Über "Herr der Fliegen" von William Golding


Seminararbeit, 2000

17 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Der Autor: Sir William Golding ... 03
Inhaltsangabe ... 04
Charakterisierungen ... 05
Symbole und Zeichen ... 09
Zentrale Themen des Werkes ... 13
Das Böse ... 18
Das Bild der Zivilisation ... 19
Eigene Meinung ... 22
Literaturverzeichnis ... 23

Der Autor: Sir William Golding

William Golding wurde 1911 in Columb Minor, Cornwall, Südwestengland geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er an der Universität in Oxford. Dort wandte er sich dem Studium der Literatur zu, wobei sein Hauptinteresse der angelsächsischen und altenglischen Literatur galt.

Kurz vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges veröffentlichte er einen ersten Band mit Gedichten.

Im zweiten Weltkrieg diente er als Kommandant der englischen Marine und nahm an vielen Seegefechten teil. Nach Beendigung des Krieges lebte er einige Jahre in den Vereinigten Staaten in Virginia. Dort wandte er sich dem Lehrberuf zu und wurde Lehrer für klassische und englische Literatur. Bis 1960 war Golding als Lehrer tätig, dann zog er sich als freier Schriftsteller in seine Heimat, nach Südwestengland zurück.

Herr der Fliegen war sein erstes Prosawerk und wurde 1954 veröffentlicht. Dieser Roman machte William Golding weltberühmt. Der Grund dafür war die aufgewühlte Stimme in der Bevölkerung nach dem Krieg. Die Grausamkeiten des Krieges waren noch tief in den Gedächtnissen der Menschen verankert und in dem Roman konnte man das Spiegelbild einer gesetzlosen Gemeinschaft mit blutrünstigen Instinkten erkennen. Erinnerungen an die Mordtaten Hitlers wurden wieder freigesetzt. Bestärkt wurden diese Stimmungen durch die politischen Beziehungen, die nach dem Krieg entstanden waren.

Nach 1945 wurde es noch schwieriger, eine objektive Diskussion über den Charakter des Dritten Reiches zu führen, als zuvor. In dem reaktionären politischen Klima des Kalten Krieges galt es, besonders in den Vereinigten Staaten, nicht länger als schicklich, sich allzu gewissenhaft mit dem Zusammenhang zwischen Faschismus und modernem Kapitalismus zu befassen.

Nach Herr der Fliegen veröffentlichte Golding noch weitere zehn Romane, zwei Theaterstücke und ein paar Erzählungen. Jedoch läßt sich sagen, dass Goldings Prosawerk im Schaffen des Autors singulär dasteht. Wohl läßt sich eine Wiederholung von Themen und Problemstellungen in den nachfolgenden Werken feststellen, aber ebenso wie in Herr der Fliegen sind sie einem bereits zuvor geformten Welt- und Menschenbild zuzuordnen, das lediglich Ergänzungen und Variationen zuläßt. Singulär ist der Roman aus dem Jahre 1954 insoweit, als in ihm Philosophie und künstlerische Bewältigung auf wirklich einmalige Weise zusammenwirken.

Golding war hauptsächlich Romancier. Sir William Golding, inzwischen geadelt, starb am 19 Juni 1993.

Inhaltsangabe

Ein Flugzeug, mit einer Gruppe von Schuljungen im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren, stürzt bei dem Versuch, die Jungen aus England aufgrund eines herrschenden Atomkrieges zu evakuieren, ab.

Bei dem Absturz kommen alle Erwachsenen, die mit an Bord des Flugzeugs waren, ums Leben. Der größte Teil der Kinder kann sich auf eine unbewohnte, einsame Insel retten.

Ohne die Hilfe der Erwachsenen müssen sie ihr Zusammenleben selber organisieren. Anfangs versuchen sie trotz Isolation und primitiver Lebensweise die Lebensformen der zivilisierten Welt aufrecht zu erhalten. Sie legen ein Feuer, um Rettung herbei zu holen und wählen einen Führer. Der Führer ist der zwölfjährige Junge Ralph. Desweiteren schaffen sie Regeln und halten Versammlungen ab, um wichtige Fragen zu lösen. Bei den Versammlungen darf nur der reden, der die gefundene Seemuschel in der Hand hält. Mit dieser Seemuschel rufen die Jungen auch ihre Versammlungen zusammen, indem sie die Seemuschel, das Muschelhorn blasen.

Sie passen ihr Verhalten den Gegebenheiten an und das macht auch allen erstmal Spaß. Doch allmählich treten immer mehr die dunkeln Seiten in den Vordergrund:

Die Jungen, die jagen sollen, um die Gruppe mit Nahrung zu versorgen, werden immer mehr versessen auf das Töten und vergessen die Zwecke der Jagd.

Die Einbildung eines Untiers, das in Wirklichkeit die Leiche eines abgestürzten Piloten ist, und die Furcht gegen dieses werden immer extremer.

Die Gemeinschaft spaltet sich in zwei Gruppen. Die einen versuchen die Zivilisation aufrecht zu erhalten, die anderen, die Jäger mit einem Jungen namens Jack als Anführer verwandeln sich in eine Gruppe barbarischer Gesetzloser. Sie bemalen ihre Gesichter und veranstalten rituelle Tänze um einen Schweinskopf, der zum Götzbild wird, dem Herrn der Fliegen.

Bei einem ihrer rituellen Tänze töten sie im Wahn einen Kameraden, namens Simon, mit dem Gedanken es sei das Untier. Simon war im Begriff zum Zeitpunkt seines Todes der Gruppe seine Erkenntnis mitzuteilen, nämlich, hat er verstanden, dass das Untier nur ein abgestürzter Pilot war. Doch dazu ist er nicht mehr gekommen.

Das Feuer wird nicht mehr in Gang gehalten und die Muschel hat keine Macht mehr. Alle verlieren die Beherrschung und auch der beste Freund Ralphs, ein Junge, der aufgrund seiner dicklichen Gestalt Piggy genannt wird, wird getötet.

Ralph ist am Ende der letzte "Zivilisierte" und flüchtet vor den "Jägern". Bei dem Versuch Ralph zu jagen und zu töten setzten die Jäger die ganze Insel in Brand, machen dadurch ein Marineschiff auf sich aufmerksam und werden so gerettet.

Charakterisierungen

William Goldings Erzählung rankt sich um einige wenige Personen aus dem Roman. Obwohl von einer Gruppe gesprochen wird, und auch ab und zu verschiedene Namen fallen, gibt Golding nur seinen Hauptpersonen ein Profil. Andere bleiben anonym und werden auf Grund eines gemeinsamen Merkmals zu Subgruppen formiert: "...ich und meine Jäger, ... und die Kleinen,...die Älteren sind..."1.

Dem ersten, dem der Leser begegnet, ist Ralph. Der Namen kommt aus dem angelsächsischen und bedeutet `Ratschlag´. Ralph ist ein zwölfjähriger Blondschopf mit blauen Augen. Er wirkt verspielt, macht Kopfstände im Sand als er bemerkt, daß es auf der Insel keine Erwachsenen gibt. Anfangs der festen Überzeugung, daß sie gerettet werden: "Papa...ist Kapitän bei der Kriegsmarine. Wenn er Urlaub kriegt, kommt er und rettet uns." 2, richtet er bei längerem Aufenthalt auf der Insel alles auf das Überleben aus. Als gewählter Anführer der Jungen will er Demokratie und Vernunft durchsetzten, er stellt Regeln auf, baut Hütten zum Schutz und hält ein Signalfeuer in Gang. Ralph handelt fair und bedacht, will Verantwortung übernehmen. Er drängt die Gruppe zu nichts, setzt keine Gewalt ein: "Seine breiten, kräftigen Schultern hätten die eines künftigen Boxers sein können, aber seine Augen, ein Zug um seinen Mund, sprachen von Empfindsamkeit, die der brutalen Gewalt abhold war." 3. Er versucht die Gruppe mit gutem Menschenverstand zusammenzuhalten, welches ihm allerdings mißlingt. Zum Schluß muß er um sein Leben fürchten und fliehen.

Ralph an die Seite gestellt wird ein Junge namens Piggy (Schweinchen). Golding zeigt hier Ironie bei der Namenswahl, denn Piggy ist der intellektuellste Junge der Gruppe. Außerdem kann noch eine Beziehung zur Handlung festgestellt werden, denn Piggy wird Opfer eines Mordanschlags durch einen Schweinejäger.

Piggy ist ein dicker, asthmatischer Junge mit Kurzsichtigkeit, weshalb er auch eine Brille tragen muß. Er ist empfindlich und ängstlich, übertrifft jedoch alle an Intelligenz. Wegen dieser Eigenschaften ist er oft Mittelpunkt des allgemeinen Spottes und nimmt eine Außenseiterposition ein. Er wird die Stimme hinter Ralph, auf ihn direkt hört niemand. Piggy hilft Ralph die Demokratie aufrecht zu halten, bei einem dieser Versuche, während er das Muschelhorn in den Händen hält um sich Gehör zu verschaffen, wird er von einem herabrollenden Felsblock zermalmt.

Ralphs Antipode ist Jack. Der Name kommt aus dem hebräischen und bedeutet: `einer der verdrängt´, Jack verdrängt Ralph von seinem Posten als Anführer und nimmt sich gewaltvoll die Macht.

Er ist rothaarig, sommersprossig und hat ein häßliches Gesicht. Er führt den Chor an, dessen erster Auftritt einem militärischen Aufzug gleicht. Er erteilt ihnen Befehle und läßt sich mit seinem Nachnamen anreden: "››Ich will nicht Jack heißen, ich bin Merridew.‹‹ Ralph wandte dem Sprecher rasch sein Gesicht zu. Dies war die Stimme eines, der wußte, was er wollte."4. Er ist das Gegenteil von Ralph, er hungert nach Anerkennung und Macht, die Wege sind ihm egal. Er ist grausam und wild, steht über jeder Vernunft. Jack bedroht die Jungen um sie sich untertan zu machen mit körperlicher Gewalt, er ist aber auch ein Verführer: "Alle mal herhören! Ich und meine Jäger, wir sind dahinten am Strand bei einem flachen Felsen. Wir jagen, haben zu essen und spielen. Wenn ihr in meinen Stamm eintreten wollt, dann kommt mal rüber. Vielleicht laß ich euch mitmachen." 5 . Er ist die Schlange im Garten Eden. Durch die Schweinejagd beginnt er blutzulecken am Töten und überträgt seinen Wahn auf die anderen, er ist es, der den Singsang erfindet `Stacht das Schwein, macht es tot. Stacht das Schwein, Blut fließt rot.´, bei dessen ritueller Umsetzung Simon getötet wird. Seine diktatorische Gewalt geht soweit, daß Ralph von der restlichen Gruppe wie ein Tier zu Tode gehetzt werden soll.

Roger , dessen Name aus dem deutschen kommt und für `Speer´ steht, steht in einer ähnlichen Konstellation zu Jack, wie Piggy zu Ralph. Erst schüchtern und von niemandem so recht beachtet, schwingt er sich zum brutalsten Helfershelfer Jacks auf. Er ist derjenige, der die Muttersau unter Folter tötet und mit der Ermordung Piggys den Höhepunkt der Brutalität setzt. "Roger ist der Typ Mensch, wie ihn die Hitler-Diktatur in großer Zahl hervorgebracht hat; seine Machtmittel sind ihm zugewachsen, und er setzt sie hemmungslos ein. Die letzte Verantwortung für sein Tun braucht er ohnehin nicht zu übernehmen." 6

Simon ist der einzige, der das Geheimnis des Monstrums ergründet. Der Name kommt aus dem hebräischen und bedeutet `Zuhörer´, war aber auch dem engsten Verbündeten Jesu, Simon Petrus, gegeben. Ein anderer Hinweis auf Spiritualität ist auch Simons Krankheit, die Epilepsie, die früher auch als heilige Krankheit bezeichnet wurde.

Simon ist ein kleiner, hagerer Junge mit schwarzen Haaren, ungefähr neun Jahre alt. Mit seinen visionären Eigenschaften prophezeit er Jack Rettung. Der Junge ist ein Einzelgänger, zieht sich gern zurück, ist aber doch hilfsbereit, zum Beispiel beim Hüttenbau, und mutig, so setzt er sich gegen Jack durch und hilft bei der Rückerlangung Piggys Brille. Er entdeckt, daß das Monstrum nur ein toter Pilot ist und während einem seiner Anfälle spricht er mit dem `Herrn der Fliegen´, wobei er erkennt, daß die eigentliche Gefahr in ihnen selbst steckt. Simon stirbt einen Märtyrertod, als er den anderen von seiner Einsicht erzählen will.

Die letzten Personen die eine tragende Rolle spielen, sind die Zwillinge Sam und Eric. Auf Grund ihrer Unfähigkeit ohne einander zu agieren werden sie nur Samneric (Sam and Eric) gerufen. Sie werden nie als eigenständige Persönlichkeiten dargestellt und sind der Mitläufertyp. Sie werden von Jack durch Fleisch und Spiel in seinen Stamm gelockt, später durch körperliche Gewalt gezwungen, daß Versteck des flüchtigen Ralph preiszugeben. Die Zwillinge vertreten keinen eigenen Willen und beugen sich aus Angst der Macht.

Symbole und Zeichen

Golding erweist sich als Kenner und meisterhafter Schilderer von Massenhysterie, Haß und Angst und symbolisiert dieses in seinem Roman oftmals durch Zeichen.

Mit dem Muschelhorn rufen die Kinder ihre Versammlungen ein. Wer die Muschel während der Versammlung in der Hand hält darf reden. Die Muschel, die anfangs oft gebraucht wird, wird zum Symbol der Vernunft und Demokratie. Sie steht für Rede- und Meinungsfreiheit.

Das Feuer soll zunächst zur Rettung führen und bedroht jedoch am Ende des Romans den Bestand der Insel. Da es aber hauptsächlich das Symbol der Hoffnung ist, verkörpert es die Bindung der Jungen an die zivilisierte Welt.

Piggys Brille ist ebenfalls ein Zeichen. Es symbolisiert die Intellektualität und die Klugheit. Vor allem Piggy ist in dem Roman der Rationalist, der mit Intelligenz und Klugheit überzeugt. Im Laufe der Geschichte wird die Brille jedoch zerbrochen und ist ab dem Zeitpunkt das Symbol der Verunsicherung und der gestörten Ordnung, die man als Leser schnell entdecken kann.

Der Marineoffizier ist erstmals das Symbol der Rettung, der Vernunft und der Erwachsenen. Schnell wird jedoch klar, dass dieser Offizier in einer Uniform unterwürfig einer Institution, einer Macht, sich nicht großartig von den Kindern mit ihren bemalten Gesichtern unterscheidet. Zu erklären ist dies folgendermaßen:

Die Kindheit ist für Golding nicht der Zustand der Unschuld. Für ihn und in diesem Roman spiegelt sie, grotesk verfremdet, die Handlungs- und Verhaltensweisen der Erwachsenen wider. Die direkten und indirekten Vergleiche und Parallelen zwischen der Kinder- und der Erwachsenenwelt bestimmen die Struktur des Romans. Für Golding sind die bemalten Gesichter der Kinder ein direkter Vergleich zu "zivilisierten" uniformierten Erwachsenen.

Die ironische Struktur in Herr der Fliegen besteht darin, dass die Kinder den Erwachsenen um so ähnlicher werden, je mehr sie die Konventionen und Tabus der zivilisierten Welt abstreifen. Die Mehrzahl der Jungen schließt sich dem demagogischen Führer Jack an, der ihnen als Lohn für die Preisgabe von kritischer Vernunft und Eigenständigkeit ein Leben ohne Furcht und Sorge verspricht. (Königserläuterung, Seite 29)

Jack zerstört nach und nach die Anstrengungen Ralphs eine demokratische Gesellschaftsform zu praktizieren. Dabei errichtet er jedoch kein wirkliches Chaos, sondern seine eigene Ordnung, die durch Tänze, Rituale, Bemalung und Opferung symbolisiert wird.

Der Marineoffizier, der die Kinder von ihrem Unheil auf der Insel befreit, bringt sie eigentlich in ein nur größeres Unheil, nämlich in die Welt des Krieges der Erwachsenen.

Die Bemalung der Gesichter ist wie schon erwähnt für Golding eine Art von Uniform. Gleichzeitig symbolisiert sie die Verfremdung und den Rückfall in primitive Barbarei, stellt aber auch wieder die Ordnung Jacks dar. Diese Dialektik wurde gerade schon erklärt.

Die Tötung der Wildsau ist das Zeichen für die Preisgabe jeder Moral und symbolisiert die gewissenlose Zerstörung der Naturordnung. Erwähnenswert ist noch, dass es in dem Roman drei Jagden auf Wildschweine gibt und die in einer Parallelhandlung zu den brutalen Jagden auf die eigenen Kameraden stehen:

- Nach der Tötung des ersten Schweins folgt während eines Stammestanzes die Jagd auf einen Kameraden, namens Maurice.
- Der Jagd auf den Eber folgt eine lebensgefährliche Jagd auf Robert, den sie mit ihren Speeren richtig attackieren.
- Auf die letzte Jagd und die Tötung der Wildsau, die ihre Ferkel säugt, folgt die Niedermetzelung ihres Kameraden Simons.

Die Tötungen der Schweine stellen nicht nur Symbole dar, sondern sind auch charakteristische Stilmittel, durch die angewandte Technik der Differenzierung und Steigerung.

Ein weiteres Symbol dieses Romans ist das Herabrollen der Felsblöcke auf den Gegner. Es symbolisiert den brutalen Vernichtungswillen und den Einsatz von "Machtmitteln", welche die Stimmen der Vernunft zum Schweigen bringen.

Wichtig zu erwähnen ist, dass die angewandte Technik bzw. das Prinzip der Steigerung beim Herabrollen der Felsblöcke genauso gut zu erkennen ist, wie bei der Schweinejagd. Hier einige Beispiele zum Prinzip der Steigerung:

1) als Kraftprobe

"Die Felsentrümmer reckten ihre Türme und Kamine hoch über diesen Teil der Insel empor. Der eine, an den Jack sich anlehnte, bewegte sich knirschend, als sie dagegendrückten. Der Felsenturm wirkte wie eine Herausforderung. Der Brocken war so groß wie ein kleines Auto.
"Hau ruck! Hau ruck! Laßt das Pendel stärker schwingen, stärker, stärker, stemmt die Schultern dagegen, stemmt hier, wo der Schwung am größten ist, stärker, stärker-."
"Hau ruck!"
Jetzt blieb der Felsblock zögernd auf einer Kante stehen, dann kippte er, stürzte, überschlug sich im Fallen, sauste mit dumpfen Gedröhn hernieder und riß ein großes Loch in das grüne Walddach. Vielfacher Widerhall, Vögel flogen auf, weißer und roter Staub dunstete empor, weiter unten erzitterte der Wald wie unter den wütenden Tritten eines Ungeheuers; dann war alles wieder still.
"Wie ,ne Bombe!"" (Herr der Fliegen, Seiten 31f. )

2) zur Verteidigung der Felsenburg

"Unter dem obersten Felsen klemmte der Stamm und darunter ein weiterer Hebel. Robert stützte sich leicht gegen den Hebel, und der Fels knirschte. Ein richtiger Druck, und der Felsen würde donnernd auf die Landzunge herunterkrachen. Roger staunte anerkennend." (Herr der Fliegen, Seite 179 )

3)als Mordwaffe

"Hoch über Ralph und Piggy stemmte Roger sein ganzes Körpergewicht gegen den Hebel. Ralph hörte den schweren Felsen lange, ehe er ihn sah. Er spürte auf seinen Fußsohlen, wie die Erde erzittert und hörte, wie Gestein vom Gipfel der Klippen herabbrach. Dann sprang der riesige rote Brocken über den Damm, und warf sich unter dem Gekreisch des Stammes platt auf den Boden.

Der Felsen streifte Piggy vom Kinn bis zum Knie, das Muschelhorn zersprühte in tausend weiße Stücke und war nicht mehr. Ohne einen Laut, ohne auch nur einen Seufzer ausstoßen zu können, wirbelte Piggy vom Felsen tief hinunter und klatschte mit dem Rücken auf den breiten, roten Felsen im Meer. Sein Kopf sprang auf, und eine Masse kam heraus und färbte sich rot. Piggys Arme und Beine zuckten noch einmal, wie bei einem Schwein, wenn es getötet worden ist. Dann atmete die See wieder ihr tiefes, langsames Seufzen, die Wasser kochten weiß und rot über den Felsen, und als sie wieder zurückrollten, war der breite, rote Fels leer." (Herr der Fliegen, Seite 204 )

Die Buschtrommeln und Speere der Jäger sind das Zeichen des Herabsinkens auf eine niedere Kulturstufe, Zeichen der Streit- und Kriegslust. Die Speere, die von Jacks Jägern zum Kämpfen und Töten der Wildschweine genutzt werden, werden auch gegen ihre Kameraden benutzt und gezielt auf sie geworfen. Jack als "Meister des nackten Befehls" tritt gegen Ralph, der an den Wert des Lebens glaubt.

Den abgehackten, aufgespießten Schweinskopf, der "Herr der Fliegen", opfern die Jungen in ihrer Angst dem "Monster". Sie haben keinen Blick mehr für die Wirklichkeit und interpretieren deswegen die Gegenstände auf der Insel falsch, so dass aus Zweigen der Bäume Schlangen werden und aus dem toten, abgestürzten Piloten das Monster. Dabei ist der Leichnam des Piloten das Symbol des Krieges und des Untergangs. Der "Herr der Fliegen", ein abgehackter Schweinskopf, der die Fliegen aufgrund seiner Verwesung anzieht, ist das Symbol des Verderbten. Die Vergötzung des Schweinskopfs verdeutlicht das Greuliche ihres Rituals. Die Kinder sind in einem totalen Zustand der Barbarei verfallen, in dem das Böse allmächtig ist. Erwähnenswert ist noch, dass "Herr der Fliegen" eine Übersetzung des hebräischen Beelzebub, im Neuen Testament eine Bezeichnung für den obersten Teufel, ist. In Goethes "Faust" heißt Mephisto "Fliegengott" zur Kennzeichnung des Bösen in ihm und nennt sich selber "Herr der Fliegen".

Zentrale Themen des Werkes

William Golding verflocht verschiedene Themen in `Herr der Fliegen´, um den Leser zur Selbstreflexion aufzurufen: "Es fiel William Golding nach den Erfahrungen des 2. Weltkrieges schwer, an das Gute im Menschen zu glauben, seiner moralischen Kraft zu vertrauen. Dies spiegelt der Roman deutlich wider. Umso dringender ist aber der an die Welt gerichtete Appell des Autors, um sie Werte zu kämpfen, die den Mensch vom Tier unterscheiden." 7

Das offensichtlichste Thema ist das Bedürfnis nach Zivilisation. Institutionen, von der Schule bis zum höchsten Gericht, sind nötig, um die dunkle Seite der menschlichen Natur in Zaum zu halten. Die Geschichte zeigt, daß nicht die Gesellschaft verantwortlich ist für Ausbrüche ihrer Mitglieder, sondern daß jeder einzelne ganz für sich dafür einstehen muß. Wenn zivilisatorische Reglements wegfallen, wenden sich die Menschen einem primitiveren Teil ihres Seins zu.

Ralph und Piggy versuchen einen Teil der Erwachsenenwelt, wie sie es auch nennen, auf ihre Situation zu kopieren, sie wollen Regeln aufstellen und demokratisch über alles entscheiden. Ein ganz entscheidender Faktor für das Gelingen eines solchen Systems greift aber nicht auf ihre Situation: Menschen beugen sich nur unter einem bestimmten Druck Institutionen und Regeln, entweder sie erhoffen sich dadurch eine Erhaltung und/oder eine Verbesserung ihres Lebensstandards oder sie müssen Angst vor Repressalien haben. Auf der Insel ist jedoch niemand, der diese Sanktionen durchsetzen kann, deswegen hat Jack auch nichts zu befürchten, als er sich zum Diktator aufschwingt und gnadenlos seine Macht als Stärkerer mißbraucht.

Die Existenz von Zivilisation erlaubt es dem Menschen aber auch wirklich unschuldig zu bleiben, deswegen ist das nächste Thema das des Verlustes der Unschuld. Es ist wichtig, daß die Mitglieder einer Gesellschaft nicht ignorant ihrer wahren Natur gegenüber sind, sondern sich ihrer bewußt und kritisch gegenüber stehen. Ein Beispiel im Text liefert ein Gespräch zwischen Piggy und Ralph, das beide allein und verstohlen nach dem Totschlag an Simon führen: "››Es war´n Zufall‹‹, sagte Piggy plötzlich, ››ja, das war´s. Ein Unfall.‹‹ Wieder wurde seine Stimme schrill. ››Kommt da aus dem Dunkeln - was hat der da auch so aus dem Dunkeln rauszukrabbeln brauchen! Er hat ja´n Klaps weggehabt. Er war ja selbst schuld.‹‹ Er fuchtelte wieder wie wild mit den Armen. ››Es war´n Unfall.‹‹ "8

Die Unschuld des Menschen ist eine Täuschung, er hat von Haus aus ein schreckliches Spektrum an Abscheulichkeiten. Daß Golding Kinder als seine Akteure wählt, unterstreicht dies nur um zu deutlicher.

Mit dem Dahinschwinden der Zivilisation, welche den Menschen vom Tier unterscheidet, schwinden auch die Merkmale der Jungen, auf die die Gesellschaft sie von klein auf geprägt hat, sie verlieren ihre Identität. Die Jungen benutzen Masken um ihre Identität zu verbergen und führen Tänze auf, die sie zu einem Ganzen verschmelzen lassen und während denen man keinen vom andern unterscheiden kann. Als Höhepunkt der Abstreifung ihrer Identität verlieren sie ihren Namen, Jack nennt sich nur noch `der Häuptling´. Mit dem Verlust der Merkmale, die jede Person einzigartig machen und sie zu einer völlig homogenen Horde verschmelzen lassen, verlieren sie auch die Angst vor Schuld und Strafe, denn einer ist dem anderen gleich und niemand kann verantwortlich gemacht werden: "Ralph (...) stockte, entmachtet durch das Schweigen und die bemalte Anonymität der Wächtergruppe vor dem Eingang. Der Häuptling wandte sich an Samneric, die zwischen ihm und seinem Stamm standen.(...) ››Los! Fesselt sie!‹‹ Jetzt spürte die Gruppe der Bemalten in Samneric das Fremde, das andere, fühlte sie die Macht, die ihren Händen gegeben war."9 Die Maske ist ein Endzustand, sie ist starr und bleibt es auch. Niemand kann in den Maskenträger hineinsehen, denn das unaufhörliche Mienenspiel des Menschen, eine der stärksten Ausdrucksmöglichkeiten, kommt zum völligen Stilstand. Der Maskierte distanziert sich so von dem Unmaskierten, läßt ihn nicht teilhaben an seinem Geheimnis: "››Ich bin genau, was du siehst‹‹, sagt die Maske, ››und alles was du fürchtest, dahinter.‹‹" 10. Die Maske verleiht also große Macht durch die Angst, die sie schürt.

Die Angst, vor allem vor dem Unbekannten, zieht sich durch die gesamte Handlung von `Herr der Fliegen´. Sie wird manifestiert an der Angst vor einem Ungeheuer, das auf der Insel leben soll und dem die Jungen sogar ein Opfer bringen (den aufgespießten Schweinskopf, den Herrn der Fliegen). Die Angst der Jungen vor diesem Monstrum steigt, weil sie mit ihr spielen, sie schaukeln sich gegenseitig bis zur Hysterie. Die Vermutungen über seine Gestalt gehen von einem überdimensionalen Meerestier bis hin zu unsichtbaren Geistern. Der Streit darüber läßt Versammlungen und den Konflikt zwischen Ralph und Jack immer wieder eskalieren:

"››Die Bestimmungen!‹‹ rief Ralph, ››du verletzt die Bestimmungen!‹‹

››Und wenn schon!‹‹

Ralph bot seine ganze Überzeugungskraft auf.

››Weil die Bestimmungen das einzige sind, was wir haben!‹‹

Aber Jack schrie zurück.

››Ich pfeif auf die Bestimmungen! Wir sind stark - wir jagen! Wenn's ein wildes Tier gibt, dann bringen wir's zur Strecke! Wir umzingeln es, und dann gib ihm! Gib ihm!‹‹ Er stieß einen wilden Kriegsruf aus uns sprang den bleichen Sand hinunter. Aufgeregtes Lärmen erfüllte sogleich die Plattform, Gekrabbel, Geschrei, Gelächter. Die Versammlung löste sich auf und zog in unzusammenhängendem Durcheinander aufs Geratewohl zwischen Palmen und Wasser den Strand entlang und in das Dunkel der Nacht. (...) Man hörte, wie sie unten am Strand eine Schweinejagd veranstalteten, hörte hysterisches Lachen und auch wirkliche Schreckensrufe."11

Jack nutzt die Macht der Angst, um sich die Jungen untertan zu machen. Es sind seine autoritären Charakterzüge, die es ihm erlauben, durch die Bedrohung und Entmündigung anderer sich an die Spitze eines, von ihm aufgebauten, totalitären Regimes aufzuschwingen. Doch nicht nur diese grausame Art von Macht wird in dem Buch zum Thema gemacht, jeder der Charaktere nutzt einen Typ von Macht für seine Zwecke. Während Jacks Machtausübung besser als gewaltvolles Handeln bezeichnet werden kann, da diese Art von Macht auf einer niederen und dem animalischen näherkommenden Stufe steht, setzt Ralph demokratische Macht ein. In seiner Rolle als gewählter Anführer forciert er andere nicht zu schnellen Entscheidungen und vor allem nicht dazu, sich seiner Meinung bedingungslos unterzuordnen. Natürlich muß er aber auch den Erwartungen an seine Bestimmung als Oberhaupt der Gruppe gerecht werden und betont mit großem Nachdruck die Wichtigkeit der Einhaltung der, von ihm aufgestellten, Regeln. "Mit diesen klaren Vorgaben erscheint Ralph auf den ersten Blick durchaus `autoritär´. Seine Vorstellungen von dem, was sein müßte, haben aber das Wohl jedes einzelnen in der Gemeinschaft zum Ziel, und er kämpft um ihr Verständnis. Darin unterscheidet er sich grundlegend von seinem Antipoden Jack."12 Eine Macht, die über diesen beiden Typen steht, ist die spirituelle Macht. Simon versucht durch sie, interne und externe Wahrnehmungen zu vereinen und kommt so zu dem Schluß, daß die große Angst der Jungen vor einem auf der Insel lauernden Untier, nur die Angst vor dem Untier in ihnen allen ist: ››Vielleicht‹‹, sagte er zögernd, ››Vielleicht gibt's doch ein wildes Tier.‹‹ (...) Ralph schrie. ››Hört doch, was er sagt! Er hat doch die Muschel!‹‹

››Ich mein! Bloß...vielleicht sind wir's selbst - ‹‹

››Blödsinn!‹‹ Das war Piggy. Es war zuviel für ihn gewesen.

Simon fuhr fort: ››Es wär` doch möglich, daß wir so...‹‹ Simon rang nach Worten, um das Hauptübel der Menschheit darzustellen. Da kam ihm die Eingebung. ››Was ist das Schmutzigste, was es gibt?‹‹ Als Antwort ließ Jack in das darauf entstehende verständnislose Schweigen das eine rohe, drastische Wort fallen. Der Bann wich hemmungslosem Toben. (...) Simon sah seine Bemühungen zunichte gemacht; das Lachen traf ihn schmerzlich, er zog sich wehrlos an seinen Platz zurück."13 Simon wird von niemandem so recht wahr- und ernstgenommen. In ihm wird das nächste große Thema des Buches deutlich, nämlich das Sehend- und Blindsein des Menschen. Simon ist der einzige, der der Wahrheit in das Gesicht sieht und mit dem Herrn der Fliegen, dem Sinnbild des Bösen, spricht. Er hat die Einsicht, er weiß, daß ihm dort draußen auf dem Felsen kein Untier erwartet: "››Und stell dir vor, da habt ihr gedacht, das Tier sei etwas, das man jagen und töten kann!‹‹sagte der Kopf. (...) ››Du hast's gewußt, wie? Daß ich ein Teil von euch bin, von ganz innen, innen, innen? Daß ich schuld daran bin, daß nichts klappt? Daß alles so gekommen ist, wie's gekommen ist?‹‹14 Er hat den Schlüssel zu ihrer Situation gefunden. Doch als er den anderen Jungen die befreiende Nachricht bringen will, daß das Monstrum nur ein toter Fallschirmspringer ist, wird er von der, wie von Sinnen tanzenden, Gruppe umgebracht, die ihn in ihrem Wahn als das aus der Dunkelheit hervorbrechende Monster halten. Simon, der sehend ist, fällt der Blindheit der anderen zum Opfer.

Die Natur steht dem allem gleichgültig gegenüber. Obwohl sie oft als `Mutter Natur´ schützend ihre Hand über den Menschen hält, tritt sie in `Herr der Fliegen´ völlig willkürlich auf, bunte Schmetterlinge tanzen um die Jäger, die die Muttersau brutal abschlachten. Die Natur schert sich nicht um die Handlungen des Menschen, der Mensch ist aber abhängig von der Natur.

Das Böse

Herr der Fliegen ist durch seine atemberaubende Entwicklung ein Meisterwerk von Golding. Golding akzeptiert in seinem Werk den Tatbestand des Bösen, und zinkt seine Karten völlig zugunsten des Bösen.

Obwohl für die auf der einsamen Insel gestrandeten Schuljungen alle von außen schädlichen Umwelteinflüsse ausgeschaltet waren und für die Entwicklung der Jungen geradezu ideale Bedingungen herrschten, scheiterten sie bei dem Versuch, eine auf Vernunft und Ordnung gegründete Gemeinschaft aufzubauen. Ohne elterliche Aufsicht verschmutzen und verwahrlosen sie schnell.

Mit dem Nachlassen der Wirkung des gesellschaftlichen Normendrucks regrediert die Mehrzahl der Jungen zu einer Horde aggressiver Wilder. Die von ihrer Zivilisation mitgetragenen Vorstellungen von Demokratie und Ordnung, Verantwortung und Pflicht weichen Machtdurst, einem primitiven Häuptlingskult, Hedonismus sowie Destruktions- und Tötungslust. Die Hauptmerkmale des Romans sind die Eigenschaften der geschlossenen Gesellschaft, wie Stammesverhalten, Irrationalismus und Tyrannei und lassen der beabsichtigten Demokratie nicht wirklich eine Chance. Demokratie ist in diesem Werk kein ernstzunehmender Gegner.

Goldings Jungen sind nicht treu dem Christentum ergeben, sondern fallen in einen primitiven, magischen Kult um den "Herrn der Fliegen" zurück.

Die Jungen in Herr der Fliegen zeigen nicht nur ihre wahre Sünde, sondern geben auch ein Beispiel von der Ignoranz des Menschen gegenüber seiner Natur: Das innere Böse erkennen sie nicht, sondern verlagern es auf ein äußeres Angstobjekt, ein Monster. Die Macht des Animalischen ist viel stärker als die Vernunft. Einige von ihnen haben sogar eine bessere Einsicht, jedoch schwemmt die Woge der Vernichtung sie hinweg. Sie begreifen erst viel zu spät, dass sich Menschen wie Jack ohne irgendeine Art von Gewissen sich über Gesetz und Ordnung hinwegsetzen und diejenigen hassen, die sich ihnen nicht unterwerfen.

Aus Goldings Sicht ist diese Darstellung der Barbarei der natürliche Zustand der Menschheit. Man befreie eine Gruppe durchschnittlicher Schuljungen von den normalen Fesseln der Zivilisation, und sie werden innerhalb weniger Wochen, wenn nicht noch schneller, auf das Stadium der Menschenfresserei zurückfallen. Dieses misanthropische Werk war ein Ergebnis der Schlußfolgerungen, die Golding aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, als er der Marine diente, gezogen hatte. "Wer diese Jahre durchgemacht hat", schrieb er später, "ohne zu begreifen, dass der Mensch das Böse hervorbringt, wie die Biene den Honig macht, muß entweder blind oder geistesgestört sein." (Andrew Michael Roberts)

Wenn auch eine Gesellschaft nicht frei vom Bösen gedacht werden kann, so ist der Mensch keineswegs zum Bösen determiniert. Er kann sich wie Jack dem Bösen ausliefern oder wie Ralph gegen die Entfesselung der Leidenschaften ankämpfen. In die Spannung zwischen apollinischen und dionysischen Kräften gestellt, kann der Mensch sich für das Chaos entscheiden, er kann aber auch durch Selbstzucht eine zwar nicht ideale, aber brauchbare Ordnung schaffen. Dass die Jungen in Herr der Fliegen scheitern, ist nicht allein dem zerstörerischen Wesen der Jäger zuzuschreiben, sondern auch der Trägheit und Gleichgültigkeit der Hüttenbauer. Der Sieg der anarchistischen Mächte ist nicht unausweichliches Schicksal, sondern Schuld.

Das Bild der Zivilisation

"Zivilisation läßt sich allgemein als eine gesellschaftliche Lebensform beschreiben, in der der Mensch seine Welt auf eine rationale Basis gestellt hat. Ihr Kern ist das urbane Leben; die Stadt ist gegenüber dem Land der Inbegriff des Menschengemachten und weitgehend von Naturbestimmungen unabhängig. Entscheidende Voraussetzungen für die damit verbundene Beherrschung der Natur sind Wissenschaft und Technik. Für das Zusammenleben auf begrenztem Raum ist zudem eine Rationalisierung des Verhaltens, d.h. Selbstbeherrschung und Einhaltung von Handlungsregeln, unabdingbar. Die Zivilisation reduziert so Unwägbarkeiten sowohl der äußeren wie der inneren Natur." (Jaentsch, Seite 219)

In Herr der Fliegen wird durch die Wandlung britischer Schuljungen in eine Horde primitiver Wilde nahegelegt, dass die Zivilisation den Menschen und die Welt nicht grundsätzlich vom Bösen zu befreien vermag. Gut zu erkennen ist dieses in der folgenden Passage:

"Roger bückte sich, hob einen Stein auf, zielte und warf nach Henry - traf absichtlich daneben. Der Stein, jenes Zeichen finsterer Urzeit, schlug fünf Meter rechts von Henry auf und fiel ins Wasser. Roger sammelte eine Handvoll Steine auf und begann zu werfen. Doch da war ein Raum um Henry, etwa sechs Meter im Durchmesser, in den er nicht zu werfen wagte. Unsichtbar, aber gebieterisch war hier das Tabu von früher. Das hockende Kind umgab der Schutz der Eltern und der Schule und der Polizei und des Gesetzes. Rogers Arm war durch eine Zivilisation gehemmt, die nichts von ihm wußte und in Trümmern lag". (Herr der Fliegen, Seiten 69f)

Die Zivilisation stellt hier einen Verhaltens- und Regelkodex dar. Für Roger ist es ein Tabu den Stein nicht werfen zu dürfen. Jedoch ist ihm nicht klar, warum er den Stein nicht werfen darf. Für ihn ist das Nichtwerfen des Steins kein moralisches Prinzip, sondern die Drohung vor Sanktion, die hinter dem Verbot steht. Er handelt also nicht aus moralischer Einsicht. Die Zivilisation hindert Roger an der spontanen Ausübung von Gewalt gegen andere Menschen. Sie repräsentiert einen geordneten Zusammenhang, wodurch das individuelle Böse im Normalfall unter Kontrolle gehalten wird. So erfüllt sie eine positive Funktion als kollektive Schutzeinrichtung. Jedoch verändert sie den Menschen nicht grundsätzlich und kann auch Rogers späteren Abstieg zum blutrünstigen Handlanger Jacks nicht verhindern.

Das Grundproblem der Zivilisation in Herr der Fliegen ist, dass die Zivilisation auf einer rationalistischen Weltsicht beruht. Dem Regelkodex fehlt die moralische Verwurzelung. Klar wird das in den Momenten, wenn Ralph Jack versucht zur Ordnung zurückzurufen. Wenn er ihm klar macht, dass er und seine Gehilfen gegen die Regeln verstoßen haben. Die Zivilisation kann sich hier nur, so wie Ralph, auf einen konventionellen Kodex, auf Regeln berufen. Sie stellt einen Wertezusammenhang dar, der dort gilt, wo etablierte Sanktionsmechanismen auf die Einhaltung der Regeln achten. Wenn diese aber, wie auf der unbewohnten Insel, wegfallen und jemand wie Jack, nicht an den Regeln und der Ordnung festhalten will, kann Ralph nur auf die Zivilisation selber hinweisen, indem er den anderen versucht klar zumachen, dass die Regeln das Einzige sind, was sie haben. So begründet er die Zivilisation.

In Herr der Fliegen bedeutet das Nichtvorhandenseins eines religiös-moralischen Fundaments, dass die Zivilisation für sich selbst als Ganzes die Kontrolle des Bösen nicht gewährleisten kann. Der Atomkrieg der Erwachsenen, als Hintergrundhandlung, weist darauf hin. Der individuelle oder kollektive Stolz über die vermeintliche eigene Überlegenheit - vgl. Jacks Aussage "Wir sind Engländer, und Engländer machen immer alles am besten. Wir müssen also immer das Richtige tun." - ist also eine Form moralischer Hybris, eine Blindheit gegenüber dem eigenen Bösen und eine Mißachtung der Widersprüche der Zivilisation.

Eigene Meinung

Der Roman Herr der Fliegen von Sir William Golding war vom Anfang bis zum Ende spannend zu lesen. Erschreckend war jedoch anfangs festzustellen, dass das Böse das Hauptthema in diesem Roman ist. Genauso faszinierend fanden wir es aber auch, dass Golding das Böse in dem Menschen allgemein verwurzelt sieht und das es sich sofort überall dort einstellt, wo die äußeren Bedingungen seine Entlassung zulassen.

Gleichzeitig wird einem, neben der Entfaltung des Bösen, auf ideenreicher Art gezeigt, dass es in dem Roman, in dem ja eigentlich die Kinderwelt dargestellt wird, immer wieder Parallelen mit der Erwachsenenwelt gibt. Im Endeffekt kann man sagen, dass die Erwachsenenwelt in diesem Roman durch die Kinderwelt bloßgestellt wird. Klar wird das zum Beispiel dadurch, dass die "Jäger" mit ihren bemalten Gesichtern, als Gehilfen Jacks fungierend, sich nicht im Großen von dem sie rettenden Marineoffizier, in seiner Uniform und unterwürfig einer Institution, unterscheiden. Verwirrend ist nur zu erkennen, dass der englische Marineoffizier zu Zeiten eines herrschenden Atomkriegs die zivilisierte Welt repräsentiert. Auf dem Kriegsschiff, dessen geordnete Erscheinung im Widerspruch zu seiner Zerstörungsfunktion steht, werden die Jungen von einer Katastrophe in eine andere `gerettet`. Da stellt sich zum Schluß oftmals die Frage: "Und wer rettet jetzt das Marineschiff mit Offizieren und den geretteten Kindern?

Literaturverzeichnis

Golding, William: Herr der Fliegen; Frankfurt a. M., S. Fischer Verlag, 1963

Jaentsch, Karin: Das Böse in den späteren Romanen William Goldings; Frankfurt a. M., Peter Lang Verlag, 1994

Neis, Edgar: Erläuterungen zu Herr der Fliegen, Königs Erläuterungen und Materialien; Hollfeld, C. Bange Verlag,1980

Andrew Michael Roberts, ”The Novel. From Its Origins to the Present Day". London, Bloomsbury, 1993, S. 173

Meitcke, W.: Lektürehilfen. William Golding. Lord of the flies. Stuttgart; Düsseldorf; Leipzig: Klett, 1999


1 Golding, William: Herr der Fliegen. S.57
2 Golding, William: Herr der Fliegen S.15
3 ebd. S.11
4 Golding, William: Herr der Fliegen. S. 24
5 ebd. S. 159
6 Neis, Edgar: William Golding. Herr der Fliegen. Lord of the flies. (Königserläuterungen und Materialien) S. 49
7 Neis, Edgar: William Golding. Herr der Fliegen. Lord of the flies. (Königserläuterungen und Materialien) S. 5
8 Golding, William: Herr der Fliegen. S. 177
9 ebd. S. 103
10 Neis, Edgar: William Golding. Herr der Fliegen. Lord of the flies. (Königserläuterungen und Materialien) S. 75
11 Golding, William: Herr der Fliegen. S. 103, 104
12 Neis, Edgar: William Golding. Herr der Fliegen. Lord of the flies. (Königserläuterungen und Materialien) S. 18
13 Golding, William: Herr der Fliegen. S. 100, 101
14 ebd. S. 162, 163

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Über "Herr der Fliegen" von William Golding
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Autor
Jahr
2000
Seiten
17
Katalognummer
V100133
ISBN (eBook)
9783638985628
Dateigröße
467 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Golding, William, Herr, Fliegen, Thema Herr der Fliegen
Arbeit zitieren
Kirsten Kaiser (Autor:in), 2000, Über "Herr der Fliegen" von William Golding, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100133

Kommentare

  • Gast am 6.2.2015

    Danke, dass du dein wissen mit uns teilst. Du rettest mir meine philo Note

  • Gast am 27.4.2008

    herr der fliegen.

    buch war nen bischen bloed wegen der brutalität
    sonst ne tolle sache danki!!!!!!!!!!!!!!!

  • Gast am 19.2.2003

    Herr der Fliegen!:-)).

    Ist echt spitze! Hat mir sehr bei meiner Facharbeit geholfen! Lena

  • Gast am 2.12.2002

    super!!!!danke.

    Danke dir herzlichst. Musste das Buch binnen zwei wochen lesen und die Charaktermerkmale, Zeichen und Symbole etc. anstreichen. Hast mir sehr geholfen, in dem du schon einiges geschriebn hattest.
    DANKE

  • Gast am 25.9.2002

    Herr der Fliegen.

    gute Arbeit

  • Gast am 28.8.2002

    Super.

    Echt genial!!! Meine Rettung für die Klassenarbeit

  • Gast am 11.6.2002

    Danke !!!.

    ...einmal durchlesen und dann ins Unterrichtsgespräch mit einbringen:
    Genau das was der Lehrer hören will (vorallem die Symboldeutung) - egal in welcher Sprache man es formulieren muss. Danke.

  • Gast am 25.5.2002

    Gut.

    Die Ausabrietung ist gut gelungen. Es fehlt jedoch eine wichtige Sache im Bezug auf die Tötungsszene der säugenden Sau.
    Die Tötung der Sau ist zu übertragen auf die Ablösung von der eigenen Mutter. Die brutale Vorgehensweise lässt sogar darauf schliessen, daß die Jungen ihre Mütter hassen.

  • Gast am 16.5.2002

    fleisige Arbeit.

    Ich danke dir über diese konkrete und
    umfangreiche Ausarbeitung.
    Du bringst sehr gute Vergleiche
    und Interpretationen der verschiedenen
    welten der Kinder an den Tag.
    Ist mir eine große Hilfe für meine
    hoffentlich erfolgreiche Arbeit gewesen.
    Weiter so.

  • Gast am 16.4.2002

    Super, ausgezeichnet!!.

    Deine Interpretation über das Buch "Der Herr der Fliegen" ist sehr ausführlich und denooch zielführend! super
    (Hast hoffentlich einen 1-er bekommen)

  • Gast am 19.3.2002

    Herr der Fliegen.

    DEin Referat find ich echt super...Eine sehr schöne Arbeit,dank dir bekomm ich jetzt eine 2+.echt super.vielen,vielen dank
    mfg maria

  • Gast am 11.3.2002

    Herr der Fliegen.

    Super gutes Hausaufgabengrundlagematerial

  • Gast am 18.2.2002

    Sehr gut.

    In dieser Arbeit werden Themen, wie z.B.: Zeichen usw., welche man oft braucht, ausführlich und präzise behandelt.
    Super

  • Gast am 11.2.2002

    Super.

    DANKE!!
    Tolle Sache, dies.
    Die morgige Unterrichtsstunde ist gerettet.

  • Gast am 28.1.2002

    DANKE DANKE DANKE !.

    also, ich muss schon sagen, diese arbeit ist wirklich eine glanzleistung. ich bin mir sicher, das diese arbeit mir um einiges wieterhelfen wird ... vielen dank !!!!

  • Gast am 25.1.2002

    Grandios!.

    ich schreibe morgen Abitur, mit Englisch als LK.
    Da, auch wenn man Englisch als LK hat oft Verständnisschwierigkeiten auftreten, oder es einfacher ist sich die Abschnitte auf Deutsch zu verdeutlichen, finde ich es super dass du dein Werk hier veröffentlicht hast.
    Ich habe es gelesen und ich denke, es wird mir weiterhelfen (benotung: sehr gut!)
    danke dass du es hochgeladen hast.
    es sollte mehrere wie dich geben ;)

  • Gast am 4.12.2001

    Sie kam, sah und siegte.

    Jeder, der schon einmal das Vergnügen hatte,"Der Herr der Fliegen" (auf Englisch) zu lesen, wird wissen, wovon ich rede: Dumme, kleine Engländer, die- wie ihre Nachfahren- irrational und triebgesteuert flachsig über eine Insel hopsen und keinen Stein auf dem anderen lassen.Dazu kommt ein Autor, der auf Biegen und Brechen seine Intention durchbringen will. Das ist Studentenfutter vom feinsten(sorry, Kirsten).
    Denoch kann ich die Arbeit nur weiterempfehlen,da sie meinen Einzug in die Kollegstufe sichern wird . In diesem Sinne: Danke. Oder, wenn ich die von mir heißgeliebte Bibel zitieren darf:"Du bist Herrscher über alles, in deiner Hand stehen Kraft und Macht. In deiner Hand steht es, einen jeglichen groß und stark zu machen."(1. Buch der Chronik [AT])

  • Gast am 14.11.2001

    DANKE.

    dieser Text hat mir wirklich weiter geholfen besonders die Charakterisierungen kann ich in der Schule mega gut gebrauchen...DANKE

  • Gast am 10.11.2001

    Nicht Schlecht!.

    Echt nicht schlecht!Es könnte noch auf die einzelnen Kapitel näher eingegangen werden!Aber sonst sehr gut!

  • Gast am 31.10.2001

    Herr der Fliegen.

    Alles drin was benötigt wird, einfach spitze!

  • Gast am 18.7.2001

    Herr der Fliegen.

    ausführliche Interpretation mit hervorragenden Ansätzen, die von großer Kompetenz zeugen - was will man mehr!

Blick ins Buch
Titel: Über "Herr der Fliegen" von William Golding



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden