1. Einleitung
1.1 Aktualität des Themas
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem damit verbundenen Ende des Kalten Krieges, wurde auch die frühere Zweiteilung der Welt aufgehoben. Die Staaten begannen das Wettrüsten durch den wirtschaftlichen Wettbewerb zu ersetzen. Damit entstand eine neue tripolare Struktur, die hauptsächlich von den regionalen Wirtschaftsgemeinschaften in Europa, Asien und den Amerikas geprägt wurde.
Mit dem Wegfall der bipolaren Welt wurde neben der regionalen Integration auch der interregionale Kontakt von beiden Seiten wieder aufgenommen oder bei bestehenden Beziehungen intensiviert. Dies liegt auch an der Bereitschaft Europas, Lateinamerika viel weiter als bisher entgegenzukommen.
Beiden Regionen stehen ähnliche Entscheidungen bevor. Beide müssen sich entscheiden, wie weit und wie tief die zukünftige Integration gehen soll.
Die oben genannten Gründe lassen deutlich die Brisanz und Aktualität des Themas erkennen. Wird das Machtvakuum, das durch den Wegfall des Ostblocks in der ganzen Welt entstanden ist, in Lateinamerika vollkommen durch die Vereinigten Staaten ausgefüllt werden, oder stellt es eine Chance für die lateinamerikanischen Staaten dar, eine neue weltpolitische Ausrichtung zu finden?
1.2 Abgrenzung, Vorgehen und Zielsetzung der Arbeit
In den wissenschaftlichen Analysen der deutschen Außenpolitik hat Lateinamerika keine Priorität. Wenn es um die Benennung jener weltpolitischen Kräfte geht, die die primären Adressaten sowie die formenden Rahmenbedingungen der deutschen Außenpolitik im internationalen Umfeld ausmachen, kommt Lateinamerika nicht oder nur in Kurzpräsentationen vor.
Deutschland hat traditionsgemäßund auf Grund des besonderen Verlaufs seiner Geschichte sein Verhältnis zu Lateinamerika (mit einigen kurzen Ausnahmen 1910-18 und 1933-45) sehr vorsichtig und immer mit Rücksichtnahme auf Washington definiert. Desweiteren hat die Bundesrepublik ihre Interessen in Lateinamerika immer anderen Schwerpunkten in der Außenpolitik untergeordnet. Wenn man in den frühen 60er Jahren von der Durchsetzung der Hallstein-Doktrin und der Westintegration sprechen konnte, so waren in den vergangenen Jahrzehnten die Rolle in der EG und das stärkere Engagement in den ehemaligen Ostblockstaaten Herausforderungen, die die außenpolitischen Energien der Bundesrepublik stark gebunden haben.
Nichtsdestotrotz deuten viele außenpolitische Anzeichen daraufhin, dass ein Umdenken stattgefunden hat1. Die deutsche Bundesregierung hat diesen Wandel gesehen und erstmals im deutschen Lateinamerika-Verhältnis ein eigenes Lateinamerika-Konzept2 entwickelt. Auch hat sie im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft dafür gesorgt, dass Lateinamerika zur „Schwerpunktregion“ erklärt wurde. Im Juni 1994 wurde ein „Gesprächskreis Lateinamerika“ gegründet, in dem Spitzenverbände der Wirtschaft, Ressorts der Bundesregierung und die für Lateinamerika zuständigen Auslandshandelskammern vertreten sind3.
Diese neuerlichen Initiativen sind nur einige Beispiele dafür, dass Deutschland bereit ist, Lateinamerika- Projekte im Rahmen der Europäischen Gipfeltreffen voll mitzutragen, ja sogar in Einzelfällen gewillt ist, eine Initiativ-Rolle zu übernehmen. Auch in einem anderen Rahmen sind positive Tendenzen schon seit längerem zu beobachten: Wenn auch die deutsche Lateinamerika-Politik in den vergangenen Jahrzehnten ihre konzeptuellen und operativen Grenzen hatte, kannte sie gleichwohl Formen eines unabhängigen Auftretens gegenüber Washington in solchen Fällen, in denen entweder als vital angesehene deutsche nationale Interessen auf dem Spiel standen, oder in denen man amerikanischen Positionen aus Gründen eines übergreifenden Interesses an Maßnahmen internationaler Friedenssicherung nicht mehr folgen wollte4.
Ziel dieser Arbeit ist es nun, zu versuchen, diese neuerliche Entwicklung versuchen herauszustreichen und in Vergleich zu der deutschen Außenpolitik gegenüber Lateinamerika vor der Wende zu setzen, um zu prüfen, ob ein Wandel stattgefunden hat und diesen, wenn möglich, zu beschreiben und versuchen zu begründen.
Zu diesem Zweck soll kurz auf die allgemeinen Instrumente der Außenpolitik (Diplomatie, Wirtschaft und Handel, militärische Mittel, Auslandshilfe) eingegangen werden, um die außenpolitischen Möglichkeiten eines Staates zum besseren Verständnis des allgemeinen weltpolitischen Spielraumes abzustecken. Dann sollen die Grundzüge der deutschen Außenpolitik in kurzer Form erwähnt werden, um so den darauffolgenden Überblick über die Beziehungen Deutschlands zu Lateinamerika einleuchtender darstellen zu können.
Überleitung zum Ausblick und zu der hoffentlich schlüssigen Beantwortung meiner These soll eine Skizze des aktuellen Interessenprofils der deutschen Außenpolitik in Lateinamerika darstellen.
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Anmerkungen
- vgl. Detlef Nolte, 1996, „Lateinamerika. Die Wiederentdeckung Lateinamerikas durch Europa“. In: Jahrbuch Dritte W elt 1997. München, S. 256-267, sowie Christoph Wagner, 1997, Die „Wiederentdeckung“ Lateinamerikas? – Das Beispiel der Beziehungen Deutschlands zu Mexiko. Hamburg
- Auswärtiges Amt, Bundesministerium für Wirtschaft und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Hg.), 1995, Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung. Materialienband, Berlin
- vgl. Josef-Thomas Göller, 1996, „Die Bundesrepublik ‚entdeckt‘ Lateinamerika wieder.“ In: Bundeszentrale für politische
- Bildung (Hg.), 1996, Das Parlament, Nr. 48-49, Berlin
Häufig gestellte Fragen
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Die Hauptthemen umfassen die deutsche Außenpolitik, die Beziehungen zwischen Deutschland und Lateinamerika, Diplomatie, Wirtschaft, Handel, militärische Mittel und Auslandshilfe.
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Was wird in der Einleitung behandelt?
Die Einleitung behandelt die Aktualität des Themas, Zielsetzung, Aufbau und Abgrenzung der Arbeit.
Welche Instrumente der Außenpolitik werden erwähnt?
Die Instrumente der Außenpolitik, die erwähnt werden, sind: Diplomatie, Wirtschaft und Handel, militärische Mittel und Auslandshilfe.
Worauf zielt die Arbeit ab?
Ziel der Arbeit ist es, die neuerliche Entwicklung der deutschen Außenpolitik gegenüber Lateinamerika hervorzuheben und mit der Außenpolitik vor der Wende zu vergleichen, um festzustellen, ob ein Wandel stattgefunden hat, diesen zu beschreiben und zu begründen.
Welche Beispiele für die Wiederentdeckung Lateinamerikas durch Deutschland werden genannt?
Es werden die Entwicklung eines eigenen Lateinamerika-Konzepts der Bundesregierung, die Erklärung Lateinamerikas zur "Schwerpunktregion" während der EU-Ratspräsidentschaft und die Gründung eines "Gesprächskreises Lateinamerika" genannt.
Welche Autoren und Werke werden im Text zitiert?
Es werden Detlef Nolte, Christoph Wagner, das Auswärtige Amt, Josef-Thomas Göller und Christiane Diehl zitiert.
Welche Auswirkungen hatte der Zusammenbruch der Sowjetunion auf die Weltordnung?
Der Zusammenbruch der Sowjetunion führte zum Ende des Kalten Krieges und zur Auflösung der bipolaren Weltordnung. Der wirtschaftliche Wettbewerb ersetzte das Wettrüsten, und eine neue tripolare Struktur entstand, die hauptsächlich von regionalen Wirtschaftsgemeinschaften geprägt war.
Welche Rolle spielt die Europäische Union in den Beziehungen zu Lateinamerika?
Die Europäische Union zeigt Bereitschaft, Lateinamerika stärker entgegenzukommen, und beide Regionen stehen vor ähnlichen Entscheidungen hinsichtlich der zukünftigen Integration.
- Arbeit zitieren
- Christian Lüth (Autor:in), 2001, Deutsche Außenpolitik bezüglich Lateinamerika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100556