Das deutsche Schulsystem. Artikel 12 des Grundgesetzes im Kontext des dreigliedrigen Schulsystems


Diskussionsbeitrag / Streitschrift, 2020

15 Seiten, Note: 2,3

Dan Norben (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das deutsche Schulsystem
2.1 Historischer Abriss
2.2 Aktueller Stand

3. Zur Freiheit der Berufswahl

4. Die politikfeldspezifischen Prinzipien und ihre Bedeutung für das Schulsystem
4.1 Das Prinzip der Chancengleichheit als Antagonist
4.2 Das Leistungsprinzip - Ziele der Bildungspolitik

5. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die heutige Bildungspolitik gerät immer wieder stark in die Kritik. Ein Grund dafür ist das bestehende Schulsystem in Deutschland mit seiner frühen Selektion der noch jungen Menschen. Mittelpunkt der Kritik ist hierbei, zumindest aus Sicht des Philosophen Richard David Precht (Vgl. Richard David Precht 2020), der historische Kontext des Systems Schule. Daneben stellen auch die steigenden Anforderungen aus der Wirtschaft an zukünftige Arbeitnehmerinnen, wachsend aus dem Leistungsprinzip, sich als Herausforderung für die Chancengleichheit dar.

Art. 12 Abs. 1 GG sichert die Freiheit der Berufswahl für alle deutschen Bürgerinnen. Abseits der Diskussion um die Korrelation von Noten und der Berufschancen bzw. der sich daraus möglicherweise entwickelnden Berufswahl bleibt die Frage, ob und inwiefern das dreigliedrige Schulsystem im Kontext des Leistungsprinzips unzulässige Auswirkungen auf die Freiheit hat.

Der Fokus zur Beantwortung dieser Frage bildet hier der historische Kontext des deutschen Schulsystems, die Betrachtung der politikfeldspezifischen Prinzipen der Chancengleichheit und der Leistung, im Kontext des Schulwesens, sowie ein Versuch zur Darstellung der Berufswahlfreiheit. Hierzu wird zunächst die historische Entwicklung des Schulsystems in Deutschland im gesellschaftlichen und demokratischen Wandel betrachtet. Anschließend erfolgt der Blick auf die Berufswahlfreiheit, um dann die politikfeldspezifischen Prinzipien im Kontext des Schulwesens und ihre Auswirkungen auf jenes darzustellen. Im letzten Schritt werden, im Rahmen eines Resümees, die vorher gesammelten Punkte unter Berücksichtigung der aufgestellten These zusammengefasst, um eine abschließende begründete Aussage treffen zu können.

2. Das deutsche Schulsystem

In diesem Kapitel soll zunächst das deutsche Schulsystem vorgestellt werden, um im späteren Verlauf die mögliche Einschränkung der Berufswahlfreiheit diskutieren zu können. Dazu ist es unumgänglich zunächst die historische Entwicklung des Schulsystems darzustellen, um das aktuelle Schulsystem verstehen und im späteren Verlauf der Diskussion mitdenken zu können. Anschließend an die historische Aufarbeitung wird der aktuelle Stand des Schulwesens umrissen. Das deutsche Schulsystem ist in seiner Historie keineswegs frei von diversen Arten der Diskriminierung, auch abseits der Zeiten des Nationalsozialismus. Vor allem genderspezifische Unterscheidungen bilden eine durch alle Jahrzehnte hinweg gehende dauerhafte Diskriminierung. Auf diesen Umstand kann an dieser Stelle lediglich hingewiesen werden, um ein Bewusstsein dieser Problematik zu verdeutlichen. Die vorgegebene Beschränkung lässt allerdings keinen Raum, um die Thematik angemessen zu Problematisieren und wäre zweifelsohne eine eigene Ausarbeitung wert.

2.1 Historischer Abriss

Zu Beginn soll deutlich gemacht werden, dass die hier vorgenommene historische Darstellung des deutschen Schulsystems nur in gekürzter Form stattfinden kann. Entsprechend werden hier einige markante, historisch bedeutsame Geschehnisse in den Fokus genommen. Wenngleich die Herleitung des historischen Kontext des deutschen Bildungssystems an den Wurzeln des religiös-kulturellen Kontextes der europäischen Geschichte beginnen müsste, so kann im Rahmen dieser Arbeit erst ab der Etablierung der Schule als verpflichtendes System im 18. Jahrhundert begonnen werden. Es beginnt hier also in Preußen mit Friedrich Wilhelm I., der 1717 den Versuch unternahm eine Unterrichtspflicht einzuführen. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts kommt es immer wieder zum Versuch diese einzuführen, allerdings bleiben die Versuche erfolglos. Es dauert bis ins 19. Jahrhundert, um die Unterrichtspflicht für alle Kinder und Jugendliche, im Zuge des allgemeinen Landesrechts, in Preußen zu realisieren. Das „Allgemeine Landesrecht" sieht eine Unterteilung des Bildungswesens in zwei institutionell voneinander getrennte Schulformen vor. (Vgl. Ackeren und Klemm 2011, S. 20) Einem niederen („gemeine Schule"), mit dem Zweck eines ersten Unterrichts und einem höherem („Gymnasia"), mit dem Zweck zur Vorbereitung zu „höheren Wissenschaften, oder auch Künsten und bürgerlichen Gewerben" (Allgemeines Landesrecht Titel XII, § 54, zitiert nach Ackeren und Klemm 2011, S. 15). Für die erfolgreiche Realisierung der Schule als staatlichen Institution entscheidend waren die Selektions- und Allokations, Qualifikations-, sowie die Legitimationsfunktion der Schule. Gewachsen sind diese durch die noch stattfindende Auflösung der Stände und der Emanzipation des sich bildenden Bürgertums gegenüber dem Adel, die ökonomische und die staatliche Verwaltungsentwicklung und deren Bestrebungen qualifiziertes Personal auszubilden, sowie des Entwickelns eines Staats- und Nationalbewusstseins seitens des preußischen Staats. (Vgl. Ackeren und Klemm 2011, 14 f) Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein dritter Schulzweig. Das Mittelschulwesen hatte nicht zum Zweck auf eine akademische Laufbahn vorzubereiten, sondern verstand sich als bürgerlicher, praxisbezogener Bildungsweg, was der entstehenden Industrialisierung innerhalb der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Gute kam. (Vgl. ebd., S. 23 ff) Des Weiteren wurde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aufgrund der Befreiungspolitik und der technologischen Entwicklung ein eigenständiges Berufsschulwesen eingeführt. Generell war man sehr um Modernisierung bemüht, zeitgleich entstehen Reformpädagogiken mit dem Ziel „gegen die Formalisierung des Unterrichts“ (ebd., S. 33, Hervorh. im Orig.) vorzugehen. Die Aufteilung auf die drei Schulwesen wurden als der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung nicht mehr gerecht betrachtet. Es kam infolgedessen zur Abschwächung der Bildungsbegrenzung des niederen Schulwesens mit mehrklassigen Volksschulen, kleinerer Lerngruppen und fachlich ausdifferenzierten Lehrplans. (Vgl. ebd., S. 24 ff) Mit der Weimarer Republik im Zusammenhang der Reformpädagogiken begann die Demokratisierung des Schulalltags. Zeitgleich wurde die bestehende Struktur des Ständeprinzips hinterfragt, was innerhalb des Schulwesens zu einem Wechsel zum Leistungsprinzip führte. Die fehlende Mehrheit für die grundlegende Neustrukturierung des Schulwesens führte zum Weimarer Schulkompromiss mit der Diskussion um eine Einheitsschule, deren Realisierung bis heute immer wieder thematisiert wird und der Einführung der Grundschule, welche zu einer Verlängerung der Schulpflicht zu zehn bzw. dreizehn Jahren führte. (Vgl. ebd., S. 33 ff) Das verpassen der Einführung der Einheitsschule der Weimarer Republik ermöglichte es dem Nationalsozialismus eine Selektierung nach dem „Prinzip der Auslese“ (ebd., S. 35, Hervorh. im Orig.), ergänzt durch eine „rassistische Dimension“ (ebd., S. 36, Hervorh. im Orig.) vorzunehmen. Dazu wurde die Schulstruktur um die zwei Schultypen „Nationalpolitische Erziehungsanstalt" und „Adolf-Hitler-Schule" erweitert, aus denen neuer Führungsnachwuchs herangezogen werden sollte. Außerdem kam es zu einer Fokussierung der Veränderung der inhaltlichen Ebene, die stark durch die nationalsozialistische Propaganda durchdringt wurde. (Vgl. ebd., S. 35 ff) Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs folgte eine erneute Demokratisierung der Schule durch die Siegermächte und deren Potsdamer Abkommen, in dem unter anderem formuliert wurde, dass die Lehren des Nationalsozialismus überwunden werden sollen (Vgl. ebd., S. 37). 1947 gab der Alliierten Kontrollrat seinen Beschluss zur Demokratisierung des deutschen Bildungswesens bekannt. Zentral waren dabei drei Aspekte, eine ökonomische Öffnung der Schultypen für alle, eine strukturelle Zusammenführung des Schulwesens für die Pflichtschulzeit zu einem zusammenhängenden Bildungssystems und eine inhaltliche Wertlegung auf die Erziehung zu staatsbürgerlicher Verantwortung und demokratischen Lebensstil (Vgl. ebd., S. 38) Die Realisierung dieser Grundsätze vollzogen sich in der DDR und der BRD verschieden. In der DDR kam es zur Entwicklung einer Polytechnischen Oberschule und einer Erweiterten Oberschule zur Vorbereitung eines Hochschulstudiums, deren Unterricht inhaltlich sehr auf die sozialistische Ideologie ausgerichtet war. Zur Wende 1989 kam es weitestgehend zu einer Anpassung an das Schulsystem der BRD. (Vgl. ebd., S. 38 f) Das Schulsystem der BRD wurde, unter anderem als Folge des Kalten Kriegs, entgegen der Reformansprüche der Besatzungsmächte restauriert. Die Kultusministerkonferenz hielt im Düsseldorfer Abkommen an der Struktur des Gymnasiums der Weimarer Republik fest. Außerdem blieb in den fünfziger Jahren die mittelalterliche Selektierung in höhere und niedere Bildung bestehen. 1959 unterbreitet der „Deutsche Ausschuss“ (ebd., S. 39, Hervorh. im Orig.) einen Vorschlag zur Reform des deutschen Schulsystems, in dem er von einer Notwendigkeit der Dreigliederung des Schulsystems aufgrund der arbeitsteiligen Gesellschaft schreibt. (Vgl. ebd., S. 39 f) In den 70er Jahren kam es zu erneuten Diskussionen der in der Weimarer Republik angestoßenen Einheitsschule, auf Grundlage von ökonomischen bürgerrechtlichen Argumentationen. Auf Empfehlung des deutschen Bildungsrats kommt es zu einer teilweisen Einführung eines integrierten Gesamtschulsystems, allerdings bleibt die Revolution des Schulsystems wieder aus. (Vgl. ebd., S. 40)

2.2 Aktueller Stand

Das vorangegangene Unterkapitel hat in seiner kurzen Darstellung verdeutlicht, dass das Bildungssystem in Deutschland historische den Bedingungen des Föderalismus unterlegen war und erklärt damit die im Grundgesetz festgeschriebene Kulturhoheit der Länder. Gemäß diesem Gedanken wäre es erstrebenswert, die Besonderheiten und Gegebenheiten aller sechzehn Bundesländer darzustellen. Aus formalen Gründen ist dies allerdings nicht möglich, sodass hier nur die Gemeinsamkeiten zusammengeführt werden können, um einen groben Überblick zu erhalten.

Die frühkindliche Bildung sei an dieser Stelle erwähnt, da sie durch das Recht jeden Kindes auf einen Krippenplatz bzw. eine Betreuungsmöglichkeit §24 Abs. 2 SGB VIII, sowie einen Platz in einer Kindertagesstätte §24 Abs. 3 SGB VIII immer mehr an Bedeutung gewinnt. So besuchten zum 01. März 2019 insgesamt 34,3% aller Kinder unter drei Jahren bundesweit eine Kindertageseinrichtung (Statistisches Bundesamt (Destatis)). Die Betreuungsquote für Kinder zwischen dem 3 bis 5 Jahren lag bei 93,0% (Statistisches Bundesamt (Destatis)). So stellen die frühkindlichen Einrichtungen die erste Bildungsstation für viele Kinder dar, bevor diese mit vollenden ihres sechsten Lebensjahrs (in Ausnahmefällen auch schon früher (Vgl. ebd., S. 52)) Schulpflichtig werden und in einer Grundschule eingeschult werden. In der Grundschule lernen zunächst noch alle Kinder gemeinsam, bevor sie später den entsprechenden Schultypen zugeordnet werden. Mit Ausnahme von Brandenburg und Berlin, wo sich die Dauer auf sechs Jahre erstreckt, besuchen die Kinder die Grundschule für vier Jahre. Sinn der Grundschule ist es, die Vorbereitung auf den folgenden Bildungsweg zu gewährleisten und grundlegende Kulturtechniken den Kindern nahezulegen. (Vgl. ebd., S. 49)

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Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das deutsche Schulsystem. Artikel 12 des Grundgesetzes im Kontext des dreigliedrigen Schulsystems
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
2,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
15
Katalognummer
V1006140
ISBN (eBook)
9783346386724
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schulsystem, artikel, grundgesetzes, kontext, schulsystems
Arbeit zitieren
Dan Norben (Autor:in), 2020, Das deutsche Schulsystem. Artikel 12 des Grundgesetzes im Kontext des dreigliedrigen Schulsystems, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006140

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