Geschichte der Vereinigung von SPD und KPD in der SBZ - Von den Moskauer Planungen bis zum Vereinigungsparteitag 1946


Hausarbeit, 2001

15 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Planungen der Exil-KPD in Moskau

3. Planungen der Exil-SPD in London

4. Entwicklung der KPD in der SBZ

5. Entwicklung der SPD in der SBZ

6. Entwicklungen seit Intensivierung der Einigungsbestrebungen

7. Die Haltung der West-SPD

8. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Vereinigung der KPD und der SPD in der SBZ im Jahre 1946 war ein alle politischen Lager bewegendes Thema und ist dies zum Teil bis heute. In unterschiedlichen Phasen der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland waren verschieden Gruppen am Vollzug oder Nichtvollzug interessiert. Die Motivationen dafür und die Methoden, dieses Ziel zu erreichen haben sich ebenso gravierend unterschieden.

Ich möchte auf den folgenden Seiten einen kurzen Überblick darüber geben, welche der involvierten Gruppen zu welchem Zeitpunkt das Ziel der Einheit der Arbeiterklasse verfolgten. Viele der angeschnittenen Ereignisse fordern für ein umfassendes Bild geradezu zu einer detaillierteren Betrachtung heraus. Dies würde jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen.

2. Planungen der Exil-KPD

Das Zentrum des Exils der KPD lag aufgrund ihrer Bindung an die 1943 offiziell aufgelöste Komintern in Moskau. Zunächst wurden die deutschen Kommunisten mit der Gründung und Betreuung des Nationalkomitees Freies Deutschland betraut, das u. a. die Umerziehung von deutschen Kriegsgefangenen, Agitation innerhalb der Wehrmacht zur Aufgabe hatte. Nachdem der Sieg über das nationalsozialistische Deutschland absehbarer wurde, bildete das Exil-Politbüro der KPD in Moskau am 6. Februar 1944 eine 20köpfige Arbeitskommission, die sich damit beschäftigte, Richtlinien für die Aufgaben in Deutschland nach dem Sieg über Hitler zu erarbeiten. Einen Monat später, im März 1944, wurde, (man ging von einem längeren Verbot von Parteien aus)1, die Gründung eines Blocks der kämpferischen Demokratie, einer „breiten antifaschistisch- demokratischen Massenorganisation”2, „sobald deutsche Organisationen zugelassen würden”3, beschlossen; die Gründung einer früher von der KPD-Exilführung geforderten Sozialistischen Einheitspartei wurde ad acta gelegt, vielmehr sollte die KPD zu einem späteren Zeitpunkt als Massenpartei wiederbegründet werden.

Detailliertere Planungen zur Zukunft der KPD stellte Walter Ulbricht am 15. Februar 1945 in seinem Entwurf zu Anweisungen für die Anfangsmaßnahmen zum Aufbau der Parteiorganisation vor. Demnach war es für künftige Mitglieder vor allem wichtig, sich „standhaft gegenüber dem Nazismus verhalten” zu haben. Nicht aufgenommen werden sollten ehemalige Sozialdemokraten, die nicht mit der Sozialdemokratie gebrochen und KPD-Mitglieder, die „parteifeindlichen Gruppierungen” angehört haben, so z. B. Trotzkisten4. Eine sozialistische

Einheitspartei oder eine Kooperation mit Sozialdemokraten fand keine Erwähnung.5

Ende Februar 1945 begann die Schulung von etwa 150 deutschen kommunistischen Emigranten „über die zukünftigen politischen Arbeiten in Deutschland.”6 Eine entscheidende Aussage im Kurs lautete, daß es nicht Aufgabe sein kann, „den Sozialismus zu verwirklichen oder eine sozialistische Entwicklung einzuleiten; dies muß als schädliche Tendenz verurteilt werden; es geht um die Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848, und man muß sich allen übereilten sozialistischen Losungen widersetzen.”7 Die kommunistischen Emigranten sollten sich vordringlich um den Aufbau von Selbstverwaltungsorganen auf dem Gebiet der künftigen SBZ und die Unterstützung des sowjetischen Militärs bei Besatzungsaufgaben und Entnazifizierung kümmern; die Wiedergründung der KPD stand zunächst nicht an. Dies wurde in den Richtlinien vom 5. April 1945 (Richtlinien des Politbüros des ZK der KPD für die Arbeit der deutschen Antifaschisten in den von der Roten Armee besetzten deutschen Gebieten) festgeschrieben, von denen aber anscheinend zu dieser Zeit nur ein sehr kleiner Kreis erfahren hat.8

Ende April 1945 wurden drei aus jeweils etwa einem Dutzend Mitgliedern bestehenden Initiativgruppen 9 gebildet, die zwischen 30. April und 6. Mai ihre Reise in den sowjetisch besetzten Teil Deutschlands antraten und die oben erwähnten Aufgaben wahrzunehmen hatten. Sie sorgten aus Furcht vor unkontrollierter Tätigkeit10 für die Auflösung der Antifa-Komitees, die sich in Deutschland spontan gebildet und erfolgreich lokale Verwaltungen übernommen hatten, und für einen Verwaltungsaufbau nach den Maßgaben der Direktiven. Beispielhaft ist dafür Berlin, wo in nur zwei Arbeiterbezirken kommunistische, in den restlichen Arbeiterbezirken sozialdemokratische und in bürgerlichen Vierteln bürgerliche Bürgermeister eingesetzt wurden. Mindestens die Hälfte aller Funktionen sollte mit Nichtkommunisten, Schlüsselpositionen allerdings mit Kommunisten besetzt werden. In diesem Zusammenhang bekannt ist Ulbrichts Ausspruch: “Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.”11

3. Planungen der Exil-SPD

Der SPD-Vorstand hatte im April 1933 einige Mitglieder, u. a. die beiden Vorsitzenden Otto Wels und Hans Vogel sowie das Vorstandsmitglied Erich Ollenhauer ins Ausland geschickt.

Zunächst hatte der Exilvorstand seinen Sitz in Frankreich, um dann über Spanien und Portugal nach London zu fliehen. 1939 starb Wels, woraufhin Vogel und Ollenhauer für sich in Anspruch nahmen, den SPD-Vorstand weiterzuführen.

Im März 1941 wurde die Union deutscher sozialistischer Organisationen in Großbritannien mit dem Vorsitzenden Vogel gegründet, die die wesentlichen sozialistischen Gruppierungen im Exil vereinigte.

Ollenhauer sagte am 6. Dezember 1942 in einem Referat über die Grundgedanken der Union: „Der geschichtliche Prozeß, der zur Bildung der neuen Partei führen wird, wird sich in Deutschland vollziehen. Man kann daher über die Bildung der neuen sozialistischen Partei nicht durch einen organisatorischen Beschluß in der Emigration entscheiden.”12 Weiter hieß es in Ablehnung einer organisatorischen Vereinigung mit der KPD: „Viele [...] Kommunisten werden einem konstruktiven sozialistischen Programm der neuen sozialistischen Partei aus innerster Überzeugung zustimmen, und eine aktive Politik der neuen Partei kann viele Ursachen für die Existenz einer selbständigen Arbeiterpartei links von den Sozialisten aufheben. Eine solche Entwicklung zur Einheit soll die neue Partei bewußt und freudig fördern.”13 Ollenhauer warnte auch: „Die KPD hat heute die rein kommunistische Propaganda zugunsten einer demokratischen und allgemein antifaschistischen zurückgestellt, aber diese Änderung ist bis jetzt nur eine rein taktische, denn am inneren Aufbau der KPD und der Komintern hat sich nichts geändert”14 Dies zielte darauf ab, daß die KPD weiterhin innerparteilich keine demokratische Struktur hatte und die Entscheidungen letztlich von der sowjetischen Diktatur bestimmt waren.

In den folgenden drei Jahren entwickelte die Londoner Exil-Sozialdemokratie Richtlinien für sieben Einzelgebiete der Parteiarbeit nach Beendigung der nationalsozialistischen Diktatur. Der Londoner Vorstand sprach sich explizit gegen eine Vereinigung von Kommunisten und Sozialdemokraten aus, womit er in diesem Punkt mit Kurt Schumacher übereinstimmte, der 1945 von Hannover aus die SPD der Westzonen aufbaute. An dieser Einstellung sollte sich auch weiterhin nichts ändern. Der alte Parteivorstand fühlte sich „an sein Mandat der Treuhänderschaft gegenüber der Gesamtpartei verbunden”15 und gab noch im September 1945 einen Brief heraus, der die Haltung weiter bekräftigte: „Anregungen der Kommunisten zur Bildung einer Einheitspartei oder zu örtlichen oder bezirklichen Verhandlungen über die Bildung einer Einheitspartei sind abzulehnen”16

4. Entwicklung der KPD in der SBZ

Die KPD gründete sich am 11. Juni 1945 als erste Partei in der SBZ wieder. Vorausgegangen war eine Reise nach Moskau, die die Leiter der drei Initiativgruppen, Ackermann, Sobottka und Ulbricht, am 4. Juni antraten. Dort empfing sie Wilhelm Pieck, sie erhielten Instruktionen für die weitere Vorgehensweise und es wurde ein Parteiprogramm für die KPD erarbeitet.17 Am Tage der Rückkehr der Gruppe, dem 10. Juni 1945, veröffentlichte die wenige Tage zuvor gebildete SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) den Befehl Nr. 2, der die Bildung von antifaschistischen Parteien und freien Gewerkschaften genehmigte.

Vorrangiges Ziel war die Neugründung und der schnelle Aufbau der KPD, allerdings sollten auch Bestrebungen der SPD, sich neu zu gründen, gefördert werden. Weiterhin war auch die Bildung einheitlicher Gewerkschaften sowie die Gründung zweier bürgerlicher Parteien vorgesehen. Zunächst sollte mit den Sozialdemokraten eine Aktionseinheit eingegangen werden, um zu einem späteren Zeitpunkt alle vier Parteien in einen antifaschistisch-demokratischen Block zu integrieren.18 Das Parteiprogramm, das die KPD mit ihrem Gründungsaufruf veröffentlichte, entsprach den Exilplanungen im Ansatz, „die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde zu Ende zu führen”19. In seinen Forderungen unterschied sich das Programm nicht wesentlich „von dem irgendeiner anderen beliebigen demokratischen Partei”, wie ein KPD-Mitglied monierte20, in ihm bekannte sich die KPD zu Demokratie und Privateigentum.

Die KPD lehnte zu dieser Zeit eine schnelle Vereinigung von Sozialdemokratie und Kommunisten mit der Begründung ab, es ginge zunächst nicht nur um die Vertiefung der Aktionsgemeinschaft sondern auch um „gemeinsame Beratungen zur Klärung ideologischer Fragen”21

Bestrebungen zur Gründung der Einheitspartei gingen von der KPD erst im Herbst 1945 aus, als die SPD sich zur stärksten Partei entwickelte.

5. Entwicklung der SPD in der SBZ

Die Sozialdemokratische Partei wurde als zweite Partei in der SBZ am 15. Juni 1945 durch einen Aufruf des Zentralausschusses (ZA) gegründet. Die Parole „Demokratie in Staat und Gemeinde, Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft!”22 bringt die Programmatik des Aufrufs auf den Punkt. Die neue SPD wollte „den Kampf um die Neugestaltung auf dem Boden der organisatorischen Einheit der Arbeiterklasse führen”23, strebte also die Vereinigung mit der KPD an. In dieser Frage konnte man sich auf das Manifest vom 28. 1. 1934 berufen, das der Exilvorstand der SPD in Prag verfaßt hatte und in dem es hieß: „Die Einigung der Arbeiterklasse wird zum Zwang, den die Geschichte selbst auferlegt.”24 Nach der Auflösung der Komintern im Jahre 1943 und der daraus offiziell resultierenden Unabhängigkeit der nationalen KPs von der Sowjetunion schien dagegen auch nichts mehr zu sprechen.

Die Mitglieder des von Max Fechner, Erich W. Gniffke und Otto Grotewohl geführten ZA konnten sich allerdings auf kein Mandat und keinen Auftrag der alten Partei berufen25, gleichwohl hatten sie den Anspruch auf die Führung der Partei „im Reichsmaßstab”26. Ein großes Problem dieser neugegründeten SPD stellte die Kommunikation mit den Ortsvereinen und Kreisorganisationen dar. Häufig wußte man überhaupt nicht voneinander27 Der Kontakt verbesserte sich erst im Sommer des Jahres.

Im Zuge der Einheitsbestrebungen der Sozialdemokraten bildeten sich in den regionalen und lokalen Gliederungen ab dem Sommer 1945 Arbeits- oder Einheitsausschüsse mit der KPD28, die allerdings selten von harmonischer Zusammenarbeit geprägt waren.29

Die Einheitseuphorie der SPD hatte sich im Herbst bereits deutlich gelegt. Die Bevorzugung der KPD durch die Besatzungsmacht war nicht zu übersehen und sorgte für Mißmut. Nicht nur, daß die materiellen Möglichkeiten der Kommunisten beträchtlich größer waren (so hatten z. B. die KPD- Zeitungen eine Auflage von insgesamt 4. Mio. während jene der SPD auf eine Gesamtauflage von nur 1 Mio. Exemplaren kamen), auch wurden KPD-Mitglieder bei der Besetzung von Verwaltungsstellen bevorzugt und die Partei verfügte insgesamt über einen größeren Personalapparat.30

Bitter waren die Eingriffe der SMAD in die Parteiarbeit der Sozialdemokraten, Einheitsgegner wurden massiv eingeschüchtert, schon im Herbst häuften sich Verhaftungen von SPD-Mitgliedern. Die Parteiführung konnte auch nicht unzensiert mit den Mitgliedern kommunizieren, beispielsweise kürzte die SMAD eine Rede von Grotewohl, in der er sich verklausuliert gegen Einheit aussprach31 so geschickt, daß das Gegenteil im Zeitungsbericht stand.

Aufgrund dieser Entwicklung verlor das Ziel einer Vereinigung für die Sozialdemokratie bis zum Herbst 1945 erheblich an Attraktivität. So war eine typische Klage aus der Zeit, daß „die richtige Zusammenarbeit mit der KPD noch nicht gefunden worden” sei.32 Auf einer Sitzung des Gesamtvorstandes der Thüringer SPD konstatierte Heinrich Hoffmann am 26. 10. 1945: „Die KPD hat also praktisch alle Machtpositionen im Lande in der Hand.” Seine Schlußfolgerung, die allerdings nicht von allen geteilt wurde, war: “Kurz und gut, Genossen, ich bin der Auffassung, daß wir unser Verhalten gegenüber der KPD so einstellen sollen, daß wir sie als eine Bruderpartei betrachten, mit der es keinen Machtkampf gibt, sondern mit der es eine Bündnispolitik zu betreiben gilt.”33 Neben diesen schlechten Erfahrungen mit der KPD sorgte auch ein gestiegenes Selbstbewußtsein für ein abnehmendes Interesse an einer Vereinigung mit den Kommunisten. Beispielhaft für diese Haltung ist Grotewohls Rede vom 14. 9. 1945 in der Neuen Welt, in der es hieß: „Wenn heute ein neuer Staat in Deutschland aufzubauen ist, so ist die deutsche Arbeiterklasse und in ihr die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zuerst dazu berufen, diesen neuen Staat zu errichten.”34 Auf einer nichtöffentlichen Funktionärskonferenz in Leipzig wurde Marschall Shukow von Grotewohl mit den Worten: „Ich weiß genau, daß ich mich [...] in erster Linie nicht auf die kommunistische Partei stützen kann, sondern [...] daß sie die Massen hinter sich haben.“35 zitiert.

6. Entwicklungen seit Intensivierung der Einigungsbestrebungen

Im Herbst 1945 sollte sich die Haltung der KPD zur Vereinigung ändern. Anstelle der anfänglichen Zurückhaltung bei diesem Thema wurde nun eine Position eingenommen, die binnen eines halben Jahres zur Vereinigung der beiden Parteien führte. Dies hing stark damit zusammen, daß der SPD in der Bevölkerung wesentlich mehr Sympathie entgegengebracht wurde als der KPD, die mit der ungeliebten sowjetischen Besatzungsmacht in Verbindung gebracht und als ihr Erfüllungsgehilfe gesehen wurde. Dementsprechend entwickelte sich die SPD trotz geringerer materieller Möglichkeiten schneller. Im europäischen Kontext sind die Niederlagen kommunistischer Parteien bei Wahlen in Ungarn und Österreich im November und Dezember 1945 als Motivation für den Kurswechsel zu nennen.

Ende Oktober 1945 machte die KPD der SPD den Vorschlag einer gemeinsamen Revolutions- feier (es sollten die Russische Revolution von 1917 und die deutsche Revolution von 1918 gefeiert werden). Die einer schnellen Vereinigung abgeneigte SPD lehnte diesen Vorschlag ab und so fand am 9. November die KPD-Veranstaltung, auf der Wilhelm Pieck erklärte, die beiden Parteien werden bei den nächsten Wahlen mit einer gemeinsamen Kandidatenliste und identischen Wahlprogrammen antreten, und die SPD-Veranstaltung, auf der sich Otto Grotewohl für eine Vereinigung, allerdings nur im Reichsmaßstab, d. h. in allen vier Besatzungszonen, aussprach, am 11. November statt. Dieses formale Bekenntnis zur Einheit bei gleichzeitiger Absage gemeinsamer Kandidatenlisten war der Versuch der Ost-SPD, die wohl nicht mehr abwendbare Vereinigung mit der KPD herauszuzögern.

Seitens der SPD gab es weitere Bestrebungen, das eigene Gewicht zu erhöhen. Dies zeigte sich zum Beispiel an der Bildung von Betriebsgruppen zusätzlich zu den traditionellen Ortsgruppen der SPD, die ab November 1945 erfolgte. Damit sollte die Macht der KPD in den Betrieben eingeschränkt werden.

Die SMAD erschwerte der SPD zusätzlich zur bereits vorhandenen Ungleichbehandlung ge- genüber der KPD die Partei- und Mitgliederarbeit durch weitere Auflagen bei der Genehmigung von Versammlungen. Durch eine Taktik von Zuckerbrot und Peitsche gelang es der SMAD zunehmend, die SPD in sich auseinanderzudividieren. Einzelne Vergünstigungen, Festnahmen, Drohungen, Gespräche unter vier Augen zwischen SPD-Führern und SMAD-Offizieren bildeten das Instrumentarium des Drucks von oben und unten. Der eine erhielt ein Auto, der andere wurde festgenommen.

Bei der sogenannten 60er Konferenz, einer gemeinsamen Tagung von ZA und ZK am 20. 12. 45 waren die Würfel endgültig gefallen. Es wurde eine auf dem KPD-Entwurf basierende Entschließung verabschiedet, die die gemeinsamen Grundlagen der Einheitspartei fixierte.

Die SPD konnte nur noch marginale Zugeständnisse aushandeln, beispielsweise der Verzicht auf eine Vereinigung von Orts-, Kreis- und Landesverbänden vor einer Gesamtparteilichen. Dennoch versuchte der ZA mit dem Wunsch nach einer Vereinigung „im Reichsmaßstab“, diese hinauszuzögern. Tjulpanow berichtete im Februar 1946, daß „ein zäher Kampf mit den Feinden der Einheit in der gesamten Besatzungszone“36 begann. Die SMAD setzte alle Hebel in Bewegung, um die SPD auf Einheitskurs zu bringen, man „schreckte auch nicht vor Drohungen und Verhaftungen zurück“37, wie die Magdeburger Bezirksleitung der SPD dem ZA am 1. Februar berichtete. Dies war die Methode des Drucks von unten, die untere und mittlere Ebene der Partei wurde eingeschüchtert, um die gewünschte Entscheidung herbeizuführen. Die Tagung des ZA mit den Landesvorsitzenden vom 10./11. Februar 1946 besiegelte das Schicksal. Dort traten Heinrich Hoffmann (Thüringen), Bruno Böttcher (Sachsen-Anhalt) und Otto Buchwitz (Sachsen), die vorher von der KPD durch Drohungen und Vergünstigungen willfährig gemacht worden sind, unter der Drohung, die Vereinigung mit der KPD auf Länderebene zu vollziehen, für einen sofortigen Vollzug ein. Dadurch wurde die Entscheidung herbeigeführt, diese durch einen Zonenparteitag, und nicht, wie vorher erhofft, durch Urabstimmung oder einen Interzonenparteitag, zu beschließen. Auf einer Funktionärsversammlung der Berliner SPD, die am 1. März im Französischen Sektor Berlins stattfand, wurde der Beschluß gefaßt, unter den SPD Mitgliedern in der SBZ mit Gesamt- Berlin eine Urabstimmung über die Frage der Vereinigung mit der KPD durchzuführen, die am 31. März, allerdings nur in den drei Westsektoren Berlins, stattfand. Die Durchführung in der SBZ hatte die SMAD wohlweislich verboten, denn in West-Berlin sprachen sich 82,2% gegen eine sofortige Vereinigung mit der KPD, in einer zweiten Frage allerdings auch 62,1% für ein Bündnis der beiden Parteien aus.

Dies änderte in der SBZ nichts mehr, die parallel stattfindenen letzten Parteitage der SPD und der KPD in der SBZ am 19. und 20. April sprachen sich für die Einheitspartei aus, die sich auf ihrem Gründungsparteitag am 21. und 22. April konstituierte.

7. Die Haltung der West-SPD

Die Parteizulassung in den Westzonen gestaltete sich wesentlich zäher und langwieriger und begann erst im August 1945. Zentrum der Sozialdemokratie war dort das Büro Dr. Schumacher in Hannover, welches die inoffizielle Parteizentrale darstellte. Die Kommunikation mit den einzelnen Ortsvereinen gestaltete sich sehr schwierig.

Das erste sozialdemokratische Nachkriegsdokument war die Rede Schumachers am 6. 5. 45 in Hannover, in der er sich in Übereinstimmung mit den Londoner Exilsozialdemokraten gegen die Einheitspartei aussprach: „Die Trennungslinie ist dadurch gezogen, daß die Kommunisten fest an eine e i n z i g e der großen Siegermächte und damit an Rußland als Staat und seine außenpolitischen Ziele gebunden sind. Wir demokratischen Sozialisten [...] können und wollen nicht das autokratisch gehandhabte Instrument eines fremden imperialen Interesses sein.“38

In den Ende August verbreiteten Politische Richtlinien für die SPD im Verhältnis zu denanderen politischen Faktoren sprach er sich zwar für „die praktische Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei in allen sozialen Fragen und in allen Dingen der Austilgung des Faschismus“39 aus, lehnte eine Vereinigung aber weiterhin ab.

Diese Linie sollte sich nicht ändern, er wirkte auch aktiv gegen alle Tendenzen in Richtung Vereinigung. Das Verhältnis zum Berliner ZA blieb stets kühl und distanziert. Bei der vom 5. bis zum 7. Oktober 1945 in Wennigsen bei Hannover stattfindenden Konferenz für die westlichen Besatzungszonen, zu der aus der SBZ nur der Berliner Zentralausschuß der SPD eingeladen wurde, gelang es Schumacher, daß in der entstandenen Entschließung der Führungsanspruch des ZA mit dem Satz „Bis zur Verwirklichung der Reichseinheit und damit der Parteieinheit wird der Zentralausschuß in Berlin als die Führung der Sozialdemokratischen Partei in der östlichen Besatzungszone angesehen. Der politische Beauftragte der drei westlichen Besatzungszonen ist der Genosse Dr. Schumacher - Hannover.“40 abgewiesen wurde.

Bei einem letzten Treffen von Grotewohl und Schumacher vor der Vereinigung, das am 8. Februar 1946 in Braunschweig stattfand, bekräftigte Schumacher seine Ablehnung eines reichseinheitlichen Parteitags, der über die Einheit entscheiden sollte. Die von Schumacher intendierte Auflösung der SPD in der SBZ als moralischer Akt konnte Grotewohl nicht überzeugen, da der ZA faktisch sowieso keine Kontrolle mehr über die Parteigliederungen hatte.41

8. Resümee

Sicher gab es bereits unmittelbar nach der Vereinigung Ahnungen, wohin der Weg führen würde, vor allem bei jenen, die bereits Konflikte mit der SMAD gehabt haben. Jedoch war ein Jahr nach Kriegsende die Verfestigung des Ost-West-Gegensatzes und die Stalinisierung der entstandenen SED 1948 nur eine der Möglichkeiten, wie sich die Zukunft entwickeln konnte. Wie sich noch 1953 zeigen sollte, war die Macht nicht gefestigt.

Ob eine realistischere Einschätzung der Ost-SPD in Bezug auf die eigenen Möglichkeiten der Machtentfaltung im Herbst 1945 oder eine solidarischere Haltung Schumachers die seitens der SPD ungewollte Vereinigung verhindert hätte, läßt sich heute nicht mehr klären.

Wünschenswert wäre eine genauere Erforschung der tragischen Rolle Otto Grotewohls im Vereinigungsprozeß.

Literaturverzeichnis

Friedrich-Ebert-Stiftung, Einheit oder Freiheit? - Zum 40. Jahrestag der Gründung der SED, Bonn (o. J.)

Judt, Matthias (Hg.), DDR-Geschichte in Dokumenten, Bonn 1998

Kaden, Albrecht, Einheit oder Freiheit. Die Wiedergründung der SPD 1945/46, Hannover 1965 Leonhard, Wolfgang, Die Revolution entläßt ihre Kinder, Köln 1990

Malycha, Andreas, Auf dem Weg zur SED - Die Sozialdemokratie und die Bildung einer Einheitspartei in den Ländern der SBZ; eine Quellenedition, Bonn 1996

Naimark, Norman, Die Russen in Deutschland - Die Sowjetische Besatzungszone 1945-1949, Berlin 1999

Spittman, Ilse und Gisela Helwig, DDR-Lesebuch - Von der SBZ zur DDR, Köln 1989

Ich erkläre, die Hausarbeit ohne fremde Hilfe angefertigt zu haben.

[...]


1 vgl. Leonhard, S. 400: „Auf den Sieg würde voraussichtlich eine lange Periode der Besetzung folgen. Es könnte unter Umständen sogar Jahre dauern, bis politische Parteien wieder zugelassen werden.”

2 ebd., S. 402

3 ebd., S. 402

4 vgl. Einheit oder Freiheit?, S. 11

5 vgl. Einheit oder Freiheit?, S. 11

6 ebd.

7 ebd., S. 12

8 vgl. ebd., S. 12f

9 die Gruppen „Ulbricht”, „Ackermann” und „Sobottka”

10 vgl. Einheit oder Freiheit?, S. 17

11 Leonhard, S. 440

12 Kaden, S. 89

13 Kaden, S. 90

14 Kaden, S. 90f

15 Erklärung des Parteivorstandes vom 11. Juli 1945, in: „Sozialistische Mitteilungen“, Heft 75/76, Juni-Juli 1945, zitiert nach: Kaden, S. 101f

16 „Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, London, Anfang September 1945, An die Mitglieder und Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei“ (PVA - Akte Büro Dr. Schumacher, Zentrale Rundschreiben, Blatt 112-113), zitiert nach: ebd., S. 106

17 vgl. Einheit oder Freiheit? S. 18, Leonhard bezieht sich hier wiederum auf Günter Benser (“Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945, Berlin 1980, S. 16)

18 vgl. ebd. S. 18f

19 Gründungsaufruf der KPD vom 11. Juni 1945, zitiert nach: DDR-Lesebuch, S. 93

20 Einheit oder Freiheit?, S. 20

21 Rede Ulbrichts am 25. 6. 1945 auf der 1. Funktionärskonferenz der KPD in Groß-Berlin, zitiert nach: Ulbricht, W., Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1953, zitiert nach: Einheit oder Freiheit?, S. 137

22 Aufruf vom 15. Juni 1945, zitiert nach: Kaden, S. 26

23 ebd., S. 27

24 Kaden, S. 35

25 vgl. Kaden, S. 28

26 vgl. Kaden, S. 40

27 vgl. Kaden, S. 33

28 Malycha, S. XXIX

29 Malycha, S. XXX

30 Einheit oder Freiheit?, S. 24f

31 am 14. 9. 1945 auf der SPD-Kundgebung in der „Neuen Welt” in der Hasenheide

32 Carl Moltmann auf einer Sitzung des Landesvorstandes Mecklenburg -Vorpommern der SPD am 7. 10. 1945, zitiert nach: Malycha, S. LXIV

33 zitiert nach: ebd., S. LXV

34 zitiert nach: ebd., S. LXVII

35 „Stenographisches Protokoll vom ersten Bezirkstag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Bezirk Leipzig, am Sonntag, dem 26. August 1945, im Rathaus. Masch.schriftl. (PVA)“, zitiert nach: Kaden, S. 83

36 Tjulpanow, S., O poloschenii s objedinenijem dwuch rabotschich partii. KPG i SDPG w gor. Berline, 25. 2. 1946, RZChIDNI, f. 17, op. 128, d. 931, 1. 213, zitiert nach: Naimark, S. 327

37 Moraw, Die Parole der „Einheit“, S. 147, zitiert nach: Naimark, S. 328

38 Kaden, S. 19

39 Politische Richtlinien für die SPD in ihrem Verhältnis zu den anderen politischen Faktoren, Hannover 1945, S. 24, zitiert nach: Kaden, S.80

40 „An die Bezirksvorstände der SPD in den drei westlichen Besatzungszonen“, undatierter masch.schr. Entwurf eines Rundschreibens, zitiert nach: Kaden, S. 149

41 vgl. Kaden, S. 133

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Geschichte der Vereinigung von SPD und KPD in der SBZ - Von den Moskauer Planungen bis zum Vereinigungsparteitag 1946
Hochschule
Universität Potsdam
Note
2+
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V100344
ISBN (eBook)
9783638987721
Dateigröße
359 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Vereinigung, Moskauer, Planungen, Vereinigungsparteitag
Arbeit zitieren
Nicolas Sustr (Autor:in), 2001, Geschichte der Vereinigung von SPD und KPD in der SBZ - Von den Moskauer Planungen bis zum Vereinigungsparteitag 1946, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100344

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