Diese Arbeit begibt sich auf die Suche nach Müll in literarischen Texten zeitgenössischer indigener Autor*innen Nordamerikas, um auf diese Weise hinter stereotypische Vorstellungen und festgefahrene Meinungen in Bezug auf Abfall, Natur und die indigene Bevölkerung Nordamerikas zu blicken. Es wird sowohl der Müll, der als Gegenstand eine Rolle in einem Text spielt, als auch die Verwendungen von Müll als Metapher in den Blick genommen. Es wird untersucht, wie sowohl Dinge als auch Lebewesen aus bestimmten Blickwinkeln als Müll betrachtet oder mit ihm auf eine Stufe gestellt werden und wie ihnen gleichzeitig aus anderer Perspektive ein neuer Wert zugeschrieben wird. Dabei werden die Ansätze des Postkolonialen Ecocriticism sowie der Discard Studies verfolgt. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Leslie Marmon Silkos "Ceremony", Thomas Kings "Truth & Bright Water", Louise Erdrichs "The Antelope Wife" und Gerald Vizenors "Dead Voices" sowie dessen Kurzgeschichte "Landfill Meditation".
Fast ebenso problematisch wie die Bezeichnung indigener Literaturen und Autor*innen als postkolonial ist ihre Einordnung in die Kategorie Native American bzw. First Nation Literatur. Während Choctaw-Cherokee Autor und Wissenschaftler Louis Owens davon ausgeht, dass es eine Native American Literatur gebe, die sich unter anderem durch die zu einem hohen Grad übereinstimmende Weltsicht, die sich in den Romanen indigener Autor*innen zeige, auszeichne, sind andere indigene Schriftsteller*innen mit einer solchen Kategorisierung ihrer Werke unzufrieden. Leslie Marmon Silko erklärte beispielsweise im Jahr 1998 in einem Interview, es sei an der Zeit, solche Bezeichnungen abzuschaffen. Zum einen kritisiert sie die dadurch erfolgende Abgrenzung von der Literatur euroamerikanischer Autor*innen, zum anderen seien Vielfalt und Unterschiede zwischen den einzelnen indigenen Schriftsteller*innen so groß, dass es kontrovers sei, sie zu einer Gruppe zusammenzufassen. Um diese Diversität der indigenen Kulturen und der von ihnen hervorgebrachten Arten von Literatur zu unterstreichen, nutzen einige Wissenschaftler*innen wie Suzanne Evertsen Lundquist und Jace Weaver die Pluralform ‚Native American Literatures‘. Entsprechend wird in dieser Arbeit die Bezeichnung ‚indigene Literaturen‘ verwendet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Müll als literarischer Untersuchungsgegenstand
- Postkolonialer Ecocriticism und indigene Literaturen
- Auswahl der Quellen
- Müll liegt im Auge des Betrachters
- Definition und Bedeutungsvielfalt im Englischen
- Müll und Natur - ein Gegensatz?
- „There's good shit and there's bad shit“
- Die Rolle der Materialität
- Anthropologen im Abwasserkanal
- Abfall des Körpers, der Körper als Abfall
- Ambivalenz und Spiritualität von Körperabfällen
- Entsorgung oder Bestattung?
- Wasted places, wasted people - Marginalisierung und (Umwelt)Rassismus
- „Wastelands“ und „leftovers“
- Leben im und vom Abfall
- Ruinen und ruinierte Menschen
- Zerstörte Landschaften
- Radioaktiver Kolonialismus
- Garbage the new buffalo?
- Das Stereotyp des Ökologischen Indianers
- Shepard Krechs The Ecological Indian
- Indigene und die Verbindung zur Natur
- Der finanzielle Reiz der Deponie
- Die zwei Seiten der Souveränität
- Das Deponie-Dilemma
- Wessen Müll, wessen Land?
- Der Müll kommt auf vielen Wegen ins Reservat
- „It is still Mother Earth“ – Abfallentsorgung auf euroamerikanischem Land
- Abfall als Symbol für Exzess
- Aus den Augen, aus dem Sinn
- Naturverbindung durch Müllmeditation
- Das „weg“ in wegwerfen existiert nicht
- Positive pollutions
- Problematisierung von Reinheitskonzepten
- Plastikschamanen und Müllrituale
- Eine Frage der Authentizität
- Keine Kultur bleibt unverändert
- Gegenstände und ihre Geschichten
- Betonies Abfallarchiv
- Helens Quilt
- Spielerischer Umgang mit Müll
- Geschichten recyceln
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Thema Müll in zeitgenössischen literarischen Texten indigener Autor*innen Nordamerikas. Ziel ist es, Müll nicht nur als symbolische und narrative Ressource, sondern auch als Ausdruck der historischen und gegenwärtigen Herausforderungen indigener Gemeinschaften in den USA und Kanada zu untersuchen.
- Die Rolle von Müll als Symbol für Kolonialismus, Umweltverschmutzung und marginalisierte Lebenswelten
- Die Auseinandersetzung mit dem Stereotyp des Ökologischen Indianers und dessen problematischen Auswirkungen
- Die Verbindung zwischen Müll und indigenen Konzepten von Natur, Kultur und Spiritualität
- Die Frage der Abfallentsorgung, Ressourcenverteilung und indigener Souveränität
- Die kritische Betrachtung von Ansätzen zur nachhaltigen Entwicklung und indigenen Perspektiven auf die Müllproblematik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Ausgangsthese der Arbeit vor und definiert den Müll als literarisches Motiv. Sie beleuchtet den Kontext des postkolonialen Ecocriticism und die Bedeutung indigener Literaturen in diesem Zusammenhang. Die Auswahl der Quellen und die Methodik werden erläutert.
Das zweite Kapitel analysiert die Bedeutung des Begriffs „Müll“ im Englischen und untersucht dessen Ambivalenz im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur. Es beleuchtet die Rolle der Materialität und die Bedeutung anthropologischer Perspektiven auf Abfall.
Das dritte Kapitel widmet sich der Thematik der Marginalisierung und des (Umwelt)Rassismus, die mit dem Begriff „Müll“ verbunden sind. Es untersucht die Verbindung zwischen Müll und „Wastelands“ sowie die Lebensbedingungen im und vom Abfall.
Das vierte Kapitel beleuchtet das Stereotyp des Ökologischen Indianers und dessen Rolle im Zusammenhang mit der Müllproblematik. Es analysiert den finanziellen Reiz der Deponie und die Frage der indigenen Souveränität im Hinblick auf die Abfallentsorgung.
Das fünfte Kapitel erforscht die Möglichkeit einer „positiven Verschmutzung“ und hinterfragt Reinheitskonzepte. Es analysiert die Verwendung von Müll in indigenen Ritualen und Geschichten sowie den spielerischen Umgang mit Abfall als kreative Ressource.
Schlüsselwörter
Müll, indigene Literaturen, postkolonialer Ecocriticism, Umweltverschmutzung, Marginalisierung, (Umwelt)Rassismus, Ökologischer Indianer, Abfallentsorgung, indigene Souveränität, Ressourcenverteilung, Nachhaltigkeit, Ritual, Geschichte.
- Arbeit zitieren
- Anne Zeiß (Autor:in), 2020, Müll als Motiv in zeitgenössischen literarischen Texten indigener Autor*innen Nordamerikas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1006894