Die Erfassung von Pendelwanderung, Pendlerregionen und Arbeitsmarktgebieten


Seminararbeit, 2000

8 Seiten


Leseprobe


0. Einleitung

Historisch betrachtet hat das Pendeln seinen Ursprung in der industriellen Revolution (1850-1873), d.h. mit dem Aufkommen der Massenproduktion. Fabriken siedelten sich bevorzugt in den Städten an, jedoch war das hiesige Arbeitskräftepotential schon bald erschöpft, d.h. zusätzliche Arbeitskräfte wurden aus außerstädtischen Regionen benö- tigt.

V.a. die landwirtschaftliche Bevölkerung nahm dieses Angebot war (Realteilung), zu- nächst war verstärkt eine Landflucht (verbunden mit Wohnortwechsel (Wanderung)) beobachtbar, später konnte dann mit Aufkommen und Ausbau der Eisen- und S-Bahn gependelt werden; der ursprüngliche Wohnsitz konnte somit beibehalten werden. Wanderungen wurden somit durch Pendelfahrten ersetzt. Die anfänglich zusammenliegenden Wohn- und Arbeitsstätten erfuhren eine immer stärker zunehmende Trennung. Die im 20. Jahrhundert einsetzende und extrem ansteigende (private) Motorisierung förderte ebenfalls das Pendeln. Ebenso forcierten Raumplanungskonzepte wie z.B. die Charta von Athen (1933), deren Inhalt u.a. die bewußte Trennung von Wohn- u. Arbeitsstätte beinhaltete, Pendelwanderungen in erhöhtem Maße.

Pendelbewegungen sind heute eine Alltagserscheinung; sie zählen als Indikator einer industriell geprägten Gesellschaft und sind als Verbindung / Ausgleichsmechanismus zwischen Wohnstätte und Arbeitsplatz (ungleichmäßige Verteilung von Arbeitsplätzen und Bevölkerung) anzusehen.

Das Erfassen, die Abgrenzung von Pendlerregionen (Wohnstätten) und Arbeitsmarktge- bieten kann somit - neben der Bestimmung der Bevölkerungsdichte, Anteil der Agrarbe- völkerung - auch mit Hilfe von Pendelverflechtungen (Ein- Auspendler) vollzogen werden.

1. Pendelwanderungen

1.1 Amtliche Erfassung

Die Daten aus der Volks- und Berufszählung dienen als Grundlage für die Ermittlung von Pendlerregionen und Arbeitsmarktzentren. Im folgenden werden verschiede Abgrenzungskriterien und deren Inhalte kurz aufgezeigt.

1.1.1 räumlich

Der Begriff des Pendlers erwähnte zum ersten Mal Losch im Jahre 1903 in einer Publikation über die vorhergegangene Volks- und Berufszählung (1900). Dabei muß folgendes gewährleistet sein: Das Auseinanderfallen von Wohn- und Arbeitsort, die durch eine Verwaltungsgrenze getrennten Gemeinden zugehören, d. h. Pendelbewegungen innerhalb von Ortschaften, insbesondere Eingemeindungen, zählen nicht als solche. Diese Definition wird heute immer noch verwendet und gilt als üblich.

Im Jahre 1970 kam es jedoch in der amtlichen Statistik zu einer Erweiterung des Pend- lerbegriffs, das den Umstand der großen Anzahl der innergemeindlichen Pendler mit be- rücksichtigte. Die neue Definition beschrieb den Pendler somit sehr allgemein als „Per- son, deren Arbeits- bzw. Ausbildungsstätte nicht auf ihrem Wohngründstück liegt.“ Diese Definition impliziert, daß nahezu alle Erwerbstätigen als Pendler eingestuft werden, da nur bei einem relativ geringen Personenanteil Wohn- und Arbeitsstätte identisch sind.

Pendelverflechtungen resultieren somit durch Trennung von Wohn- und Arbeitsraum bzw. deren ungleiche Verteilung; das Pendeln wird damit zu einer Notwendigkeit. Die obige neue Anschauungsweise ließ folglich die Differenzierung des Pendlers in innergemeindliche Pendler und Pendler über eine Gemeindegrenze (dabei zusätzliche Unterscheidung: Pendler über eine Kreisgrenze, Pendler über eine Grenze des Bundes- landes oder ins Ausland) zu.

Wehrpflichtige, Urlauber, Lieferverkehr, Einkaufsverkehr und alle unregelm äß ig auftretenden Pendelwanderungen werden laut dieser Definition nicht als Pendler betrachtet. Neben den Räumen an sich, spielen selbstredend die Entfernungen der jeweils zurückgelegten Wegstrecke eine wichtige Rolle bei der Erfassung.

1.1.2 tätigkeitsbezogen

Allgemein erfolgt hierbei eine Differenzierung zwischen Berufs- und Ausbildungspend- lern. Dabei ist feststellbar, daß bei höherem Spezialisierungs-/Ausbildungsgrad, man eher dazu geneigt ist, größere Entfernungen zur Arbeitsstätte zurückzulegen. Ein Grund dafür ist der Umstand, daß die gutbezahlten Tätigkeiten/Jobs bevorzugt in Arbeitsmarkt- zentren (Städten) angeboten werden. Der Arbeitnehmer kann aufgrund seines Einkom- mens größere Entfernungen in Kauf nehmen, die finanzielle Mehrbelastung fällt nicht ins Gewicht.

1.1.3 nach Richtungsbewegung

Die Abgrenzung erfolgt hierbei aus verschiedenen Sichtweisen:

- aus Sicht der Pendlerregion bezeichnet man den Pendler als Auspendler,
- aus der Sicht der Arbeitsmarktregion wird dieser als Einpendler betitelt.

1.1.4 nach der Häufigkeit

Man differenziert hierbei die Pendler hinsichtlich dreier Perioden:

- Tagespendler (häufigster Fall)
- Wochenpendler
- Pendler nach größeren Zeitabschnitten.

Dabei ist das Ein- und Auspendeln weitgehend mit festen Zeiten, gleichem Verkehrsmittel und gleicher Strecke in Verbindung zu sehen.

1.1.5 nach der Verkehrsmittelbenutzung

(überwiegend benutztes lt. Statistikstelle Bonn)

- Individualverkehr (z.B. eigener Pkw): Bequemlichkeit, Unabhängigkeit, aber auch Prestigegründe führen zu einem wachsenden Verkehrsaufkommen. Raumplaner werden somit zunehmend bzgl. der dadurch entstehenden Probleme gefordert. Die erhöhten Kosten des Individualverkehrs (im Vergleich zu öffentl. Verkehrsmitteln) werden durch o.a. Gründe eliminiert oder nehmen keine schwerwiegende Rolle ein. In ländlichen Gebieten kann man wegen der oftmals schlechten Infra- und Verkehrsstruktur auf den Individualverkehr kaum verzichten.
- ÖPNV: Er ist dadurch gekennzeichnet, daß die Kosten eher niedrig ausfallen, anderer-
seits aber nicht die Vorteile des Individualverkehr bietet. Feste Fahrzeiten, Wartezeiten, Umsteigen weisen eine deutlich geringere Flexibilität wie beim Individualverkehr auf. Durch Ausbau und Verbesserung des Verkehrssystems, v.a. in Ballungszentren und Städten, nicht zu vergessen der steigende Wohlstand, förderten den Anstieg des öffentlichen und individuellen Verkehrs in den letzten Jahrzehnten signifikant. Damit ver-bunden war ein wachsen der Pendlerregionen (Einzugsgebiete) und damit auch die In-tensität, d.h. die Anzahl der Einpendler.

1.1.6 nach dem Zeitaufwand

Die Pendlererfassung nach dem benötigten Zeitaufwand zur Arbeitsstätte (in 15 Minuten- Intervallen gemessen) stellt ein weiteres Erfassungskriterium in der Amtlichen Statistik dar.

Die in Anspruch genommene Zeit ist von verschieden Faktoren abhängig, wie von der zurückgelegten Entfernung, Beschaffenheit des Verkehrsnetzes, Art des benutzten Ver- kehrsmittels, der Verfügbarkeit des Verkehrsmittels(öffentl. oder privat) oder der Ver- kehrsdichte V.a. nach dem Zeitaufwand (dabei spielt die Qualität der Infrastruktur maßgeblich mit ein) richtet sich die Größe der Pendlerregion bzgl. eines Arbeitsmarktzentrums; so können z.B. Autobahnen einen Sogeffekt ins Zentrum bewirken, der weit bis in das Hinterland hineinreicht

1.1.7 nach dem Kostenaufwand

Aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens (rush-hours) entstehen erhöhte Kosten, die in Verbindung mit dem Zeitaufwand zu sehen sind.

1.2 Nichtamtliche Erfassung

Um sonstige Daten zur Ergänzung zu erlangen, die nicht in der Berufs- und Volkszählung enthalten sind, kann man z.B. auf andere Organisationen, Institutionen zurückgreifen und Sekundärdaten zur Auswertung zu Rate ziehen, z.B. Verkehrsträger (Monatskarten als Pendlerindikator), Unternehmen (Personalkarteien), Gemeindeämter etc. Direkte Befragungen von Personen werden ebenfalls durchgeführt Eine weitere Differenzierungsart der Pendler sind:

- autochthone Pendler: oftmals ehemalige Bauern, die jetzt neuen Job in der Stadt wahrnehmen,
- allochthone (zugezogene) Pendler: i. d. R. verschiedene Sozialgruppen, die die Vor- teile des Umlandes nutzen möchten.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß aufgrund der o.a. Kriterien Pendlerströme somit Auskunft über die Struktur der Wohn-, d.h. Pendlerregion und über die Abhängigkeiten zu einem Arbeitsmarktgebiet geben (sie zeigen auch Richtung und Stärke der Pendelbewegung an).

2. Pendlerregion

In diesem und folgenden Kapitel folgen jeweils diverse Charakteristika und damit Erfassungsmerkmale, die stichwortartig dargestellt wurden.

- überwiegende Mehrheit der Pendler i. d. R. aus näherem Umland des Arbeitsmarkt- gebietes (Stadt)
- wichtig hierbei ist der Anteil der Auspendler à Abgrenzung der Pendlerregion
- Stadt-Umland-Wanderungen, allg. verursacht durch schlechtere Lebensbedingungen in der Stadt, hohe Mieten à Verstärkung der Pendelwanderung
- je weiter Region von bestimmtem Arbeitsmarktgebiet entfernt, desto geringer fallen die Pendelwanderungen aus
- in Pendlerregion Arbeitsplatzdefizit, dies führt zur Pendlelwanderung, d. h. Aus- gleichsprozeß; in Stadt Arbeitsplatzüberschuß à positiver Pendlersaldo
- Pendlerregionen konnten sich aufgrund einer bestimmten Entfernung zu einer Stadt, in der Arbeit angeboten wurde, mit einer steigenden Mobilität mittels Bahn, Auto etc. (steigender Wohlstand) und der damit verbundenen Infrastruktur entwickeln, die Pendlerregion konnte damit wachsen/sich ausdehnen
- Region wird mit steigender Entfernung zum Arbeitsmarktgebiet ländlicher, d.h. struk- turschwächer à Pendeln wird notwendig
- der Pendelverkehr impliziert neue infrastrukturelle Maßnahmen (Zerstörung von Tei- len der Natur), steigendes Verkehrsaufkommen (Zeitverluste, Lärmbelastung, finanzieller Aufwand)
- durch neuere Kommunikationsmedien, Arbeitsmethoden (z. B. Telearbeit) könnten Pendlerströme in den nächsten Jahren abnehmen

3. Arbeitsmarktregion

(= zentrale Orte, Wohnen vielfach außerhalb oder außenorientiert hinsichtlich des Stadtzentrums)

- gute Verkehrsanbindung und Infrastruktur

- -Erwerbsstruktur geprägt von sekundärem und tertiärem Sektor, primärer Sektor fällt nahezu weg

- Arbeitsstättenkonzentration v.a. in Städten

- wichtiger Gradmesser ist hierbei die Anzahl der Einpendler (Anziehungskraft des Ar- beitsmarktzentrums)

- Aufgrund der Ansiedlung/Ausbreitung von immer mehr Arbeitsstätten/Fa., Industrien, aber v.a. Dienstleistungen in Zentren(v.a. in Städten) werden entsprechend Arbeiter benötigt, die aus dem Ergänzungsgebiet, verstädterte Zone und Randzone stammen, d.h. die im Zentrum Ansässigen können den Bedarf an Arbeitskräften nicht in vollem Umfang decken; Pendlerregion nimmt mit Spezialisierung der Arbeitsplätze im Zentrum, aber auch mit dem Mangel an Arbeitsplätzen im Umland zu

- Arbeitsplatzangebot konzentriert sich auf gewisse Produktionsorte/Zentren, d.h. keine gleichmäßige Streuung von Arbeitsplätzen

- Kapital als Erfassungsindikator, geht aus Ansiedlung von Unternehmen in dem Zent- rum hervor, auch erhöhte Steuereinnahmen

- Erfassung nach Einkommen(i.d.R.höhere Verdienste, je nach Region unterschiedlich)

- Methodenbsp. Kennziffernmethode(im Ggs. zu anderen Verfahren zeit- und kosten- sparend): Bestimmung der Arbeitsmarktzentren mit Hilfe von Kennziffern der Wohnbevölkerung oder Arbeitsplatzdichte, anschließend Zuordnung von umliegenden Gemeinden (Pendlereinzugsgebiete)zu einem Zentrum:

-Außenorientierung (allgemein): (bei >25 % àAußenorientierung, Stand: 1976)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

-Auspendlerstruktur (spezifisch zu einem Zentrum): Wenn Auspendlerquote >50% oder eindeutige Dominanz, so Zuordnung zu einem Zentrum:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4. Schlußbemerkung

Es stellt sich nun natürlich die Frage, warum eine Abgrenzung oder Erfassung von Pendlerregionen, Arbeitsmarktgebieten und Pendelwanderungen überhaupt vorgenommen wird, welcher Zweck im Hintergrund steht?

Allgemein bemüht man sich den Gesamtmarkt in Teilbereiche aufzugliedern, um dadurch zielgerechtere Diagnosen und Analysen, die für Wirtschaft und Raumplanung von großer Bedeutung sind, zu liefern. Die Daten der Berufs- und Volkszählungen stellen somit die Grundlage für Planungsprozesse dar. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen liefern der Stadt-, Verkehrs-, Arbeitsmarkt-, Siedlungsstruktur- und Regionalplanung wichtiges Material für die zukünftige Raumgestaltung und -entwicklung. Zudem lassen sich Verän- derungen und Zusammenhänge bzgl. der Entwicklung der Pendlerbeziehungen im Laufe der Zeit ausmachen.

Zwei wesentliche Probleme sind jedoch unübersehbar. Einerseits findet die Volks- und Berufszählung in der Bundesrepublik Deutschland in relativ großen Zeitabständen (10 Jahre und mehr; im Gegensatz dazu z.B. USA) statt. Andererseits erfolgt die Erfassung länderspezifisch (nicht einheitlich), d.h. internationale Vergleiche werden hierdurch er- schwert.

Literatur/Quellen:

Bundesstadt Bonn (1999): Bonner Monatszahlen. Abrufbar unter:

http://www.bonn.de/statistikstelle/StaBer/ (Datum: 02.12.1999).

Fassmann, H. und P. Meusburger (1997): Arbeitsmarktgeographie: Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit im räumlichen Konflikt, (Teubner) Stuttgart.

Klemmer, P. (1976): Probleme einer arbeitskräfterelevanten Typisierung von Regionen. In: Engelen-Kefer, U. und Klemmer, P.: Abgrenzung regionaler Aktionsräume der Arbeitskräftepolitik. Göttingen, S. 177 - 269.

Leser, H. (Hrsg.) (1997): Wörterbuch Allgemeine Geographie, (Westermann) Braun- schweig.

Otto, H.-J. (1979): Die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte als empirisches Problem und ihre Auswirkungen im raumordnungspolitischen Bereich. In: Rhein-Mainische Forschungen. Frankfurt a. M.

Troxler, J. M. (1986): Wohnstandort- und Pendelmobilität im suburbanen Raum: Theore- tische Grundlagen und empirische Untersuchung in der südwestlichen Agglomera- tion Zürich, (Lang) Zürich u.a.

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Details

Titel
Die Erfassung von Pendelwanderung, Pendlerregionen und Arbeitsmarktgebieten
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Unterseminar ,,Anthropogeographie"
Autor
Jahr
2000
Seiten
8
Katalognummer
V100090
ISBN (eBook)
9783638985208
Dateigröße
363 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erfassung, Pendelwanderung, Pendlerregionen, Arbeitsmarktgebieten, Unterseminar, Anthropogeographie
Arbeit zitieren
Ch. Naumann (Autor:in), 2000, Die Erfassung von Pendelwanderung, Pendlerregionen und Arbeitsmarktgebieten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100090

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