Gliederung
1. Sozio-kulturelle Hintergründe des amerikanischen Systems
1.1 Der > break< in den Siebzigern
1.2 Mentalitätswandel
2. Auswirkungen des Mentalitätswandel
2.1 Daten zqaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAur Entwicklung der Ein- und Wegsperrpolitik in den USA
3. Das Modell New York
3.1 Zero Tolerance oder das Problem mit den eingeschlagenen Fenstern
3.2 Der Weg zum Erfolg
3.3 Die Praxis
3.4 Die Philosophie
3.5 Warum ist das Modell New York in aller Munde
4. Kritische Fragestellungen und Diskussionsansätze
5. Tabellen und Statistiken 8
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
1. Sozio-kulturelle Hintergründe des amerikanischen Systems
Einige Erläuterungen vorneweg. Eigentlich soll es in diesem Vortrag um das Thema des neuen New Yorker Kriminalitätsbekämpfungsprogramms gehen, welches durch die Medien gepuscht, auch hierzulande eine neue Diskussion über Kriminalpolitik auslöste.
Das Modell New York besitzt eine Vorgeschichte, treffender formuliert (fast schon zynisch) es ist die logische Konsequenz einer Entwicklung, die bereits in den siebziger Jahren einsetzte.
1.1 Der „break“ in den Siebzigern
Nachdem in den sechziger Jahren die Zahl der Straftaten leicht rückläufig gewesen ist, steigt sie nun langsam wieder an, und in der öffentlichen Meinung setzt sich die Auffassung durch, daß der bisherige Rehabilitationsansatz/Resozialisierung nicht wirksam (greifen würde). Es wird das „Motto“ >nothing works< ausgerufen. Diese Entwicklung wird nun durch die `Entdeckung‘ von Sellin, der den sog. chronischen Straftäter (chronic/habitual offender) erstmals beschreibt ver- stärkt.1
Die ohnehin konservative, gesellschaftliche Grundeinstellung in der Kriminalitätspolitik (Todesstrafe in ?? Bundesstaaten) in Verbindung mit der nun bestehenden > nothing works< `Einsicht` ebnet nun auch einer repressiven Strafverfolgung und Einsperrpolitik den Weg. Der Präventionsansatz bekommt durch die vermeintliche Hilflosigkeit gegenüber den nicht „resozialisierbaren“ Kriminellen eine ganz andere Richtung. Verbrechensvorbeugung à la Safir (Polizeichef New Yorks) sieht wie folgt aus:
„Verbrechen beugt man am besten vor, indem man die Leute, die Verbrechen verüben von der Straße entfernt und die muß man verfolgen, verhaften und so lange wegsperren wie möglich“ (Der Spiegel 29/97, S.130).
1.2 Der Mentalitätswandel
Das amerikanische Gesellschaftssystem unterscheidet sich in einigen Punkten grundlegend von dem uns bekannten deutschen, wobei ich an dieser Stelle nicht in die Details ausschweifen möchte. Diese andere Einstellung zeigt sich ganz gut an der Bewertung des eigenen persönli- chen Erfolges. Man geht davon aus, daß Armut meistens auf eigenes Verschulden zurückzufüh- ren ist, und die Gesellschaft somit nicht für die daraus entstehenden Probleme und Nöte verant- wortlich ist. Die Sozialpolitik ist weniger von Programmen der Armutsbekämfpung geprägt, sondern vielmehr durch Hilfeleistungsprogrammme, die die unmittelbare Not lindern.2 Diese Haltung, gerade gegenüber armen Randgruppen ist nicht neu, wird aber durch die „neuen Erkenntnisse“ in den Siebzigern verstärkt. Mittlerweile kommt es soweit, daß selbst Mitleid, Verantwortung und Scham gegenüber Armen und anderen Randgruppen einem Gefühl der Unerträglichkeit wich.
„...Das hat sich geändert. Wir schämen uns nicht mehr, haben gelernt die Armen als Versager zu verachten, und fürchten uns auch nicht mehr vor ihrem Zorn, zumindest nicht sehr und poli- tisch kommt man auch ohne ihre Stimme (Anmerk. die der Armen & Randgruppen)durch, wenn man dafür die des weißen >middle America< bekommt“(Heinz Steinert in: Neue Kriminalpoli- tik 4/97, S.31).
2. Folgen des Mentalitätswandels
Natürlich bleibt dieser Mentalitätswandel, wie ich diese in Punkt 1.2 angesprochene Entwic k- lung nennen möchte, in der Praxis der Kriminalitätsbekämfpung nicht ohne Folgen. In einem Zeitraum von gut zwanzig Jahren findet eine stetige Verschärfung der Gesetze und Anordnungen zur Strafverfolgung statt, die einmalige Inhaftierungsquoten nach sich zog, die für andere westliche Demokratien (noch) unerreichbar sind -550 Gefangene auf 100.000 Einwohner, im Vergleich dazu Deutschland 85/100.000!3
⇒Tabelle 3
An dieser Stelle wären als Stichworte > war on drugs< der Krieg gegen Drogen, >three strikes and you ´ re out<, >mandatory sentences> die Ausweitung und VerschÄrfung von fixierten Stra fen und die Verabschiedung des > Violent Crime Controll and Law Enforcenment Act 1994< zu nennen, die im Folgenden erläutert werden sollen.
War on drugs oder die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen Der konservative Präsident Reagan ruft 1986 den Krieg gegen die (illegalen) Drogen aus, in Verbindung mit verschärften Gesetzen. Die Folge ist ein starker Anstieg der Gefangenenzahlen (siehe Tabelle eins im Anhang).
Verschärfte Gesetze bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem: Erhöhung der Minimalstrafgrenzen und Strafverschärfung bei Rückfall.
In der Praxis sieht es so aus, daß überwiegend Straßendealer gefaßt werden, wobei einige häu- fig nur dealen um ihren eigenen Bedarf zu decken. Die Wege auf denen der Stoff ins Land kommt bzw. weiter verteilt wird bleiben aber weitgehend unbehelligt. Der Krieg wird dadurch einseitig, und nur halbherzig betrieben, denn die großen „Fische“ bleiben unverändert im Teich. Ausgewogen und effektiv kann man dieses Konzept nicht nennen. Das Problem der Diskrimi- nierung von Schwarzen möchte ich an dieser Stelle nur erwähnen. Doch verblüffender Weise ist mit einer solchen Politik die Mehrzahl des Wahlvolkes zu gewinnen. Der beste Beweis dafür ist, daß ex-Präsident Bush und der amtierende Demokrat Bill Clinton den sog. >war on drugs< mit unverminderte Härte fortführen.
Siehe auch Tabelle 4-6
Mandatory Sentences und Violent Crime Control and Law Enforcement Act of 1994
Mandatory sentences läßt sich mit Strafmindestmaß oder fest fixierter Strafart übersetzen, und ist auch ein Kind der repressiven Strafverfolgung, die in den Siebzigern begonnen hat. Mit der Festsetzung von hohen Mindeststrafen, schon für kleinere Delikte, wird den Richtern von vornherein die (pädagogische) Möglichkeit ein mildes Urteil zu fällen entzogen. Die >mandatory sentences< finden in allen Bundesstaaten Anwendung, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung hinsichtlich der Strafbemessung.
Eine besondere Blüte dieser Praxis ist im Bundesstaat Alabama zu beobachten:
Alabama hat eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren für den Verkauf von Dro- gen; dazu kommen automatisch fünf weitere Jahre, wenn der Verkauf im Dreimei- lenumkreis einer Schule oder einer Wohngegend geschieht; dazu kommen noch au- tomatisch fünf weitere Jahre, wenn der Verkauf im Radius von drei Meilen sowohl einer Schule als auch eines Wohngebietes stattfindet, was bedeutet, daß ein Drogen- händler, unabhängig von der Menge der verkauften Drogen, in Birmingham, Alaba- ma, zu einer 12jährigen Freiheitsstrafe verurteilt wird, da in dergesamten Stadt alle Kriterien für die Höchststrafe erfüllt werden.(Enna McConell Clark Foundation `97 in: Ortner 1998, 73)
Diese Verschärfung der Strafbemessung und die 1994 vorgenommene Verabschiedung des >Violent Crime Control and Law Enforcement Act of 1994< sind in hohem Maße mitverant- wortlich für die Steigerung der Inhaftierungsquote von ca. 300% in einem Zeitraum von 20 Jahren.(1970-1991).4
Hauptzweck dieses Gesetzes ist die Bekämpfung und Verhütung von Verbrechen, für die fast 32 Milliarden US-Dollar, auf sechs Jahre verteilt, zur Verfügung stehen. Interessant ist die Tatsa- che, daß dieses Gesetz ein sog. Artikelgesetz ist. Das zieht die Änderung weiterer Gesetze nach sich.
Auf der einen Seite wird eine bessere Polizeiausbildung und Bürgerfreundlichkeit angestrebt, auf der anderen Seite aber ist die berühmt-berüchtigte >three strikes and you are out< -Regel dem Gesetzesvorhaben entsprungen. >Three strikes and you are out< bedeutet übersetzt soviel wie drei Schläge und du bist draußen. Damit ist gemeint, daß jemand bei drei entsprechenden Verbrechen raus ist aus der Gesellschaft-für eine lange Zeit.
In den einzelnen Bundesstaaten gibt es auch andere Varianten. Sowohl die Anzahl der >Strikes< (Fehlschläge=Verbrechen), als auch die Art und Dauer der Strafe (des Aus) wird hier anders gehandthabt. Das Spektrum reicht von >two strikes bis four strikes< oder >two and three strikes< bis zu 10 Jahren Haft und lebenslänglich.
Jedoch ist die >three strikes and you are out< Regel am weitesten verbreitet. Hierbei zählt nicht mehr der Umstand und die schwere der einzelnen Tat, sondern nur die Tat an sich5.
Das daraus resultierende Ergebnis ist der stetige Anstieg von Inhaftierten, die natürlich einen Haftplatz brauchen. Diese kosten aber viel Geld und so hat der Staat eine Art Strafvollzugs - Outsourcing betrieben und privaten Firmen die Genehmigung erteilt Gefängnisse zu betreiben. Mittlerweile ist daraus ein lukrativer Industriezweig erwachsen, der die repressive Strafrechtspolitik mit allen Mitteln unterstützt.
2.1 Daten zur Entwicklung der Ein-und Wegsperrpolitik
-Die Zahl der1960 in Bundes- und Staatsgefängnissen Inhaftierten beträgt 212.953. Dann ist ein leichter Rückgang um 1970 auf 196.441 zu verzeichnen, der aber schon 1980 durch die Zahl von 329.821 Inhaftierten mehr als aufgeholt wird. Der Höhepunkt sind 1996 1.182.169 Inhaftierte!6
-1995 kommen auf 100.000 Einwohner ca. 600 Inhaftierte. Zum Vergleich: Rußland 690
Inhaftierte pro 100.00 Einwohner und Deutschla nd 85/100.0007
-Der Anteil, der wegen Drogendelikten Verurteilten an der Gesamtverurteiltenzahl beträgt 1980 24,9%; 1985 34,4%; 1990 52,3%; 1995 60,0%8 (Tabelle 4 )
-Entwicklung der Gefängnis- und Inhaftiertenzahlen fi Tabelle 1&2
3 Das Modell New York
In dem vorherigen Teil ist von dem New Yorker Modell der Zero Tolerance Politik noch keine Rede gewesen, aber diese beschriebenen Entwicklungen sind meiner Meinung nach von ent- scheidender Bedeutung , da sie den Weg für das Modell New York geebnet haben. Das Konzeptmodell >New York< ist nicht wie Phönix aus der Asche auferstanden, sondern vielmehr das (logische) Ergebnis einer in den siebziger Jahren begonnenen repressiven Weg- und Einsperrpolitik. Angeblich soll dies der einzige Weg sein sich gegen die Kriminalitaät weh- ren zu können.
Ein Name der mit dem „Erfolg“ des Modell New York untrennbar verbunden ist, ist Willam Bratton, der mittlerweile Ex-Polizeichef von New York. Heute hat Bratton eine eigene Sicher- heitsfirma (übrigens sehr erfolgreich), nachdem er von Bürgermeister Guilino gefeuert worden ist.
3.1 Konzept des Models Zero Tolerance und die zerbrochenen Fenster
Der wesentliche Baustein des New Yorker Modells ist das >Zero Tolerance< Verhalten (Null Toleranz) der Polizei gegenüber Straftaten. Das Modell verfolgt auch kleine Strafta- ten/Ordnungswidrigkeiten wie z.B. Schwarzfahren und unerlaubtes Betteln oder Kleinkriminalität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Durch das „harte Durchgreifen“ von Anfang an, gerade gegen Ordnungswidrigkeiten und Kleinkriminalität, wird verhindert, daß ein Klima entsteht, in dem sich die Gewaltkriminalität ausbreitet, so besagt es jedenfalls die Theorie.
Ausgangspunkt oder besser der Ursprung dieser Theorie ist die von James Q.Wilsson und Ge- org L. Kelling entwickelte Broken-Windows-Theorie. Diese bereits1982 veröffentlichteTheorie wird erst richtig bekannt, als Wilson Berater der New Yorker Subway-Polizei wird. Als sein Chef Bratton die Theorie in sein Kriminalitätsbekämpfungsprogramm aufnimmt, feiert er nicht nur einen Sieg nach dem anderen gegen das Verbrechen, sondern erlangt dadurch auch das Inte- resse der Öffentlichkeit.
Wilson und Kelling sind folgender Ansicht:
Die Polizei einen Fehler mache, wenn sie Zeichen von Unordnung und Vandalismus; zerschla gene Fensterscheiben, Trunkenheit und Urinieren in der Öffentlichkeit, Graffiti, Prostitution und ähnliches ignoriere und sich weitgehend auf die Bekämpfung schwerer Kriminalität konzentriere. Vielmehr sei gerade eine Bekämpfung dieser Zeichen städti- schen Zerfalls Voraussetzung für eine Reduktion auch schwerer Formen von Kriminali- tät. Einerseits würden durch eine solche Strategie der Polizei erkennbare Signale für to- leriertes, beziehungsweise untoleriertes Verhalten gesetzt, was das Vertrauen der Be- völkerung in ihr Wohnquartier wiederherstelle und auf potentielle Delinquenten ab- schreckende Wirkung habe.( Manuel Eisner in: Ortner 1998, 111)
Ein immer wieder kehrendes Symbol in den Ausführungen von Wilson ist die zerbrochene Fen- sterscheibe, deshalb auch der Name >broken windows theory<. Eine zerbrochene Scheibe, die nicht repariert wird gleicht einer nicht geahndeten Ordnungswidrigkeit oder Straftat, und ist ein Zeichen für unzureichende Kontrolle im öffentlichen Raum - es kümmert sich keiner mehr darum. Dies führt nun dazu, daß immer mehr Unordnung und schließlich auch Verbrechen statt- finden, da keine negativen Konsequenzen für den Straftäter zu erwarten sind. Daher ist frühes, kontrollierendes Eingreifen die beste Methode, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewähr- leisten und präventiv einzugreifen.9
Am Anfang der Konzeptumsetzung muß noch ein schon fast vergessenes Experiment des Psychologen Zimbardo für die Schlüßigkeit der Broken-Windows-Theorie herhalten. Das Experiment besteht darin, daß Zimbardo ein Auto mit abgeschraubten Nummernschildern in der Bronx abstellt und das andere in Palo Alto, einem friedlichen kleinen Städtchen. Nach 24 Stunden ist das Auto in der Bronx nicht mehr als solches zu bezeichnen, hingegen bleibt das andere Auto eine Woche la ng unberührt. Allerdings ändert sich das schlagartig als Zimbardo mit einem Hammer die Windschutzscheibe einschlägt. Nach kurzer Zeit ist dieses Auto ebenfalls zerstört. Die Täter waren überwiegend Weiße.
Doch schon bald hat Bratton mit seinem „Hart Durchgreifen Programm“ in der U-Bahn erste Erfolge zu verzeichnen, und wer Erfolg, hat der wird nicht kritisch hinterfragt, der wird zur Belohnung zum Polizeipräsidenten befördert, erst recht wenn Wahlkampf ist.
3.2 Der Weg zum Erfolg
Um seine Ideen in die Praxis umzusetzen zu können, muß Bratton die New Yorker Polizei umstrukturieren.
Das beinhaltet : Aufstockung der Polizeibeamten auf einen Schlüssel von einem Polizisten pro 200 Bürger, Auflösung doppelt vorhandener Spezialabteilungen, Versetzung oder Entlassung von ungeeigneten Polizisten (gerade auf Führungsebene) und der Einrichtung eines Computersystems (Computerised statistics), das alle Distrikte miteinander vernetzt und effizienten Datenaustausch ermöglicht. Hinzu kommt die Neuerung, daß die Polizeikommandanten der einzelnen Precincts (Distrikte) mehr Eigenverantwortung bekommen.
So einfach wie es sich in der Kurzform anhört ist es natürlich nicht - jeder , der versucht hat eine größere Organisation umzukrempeln weiß wie schwer dies ist. Jedoch ist auch Bratton nicht ganz alleine, denn mit dem konservativen Bürgermeister Giuliani und der ihm wohlgesonenen Presse hat ein mediengewandter Mensch wie Bratton, der sich und sein Produkt (die öffentliche Sicherheit) exzellent verkauft, gute Chancen,
3.3 Die Praxis
Im Polizeialltag sieht es so aus, daß die Leute, die eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit bege- hen und von der Polizei festgenommen werden auf eines der 76 Precincts gebracht werden und dort ein erkennungsdienstliches Verfahren durchlaufen, wobei Fingerabdrücke und die Ergeb- nisse des >debriefing< (verhörähnliche Befragung) in den >Compstat-Rechner< eingegeben werden. Dadurch entstehen riesige Datenbanken und wenn derjenige wider auffällig wird braucht man nur im Computer seine Akte anzuschauen und alle wissen Bescheid.
Neuerdings gibt es die Möglichkeit bei einer kleinen Straftat oder Ordnungswidrigkeit mit einer Verurteilung zum Dienst an der Gesellschaft davonzukommen, allerdings nur wenn man sich schuldig bekennt. Bei Gewaltverbrechen hat man von vornherein schlechte Karten, ich erinnere an die Stichwörter: Mindeststrafe und >three strikes and you are out < im ersten Teil.
Nicht nur für die, gegen die der Krieg geführt wird hat sich etwas geändert, nein auch der Polizeidienst hat andere Schwerpunkte bekommen. Das Gewicht wird von Bekämpfung und Aufklärung der schweren Kriminalität hin zu der Verfolgung von minderen Vergehen verlagert. Für Recht und Ordnung auf der Straße soll nun gesorgt werden.
Gnadenlos werden auch sog. >quality of life crimes< verfolgt, mindere Vergehen wie Graffiti-Sprühen, aggressives Betteln, Abspielen überlauter Musik, Schwarzfahren und unter Umständen selbst das Überqueren der Straße bei roter Ampel geahndet.(Spiegel, 29/1997 S.128)
Hart durchgreifen können gegen alle , die stören und (negativ) abweichen ist die eine Seite, aber unter einem enormen Kontroll- und Erfolgsdruck zu stehen, ist die andere Seite der Medaille. Wöchentlich werden die Verbrechensstatistiken für die jeweiligen Precincts von Compstat berechnet, und in der Zentrale erörtert. Wenn die Deliktquote zu hoch ist, wird der Comander zu einem Gespräch bestellt bei dem das weitere Vorgehen besprochen wird. Bleibt die Quote weiterhin schlecht, muß der Comander gehen. Brattons Nachfolger Safir versetzte oder tauschte allein seit 1996 54 der 76 Precinct-Commandeure aus.10
Eine Struktur die den Druck von oben bis an den Streifenpolizisten, den Mann an der Front weiterleitet.
3.4 Die Philosophie
Verschiedene Personen haben an dem Modell New York gearbeitet oder arbeiten weiterhin daran, doch so verschieden sie auch in ihrer Art sein mögen - sie eint die gleiche Philosophie, die sie ihrer Arbeit zugrunde legen.
Einige Zitate, die für sich selbst sprechen :
Safir hat immer den Überblick darüber, wo es „brennt“ und wie gut seine Cops die Lage im Griff Haben. „Der Schlüssel zum Erfolg“ , glaubt er, „ist Information zur rechten Zeit.“ Der Kommissoner sieht in der Kontrolle seines Apparats die beste Voraussetzung für die Kontrolle in der Stadt (Spiegel 29/1997 S.127)
„Der amerikanische Traum. Alles wird gut. Was der Held der öffentlichen Sicherheit (Bratton) da gut gelaunt vertritt, ist eine Art polizeiliche Alchimie: „Die Polizei kann das Verhalten von Menschen ändern. Denn alles Verhalten ist erlernbar - und wir bestimmen die Lernbedingungen( Der Spiegel 28/1997, S.54)
Verbrechen beugt man am besten vor, indem man die Leute, die Verbrechen verüben, von der Straße entfernt“, führt der NYPD-Boß ( Safir) aus. Es handele sich dabei um eien mehr oder weniger begrenzte Gruppe, „ und die muß man verfolgen, verhaften und so lange wegsperren wie möglich (Der Spiegel 29/1997, S.129)
3.5 Warum ist das Modell in aller Munde ?
Was die Broken -Windows-Theorie so verführerisch macht, ist die scheinbare Möglichkeit , „daß man die von Wilson / Kelling skizzierte Geschichte zurückdrehen kann, indem man einfach die zerbrochenen Fensterscheiben repariert“(Spiegel 28/1997, S.56).Man kann endlich mal hart durchgreifen und gleichzeitig die Präventionsarbeit machen - zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Endlich mal ein Konzept wo nicht gleich die ganze Welt verbessert werden muß. Und das beste daran, die Gesellschaft besitzt in diesem Ansatz keine Kollektivschuld für Armut und kriminelles Verhalten. Schuld ist der, der sich kriminell verhält.
Außerdem ist die Logik des Systems benutzerfreundlich, es wird nur schwarz weiß gedacht. Lästige pädagogische Fragen nach den Umständen und dem Warum fallen einfach weg.
4. Kritische Fragestellungen und Diskussionsansätze
Einige kritische Fragen/Anmerkungen zum Vorzeigemodell New York: -Eine konkrete Wirkungsforschung des Konzepts >zero tolerance< wird nicht in Auftrag gegeben. Die Frage ob die sinkenden Deliktzahlen nicht maßgeblich durch andere Faktoren bestimmt wird ist nie ernsthaft überprüft worden. Das Motto wer Erfolg hat, dem wird recht gegeben hat sich wiedermal durchgesetzt.
- Die Zahl der polizeilichen Übergriffe hat stark zugenommen. 5.600 Beschwerden pro Jahr, bei ca.38.000 Polizisten.11
- Die Besserungsfähigkeit wird vielen Straftätern aberkannt durch Regelungen wie die der three strikes and you are out .
- Es wird vorgerechnet, daß der Staat durch wegsperren noch Gewinn erzielt, denn der Scha- den, den der Gefangene in Freiheit anrichten würde, läge wesentlich über den Inhaftie- rungskosten, was einer Milchmädchenrechnung gleichkommt12
5. Tabellen und Statistiken
Siehe Anhang
6. Literaturverzeichnis
Steinert, Heinz (1997):Das Große Aufräumen, oder: New York als Modell. In: Neue Kriminalpolitik Heft 4/1997, S.28-33
Wacquant, Loic J. D. (1997): Vom Wohltätigen zum Strafenden Staat. Über den politischen Umgang mit dem Elend in Amerika. In: Neue Kriminalpolitik Heft 2/ 1997, S.16-23
Neffe, Jürgen: Verfolgen, verhaften, einsperren. In: Der Spiegel, Ausgabe 29/1997, S.126-135 Darnstädt, Thomas: Der Ruf nach mehr Obrigkeit. In: Der Spiegel Ausgabe 28/1997, S.48-61
Weitekamp, Elmar G. M.: And the Band Band Played On oder Wahnsinn und kein Ende: Amerikanische Strafrechtspolitik.. In: New Yorker >Zero Tolerance<-Politik Hsgb. v.: Ortner, Helmut u.a. Nomosverlag Baden-Baden, 1998 1. Aufl.
Eisner, Manuel. Rückgang von Kriminalität in den Städten: Die USA und die Schweiz im Vergleich. In: New Yorker>Zero Tolrance<-Politik Hsgb. v.: Ortner, Helmut u.a. Nomosverlag Baden-Baden, 1998 1. Aufl.
7. Anhang
[...]
1 vgl. Ortner (1998)
2 vgl. Loic J. D. Wacquant in: Neue Kiminalpolitik 2/97
3 Heinz Steinert in: Neue Kriminalpolitik 4/1997, 30
4 entnommen aus Loic J.D. Wacquant in: Neue Kriminalpolitik 2/1997, 19
5 vgl. Elmar G. M. Weitekamp in: Ortner 1998
6 entnommen aus Ortner 1998, S.70/71
7 ebd.
8 entnommen aus Elmar G. M. Weitekampin: Ortner 1998, S.77
9 vgl. Wilson und Kelling 1982
10 vgl. Der Spiegel 29/97 S.127
11 vgl. Verkaufsschlager >Zero Tolerance> in Neue Kriminalpolitik 4/1997
12 vgl. Ortner 1998, 47
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- Alexander Franke (Autor:in), 2001, New York New York!? Eine kriminalpolitische Dikussion am Modell New York, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100616