Qualität in der personenbezogenen sozialen Dienstleistung

Das Theoriekonzept der reflexiven Pädagogik von Hans-Uwe Otto und Bernd Dewe


Hausarbeit, 2016

30 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Soziale Arbeit als Dienstleistung
2.1 Der Dienstleistungsdiskurs
2.2 Theoretische Konzepte sozialer Dienstleistung
2.3 Reflexive Pädagogik - ein normativ-theoretisches Konzept

3. Qualität in der Sozialen Arbeit
3.1 Kritik an der Umsetzung von Qualitätsstandards in der Sozialen Arbeit
3.2 Qualitätsstandards als Chance für die Soziale Arbeit

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Positionen, die zur kritischen Analyse Sozialer Arbeit auf dienstleistungstheoretische Elemente zurückgreifen, sind vermehrt Gegenstand sozialpädagogischer Diskurse. Sie formulieren den Anspruch institutioneller und/oder theoretischer Neuorientierung, Umstrukturierung oder Reformierung an Soziale Arbeit als Disziplin und Profession. Seit Beginn der Qualitätsdebatte in der Sozialen Arbeit, welche ihren Höhepunkt gegen Ende des letzten Jahrhunderts hatte, ist der Begriff Qualität in der Entwicklung einer eigenen Sozialarbeitsprofession nicht mehr wegzudenken. Beschäftigt man sich eingehend mit der Literatur zum Thema Qualitätsmanagement1 in der Sozialen Arbeit ist eine Fokussierung zu erkennen, die sich auf den Einzug dieses Themengebiets in die Soziale Arbeit und den daraus resultierenden Schwierigkeiten und Konsequenzen bezieht. Die vorliegende Arbeit will versuchen in diese allgemeine Debatte einzusteigen und Aktualität, Perspektiven und Chancen für die Qualitätsentwicklung der Sozialen Arbeit darzustellen.2 Das Thema dieser Arbeit lautet daher:

Qualität in der personenbezogenen sozialen Dienstleistung in Anbetracht des Theorie-konzeptes der Reflexiven Pädagogik von Hans-Uwe Otto und Bernd Dewe

Als Einstieg wird zunächst der Begriff der Dienstleistung, der Einzug in die Soziale Arbeit genommen hat aus ökonomischer und sozialer Sicht beleuchtet (Kapitel 2). Anschließend wird sich den Diskussionslinien der Dienstleistungsdebatte (Kapitel 2.1.) , die eine Reformierung der sozialstaatlich institutionalisierten Struktur Sozialer Arbeit unter Gesichtspunkten der Dienstleistungsorientierung einfordem, gewidmet und daran ansetzend dienstleistungstheoretische Überlegungen und ihr Bezug zur Institutionalisierung Sozialer Arbeit skizziert (Kapitel 2.2). Hierfür wird nachfolgend das theoretische Konzept der Reflexiven Pädagogik von Hans- Uwe Otto und Bernd Dewe veranschaulicht, das die Dienstleistungsorientierung als Herausforderung zur normativen Neuorientierung Sozialer Arbeit versteht und zu einem neuen reflexiven Professionsverständnis auffordert, welches zu einer verbesserten Qualität Sozialer Arbeit führen kann (Kapitel 2.3). Das Qualitätsthema kann hierbei als konsequente Weiterentwicklung des Dienstleistungskonzeptes im Kontext von Modernisierung und Individualisierung gesehen werden. Daher wird sich zu Beginn des dritten Kapitels der Frage, bezüglich der Unerlässlichkeit sozialpädagogischer Qualität, unter Bezug des theoretischen Konzeptes der Reflexiven Pädagogik gewidmet (Kapitel 3), und Stärken (Kapitel 3.1.) und Schwächen (Kapitel 3.2) der Umsetzung von Qualitätsstandards in der Sozialen Arbeit dargestellt.3

2. Soziale Arbeit als Dienstleistung

Soziale Arbeit lässt sich im wesentlichen als öffentlich organisierte personenbezogene Dienstleistungsarbeit kategorisieren. Der Begriff der Dienstleistung wurde in der sozialen Arbeit bereits in den 70er Jahren thematisiert und ist trotz dessen gegenwärtig ein vielseitig umstrittenes Konzept. Der Dienstleistungsbegriff hat innerhalb der Sozialen Arbeit vielfältige Implikationen, die von ökonomischen bis hin zu personenbezogenen bzw. sozialen Professions- und Interaktionskonzepten reichen. Die gegenwärtige Diskussion lässt sich auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zurückführen und politische Instrumentalisierungen des Dienstleistungsbegriffs im Kontext kommerzieller Umstrukturierungen des öffentlichen (sozialen) Sektors.4 Trotz der Kontroverse bzgl. des Dienstleistungsbegriffes innerhalb der Sozialwissenschaft unterliegt die personenbezogene soziale Dienstleistung einem stetigen Wachstum in unserer heutigen Gesellschaft. Die verstärkte staatliche Nachfrage resultiert zum einen aus den veränderten Anforderungen an die Sozialpolitik, welche durch flexible Reproduktionsformen und destandardisierte Lebensformen eine gewisse Flexibilität seitens dieser erwartet.5 Zum anderen durch die Spaltung der Gesellschaft und die dadurch entstehenden sozialen Problemkonstellationen, die es seitens der personenbezogenen sozialen Dienstleistung kontrolliert einzudämmen und zu pazifizieren gilt.6

2.1 Der Dienstleistungsdiskurs

Die erstmalige gesellschaftstheoretisch interessierte Diskussion über soziale Dienstleistungen in der Sozialen Arbeit wurde in den 70iger Jahren auf Grund des ökonomischen Wachstums und expandierender Staatstätigkeiten im Sinne eines keynesianischen Wohlfahrtsstaates bzw. der Etablierung einer „postindustriellen Gesellschaft“ geführt.7

Die Diskussion in den 70iger und 80iger Jahren differenzierten sich zum einen in die Frage nach den Institutionalisierungsformen und deren Bedingungen und Restriktionen und zum anderen auf die Modernisierungsdebatte mit der Frage nach den Bestimmungsgrößen sozialpädagogischen Handelns im Kontext von Dienstleistungsorganisationen.8

Eine weitere Diskussion auf Grund der Einführung Neuer Steuerungsmodelle9 in der Jugendhilfe führte in den 1990er Jahren diese Gedanken fort im Kontext vom ökonomischen Wachstum und steigender sozialstaatlicher Finanzierungsprobleme10. Das Versprechen Bürokratie und Hierarchien abzubauen, sowie professionelles Handeln durch Zielformulierungen und Aufgabenzuschreibungen effizienter und koordinierter zu gestalten fand zu Beginn großen Anklang in der Sozialen Arbeit.

Die Ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Elemente dieser Diskussion führten hierbei zu einem veränderten Dienstleistungsbegriff, der zu einer Neuformatierung des Interaktionsverhältnisses von Professionellen und ihren Adressaten führte, im Sinne der Interessen kommunaler Finanzierungsträger an Effektivitätssteigerung und Effizienzerhöhung.11 Mit dem Terminus Dienstleistung wurden Konzepte des Sozialmanagements und der Personal- und Organisationsentwicklung eingeführt und damit verbindet sich auch heute noch eine Zunahme der Bedeutung von Leistungsmessung und Standardisierungstendenzen, sowie eine deutliche Kontroll- und Wirkungsorientierung.12 Diese manageriellen Strukturprinzipien wirken sich auf unterschiedliche Ebenen Sozialer Dienste aus: Im sozialen Sektor werden privatwirtschaftliche soziale Dienstleistungsunternehmen produziert, die eine quasi-marktförmige Konkurrenz freier Träger bewirken.13 Der inszenierte Wettbewerb zielt auf die Vergabe von Leistungsaufträgen an kostengünstige Anbieter, um effiziente und wirtschaftlichkeitsorientierte Leistungserbringung zu realisieren und damit dem steigenden Finanzdruck entgegenzuwirken. Die Beziehung zwischen Finanzierungsgeber und Anbieter wird hierbei vertraglich festgehalten, um geforderte Qualitätsstandards zu definieren und festzuhalten. Qualitätsvereinbarungen im Sinne der Qualitätsprüfung durch die finanzierende Seite als Mittel der Leistungskontrolle gewinnen hierbei an Bedeutung.14 Hieran knüpfen sich Steuerungsprozesse an, bei denen es um eine Formalisierung von Prozessen innerhalb einer Organisation geht (bspw. Controlling, Brenchmarking, Input-Output-Prozesse)15. Kritisiert werden hieran vor allem die Bestimmung von Effizienz und die Ermittlung von Effektivität, da es schwer feststellbar ist, „ob angebotene Leistungen effektiv sind, da dies eine kontinuierliche Bestimmung der Ergebnisqualität erfordert, die bei sozialen Dienstleistungen nur bedingt zu leisten ist. “16 Zumal der Erfolg oder Misserfolg in hohem Maße von der Beteiligung der Adressaten abhängig ist. Insbesondere soziale Dienstleistungen zielen vorrangig darauf ab eine Wirkung auszulösen (Veränderungen beim Adressaten) und nicht Produkte herzustellen. Eine erzielte Wirkung bei einem Klienten kann dabei kausal auf kein bestimmtes Leistungsangebot bezogen werden.17 Soziale Dienstleistungen müssen immer wieder neu erstellt und auf die jeweiligen Adressaten in individueller Qualität angepasst werden und weisen daher rein logisch auch schwankende Qualitäten auf.18 Die Realisierbarkeit ökonomischer Rationalitäten in der Sozialen Arbeit ist daher nur bedingt möglich. Weiterhin sind die Adressaten Sozialer Arbeit nicht mit ausreichender Marktmacht (Geld, Wahlfreiheit, Freiwilligkeit)19 ausgestattet und auch die Beziehung von Fi- nanzierungsgeber/Anbieter und Konsument sind nicht einfach durch Kunden-Anbieter-Bezie- hungen zu erfassen.20 Es ist fraglich wer im Dienstleistungsverhältnis als Kunde21 betrachtet wird, da verschiedene Instanzen die Rolle des Dienstleistungskunden einnehmen. Die Gleichzeitige, aber auch offene Auslegung der Grundprinzipien des Dienstleistungsbegriffes für die normativen Ausrichtungen (Teilhabestärkung der Adressaten Sozialer Arbeit auf der einen Seite und marktwirtschaftliche Produkt- und Zielgruppendefinition auf der anderen Seite) bergen die Gefahr einer neoliberalen Auslegung.22

Während die Diskussion auf der einen Seite stark von ökonomischen Gedanken geprägt ist, gibt es auf der anderen Seite im Hinblick auf die Professionsdebatte einen Fortschritt zu verzeichnen. So wurden auf Grund veränderter Problem- und Bedürfniskonstellationen der Adressaten Sozialer Arbeit, „die Situativität und Kontextualität, die Optionen und Aktivitäten des nachfragenden Subjektes “23 wieder in das Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt. Das Verhältnis von Professionellem und Adressaten wurde auf Grund der Nachfrageorientierung neu bestimmt, indem neue Funktionsbestimmungen und Organisationsmodelle entwickelt werden mussten die zu einer fachlich eigenständigen begründeten Neuorientierung sozialer Arbeit führten und damit die Frage nach Dienstleistungsqualität stellten.24

2.2 Theoretische Konzepte sozialer Dienstleistung

Die Diskussion der 90iger Jahre wurde vor allem im Bezug auf externe, marktförmige und betriebswirtschaftliche Prinzipien für die Effektivitätssteigerung und Qualitätserhöhung der Dienstleistungsproduktion geführt, die einen grundlegenden Wandel der Rahmenbedingungen und des Selbstverständnisses Sozialer Arbeit zur Folge hatte und zu einer breiten sozialwissenschaftlichen Ausdifferenzierung des Dienstleistungsbegriffes führte.

Allerdings ist der Dienstleistungsbegriff betriebswirtschaftlich nicht klar definiert und kann daher für die soziale Dienstleistung nur anhand folgender Charakteristika bestimmt werden:

- nicht-materialisiertes Produkt
- nicht lagerfähig
- Produktions- und Konsumprozess fallen in eins (uno-acto)
- Der Kunde oder der Nutzer muss im Moment der Dienstleistungserbringung anwesend sein. Jede Leistung ist individualisiert.25

In der Betriebswirtschaft unterscheidet man zudem potenzial-, prozess- und ergebnisbezogene Phasen der Dienstleistung die entsprechenden Einfluss auf die Dienstleistungsqualität haben.26 Weitere Ausführungen hierzu folgen im Kapitel 3 (Qualität in der Sozialen Arbeit). Die personenbezogene soziale Dienstleistung besitzt im ökonomischen Sinne27 eine Handlungslogik, die nicht an der Bearbeitung von Knappheitsproblemen , sondern vielmehr an „Ordnungs- und Normalitätsproblemen“ orientiert ist.28 29 Sie dient der Reproduktion von Formalstrukturen, Verkehrformen und kulturellen Rahmenbedingungen und erhält daher den Auftrag der Gewährleistung von gesellschaftlichen Normalzuständen, der darin besteht die „subjektive Lebens- führungs- und Subjektivierungsweisen in Bezug auf die wohlfahrtsstaatlich als gültig geltenden Normalitätsmodelle zu regulieren und zu gestalten [...]. ‘a9

In der sozialpädagogischen Theoriebildung lassen sich Versuche finden, die den Dienstleistungsbegriff inhaltlich und damit theoretisch reflexiv füllen möchten, um ihn auf die Soziale Arbeit anwenden zu können.30 Hierfür wird unterschieden zwischen:

- Funktionstheoretischen Ansätzen personenbezogener Dienstleistung

Ausgehend von den Diskussionen um die Entstehung einer Dienstleistungsgesellschaft wurden Fragen nach der Bestimmungsgröße sozialpädagogischen Handelns im Sinne einer „alternativen Professionalität“31 aufgeworfen. Der theoretische Bezugspunkt ist hierbei die Funktionalität der Dienstleistung. Berger und Offe formulieren hierzu: ]die soziologische Gemeinsamkeit aller Dienstleistungsarbeiten [besteht dVerf] darin, dass sie sämtlich mit der Sicherung, Bewahrung, Verteidigung, Überwachung, Gewährleistung usw. der historischen Verkehrsformen und Funktionsbedingungen einer Gesellschaft und ihren Teilsystem zu tun haben.“32 Damit kommt der sozialen Arbeit die Aufgabe zu, Risiken und Störungen abzuwehren, um die geltenden Verhaltensregeln und Normalitätserwartungen der Gesellschaft zu schützen. Sozialarbeit ist hierbei ein Teilsystem der staatlichen sozialen Kontrolle und Resozialisation. Entsprechend wird „Sozialarbeit als Normalitätsarbeit“ rekonstruiert.

- Konsumtions- und interaktionstheoretischen

Dienstleistungskonzeptionen In diesem Konzept wird die Nachfrage des Nutzers sozialer Arbeit zum Hauptbezugspunkt der Reformulierung personenbezogener sozialer Dienstleistungen. In der Sozialen Arbeit hält also ein neuer Adressatenbegriff Einzug: der des Kunden. Die große Herausforderung liegt hierbei in der Anpassung des Angebots an die Nachfrage des Kunden, das damit noch stärker an den individuellen Lebensweisen und Perspektiven anknüpft. Damit erhält die soziale Dienstleistung eine andere Qualität, denn der Kunde steuert die Dienstleistung und der Anbieter muss sich an den Wünschen und Erwartungen dessen anpassen.33 Das besondere der sozialen Dienstleistung ist das „uno-actu-Prinzip“ bei dem das gleichzeitige Zusammenwirken von Produzent und Konsument gefordert ist und zur selben Zeit, in der selben Handlung stattfindet.34 Hierbei ist nicht nur die Kundenpräsenz sondern ebenso die Kundenpräferenz von großer Bedeutung. Die aktive Beteiligung des Klientel (als Ko-Produzent) stellt den Kern klientengesteuerter personenbezogener sozialer Dienstleistung dar. Schaarschuch spricht daher von einem ,,systemische(n) Wechsel von den institutionellen und organisatorischen Perspektiven hin zur Perspektive der Nutzer “35. Die Nachfragebedingungen müssen daher zum Ausgangspunkt der organisationeilen Veränderungen gemacht werden, sowie deren Beteiligung initiiert und deren Interessen gegenüber der Sozialpolitik vertreten werden. Der Konsument erhält hierbei eine starke Position, da er sowohl bei der Effizienzkontrolle eine tragende Rolle spielt, als auch Mitspracherechte erhält. Im Hinblick auf die soziale Arbeit sind dies Konzepte, die die Partizipation der Klienten positiv beeinflussen, sowie die Reflexion der Sozialen Arbeit im Hinblick auf die Geeignetheit der Angebote für das Klientel vorantreibt.

Auf der anderen Seite birgt der dienstleistungstheoretische Kundenbegriff einige Konflikte für die Verwendung in der Soziale Arbeit, die sich im Doppeltem-Mandat begründen lassen.36 Im Feld der sozialen Arbeit bewegen sich die Professionellen kontinuierlich zwischen einem Hilfe- und Kontrollauftrag.37 Hilfeleistungen werden „unfreiwilligen Klienten“ mit Hilfe des Ge- setzgebers/Gerichts aufgezwungen oder Kontrollaufträge im Hinblick auf den Normalisierungsauftrag der Sozialpolitik mit Zwangsinterventionen realisiert (bspw. die Sanktionsmechanismen bei ALG II Leistungen, oder im Sinne des §35 BtMG: Therapie statt Strafe). Der Kunde kann somit nicht frei und autonom über den Hilfebedarf entscheiden. In diesem Kontext kann der Begriff des steuernden Kunden als zynischer Euphemismus betrachtet werden.38 Zum anderen sind die Lebenssituationen der Klienten und deren Wünsche im Hinblick auf Kosteneffizienz, Struktur und Zielerreichung nicht realisierbar.39 In der Sozialen Arbeit haben wir es mit Menschen zu tun, die nicht mehr in das vorbestimmte und normierte Gesellschaftsgefüge passen und neue Bewältigungsmuster/Verhaltensweisen erlernen müssen, die teilweise vehement abgelehnt werden, da sie nicht in die eigene Vorstellung des Lebens passen/dem Eigen-Sinn des Klienten (der nicht unbedingt rationellen Abwägungen entspricht) widersprechen. Es ist unrealistisch, dass das Klientel der Sozialen Arbeit individualisiert und souverän der Angebotsstruktur der Dienstleister entgegentraten, den Bedarf erkennen, artikulieren und in Anspruch nehmen kann.40

Personenbezogene soziale Dienstleistung ist seither in einem Erbringungszusammenhang gefasst, der öffentlich verfasst, beruflich erbracht und die Koproduktion des Konsumenten erfordert.41 Hans-Uwe Otto versteht daher die Dienstleistungsdebatte „als notwendige Intensivierung der Frage der Professionalisierung Sozialer Arbeit“42 -2 mit derer eine Verknüpfung organisatorischer und professioneller Standards verfolgt werden sollte.

2.3 Reflexive Pädagogik - ein normativ-theoretisches Konzept

Wie im vorherigen Kapitel dargestellt, setzt sich in der Sozialen Arbeit ein Professionsverständnis durch, das zunehmend managen eile Strukturen und eine damit einhergehende ökonomische Effizienz-, Effektivitäts- und Qualitätsorientierung fokussiert. „Ökonomische Effizienz und Kostenersparnis -werden faktisch als höhere Werte erachtet als die Ermöglichung -von Mündigkeit und Autonomie sowie die Realisierung einer eigenen Vorstellung vom guten Leben für die Adressaten Soziale Arbeit. “43

Im Rahmen der modernen Dienstleistungsdebatte, die als Intensivierung der Professionsfrage Sozialer Arbeit anzusehen ist, sind die Betrachtungen sozialarbeiterischen Handelns im Hinblick auf Struktur- und handlungstheoretische Konzepte verstärkt in den Blickpunkt empirischer Untersuchungen geraten, um herauszufinden welche typischen Handlungsmuster die Soziale Arbeit bei der Bewältigung der komplexen Anforderungen herausgebildet hat.44 Dewe und Otto führen in diesem Kontext aus, dass ein Perspektivenwechsel von der „Hypostatisie- rung der behördlichen Organisationen hin zu einer innovativen Dienstleistungsqualität“45 sowie eine Erweiterung des Selbstkonzeptes der Profession, welches bisher stark personenorientiert war, und „strategisch-funktionale Kompetenzenprofessionellen Handelns“46 unabdingbare Grundlagen einer reflexiven Dienstleistungsqualität sind. Vor dem Hintergrund diffuser Anforderungen gewinnt die Frage nach Reflexivität im Kontext professioneller, theoretisch fundierter Sozialer Arbeit an großer Bedeutung. Diese handlungstheoretische Sicht legt ihren Fokus auf die Qualität Sozialer Arbeit. Die qualitative Betrachtung Sozialer Arbeit benötigt Ansätze, „ die subjektive Kompetenzen, die Arbeitsaufgaben, das Professionswissen und die Logik des professionellen Handelns [.] rekonstruieren [.]. “47 Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Qualität bzw. Qualitätssicherung in der vornehmlich technokratischen und effizienz-/leis- tungsorientierten Debatte die Gefahr von Systematisierungsbestrebungen der Professionalität Sozialer Arbeit birgt und damit die Möglichkeiten einer reflexiven Dienstleistungsprofession verkennt.48 Demgegenüber müssen Konzepte und Theorien entwickelt werden, die sowohl Qualität als auch die Eigenheit der Profession Sozialer Arbeit beinhaltet. Theorien Sozialer Arbeit gründen sich auf einem Zusammenspiel von „Wissenschaft, Disziplin, Profession und Praxis“49 und sind als Reflexionsrahmen zu verstehen. An diesem Verständnis von Sozialer Arbeit als professionsbezogene Reflexionswissenschaft setzt die Theorie der 'Reflexiven Pädagogik' von Hans-Uwe Otto und Bernd Dewe an, die die besonderen Charakteristika der Sozialen Arbeit aufgreift und entsprechende Anforderungen an die Professionalität Sozialer Arbeit formuliert.50 Dewe und Otto geht es hierbei darum, Erkenntnisse über „mögliche Invarianzen und Teildynamiken des Handelns“51 zu erlangen, um eine systematische Auseinandersetzung mit komplexen Fragestellungen zu ermöglichen und dabei den Prozess der Identitätsentwicklung Sozialer Arbeit voran zu treiben, indem eine „aufgabenspezifische reflexive Theorie der Professionalität"52 entwickelt werden soll.

[...]


1 „Unter Qualitätsmanagement versteht man die Gesamtheit der qualitätsbezogenen Zielsetzungen und Tätigkeiten.“Amold (2009),S. 465.

2 Dies wird auf Grund der Kürze dieser wissenschaftliche Arbeit nur in Facetten möglich sein und verspricht daher keine Vollständigkeit der dargestellten Diskurse und Debatten.

3 Wenn im Folgenden der Einfachheit halber die männliche Form verwendet wird, ist darin die weibliche Form immer eingeschlossen.

4 Vgl. Schaarschuch/Flösser/Otto (2005): S. 266.

5 „Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Bedingungen und Veränderungen in den heutigen Lebensverhältnissen, die immer stärker auf Unterstützung und Begleitung durch gesellschaftlich verfügbare Hilfen wie die der Sozialen Arbeit angewiesen ist, wird eine Flexibilisierung der Organisationsformen, gestützt durch die Qualifikation professionellen Handelns, dringend notwendig.“ Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1994), S. 583, 586 zit. nach Dewe/Otto (2012), S. 199.

6 Vgl. Schaarschuch/Flösser/Otto (2005), S. 267.

7 Ebd., S. 269.

8 Ebd., S. 268.

9 Das neue Steuerungsmodell vgl. Grohs (2007), S. 247-274.

10 Non-Profit-Organisationen, ins besondere im Sozialbereich, stehen unter einem enormen Kostendruck. Ökonomische Zwänge werden immer deutlich spürbarer und zwingen die Institutionen ihre ökonomischen Rahmenbedingungen zu überdenken. Die Gefahr hierbei liegt allerdings in der unreflektierten Übertragung von betriebswirtschaftlichen Konzepten und Managementwissen von Profit- auf NonProfit-Organisationen, die zu kontraproduktiven Ergebnissen führen könne. Vgl. Arnold (2000), S. 53.

11 Vgl. Schaarschuch/Flösser/Otto (2005), S. 269.

12 Die Steuerungsmechanismen des „new public management“ wurden im breiten Maße durchgesetzt, beispielsweise im Gesundheitsbereich und der Jugendhilfe in denen Controlling, Outputsteuerung und Leistungsmessung etabliert wurden. Vgl. Kutscher (2009),S. 304ff.

13 Vgl. Schaars chuch/Flösser/Otto (2005), S. 269.

14 Kutscher (2009),S. 305.

15 Weitere Ausführungen folgen im Kapitel 3.

16 Van Santen (1998), S. 42.

17 Vgl.Amold(2000), S.71.

18 Ebd.

19 Vgl. Schaarschuch (2003) S. 158ff.

20 Vgl. Merchel (1996), S. 149.

21 Zum Kundenbegriff in der Sozialen Arbeit auch Lüders (1997), Schwabe (1996), Heiner (1996), Müller (1998).

22 „'Neoliberalismus' ist Parole und Schimpfwort für ein wirtschaftspolitisches Projekt, das mehr Markt, mehr Wettbewerb und mehr individuelle Freiheit verwirklichen will durch weniger Staat und weniger Regulierung.“ Wilke (2003), S. 28, zit. nach Staub-Bemasconi (2007), S.26. Hiermit verbindet sich die Verpflichtung jedes Einzelnen für seine Lebensgestaltung selbst verantwortlich zu sein.

23 Schaarschuch/Flösser/Otto (2005), S. 269.

24 Von der Dienstleistungsdebatte zur Dienstleistungsqualität siehe auch Oechler (2009).

25 Vgl. Kessel/Otto (2011), S.390; Weitere Charakteristische Merkmale der sozialen Dienstleistung nach Dahme und Wohlfahrt finden sich im Anhang, S. 21.

26 Abbildung im Anhang, S. 22.

27 Dienstleistung ist im ökonomischen Sinne einer von drei Wirtschafts- und Beschäftigungssektoren. Der primäre Sektor ist der, der Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaften und Rohstoffgewinnung. Der sekundäre Sektor ist der, der industriellen Rohstoffverarbeitung, der Industriegüterproduktion sowie des Baugewerbes. Der tertiäre Sektor ist definiert als: „Tätigkeiten wie anspruchsvolle Dienstleistungen für die Produktion, anspruchsvolle wie einfache Dienstleistungen an und für Personen (personenbezogene soziale Dienstleistungen) oder auch einfache Reparaturaufgaben.“ Dahme/Wohlfahrt (2015), S. 22.

28 Vgl. Dewe/Otto (2011b), S. 1132.

29 Kessel/Otto 2011, S. 391.

30 Der Dienstleistungsorientierte Theorieansatz wird unter anderem von Olk und Rauschenbach ausgeführt. Ausgehend von einer gesellschaftstheoretischen Verortung der Sozialen Arbeit als ausdifferenziertes System wird von den Autoren dieses Paradigmas die Soziale Arbeit als moderne Dienstleistung definiert und deren disziplinären und professionsbezogene Entwicklung kritisch reflektiert. Vgl. Thole (2012), S. 33.

31 Vgl. Olk (1986).

32 Berger/Offe (1980), S. 46.

33 Vgl. Kutscher (2009), S. 309.

34 Vgl. Schaarschuch/Flösser/Otto (2005), S. 231.

35 Schaarschuch (1996), S. 19.

36 „Eine 'wohlfahrtsökologische' Soziale Arbeit, die zwischen den beiden Polen der sozialstaatlichen Auftragserfüllung und der Bearbeitung individueller Problemlagen in Richtung der sozialen Problembewältigung orientiert, muss [...] die Planung und Entwicklung umfassender Dienstleistungsangebote in den Focus der Betrachtung rücken [...], koordinieren, [.] modernisieren und entsprechende Institutionen und Arbeitsformen [.] entwickeln. [...] reflexive Dienstleistungskompetenz setzt voraus, dass professionelles Handeln die ihm zu- gründe liegenden verwaltungsrationalen Voraussetzungen rekonstruiert und systematisch hinterfragt.“ Vgl. Otto (1991), S. 183, 188.

37 Vgl. Kutscher (2009), S. 311.

38 Vgl.01k(1986)S. 171ff.

39 Vgl. Kutscher (2009), S. 311.

40 Vgl. May (1997), S. 373.

41 Vgl. Kessel/Otto (2011), S. 389.

42 Otto/Böllert (2001), S. 1892.

43 Kutscher (2009),S. 315.

44 Vgl. Dewe/Otto (2011b), S. 1143; Dewe (2008), S. 49.

45 Dewe/Otto (2012), S. 199.

46 Otto (1991), S.188.

47 Dewe/Otto (2012), S. 209.

48 Vgl. Dewe/Otto (2011b), S. 1132.

49 Klomann (2013), S. 88.

50 Kessl und Otto fassen zusammen: „Reflexive Sozialpädagogik geht von Fragen einer neuen Fachlichkeit über die systematische Reinterpretation der Professionalisierungstheorie im Kontext wissenstheoretischer Überlegungen aus und reicht bis hin zur neueren Dienstleistungsdiskussion. Das zentrale Interesse richtet sich dabei auf die Vermittlung differenter Wissens Strukturen mit den Strukturmerkmalen professioneller Interaktionsprozesse. Eine so geartete Theorie Sozialer Arbeit stellt mithin die Analyse der objektiven Bedingungen und Folgen des Handelns von professionell Tätigen und die Frage in den Mittelpunkt der Betrachtung, inwieweit eine Professionalisierung der Sozialen Arbeit politisch und wissenschaftlich umgesetzt und durchgesetzt werden kann.“ Thole (2012), S. 197.

51 Dewe/Otto (2012), S. 200.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Qualität in der personenbezogenen sozialen Dienstleistung
Untertitel
Das Theoriekonzept der reflexiven Pädagogik von Hans-Uwe Otto und Bernd Dewe
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)  (MAPS)
Veranstaltung
Theorie und Gegenstandseschichte Sozialer Arbeit
Note
1,5
Autor
Jahr
2016
Seiten
30
Katalognummer
V1005021
ISBN (eBook)
9783346393128
ISBN (Buch)
9783346393135
Sprache
Deutsch
Schlagworte
qualität, dienstleistung, theoriekonzept, pädagogik, hans-uwe, otto, bernd, dewe
Arbeit zitieren
Marie Adler (Autor:in), 2016, Qualität in der personenbezogenen sozialen Dienstleistung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1005021

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