Kunstkritik - Versucher einer Verortung


Seminararbeit, 2001

23 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wurzeln der Kunstkritik - ein kurzer Überblick

3. Kunstkritik im 19. Und 20. Jahrhundert
3.1 19. Jahrhundert
3.2. 20. Jahrhundert

4. Kunstkritik heute
4.1 Bestandsaufnahme
4.2. Kunstkritik - Literaturkritik
4.3 Kunstkritik - Stiefkind der Kunstwissenschaft
4.4 Versuch einer Definition
4.5 Subjektivität
4.6 Ein Lob auf die Kunstkritik
4.7 Zwei Idealtypen der Kunstkritik

5. Der Weg zum Kunstkritiker
5. 1 Einblick
5.2 Ausblick

6. Abschluß

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Kunstkritik hat als Thema in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Raum wieder an Bedeutung gewonnen. Symposien über Fragen der Kunstkritik, Preisverleihungen an bekannte Kritiker und Artikelserien in renommierten Kunstzeitschriften, in denen über den Beruf des Kritikers nachgedacht wird, sind Symptome einer Verschiebung der Kritik vom Rand hin zum Zentrum, wo sie als Katalysator und Sammelpunkt von Praxis und Theorie einen neuen Platz erhält.

In denselben Zusammenhang gehört die vielerorts sichtbare neue Art der Ausstellungs-gestaltung, welche die Reflexion über Kunst in die Präsentation mizeinbezieht, ja zum Thema macht. Immer häufiger spricht man vom „Kritiker-Kurator“ als einem Beruf, der das Ausstellen und Beschreiben von Kunst verbindet. Dieser neue Beruf, den es vor achtzig Jahren noch nicht gegeben hat, ist nicht nur eine Folge der schlechten Bezahlung der Kritiker einerseits und der gewachsenen Nachfrage nach Ausstellungsorganisatoren andererseits, sondern er zeugt auch von der zunehmenden Bedeutung desjenigen, der Kunst ohne direkte kommerzielle Interessen interpretiert, betreut und vermittelt. Ohne daß bisher eine größere Öffentlichkeit davon Notiz nimmt, wird diese Bewegung im Kunstbetrieb von einem kleinen Kreis von Künstlern, Galeristen, Kritikern und Ausstellungsmachern getragen.

In jüngster Zeit sind nun für einige Projekte, vom Pariser Louvre bis zu kleineren Ausstellungszentren, etwa in Hamburg, Luzern oder Berlin, Theoretiker und Kritiker eingeladen worden, ihre künstlerische Sichtwiese und sogar ihre eigenen Texte zu präsentieren. Unter „Kritiker“ und „Kritiker-Kurator“ wird in diesem Zusammenhang somit weniger der journalistische Tageskritiker, der vor allem schlichte Informationen wiedergibt, sondern der spezialisierte und engagierte Kritiker verstanden, der sich eingehender mit den Künstlern und deren Arbeiten beschäftigt. Nicht etwa einer, der sich nur negativ äußert, wie der deutsche Sprachgebrauch suggeriert, sondern einer, der wie der englische „art critic“, der französische „critique d’art“ oder der italienische „critico d’arte“ um eine Standort und eine Begriffsbestimmung ringt, Kunstwerke umfassend zu behandeln sucht und ihren Platz in der Geschichte der Kunst festzustellen bemüht ist.

In dieser Arbeit soll es also um Kunstkritik als eine mögliche Form der Kunstvermittlung gehen, wobei ich im Verlauf eher auf die Kunstkritik eingehen werde, um dann im abschließenden Teil die Verbindung zur Kunstvermittlung herzustellen.

2. Wurzeln der Kunstkritik - ein kurzer Überblick

Die Kunstkritik ist eine wissenschaftliche, zwischen Kunstwerk und Rezipient vermittelnde, das Kunstwerk analysierende, beurteilende Disziplin. Oft ist sie für die gesellschaftliche Anerkennung oder auch Ablehnung eines Künstlers, Kunstwerks, künstlerischen Stils verantwortlich; sie wirkt über den Kunstmarkt und die Medien auch auf den Künstler ein. Bereits in der Antike existierten Ansätze einer Kunstkritik, so zum Beispiel bei Polyklet oder Pasiteles als Teil einer allgemeinen kunstkritischen Reflexion oder als Ausdruck enthusiastischen Kunstkennertums (Philostrat, Kallikrates).

In der italienischen Renaissance bildete sich eine wissenschaftliche Kunsttheorie mit Rückblick auf das antike, humanistische Vorbild heraus, wie zum Beispiel in Leonardos Buch über die Malerei. Sie wurde zur Grundlage für eine Kunstkritik, die den Wettstreit der Künste (sogenannte Paragone) förderte.

Die moderne Kunstkritik entstand in der 2. Hälfte des 18. Jh. in Frankreich, insbesondere durch die kritischen Ausstellungsberichte ("Salons") von Denis Diderot 1759-81. Jetzt war die Kunstkritik in die gedruckten Medien eingezogen und wurde zum Mittler zwischen Publikum und Kunst.

In Deutschland wurde die Kunstkritik des 18. Jh.’s von den kunsttheoretischen Arbeiten J.J. Winckelmanns und (in Verbindung zur Literatur) auch von Goethe stark geprägt. In der Romantik wurden dann Kunsttheorie und -geschichte als Grundlage der Kunstkritik genommen (W. Schlegel). Erste bedeutende Kunstkritiken in Deutschland waren aber die französischen Salonberichte von H. Heine (1831) und E. Koloff (1834-40). Die Verbindung von Kunstkritik und autonomer Kunstgeschichte trat im 19. Jh. weiter in den Vordergrund, gefördert durch die Herausgabe zahlreicher Fachmedien.

Im 20. Jh. zieht die Kunstkritik in die Feuilletons der Massenpresse und später auch der elektronischen Medien ein und vervielfältigt damit ihre prägende und wertende Wirkung.

3. Kunstkritik im 19. Und 20. Jahrhundert

3.1 19. Jahrhundert

Im Zeitalter der Aufklärung bis zum Ende des 18. Jahrhundert hat sich Kunstkritik, die bis dahin ohne Bezug zum zeitgenössischen Kunstgeschehen Bestandteil der Biographie von Künstlern oder theoretischer Abhandlungen war, zur eigenständigen Gattung entwickelt.[1] Im Bereich ihrer praktischen Anwendung unterliegt Kunstkritik zeitgenössischen medialen Bedingungen. Im Gegensatz zur Theorie ist die zeitgenössische Kunstkritik nicht auf einen Gegenstandsbereich, das isolierte Bild, das sie betrachtet und wertet, reduziert. Dem publizistischen Anlaß, der Ausstellung, entsprechend ist sie auf eine Mehrzahl von Kunstwerken erweitert. Von den Anfängen publizistischer Kunstkritik bis zur zeitgenössischen Kritik ist die Ausstellung das aktuelle Thema der Kritik.

Journale sind ein Ort für die Publikation von Kritik über Kunstwerke im 19. Jahrhundert. Bereiche dieser Kritik sind die schönen und die bildenden Künste. Währen der Jahrhundertwende werden die Bezeichnungen Kritik und Critik für Artikel zur Berichterstattung zu Kunstausstellungen in Deutschland genutzt. Diese Kunstkritiken, die seit Beginn der Aufklärung von Kulturjournalen und Kunstzeitschriften gedruckt werden, wenden sich an eine anonyme Leserschaft. Ihr Werturteil zu den ausgestellten Gemälden wird zunächst in enger Anlehnung an die kunsttheoretischen Lehren der Mitglieder der Akademien der bildenden Künste übermittelt. Begriffe für Formen und Elemente einer Betrachtung und Unterscheidung zwischen Bild und Abbild sind in der Sprache zur bildenden Kunst vorhanden.

Verglichen mit der Kritik über Literatur und Theater wird die Kunstkritik relativ spät ein Bestandteil des Feuilletons in Journalen. Eine Gliederung in Kunstkritik zur Architektur, Malerei und Plastik liegt erst im 19. Jahrhundert vor. Architektur, die bis Mitte des 19. Jahrhundert als Thema feuilletonistischer Kritik nur vereinzelt anzutreffen ist, wird zum regelmäßigen publizistischen Gegenstand des Feuilletons in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Das Werk „Litteratur der Schönen Künste seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis auf die neueste Zeit“ von Johann Samuel Ersch ist mit dem Hinweis systematisch bearbeitet und mit den nöthigen Registern versehen ein Vorläufer der neuen, bis zum Jahr 1830 fortgesetzten Ausgabe von Johann Karl August Rese und Christian Anton Geissler, die in Leipzig im Jahre 1840 gedruckt wird. In dem Werk wird in die Schönen Künste, die plastischen Künste, Bildhauerei, Steinschneidekunst, Baukunst und Gartenkünste, die tonischen Künste, Redekünste, Dichtkunst, den mündlichen Vortrag, Musik, die mimischen Künste, die Mimik und Schauspielkunst unterschieden. Von Konrad Levezow wird in dem Werk „Über archäologische Kritik und Hermeneutik“, das im Jahre 1835 als eine der Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin erscheint, die Disciplin der Kritik und Hermeneutik beschrieben:

"Man hat diese Disciplin der Kritik und Hermeneutik vereinigt, deren sorgfältiges Studium vor allem denen nicht vernachlässigt werden darf, die sich Emendazion und Erklärung der alten Schriftsteller besonders beschäftigen."[2]

3.2. 20. Jahrhundert

Der Begriff Kunstkritik wird im 20. Jahrhundert für die bildenden Künste genutzt. Im 20. Jahrhundert liegt in der Praxis der Kunstkritik eine enge Verbindung von Erkennen des künstlerischen Gegenstands und dessen Wertung, Kunstbetrachtung und Kunstkritik im engerem Sinne vor. Der Begriff Kunstkritik gilt für Walter Benjamins als esoterischer Hauptbegriff der Romantischen Schule."[3] Benjamin spricht in seiner Dissertation „Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik“ im Jahre 1919 von der dem Kunstwerk angehörenden immanenten Kritik. Am 9. Mai des Jahres 1918 schreibt Benjamin an Ernst Schoen über seine Lektüre der Romantiker im Umkreis von Schlegel:

"Wissen Sie was mich jetzt in den kritischen Schriften dieser Leute wundernimmt? Es ist ihre große schöne Humanität. Sie haben die Schärfe der Rede, die sie gegen das Niedrige brauchen, aber sie verfügen über eine wunderbare Milde des Geistes angesichts unglücklicher Menschen. Dies scheint Goethe und Schiller in der Kritik nicht in dem Maße erreichbar gewesen zu sein. Dagegen sind A. W. Schlegels Rezension von Bürger und Schleiermachers von Garve wunderbar. Übrigens haben sich diese Leute in ihrer Kritik, wiederum ganz im Unterschied von Goethe fast immer Recht behalten und also gehabt."[4]

Hermann Broch beschreibt in dem Aufsatz „Ornamente“ aus dem Jahre 1911 den österreichischen Architekten der Moderne gegenüber Vertretern der Bevölkerung wie den Kritikern:

"Loos ist ein Architekt, der gegen die Philister arbeitet (welcher Künstler täte das nicht!), und doch ist es für seine Idee bezeichnend, daß sie die aktuelle Angelegenheit, ein Bruderzwist im Philisterium geworden ist. Man lese bloß die lieben Tagesblätter: Hie, Linksliberale, Sozialdemokraten, Aufklärung! Hie, wir Professoren, Akademiker, Tradition! Schneiderinnen, Professoren, Kritiker, der Kampf tobt.- Reinlich steht das Werk. - Das Problem Loos liegt in der Idee."[5]

Im Jahre 1927 erscheint in schriftlicher Form von Arthur Liebert die Abhandlung „Zur Kritik der Gegenwart“ nach dem Vortrag „Die geistige Krisis der Gegenwart“.[6] In den „Kritischen Berichten zur kunstgeschichtlichen Literatur“ wird Theodor Muspers Schrift „Antinomien der Holzschnittkritik“ mit vier Tafeln in den Jahren 1927 und 1928 veröffentlicht. Auf ihren Abbildungen sind Frauen von Georg Pencz und Sebald Beham, die Herrschersymbole Löwe und Adler von Hans Dürer und Hans Sprinkinklee, die Ornamente von Hans Schäuffelein und Anton Woensam und Karrikaturen von Hans Weiditz und Schäuffelein dargestellt.[7] Woldemar von Seidlitz beschreibt im Jahre 1922 in der Einführung in das kritische Verzeichnis für die Radierungen Rembrandts den Zweck des Verzeichnisses:

„Das nachfolgende Verzeichnis der Radierungen Rembrandts bezweckt 1 die eigenen Werke des Künstlers von denen seiner Schüler und Nachahmer sowie von den ihm ganz ohne Grund zugeschriebenen Arbeiten zu sondern; 2 für die Blätter, welche nicht datiert sind, die ungefähre Entstehungszeit festzustellen; 3 die Zustände, die wahrscheinlich noch auf Änderungen zurückzuführen sind, welche der Meister selbst an seinen Platten angebracht hat, von den übrigen zu sondern; 4 unter den vom Meister selbst herrührenden Zuständen diejenigen, die künstlerisch bedeutungsvolle Änderungen zeigen, herauszuheben; 5 die Technik, in der die einzelnen Blätter sowie die auf ihnen angebrachten Änderungen ausgeführt sind, soweit möglich anzugeben; 6 die zu den einzelnen Radierungen in Beziehung stehenden Zeichnungen und Gemälde sowie etwaige von fremder Hand herrührende Vorlagen aufzuführen; 7 bei besonders seltenen Blättern oder Zuständen dies möglichst unter Anführung ihres Aufbewahrungsortes anzugeben; 8 eine kurze ästhetische Würdigung der wichtigsten Blätter zu geben; 9 deutsche Benennungen für sämtliche Blätter aufzustellen (zum Teil im Anschluß an Nagels Künstlerlexikon); 10 die Literaturangaben von Middleton bis zur Gegenwart fortzuführen.“[8]

[...]


[1] vgl. Venturi, Lionello: Geschichte der Kunstkritik. München 1972, S. 147

[2] Levezow, Konrad: Über archäologische Kritik und Hermeneutik. Berlin 1835. S. 225

[3] vgl. Schweppenhäuser, Hermann: Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romanik, Frankfurt am Main 1991, S. 45

[4] Scholem, Gershom, Theodor W. Adorno(Hrsg.): Walter Benjamin Briefe, in: Band 1. Frankfurt am Main 1966. S. 187-191. Zitat S. 191

[5] Broch, Hermann: Kommentierte Werkausgabe. Herausgegeben von Paul Michael Lützeler. Bd. 10/1. Philosophische Schriften 1. Kritik. Frankfurt am Main 1977. S. 32-34. Zitat S. 32.

[6] vgl. das Vorwort zu: Liebert, Arthur: Zur Kritik der Gegenwart. Langensalze 1927. O. S.

[7] vgl. Musper, Theodor: Antinomien der Holzschnittkritik. in: Kritische Berichte zur kunstgeschichtlichen Literatur.Erster und zweiter Jahrgang. 1927/1928 und 1828/ 1929. S. 175-180. Abbildungen zwischen S. 176 und 177.

[8] Seidlitz, Woldemar von: Die Radierungen Rembrandts. Mit einem kritischen Verzeichnis und Abbildung sämtlicher Radierungen. Leipzig 1922. S. 69.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Kunstkritik - Versucher einer Verortung
Hochschule
Universität Lüneburg  (Bildende Kunst)
Veranstaltung
Von der Kunstvermittlung zur Vermittlungskunst
Note
2,1
Autor
Jahr
2001
Seiten
23
Katalognummer
V10044
ISBN (eBook)
9783638165990
Dateigröße
585 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kunstkritik, Kunsttheorie, Kunstvermittlung
Arbeit zitieren
Karen Hoffmann (Autor:in), 2001, Kunstkritik - Versucher einer Verortung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10044

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