Eugen Kogon - Der SS-Staat


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

8 Seiten


Leseprobe


Eugen Kogon : Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager.

Referat.

1. Über das Buch

„Der SS-Staat“ ist, wie der Titel schon sagt, eine Abhandlung über das System des Terrors der Nationalsozialisten in Deutschland, insbesondere über das System der Konzentrationslager und den Aufbau der SS und deren Unterabteilungen.

Es wurde von Professor Doktor Eugen Kogon geschrieben. Kogon (geb.1903 in München) promovierte mit einer Arbeit über den Faschismus. Er wurde am 12.März 1938, direkt nach dem Einmarsch der Nazis in Österreich, in Wien inhaftiert und wurde zunächst in diversen Gefängnissen der Gestapo, dann von September 1939 bis April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald festgehalten.

Buchenwald war das erste große Konzentrationslager, das unversehrt von den Westalliierten eingenommen wurde. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers am 11.April 1945 wurde Kogon von einem Team der Psychological Warfare Division, das die Verhältnisse im Lager studieren und einen umfassenden Bericht an das Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte (SHAEF) senden sollte, beauftragt die Arbeit an diesem Bericht zu übernehmen. Dies war notwendig, da es für einen Außenstehenden kaum möglich war, das komplizierte System der Lager zu durchschauen und einen wahrheitsgemäßen Bericht der Zustände während der Gefangenschaft abzuliefern. Kogon schrieb den Bericht innerhalb von vier Wochen unter Mithilfe von hunderten von Mitgefangenen, die vor allem Augenzeugenberichte einbrachten.

Auf Anraten von Richard Crossman, dem späteren Abgeordneten der Labour Party und damaligem Mitarbeiter der Psychological Division arbeitete Kogon seinen Bericht innerhalb weniger Wochen zu einem Buch um, welches 1946 erschien.

1948 stellte Kogon dem Buch das Kapitel „Der Terror als Herrschaftssystem“ voran.

Struktur

Das Buch ist in 22 Kapitel unterteilt. Diese Kapitel sind in jeweils nur wenige Seiten lange kleinere Abschnitte eingeteilt. So ist zum Beispiel das Kapitel „Der Tagesablauf im Konzentrationslager“ in sieben weitere Abschnitte unterteilt, z.B.: „Der Morgenappell“ oder „Antritt zur Arbeit, Mittagspause und Einrücken“.

In diesen Abschnitten werden gebündelt und in sehr sachlicher Form Informationen über das jeweilige Thema gegeben. Der gesamte Schreibstil des Buches ist in keinster Weise übertrieben oder dramatisch, sondern immer sachlich und nüchtern gehalten.

2. Zum Inhalt

Da ich unmöglich die gesamte Flut von Informationen, die in diesem Buch gegeben werden, wiedergeben kann, habe ich mich entschlossen nur kurz auf die SS im allgemeinen sowie auf einige Beispiele für das Leben und Arbeiten im KZ einzugehen. Da Dinge wie Aufnahmerituale, Transportzustände, Missbrauch für medizinische Versuche oder die Unterbringung auf engstem Raum ja weitgehend bekannt sind, soll dazu vor allem die Organisation und Hierarchie eines Konzentrationslagers und ein typischer Tagesablauf im KZ gehören. Auf die Schilderung der sehr zahlreichen Einzelschicksale sowie willkürlichen Bestialitäten, die in diesem Buch beschrieben werden, möchte ich weitgehend verzichten.

2.1 Die SS

Organisation und Aufgaben

Die SS wurde 1929 als Hitlers schwarze Leibgarde gegründet und umfasste damals 250 Mann. Sie nannte sich Schutz-Staffel. Ihr Anführer war Heinrich Himmler. Bei Gründung der SS unterstand Himmler noch Ernst Röhm, dem Chef der SA. Die Zahl ihrer Mitglieder wuchs rasch an. Während es 1930 noch 2000 waren, waren es zur Zeit der Machtübernahme 1933 schon 50.000. 1944 hatte die SS ungefähr eine Million Mitglieder, davon 950.000 in der Waffen-SS.

1931 wurde der SD (Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS) unter Führung von Oberleutnant zur See Reinhard Heydrich gegründet. Der SD war eine Art Geheimdienst, vor allem zuständig für Spionage innerhalb der eigenen Reihen, also der Partei und ihrer Organisationen. Anfangs führte der SD noch relativ „harmlose“ Spionagetätigkeiten aus, später kam es jedoch immer häufiger zum Einsatz von sogenannten „SD-Rollkommandos“ zur Vollstreckung von Todesurteilen in den eigenen Reihen.

Nur durch Aktionen des SD ist es Himmler möglich gewesen, seine Macht in Partei und Staat wirklich zu festigen und zu bewahren.

Die SS wurde von Anfang an auf Adolf Hitler vereidigt. Obwohl sie ursprünglich nur als Leibgarde Hitlers konzipiert war, gewann die SS in Partei und Staat immer mehr an Bedeutung als Exekutivorgan des NS-Staates. Nach dem sogenannten Röhmputsch 1934 wurde die SS die mächtigste Organisation im Staat, da die SA keine politische Macht mehr ausüben konnte.

Die Macht der SS dehnte sich immer weiter auch auf andere Organe des Staates aus. Der Terror von Himmler und Heydrich stand 1936 an der Spitze seiner Macht: Himmler wurde Polizeichef ganz Deutschlands mit einem Machtapparat, wie es ihn noch nie gegeben hatte.

Die SS war weiterhin unterteilt in die Waffen-SS und die sogenannte Totenkopf-SS.

Die Waffen-SS war der Teil der SS, der nicht von der Partei sondern vom Staat finanziert wurde. Sie war der militärisch eingesetzte Teil der SS und stellte die Mehrheit der SS- Angehörigen. Die Waffen-SS galt von jeher als Elitetruppe, war von allen kämpfenden Truppen am besten ausgerüstet und kämpfte immer an der Spitze der Front. Daher hatten sowohl die Bevölkerung als auch die Wehrmacht und vor allem ihre Feinde größten Respekt vor ihr, nicht zuletzt auch wegen ihrer unmenschlichen Brutalität. Die Waffen-SS war die „erfolgreichste“ Truppe im Krieg, hatte jedoch auch die meisten Verluste zu beklagen (rund 1/3 und 36 Generäle). Der Waffen-SS werden häufige Massaker an Zivilisten zur Last gelegt.

Die Totenkopf-SS war der nicht an der Front eingesetzte Teil der SS. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Bewachung und Verwaltung der Konzentrationslager, Bewachung der Transporte von und zu den KZs sowie in Säuberungsaktionen innerhalb Deutschlands und der eroberten Gebiete. Vor allem auch die Aussortierung und Inhaftierung von Juden, Systemgegnern usw. aus der Zivilbevölkerung der eroberten Gebiete und innerhalb Deutschlands zählten zu ihren Aufgaben.

Ideologie der SS (sehr knapp zusammengefasst)

Die SS verstand sich selbst als Orden, mit dem Ziel die Reinheit des deutschen Blutes zu wahren und alles daran zu setzen, eine Verunreinigung durch andere Rassen auszuschließen. Es wurde die Errichtung einer germanischen Oberschicht angestrebt. Zu diesem Zweck mussten alle anderen Rassen weitgehend vernichtet werden. Das war das eigentliche Ziel der SS und deren Hauptaufgabe. Dieses Selbstverständnis wurde immer wieder gestärkt und beschworen durch militärischen Drill aber auch eine Art von „Romantik“, zum Beispiel praktiziert auf SS-Ordensburgen, durch Kameradschaftsgelübde und feierliche Zeremonien, häufig z.B. nächtliche Fackelmärsche.

Vor allem auch in der Hitlerjugend wurden diese Ideale früh gelehrt.

Personal der SS

Bis 1939 wurden in die SS nur Männer über 1,80m aufgenommen, deren Stammbaum bis mindestens 1750 „reindeutsch“ sein musste. Auch der Charakter musste im nationalsozialistischen Sinne einwandfrei sein. Nach 1939 wurden diese Regelungen gelockert, da immer mehr Personalnotstand eintrat.

Das Personal der SS bestand normalerweise aus aktiven Nazis, Idealisten und Abenteurern. Vermeintlich normalen Menschen, die psychologisch nicht auffällig waren. Sie wurden erst nach und nach zu dieser Art von menschlichen Monstern, wie sie in den KZs geherrscht haben, sado-masochistisch, brutal und unmenschlich in ihren Methoden.

Gegen Ende des Krieges wurden in die SS vor allem aber auch viele Ausländer, Söldner und Zwangseinberufene eingegliedert. Die Waffen-SS wurde gegen Ende des Krieges immer mehr zu einer Vielvölkerarmee aus Niederländern, Franzosen, Norwegern, Finnen, Briten, Russen, Tschechen, Ungarn, Polen, Italienern und so weiter.

2.2 Die Organisation in einem Konzentrationslager

Klassifikation und Kennzeichnung der Häftlinge

In die Konzentrationslager wurden vier Arten von Häftlingen eingeliefert:

-politische Gegner (Kommunisten, Sozialdemokraten...)
-Angerhörige „minderwertiger Rassen“(Juden, Zigeuner...)
-Kriminelle
-und sogenannte Asoziale

(Landstreicher, „harmlosere“ Kriminelle, z.T. fast willkürlich Verhaftete)

Die Häftlinge musste alle äußerlich sichtbare Bezeichnungen tragen, die in Form eines Dreieckswinkels auf die Kleidung aufgenäht wurde. In Auschwitz wurde die Häftlingsnummer in den linken Unterarm tätowiert.

Die Farben waren wie folgt verteilt:

Rot stand für die „Politischen“, Grün für Kriminelle (mit einem „S“ versehen für Sicherheitsverwahrte, die schweren Fälle), Violett für Bibelforscher, also Geistliche, Schwarz für Asoziale, Rosa für Homosexuelle, braun für Zigeuner. Juden trugen unter ihren sonstigen Markierungen ein querstehendes gelbes Dreieck, so dass ein sechszackiger Stern entstand. Sogenannte „Rassenschänder“, die die Nürnberger Blutschutzgesetze übertreten hatten, erhielten einen querstehenden schwarzen Dreiecksrand. Bei Ausländern wurde der Anfangsbuchstabe ihrer Nationalität dem Dreieck aufgedruckt. „Kriegsverbrecher“ bekamen ein K, „Arbeiterziehungshäftlinge“ ein A.

Angehörige der Strafkompanien hatten zwischen Nummer und unterer Winkelspitze einen talergroßen, schwarzen Punkt. Fluchtverdächtige bekamen eine weiß-rote Zielscheibe auf den Rücken aufgenäht oder aufgemalt.

Die SS hatte sogar ein Abzeichen für als blöd bezeichnete – eine Armbinde mit der Aufschrift „blöd“ oder ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin blöd“, dass um den Hals getragen werden musste.

Zum Teil entstanden absurde Dekorationen: so berichtet Kogon von einem jüdischen Bibelforscher (also ein violett-gelber Winkel ) mit Strafkompaniepunkt und Fluchtzielscheibe auf dem Rücken.

Die SS hat immer dafür gesorgt, dass eine Vermengung von Häftlingskategorien eintrat. Nie gab es ein KZ, indem nur eine Art von Häftlingen verwahrt wurde. Jedoch schwankten die Zahlenverhältnisse: so gab es von Politischen oder von Kriminellen beherrschte Lager.

Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen waren zum Beispiel lange Zeit in der Hand von politischen Häftlingen.

Dadurch wurden einerseits die größten Gegner, die Politischen, aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen und auf eine Stufe mit Kriminellen etc gestellt, andererseits wurden so Konflikte zwischen den Häftlingsgruppen geschürt und dauernde Gegensätze aufrechterhalten.

Hierarchie im KZ

Struktur der SS im Lager

Die Spitze des Lagers bildete der Kommandant des Lagers mit der Adjutantur. Er hatte volle Befehlsgewalt im Lager. Sein Adjutant sorgte für die Durchsetzung seiner Befehle.

Der Verwaltungsführer war der Kommandantur unterstellt und kümmerte sich um die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Lagers. Er hatte große Macht im Lager und von seiner Gunst hing viel für alle Beteiligten ab. Er hatte oft eine große Anzahl von Scharführern unter sich, die ihm als Hilfspersonal dienten.

Die direkten Vorgesetzten der Häftlinge waren die Lagerführer, ihre Zahl konnte in großen Lagern bis auf drei erhöht werden. Sie lösten einander bei der Kontrolle der Lager täglich ab und waren nur von der Kontrolle der Kommandantur abhängig. Sie waren die eigentlichen Herren der Gefangenen.

Ein wichtiges Verbindungsglied zwischen der Lagerführung und dem Lager war der Rapportführer. Über sein Büro lief die Kommunikation der Häftlinge mit den Lagerführern. Meistens gab es zwei von ihnen, die einander ablösten.

Dem Rapportführer unterstanden die Blockführer. Diese Individuen waren meist ausgesuchte Terroristen von hohem Rang, die praktisch alles durften. Sie waren zwar formal der Kommandantur unterstellt, allerdings wurde ihnen niemals ein Hemmnis in den Weg gelegt, im Gegenteil: Ständig erhielten sie Anweisung in schärfster Weise gegen die Häftlinge vorzugehen. Sie wohnten zwar außerhalb des Lagers, doch sie kamen zu jeder Tages- und Nachtzeit und hielten sich allein oder zu mehreren oft stundenlang unter den Häftlingen auf, die in ihrer Gegenwart kaum zu atmen wagten. Diese Männer sind Sinnbilder für den willkürlichen Terror der SS in den KZs geworden.

Ihnen gleichgestellt waren die Kommandoführer. Sie hatten die gleiche Aufgabe wie die Blockführer, nur bei den Arbeitskommandos.

Der Arbeitsbereich des Lagers unterlag dem Arbeitsdienstführer. Er organisierte und lenkte die Arbeitskommandos und hatte damit die Macht, jeden beliebigen Häftling zu jedem beliebigen Zeitpunkt in ein Arbeitskommando zu versetzen, dass ihn in kürzester Zeit das Leben kosten würde.

Die Politische Abteilung war die Vertretung der Gestapo im Lager. Sie war teilweise von der Lagerführung unabhängig. Oft herrschten Spannungen zwischen beiden, da sich die Lagerführung meist völlig exterritorial fühlte und sich nicht gerne in ihre Angelegenheiten reinreden ließ.

Struktur der Häftlinge

Die Verwaltung auf Häftlingsseite war immer auf Selbstverwaltung ausgelegt. Auch sie hatte jedoch ein festes Gefüge:

Ganz oben stand der Lagerälteste. Er wurde von der SS bestimmt. Anfangs gab es immer nur einen Lagerältesten, bei größeren Lagern wurden es im Laufe der Zeit aber bis zu drei.

Seine Aufgabe war, die Häftlinge vor der SS verantwortlich zu vertreten. Natürlich war diese Aufgabe äußerst gefährlich, weshalb sie Mut und Verantwortungsbewusstsein erforderte.

Meist wählte die SS natürlich Leute aus, die ihr gefügig waren und selbst korrupt und brutal.

Dem Rapportführer entsprach bei den Häftlingen die Schreibstube. Sie wurde ausschließlich von Häftlingen verwaltet und entzog sich zum Teil sogar der Kontrolle der SS. Ihr unterlag die gesamte Verwaltung des Lagers: Blockzuteilung, Verpflegungsverteilung, Appellvorbereitung und vieles mehr. Sie hatte sehr große Bedeutung für die Häftlinge und ihre Leistungen waren im Allgemeinen positiv.

Eine weitere wichtige Instanz war die Arbeitsstatistik. Sie regelte die Abrechnung der geleisteten Arbeitsstunden und die Verteilung der Häftlinge auf Transporte zu Außenkommandos. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel im KZ von einer einzelnen Instanz abhing. Mit ihrer Hilfe wurde vielen Häftlingen Leid erspart, indem sie beispielsweise von Todestransportlisten gestrichen wurden. Viele sind jedoch auch durch Intrigen in den Tod geschickt worden, indem sie an Orte gebracht wurden, wo sie durch Arbeit schwere Schäden nahmen.

Vorsteher der einzelnen Blocks waren die sogenannten Blockältesten, die vom Lagerältesten vorgeschlagen und von der Lagerführung bestätigt wurden. Sie waren verantwortlich für alles, was im Block geschah, und musste dem Blockführer gegenüber Rechenschaft ablegen. Zu seiner Unterstützung bestimmte er zwei bis drei Stubendienste pro Wohnflügel, die vom Lagerältesten zu bestätigen waren. Sie mussten für Ordnung im Block sorgen sowie das Essen zuteilen. Auch sie konnten große Macht ausüben und missbrauchten ihre Position zum Teil für Korruption und Tyrannei.

Der Arbeitsdienstführer setzte die sogenannten Kapos (vom frz. caporal oder ital. capo = Vorstand, Haupt) ein, die Vorsteher der Arbeitskommandos. Die Kapos hatten Vorarbeiter zur Seite, und waren reine Aufseher, die selber nicht arbeiten mussten. In sehr seltenen Fällen setzte die SS jedoch auch eigene Leute an ihrer Stelle ein. Die Kapos waren meistens bestechlich, korrupt und brutal. Es gibt jedoch Fälle, in denen die Kapos beispielhafte und sehr mutige Dienste gegenüber ihrem Arbeitskommando geleistet haben.

Die Lagerältesten, Blockältesten und die Kapos wurden durch schwarze Armbinden mit weißer Aufschrift gekennzeichnet.

2.3 Ein typischer Tagesablauf im Konzentrationslager

Wecken/Morgenappell

Bei Tagesanbruch wurden die Gefangenen durch Pfeifen geweckt. Die geschah im Sommer zwischen vier und fünf, im Winter zwischen sechs und sieben Uhr. Danach hatte man dreißig Minuten Zeit, sich zu waschen, zu frühstücken und sich anzukleiden, was manchmal aufgrund der Enge einfach unmöglich war.

Lagerführer Plaul, der in seiner Laufbahn mehrere KZs durchlaufen hat, führte überall wo er hinkam sogenannten „Frühsport“ ein. Das bedeutete, dass man eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Wecken 20 bis 30 Minuten lang in mörderischem Tempo Gymnastik betreiben musste, unter anderem ständiges auf und nieder in Schnee und Matsch. Diese Praxis hielt sich aufgrund zahlreicher Lungenentzündungen und sonstiger Todesfälle aber nirgendwo lang.

Das Frühstück bestand aus einem Teil der geringen Brotration, die jeder Häftling am Tag bekam, sowie einem halben Liter Suppe oder „Kaffee“ ohne Milch und Zucker.

Anschließend ging es zum Morgenappell. Jeder Block hatte auf dem Appellplatz seinen festen Platz. Während des Morgenappells wurde die gesamte Belegschaft gezählt, was in der Regel eine Stunde dauerte, bis es hell genug war um an die Arbeit zu gehen.

Dann folgte der Aufruf: „Die bestellten Häftlinge ans Tor!“. Gemeint waren damit alle, die am Abend vorher einen Zettel von der Schreibstube erhalten hatten. Die aufgerufenen Häftlinge hatten sich dann aufzustellen, und meist stundenlang zu warten. Während dieser Zeit waren sie den Schikanierungen und Prügeleien der SS-Leute, die überall herumlungerten schutzlos ausgeliefert. Bei einem solchen Aufruf konnte es sich jedoch auch nicht um ein Todesurteil, sondern um harmlose Dinge wie Anfragen von Angehörigen handeln, die natürlich gar nicht wussten, welche Qual und Ungewissheit sie den Häftlingen damit bereiteten.

Diesem Aufruf folgte sofort der Befehl: „Arbeitskommandos antreten!“ Dann rannten alle Mitglieder dieser Kommandos so rasch wie möglich unter den heiteren Klängen der Lagerkapelle zu dem für sie vorgesehenen Sammelplatz. Dann ging es im Laufschritt, Lieder singend, zur Arbeitsstelle.

Arbeit, Mittagspause und Einrücken

Gearbeitet wurde entweder bis zum späten Nachmittag mit einer halben Stunde Mittagspause im Freien, wobei es lange Zeit verboten war Brot bei sich zu tragen, oder die Kommandos rückten um zwölf Uhr für eine halbe bis dreiviertel Stunde ins Lager ein, um das Mittagessen herunterzuschlingen. Hierbei handelte es sich um die einzige warme Mahlzeit am Tag, meistens ein Liter mehr oder weniger dünner Eintopf.

Die Zwangsarbeit prägte das Leben in einem Konzentrationslager. Es gab im Lager sinnvolle Arbeiten, es gab aber auch völlig sinnlose, die nur dazu da waren, die Häftlinge zu Grunde zu richten. So musste man zum Beispiel Steine von einem Steinhaufen umschichten auf einen anderen, der hundert Meter weit weg war, nur um sie am nächsten Tag wieder zurück zu schleppen. Oder man musste eine Mauer bauen, um sie am nächsten Tag wieder abzureißen.

Man wurde in Arbeitskommandos eingeteilt, die entweder Arbeiten innerhalb oder außerhalb der Postenkette erledigten. Im Allgemeinen waren die Arbeiten bei den Innenkommandos leichter. Es waren zum Beispiel Küche, Wäscherei, Schneiderei, Arbeiten im Krankenbau und so weiter. Allerdings gab es auch Ausnahmen, wie zum Beispiel die Gärtnerei, wo die Häftlinge den ganzen Tag Erde oder Steine schleppen mussten. Wer dabei zusammenbrach, wurde von den Hunden der SS-Leute zerfleischt, erschossen oder zu Tode geprügelt.

Mindestens genauso berüchtigt war das Latrinenkommando, von der SS „Kolonne 4711“ genannt. Es war den Juden vorbehalten. In Dachau gehörten diesem Kommando lange Zeit die Herzoge Max und Ernt Hohenberg an, die Söhne des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinant.

Die Außenkommandos waren meist noch schlimmer. Man kann nicht sagen, ob die willkürlichen Prügeleien der SS-Leute oder die Arbeit an sich schlimmer war. Aber wenn nicht die allgemeinen Verhältnisse in den Lagern schon die Hölle waren, dann waren es die Arbeitskommandos.

Die Arbeit endete im Winter gegen fünf, im Sommer gegen acht Uhr. Dann erfolgte das Einrücken in Fünferreihen an der Lagerkapelle vorbei, die neben dem Tor fröhliche Lieder spielen musste.

Der Zählappell

Mit das Schrecklichste an jedem Tag war der Zählappell. Die Gefangenen mussten nach harter Arbeit noch stundenlang auf dem Appellplatz stehen, auch bei Regen, Sturm oder Schneefall. Dies dauerte so lange, bis die SS alle ihre Sklaven gezählt hatte. Meist musste diese Arbeit von Häftlingen übernommen werden, da kaum ein SS-Mann dazu im Stande war. Man kann sich vorstellen wie lange diese Appelle bei bis zu 50.000 Häftlingen dauern konnten. Kogon berichtet von einem Fall, in denen das Lager Buchenwald bei minus 15 Grad und ungenügender Kleidung 19 Stunden hindurch auf dem Appellplatz stehen musste, da sich ein Häftling verborgen hielt. In dieser Nacht erfroren 70 Häftlinge, viele starben an den Folgen der Unterkühlung. In einem anderen Fall versteckten sich zwei Häftlinge im Schweinestall, weswegen alle Häftlinge 18 Stunden stehen mussten. Die ganze Nacht hindurch, bis Mittags ohne sich zu rühren. Wer es dennoch tat, wurde misshandelt oder gleich getötet.

Zu diesen Appellen mussten alle erscheinen, sogar die Toten und Sterbenden wurde auf den Appellplatz gezerrt und in Reih und Glied hingelegt, denn Ordnung musste sein bei der SS. Erst nach dem Appell durften die Sterbenden in den Krankenbau, die Toten in den Leichenkeller gebracht werden.

Nach dem Zählappell folgten entweder die öffentlichen Bestrafungen, oder einer der oberen SS-Leute wünschte sich ein Lied. Dann musste ein Lied gesungen werden – je strömender der Regen, desto dümmer. Zum Beispiel bis zu fünfmal hintereinander „Alle Vögel sind schon da“. Die meisten Lager hatten jedoch auch Speziallieder, von denen einige später bekannt geworden sind, so zum Beispiel das Lied„Die Moorsoldaten“.

Abendessen, Abpfeifen, Nachtruhe

Nachdem man endlich vom Appellplatz abrücken durfte, fand man nicht selten im Block angekommen die Ergebnisse einer „Blockkontrolle“ vor. Die SS hatte alle Spinde durchwühlt und den gesamten Block verwüstet. Dann kam es meist zu wüsten Szenen unter den Häftlingen, die ihre Sachen wiederhaben wollten. Manchmal kam es dann während des Essens sogar noch zu einer Kontrolle durch irgendeinen Scharführer, der sich einen Spaß daraus machte, dass sich alle Häftlinge unter den Tischen verkriechen mussten. Wer beim besten Willen keinen Platz mehr fand war natürlich Objekt der Willkür des jeweiligen Kontrolleurs. Andere ließen die Häftlinge sich mit dem Kopf in den Schnee stellen, einen Dauerlauf um den Block veranstalten und so weiter.

War der Zählappell vergleichsweise kurz geblieben, so mussten manche Kommandos nach dem Abendessen noch mal raus zur Arbeit. Wenn nun jedoch alles „gut gegangen war“, hatte man tatsächlich noch die Möglichkeit, sich ein wenig Freizeit zu gönnen, ein bisschen auf den Lagerstraßen rumzuhängen oder gleich ins Bett zu gehen.

Das Abpfeifen geschah im Lager je nach Jahreszeit zwischen acht und zehn Uhr. Dann mussten alle mit Ausnahme der Arbeitenden im Block sein, eine halbe Stunde später im Bett.

Es durfte nur im Hemd geschlafen werde, egal bei welcher Witterung. In den Wintermonaten waren die feuchten Innenwände der Schlafräume in den Ecken und an den Fenstern oft mit Eis überzogen. Trotzdem wurden keine Ausnahmen gemacht. Oft wurden von besonders sadistischen Blockführern noch Nachtkontrollen durchgeführt. Dann mussten alle Häftlinge eines Blocks neben den Betten oder sogar vor den Blocks antreten, damit auch noch diejenigen bestraft werden konnten, die zusätzliche Kleidungsstücke trugen. Manchmal wurde auch die gesamte Belegschaft eines Blocks eine Stunde barfüssig und im Hemd um den Block gejagt. Diese Überfälle ereigneten sich nicht regelmäßig, sondern meist dann, wenn die Blockführer betrunken waren. Die Angst vor solchen Kontrollen war jedoch allgegenwärtig.

Bis auf wenige Ausnahmen konnten die Häftlinge dann tatsächlich einige Stunden schlafen. 3. Fazit „Der SS-Staat“ ist eine erschreckend nüchterne Betrachtung und Beschreibung eines erschreckenden Systems, das ein bis heute unübertroffenes Maß an Grausamkeit an den Tag gelegt hat. Ich halte dieses Buch für einen großartige Leistung, da es großen aufklärerischen Wert hat. Die Aussagen in diesem Buch haben bis heute ihre volle Gültigkeit behalten und mussten nicht maßgebend verändert werden. Kogon entlarvt zugleich die SS als einen Haufen von Leuten, die am stärksten von der Nazi-Propaganda beeinflusste wurden und zeigt erschreckend eindrucksvoll auf, wie aus vermeintlich normalen Menschen solch grausame Verbrecher werden können. Er zeigt, dass auch heute noch die Gefahr eines solchen Terrorregimes besteht und macht deutlich, wie wichtig es ist, darüber aufgeklärt zu sein und gegen faschistische Kräfte einzutreten.

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Eugen Kogon - Der SS-Staat
Autor
Jahr
2001
Seiten
8
Katalognummer
V100696
ISBN (eBook)
9783638991209
Dateigröße
341 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Freiwilliges Referat im Geschichts-Grundkurs der Klasse 13. Dauer mit Erläuterungen ca.45 Minuten. Ausformuliert.
Schlagworte
SS Kogon Eugen Konzentrationslager KZ
Arbeit zitieren
Jan Feldhoff (Autor:in), 2001, Eugen Kogon - Der SS-Staat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100696

Kommentare

  • Gast am 17.6.2008

    Im KZ konnte man sich Freizeit gönnen.

    ...die Möglichkeit, sich ein wenig Freizeit zu gönnen, ein bisschen auf den Lagerstraßen rumzuhängen. - "Freizeit" und "gönnen" - Diese Worte sind absolut fehl am Platz.

  • Gast am 13.12.2001

    PRIMA.

    Ich finde diesen Bericht sehr gut geschrieben, er ist detaliert und sehr informativ! Der Bericht gibt einen guten Eindruck in die

  • Gast am 5.9.2001

    Eugen Kogon/Der SS-Staat.

    Ich finde, dies ist eine ausgezeichnete Hausarbeit über ein Buch, das wirklich jeder gelesen haben sollte. Besonders diese hirnlosen Auschwitz-Leugner und Revisionisten, die das Internet immer mehr als Medium für ihre braune Scheiße benutzen.

Blick ins Buch
Titel: Eugen Kogon - Der SS-Staat



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