen eher negativ dargestellt. Zwar werden die Figuren von Antonio und Fermfn in gewisser Weise als mächtig, erfolgreich und selbstbewusst überzeichnet, ihrer Rolle als Vater vor lauter Eigeninteressen jedoch nicht gerecht. Während Sofias Glück besonders zu Beginn des Films von Antonio abhängig ist, nimmt Cleo die Ablehnung durch Fermfn eher stoisch auf und wirkt insgesamt weniger betroffen. Am Ende wird deutlich, dass die erlittenen Schicksale sowohl die Frauen untereinander als auch die Familie näher zusammenbringen (Abb.3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 (02:03:35)

In ROMA thematisiert Cuaron jedoch nicht nur die Geschlechterrolle, sondern auch Konzepte von Klasse und Ethnie in der mexikanischen Gesellschaft. Besonders zu Beginn verdeutlicht dies die Distanz zwischen Cleo und ihren Arbeitgebern, etwa durch die Unterhaltungen auf Mixtekisch oder die klassenkonforme Trennung der Räume - Zuhause oder auf der Neujahrsfeier - wodurch sie als Außenseiterin erscheint. Die Dialoge auf der indigenen Sprache markieren diese Trennung und sorgen, so Cuaron, außerdem für Authentizität (Camino a ROMA, 12:00).

3. Symbole

In ROMA lassen sich auf symbolischer Ebene einige Elemente finden, die im folgenden Abschnitt der Seminararbeit anhand ausgewählter Filmszenen dargestellt und in Hinblick auf ihre melodramatische Funktion analysiert werden. Symbole sind im Melodrama wesentlicher Bestandteil, um die Filmhandlung ästhetisch zu verstärken und zu dramatisieren (Brooks 1995: 28).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Elemente des Melodramas in ROMA (2018) von Alfonso Cuarón
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
17
Katalognummer
V1000823
ISBN (eBook)
9783346381903
ISBN (Buch)
9783346381910
Sprache
Deutsch
Schlagworte
elemente, melodramas, roma, alfonso, cuarón
Arbeit zitieren
Niclas Breidenstein (Autor:in), 2020, Elemente des Melodramas in ROMA (2018) von Alfonso Cuarón, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1000823

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