Institutionalismus


Seminararbeit, 2001

5 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Institutionalismus

1 Einführung: Was ist Institutionalismus

Der Institutionalismus ist eine Betrachtungsweise in der vergleichenden Regierungslehre, in der man die Bedeutung von Institutionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sowie die Organisation und das Zusammenwirken der Institutionen im politischen Prozess mit Rücksicht auf die kulturell und historisch unterschiedlichen institutionellen Bedingungen analysiert. Der politische Prozess wird im Institutionalismus als Machtverteilungs- bzw. Interessendurchsetzungsprozess gesehen.

Zum einen werden systematische Kenntnisse über die Regierungsformen anderer Län- der erlangt und plausibel gemacht, zum anderen wird nach optimalen Herrschafts- formen gesucht, die das Gemeinwohl am besten durchsetzen. Die Herausforderung ge- genüber Diktaturen und kommunistischen Herrschaftsideologien steht im Blickpunkt des Institutionalismus.1

Man unterscheidet zwischen vertikalem und horizontalem Vergleich. Während der ver- tikale Vergleich ein Regierungssystem zu unterschiedlichen Zeitpunkten betrachtet, stellt der horizontale Vergleich zwei oder mehrere Regierungssysteme zur selben Zeit gegenüber.

2 Geschichte des Institutionalismus

2.1 Antike: Plato und Aristoteles

Der Institutionalismus hat eine lange Tradition, die sich bis in die Antike zurückverfol- gen lässt. In seinem Werk „Der Staat“ vergleicht Plato die verschiedenen Regierungs- formen Timokratie, Oligarchie, Demokratie und Tyrannei; in „Die Gesetze“ vergleicht er die Verfassungen von Sparta und Kreta und bemerkt, dass der Staat nicht nur zur Verteidigung gegen fremde Feinde notwendig ist, sondern auch um den Frieden inner- halb des Staats zu sichern, der Gesetzgeber schützt sozusagen die Gesellschaft vor schlechter Regierung, und das ist nur mit bestimmten institutionellen Arrangements durchführbar. Auch Aristoteles hat systematische Informationen über politische Institutionen der damals bekannten Herrschaftssysteme gesammelt und die Systeme systematisch miteinander verglichen.

2.2 17. Jahrhundert: Thomas Hobbes

Bei Thomas Hobbes „anethischem Institutionalismus“ findet die Loslösung von religiö- sen und naturrechtlichen Denksystemen statt. Die politische Ordnung soll den „Krieg aller gegen alle“ („homo hominem lupus est“) ausschalten. Die destruktiven sozialen Triebe der Individuen einer Gesellschaft sollen durch Verträge einer politischen Herr- schaft unterworfen werden.

2.3 Aufklärung: Charles Montesquieu

Auch Charles Montesquieu, geistiger Anhänger und Verfechter der „demokratischen Monarchie“ nahm die vergleichende Untersuchung von Regierungssystemen auf institutioneller Basis auf. Er glaubte (irrtümlich) das Prinzip der Gewaltenteilung als Bestandteil der Verfassung in reiner Form in England verwirklicht.

2.4 Nachkriegsdeutschland

Der institutionelle Forschungsansatz wurde im Nachkriegsdeutschland von einigen Pio- nieren der hier noch jungen Politikwissenschaft gepflegt, die sich von der überwiegend juristischen Betrachtungsweise der Verfassungsorgane (Regierung, Parlament, Gerich- te2 ) und Verfahrensregeln (Verfassungsbestimmungen, Wahl-systeme3 ) lösen, ver- schwand während der Blütezeit der behavioralistischen und gruppentheoretischen Politikwissenschaft aber nahezu, da sie in Theorien wie Strukturfunktionalismus, Systemanalyse und später in ökonomischen Theorien wie dem Neo-Marxismus fast keine Rolle spielen. Man reduzierte die Erklärung des politischen Prozesses auf soziale, ökonomische und kulturelle Variablen, was heißt, dass institutionelle und organisatorische Formen des politischen Lebens kaum oder keine Unterschiede machen.

2.5 „Neuer Institutionalismus“

Nach dem Scheitern der großen Theorien wie Behavioralismus, Struktur- funktionalismus, Marxismus etc. wurde in den 80er Jahren die Wichtigkeit des Institutionalismus wiederentdeckt. Oft wird bemerkt, dass die wichtigen Faktoren, um die einzelnen Varianten zwischen verschiedenen sozialen Systemen zu verstehen nicht soziale oder ökonomische Strukturvariablen, sondern politische Institutionen sind. James March und Johan Olsen prägten ab 1984 den Begriff „neuer Institutionalismus“, was voraussetzt, dass es einen „alten Institutionalismus“ gegeben hat und dass der zeitgenössische sich von diesen unterscheidet.4

Während sich die alte Form des Institutionalismus damit begnügte, Institutionen zu be- schreiben, versuchen Anhänger der neuen Form sie als abhängige Variable zu beschrei- ben und andere Phänomene mit Institutionen als unabhängige Variable zu erklären, die Politik und das Verhalten der Regierung formt. Im neuen Institutionalismus wird mehr Wert auf das wirkliche Verhalten als nur auf formelle, strukturelle Aspekte der Instituti- onen gelegt. So hat sich der alte Institutionalismus wenn er beispielsweise einen Ge- setzentwurf durch den Kongress verfolgt hat, nicht darum gekümmert, was die Regie- rung getan hat, während der zeitgenössische Institutionalismus darauf achtet, welche Vor- und Nachteile die Regierung tatsächlich für ihre Bürger ausgedacht und eingeführt hat. Wichtig für den neuen Institutionalismus ist auch die systematische Erhebung quan- titativer Daten, präzises Messen bei deren Erhebung und die Formulierung und Über- prüfung von Hypothesen, was sehr den naturwissenschaftlichen Methoden gleicht.

3 Typologie der Regierungssysteme nach Art und Weise der institutionellen Gewaltenteilung

3.1 Parlamentarisches Regierungssystem

Bei der Unterscheidung von parlamentarischen und präsidentiellen Systemen ist der entscheidende Faktor „das Verhältnis von Legislative (Parlament) und Exekutive (Re- gierung). Ausschlaggebend ist das Kriterium der Abhängigkeit der Regierung vom Par- lament.“5

Typisch für das parlamentarische Regierungssystem ist die zeitliche Gewaltenteilung, der Wechsel von Regierung und Opposition, ohne eine ausreichende Mehrheit im Par- lament ist die Regierung nicht fähig zu regieren. Die Beziehung zwischen Kabinett und der Parlamentsmehrheit ist zwar sehr eng, aber es gibt keine institutionelle Gewaltentei- lung. In den meisten Fällen besteht die Möglichkeit für die Regierung das Parlament vor Ablauf einer Legislaturperiode aufzulösen. Auch das Parlament kann durch ein Miss- trauensvotum die Ablösung einer Regierung erzwingen. Ebenfalls typisch ist, dass Re- gierungsparteien die amtierende Regierung unterstützen während Oppositionsparteien geschlossen kritisieren.

Die parlamentarischen Regierungssystemen untereinander unterscheidet man danach, wie wahrscheinlich ein Machtwechsel ist, außerdem gibt es Unterschiede in der Einset- zung der Exekutive, in der Ernennung und der Verantwortlichkeit der Regierung und der Regierungsmitglieder und in der Wahl des Staatsoberhauptes. Als Realtyp des par- lamentarischen Systems wird das Regierungssystem Großbritanniens gesehen.

3.2 Präsidentielles Regierungssystem

Im präsidentiellen Regierungssystem sind Parlament und Regierung unabhäniger von- einander. Die Regierung ist dem Parlament nicht verantwortlich und bleibt im Amt selbst wenn sie in der Legislative keine Mehrheit für ihre Politik findet. Sie hat auch nicht das Recht, das Parlament aufzulösen. Parteidisziplin gibt es im präsidentiellen Regierungssystem keine, sie wird aber auch nicht benötigt, da die Amtsdauer der Regierung nicht von der Zustimmung im Parlament abhängt. Es ist nicht möglich ein Ministeramt und gleichzeitig ein Abgeordnetenmandat innezuhaben.

Das präsidentielle Regierungssystem ist die Verwirklichung der institutionellen Gewaltenteilung. Als Realtyp dafür wird das Regierungssystem der USA angesehen.

4 Probleme

Bei Anwendung der historischen Perspektive besteht das Problem der Datenbeschaf- fung, die umso schwieriger wird, je weiter man sich von der Gegenwart entfernt. Daher ist in der Politikwissenschaft auch der horizontale Vergleich besser geeignet als der ver- tikale, da es hier schwerer ist die Strukturen und Funktionen der Regierungssysteme umfassend zu analysieren.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass sich die Menschen nach gewissen „unge- schriebenen Gesetzen“ verhalten, aus Routine, weil es Tradition ist usw. Politische Institutionen jedoch können als formale Vereinbarung definiert werden, die unterschiedliche Individuen unter einem Hut vereinen und ihr Verhalten regulieren, indem sie klare Regeln aufstellen und Entscheidungsprozesse herbeiführen. Die Schwierigkeit liegt nun in der Frage, wo man die Grenzen ziehen soll.

5 Fazit

Obwohl er zeitweise fast vergessen war ist der neue Institutionalismus in der zeitgenös- sischen Politikwissenschaft ist eines der aufstrebenden Gebiete, er hat mehr Zentralität erreicht als er durch die vorangegangenen Theorien verloren hat. Man kaum ein politi- sches Magazin aufschlagen oder an einer Konferenz teilnehmen, ohne einen Beitrag zu hören oder zu lesen, der aus dem Blickwinkel des Institutionalismus verfasst wurde.6

[...]


1 Hiltrud Naßmacher, 1991, 35

2 Hiltrud Naßmacher, 1991, 33

3 ebd.

4 Guy Peters, 1996, 208

5 Hiltrud Naßmacher, 1991, 37

6 Guy Peters, 1996, 205

Ende der Leseprobe aus 5 Seiten

Details

Titel
Institutionalismus
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
Seminar "Einführung in die Politikwissenschaft"
Note
2,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
5
Katalognummer
V100603
ISBN (eBook)
9783638990288
Dateigröße
328 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es wäre wohl besser gewesen, das Thema etwas einzugrenzen, weil es so recht breit ist und schwierig aus so vielen Materialien auszuwählen.
Schlagworte
Institutionalismus, Seminar, Einführung, Politikwissenschaft
Arbeit zitieren
Elke Schwan (Autor:in), 2001, Institutionalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100603

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