Diese Arbeit beschäftigt sich mit Karol Wojtylas philosophischem Beitrag zu einer fundamentaltheologischen Anthropologie. Anthropologie ist aus dieser Sicht ein fundamentaltheologisches Projekt mit einer wesentlich philosophischen Komponente. Im Zentrum der Betrachtungen steht der Mensch als Person gerade in seiner Leiblichkeit, das heißt in seinem ihm eigenen Wesen und damit auch in seiner Kontingenz beziehungsweise Begrenztheit, welche 'eo ipso' ergänzungsbedürftig bleibt, aber auch fähig zu Ergänzung und Entwicklung ist.
Im Apostolischen Schreiben "Ecclesia in Europa" aus dem Jahr 2003 spricht der Papst in unserer Zeit von einer symptomatischen Seinsvergessenheit, einem allgemeinen Leben 'etsi deus non daretur' und dem Fehlen von Metaphysik. Der Verlust der Hoffnung hat seinen Grund in dem Versuch, eine Anthropologie ohne Gott und ohne Christus durchzusetzen.
Diese Denkart hat dazu geführt, den Menschen als absoluten Mittelpunkt allen Seins zu betrachten, indem man ihn fälschlicherweise den Platz Gottes einnehmen ließ und dabei vergaß, dass nicht der Mensch Gott erschafft, sondern Gott den Menschen erschafft. Das Vergessen Gottes hat zum Niedergang des Menschen geführt.
Es wundert daher nicht, dass in diesem Kontext ein großer Freiraum für die Entwicklung des Nihilismus im philosophischen Bereich, des Relativismus im erkenntnistheoretischen und moralischen Bereich, des Pragmatismus und sogar des zynischen Hedonismus in der Gestaltung des Alltagslebens entstanden ist. Die europäische Kultur erweckt den Eindruck einer schweigenden Apostasie seitens des satten Menschen, der lebt, als ob es Gott nicht gäbe.
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort: Gnéthi seauton. Mensch, Erkenne dich selbst!
Thematische Einführung.
Erster Teil: Die philosophisch-phänomenologische Anthropologie von Karol Wojtyla in besonderer Berücksichtigung seiner Rezeption der phänomenologischen Methode
0. EINLEITUNG. Eine fundamentale Diskussion der phänomenologischen Methode und die Metaphysik im philosophischen Werk von Karol Wojtyla.
1. Wojtylas theoretischer ANSATZ in seinen philosophischen Schriften, Vorträgen und Vorlesungen
1. a. "Liebe und Verantwortung”
1. a.1. Die Substanz als Voraussetzung und der Begriff "suppositum”
1.a.2. Das Vermögen der Wahrnehmung und der Begriff "intentio”
1.a.3. Die Methodik des Papstes
1.a.3.a. Zitate aus den populären Interviews Papst Johannes Paul II. Zur menschlichen Historie
1.a.3.b. Zitate aus den Generalaudienzen Papst Johannes Paul II. Die Frage des Glaubens und der Religion
1.b. Was ist praktische Ethik ?
1.c. "Das Geheimnis und der Mensch”
1.d. "Der Mensch als Person”
1.e. "Die menschliche Person und das Naturrecht”
1.f. "Die Wahrheit wird euch frei machen”
1.g. "Die Perspektiven des Menschen”
1.h. "Lubliner Vorlesungen” und akademische Schriften. Zur Frage nach der wissenschaftlichen Objektivität und ihrer objektiven NORM
2. ARGUMENTATION. Das philosophische Hauptwerk “Person und Tat”
2.1. Der actus humanus
2.2. Akt und Dynamismus
2.3. Person: Erfahrung und Bewusstsein als ethische Elemente
2.4. Zur Frage der methodischen Richtung: Kann eine Erfahrungswissenschaft der personalen Ethik eine "realistische Phänomenologie" sein ? Das Problem der Theorie.
3. ERLÄUTERUNG. Die philosophischen Vorträge als Kardinal
4. ZUSAMMENFASSUNG. Thema und Methode bei Karol Wojtyla
4.1. Exkurs über das Phänomen der "Weltzeit” bei Heidegger
Zweiter Teil: Theologie des Leibes bei PP Johannes Paul II. Die anthropologische Konzentration von Karol Wojtyla findet ihren Abschluss in jenen Ausführungen, die heute als „Theologie des Leibes“ ediert worden sind.
0. Einleitung
1. Das Gesetz der Analogie
2. Leiblicher Eros und christlicher Ethos
3. Sakramente der Ehe und der Weihe
4. Tot sacramenta quot verba. Gotteskindschaft als Gabe und Auftrag.
5. Der göttliche Heilsplan der Liebe als personale Norm der Menschlichkeit. Die Sünde
führt zu Leid und Tod, die Gerechtigkeit zur Auferstehung.
6. Der Ruf des menschlichen Herzens: Reinheit durch Hingabe und Verdunkelung durch
Begehrlichkeit.
7. Das göttliche Geheimnis der Schöpfung und die Erlösung des Leibes durch das
Heilswirken Christi
8. Der Bund Gottes mit den Menschen: Geheimnis und Sakrament - die göttliche
Ökonomie
9. "Die Wahrheit wird euch frei machen.” (Joh 8,32). Die Liebe als menschliche
“Bewährungsprobe”.
10. Das Gesetz des Lebens zum Erbe haben
Dritter Teil: Das Verhältnis von Theologie und Philosophie/ Phänomenologie im Denken von Karol Wojtyla/ PP Johannes Paul II.
1. Die ganzheitlich religiöse, metaphysische und anthropologische Dimension der
Enzyklika “fides et ratio”
2. Exkurs: Die speziell soziale und praktische Dimension und ihr methodischer Ansatz in
den Sozialenzykliken des Papstes und am Beispiel der naturrechtlichen Konzeption des Sozialethikers Johannes Messner
2.a. Exkurs: Die fundamentaltheologische und anthropologische Bedeutung des Phänomens “Arbeit” als Ordnungsfaktor der menschlichen Gesellschaft in den Sozialenzykliken Johannes Paul II.
2.b. Exkurs: Der methodische Ansatz in der naturrechtlichen Konzeption des Sozialethikers Johannes Messner
3. Abschließende Überlegungen. Ecce homo.
LITERATURVERZEICHNIS
Literatur von Karol Wojtyla/ Johannes Paul II.
Sekundärliteratur von Dritten (Auswahl)
Bibelausgabe
Vorwort: Gnöthi seautön. Mensch, Erkenne dich selbst !
"Auf dem Boden der ganzheitlichen Erfahrung des Menschen taucht die Person durch die Tat gerade deshalb vor uns auf, weil in dieser Erfahrung der Mensch nicht nur von außen gegeben ist, sondern auch von innen.” (Karol Wojtyla/ Johannes Paul II., Person und Tat, Herder 1981, Seite 27.)
Dieses Zitat aus dem methodischen Einleitungs-Kapitel von Karol Wojtylas Buch "Person und Tat” illustriert in besonderer Weise seine Erklärung des Begriffs "Person”: Was eine Person ausmacht, ist die ganzheitliche Erfahrung des Menschseins, also der Begriff vom Menschen in seiner Allgemeinheit, vom Menschen an sich.
Dieser allgemeine Begriff vom Menschsein zeigt sich nicht nur äußerlich (bspw. sichtbar, durch das Sehen), sondern vor allem in ausgezeichneter Weise durch innere Erfahrung, Intuition. Dies bedeutet, dass der Mensch an sich und damit irgendwie auch JEDER Mensch der erste Gegenstand menschlicher Erfahrung ist !
Gleichzeitig konkret und individuell wird dieser Begriff des Menschlichen dann durch das Handeln, durch die Tat. Hier spezifiziert sich dieses allgemeine Vermögen der inneren und äußeren Erfahrung vom Menschen, und man kann somit von einem individuellen Lebenslauf sprechen, etwa von der Biographie eines Individuums, welches für bestimmte Aktionen und Verhaltensweisen verantwortlich zeichnet.
-- Karol Wojtyla wurde im Jahr 1920 in einer sehr katholischen polnischen Familie geboren. Früh zeigte sich seine religiöse und auch seine poetische Veranlagung. Durch den zweiten Weltkrieg musste er sein Studium der Polnischen Philologie frühzeitig abbrechen und wurde zur Zwangsarbeit in einem Steinbruch und einer Chemiefabrik verpflichtet. Er blieb aber im Untergrund Mitglied einer Experimentaltheatergruppe und verfasste weiter Gedichte und Theaterstücke, die seine ausgesprochen religiöse Neigung zeigen. Zudem trat er ins geheime Priesterseminar der Erzdiözese Krakau ein und empfing so nach den Greueln der Kriegsjahre 1946 unter kommunistischer Herrschaft die Priesterweihe. Zwei Jahre später promovierte er in Rom am Angelicum über den heiligen Johannes vom Kreuz. Zurück in Polen wurde er Kaplan und ab 1953/54 Professor für Moraltheologie sowie Philosophie und Sozialethik und habilitierte sich mit einer Arbeit über Ethik und Christentum des Phänomenologen Max Scheler. 1958 wurde er zum Weihbischof geweiht, 1964 zum Erzbischof von Krakau. Er nahm 1962 bis 1965 am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. 1969 erschien "Person und Tat”, sein zweites philosophisches Werk nach der ethischen Studie "Liebe und Verantwortung” von 1960. Im Jahr 1978 zum Papst gewählt, starb Johannes Paul "der Große” im Jahr 2005. Er, dem die pastorale Sorge für den Menschen in jeder Phase seines Lebens ein Anliegen war, hinterläßt 14 Enzykliken und zahlreiche wegweisende Äußerungen seines Lehramts. Dies entsprach der marianischen Frömmigkeit seines Denkens.
Thematische Einführung.
“Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt, und dass eure Frucht bleibt" (Joh 15,16).
Im Apostolischen Schreiben "Ecclesia in Europa” aus dem Jahr 2003 spricht der Papst in unserer Zeit von einer symptomatischen Seinsvergessenheit, einem allgemeinem Leben etsi deus non daretur und dem Fehlen von Metaphysik: "Der Verlust der Hoffnung hat seinen Grund in dem Versuch, eine Anthropologie ohne Gott und ohne Christus durchzusetzen. Diese Denkart hat dazu geführt, den Menschen <als absoluten Mittelpunkt allen Seins zu betrachten, indem man ihn fälschlicherweise den Platz Gottes einnehmen ließ und dabei vergaß, daß nicht der Mensch Gott erschafft, sondern Gott den Menschen erschafft. Das Vergessen Gottes hat zum Niedergang des Menschen geführt. Es wundert daher nicht, daß in diesem Kontext ein großer Freiraum für die Entwicklung des Nihilismus im philosophischen Bereich, des Relativismus im erkenntnistheoretischen und moralischen Bereich, des Pragmatismus und sogar des zynischen Hedonismus in der Gestaltung des Alltagslebens entstanden ist.> Die europäische Kultur erweckt den Eindruck einer <schweigenden Apostasie> seitens des satten Menschen, der lebt als ob es Gott nicht gäbe.”1
Seine eigene Anthropologie hat Wojtyla, schon bevor er Papst wurde, in seinem philosophischen Werk ausgeführt und dann in den Generalaudienzen zur "Theologie des Leibes” 1979-1984 expliziert.
Auch angesichts der wissenschaftlichen Richtung der akademischen Phänomenologie Husserls oder Schelers, wie diese den Philosophen Wojtyla, und vor ihm schon Edith Stein, geprägt und beeinflusst haben mögen, handelt es sich im Werk Karol Wojtylas/ PP Johannes Paul II. um die Einlösung einer Forderung der Wahrheit selbst, "den ebenso notwendigen wie dringenden Übergang vom Phänomen zum Fundament zu vollziehen”2, wie es in der Enzyklika "fides et ratio” heißt. Diese zitiert dabei das II. Vatikanische Konzil: "Die Vernunft ist nämlich nicht auf die bloßen Phänomene eingeengt, sondern vermag geistig tiefere Strukturen der Wirklichkeit mit wahrer Sicherheit zu erreichen, wenn sie auch infolge der Sünde zum Teil verdunkelt und geschwächt ist.”3
Es ist dies die altbekannte scholastische adaequatio rei et intellectus, wie sie schon Thomas von Aquin und Bonaventura vor Augen stand, also Metaphysik im strengsten Sinne. Es geht hier um das menschliche Erkennen einer objektiven Wirklichkeit, "wenngleich auf unvollkommene und analoge Weise”4, nämlich um "eine Forderung an die Erkenntnis des sittlichen Guten, dessen letzter Grund das höchste Gut, Gott selber, ist.”5
Der Papst bekräftigt an dieser Stelle, was er auch vorher in seinem philosophischen Werk vertreten hat, "daß die Wirklichkeit und die Wahrheit das Tatsächliche und Empirische übersteigen”. Er nennt mit der kirchlichen Tradition die menschliche Fähigkeit, dies zu erkennen, den "intellectus fidei’.
Man sieht hier also die inhaltliche Nähe Wojtylas zur Scholastik des Mittelalters, aber auch zur philosophischen Fähigkeit der Vernunft überhaupt, "sich über das Zufällige zu erheben”6 und den kosmos zu erklären, wie sie sich in der modernen Zeit zB in der philosophischen Denkrichtung der Phänomenologie Husserls, Schelers und Edith Steins geäußert hat.
Dem Papst und Philosophen steht dabei eine Art und Weise des Philosophierens vor Augen, welche "von sich aus imstande ist, die unablässige Selbsttranszendierung des Menschen auf die Wahrheit hin zu erkennen” und die "sich mit Hilfe des Glaubens öffnen [kann], um in der <Torheit> des Kreuzes die echte Kritik an denen aufzugreifen, die sich der Täuschung hingeben, die Wahrheit zu besitzen, während sie sie in den Untiefen ihres Systems gefangenhalten.”7
In diesem Sinn ist auch sein Verhältnis zur Schul- und Denkrichtung der Phänomenologie zu sehen, die er ebenso freigeistig und kreativ anwandte wie es auch Edith Stein schon vor ihm getan hat: Beiden ist eine starke Zuwendung zur scholastischen Tradition eigen, die sie ins Heute zu übersetzen versuchten. Deshalb fällt es auch schwer, sie einer bestimmten philosophischen Richtung ein- und unterzuordnen, weshalb sie auch noch in keiner Philosophie-Geschichte zu finden sind. Wojtyla und Stein werden vor allem als Vertreter der katholischen Kirche gewürdigt. Ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten philosophischen Schule ist daher äußerst fragwürdig; beide sind eher der "philosophia perennis” zuzurechnen, waren aber sehr eigenständig in ihrer Anwendung der philosophischen Strömungen ihrer Zeit; sind also als "konservativ” zu bezeichnen.
Mit dieser knappen Einführung ist die Thematik dieser Dissertation umrissen, wie sie im Weiteren näher entfaltet wird: Karol Wojtylas/ PP Papst Johannes Paul II. Anthropologie ist aus dieser Sicht ein fundamentaltheologisches Projekt mit einer wesentlich philosophischen Komponente. Im Zentrum der Betrachtungen steht der Mensch als Person gerade in seiner Leiblichkeit, d.i. in seinem ihm eigenen Wesen und damit auch in seiner Kontingenz bzw. Begrenztheit, welche eo ipso ergänzungsbedürftig bleibt, aber auch fähig zu Ergänzung und Entwicklung ist.
Es bleibt mir als Verfasser, mich bei denen zu bedanken, die meine Arbeit mit Wohlwollen unterstützt haben, meinen Eltern, Lehrern, Kollegen und Freunden und an dieser Stelle besonders bei Herrn Prof. Roman Siebenrock für sein Entgegenkommen.
Erster Teil: Die philosophisch-phänomenologische Anthropologie von Karol Wojtyla in besonderer Berücksichtigung seiner Rezeption der phänomenologischen Methode
0. EINLEITUNG. Eine fundamentale Diskussion der phänomenologischen Methode und die Metaphysik im philosophischen Werk von Karol Wojtyla.
“in omne comprehensione includitur ens.” (Thomas von Aquin, De veritate)8
Persönliche Lebensentwürfe von Menschen gestalten sich im Graubereich zwischen diffusem Alltag und herrschendem Positivismus. Ein Versuch, sich wissenschaftlich mit "der Welt” auseinanderzusetzen, ist die phänomenologische Methode, mit ihren verschiedenen Ausprägungen und Repräsentanten. Dementsprechend ist die Intention dieses Ersten Teils Arbeit nicht schon die praktische Konsequenz etwa einer "Theologie des Leibes” (unter der Thematik von Ehe, Familie und religiöser Praxis des Glaubenslebens), sondern vielmehr erst ihre begriffliche Grundlegung (Hermeneutik), also die Philosophie oder Anthropologie von Begriffen wie "Bewusstsein”, "Erfahrung”, "Transzendenz” und "Vergegenständlichung” etc. .
Der akademische Professor Karol Wojtyla hat seinen Beitrag zur phänomenologischen Methode vor allem durch seine Beschäftigung mit dem Werk von Max Scheler aufgebaut. Als Rüstzeug dazu brachte er seine christliche Ethik und seine akademische Ausbildung in Theologie, Scholastik und Metaphysik mit. Sein philosophisches Werk (siehe Primärliteratur-Verzeichnis) ist sehr überschaubar, da er nur wenige Jahre (in den 1950er-Jahren) als akademischer Professor für Moraltheologie bzw. Philosophie und Sozialethik wirkte und dann schnell mit der Aufgabe eines katholischen Bischofs betraut wurde. Dabei scheint ihn aber das Thema nicht losgelassen zu haben, da sein Hauptwerk erst 1969, zur Zeit seiner Teilnahme am Zweiten Vatikanischen Konzil erschien.
Seine Äußerungen zu den anderen Meistern der phänomenologischen Schule, zu Franz Brentano, Edmund Husserl und Martin Heidegger oder Edith Stein, um nur einige zu nennen, sind sehr spärlich9 10 gesät. Sein Hauptaugenmerk, so scheint es bei Betrachtung der Werke des Philosophen Wojtyla, galt immer dem Kern der Sache, dem “Wesentlichen”, das er als guter Priester vor allem in der klassischen Metaphysik sah. Als deren hauptsächlicher Vertreter ist demnach wohl Thomas von Aquin zu nennen, den Wojtyla auch als Papst - in der Enzyklika “fides et ratio” im Gefolge der Päpste vor ihm - als die große Autorität der einen ewigen “Seinsphilosophie” und ihrer “ständigen Neuheit” (sic !) kennzeichnet.
Weiter wichtige Namen der Philosophiegeschichte sind für Wojtyla Platon und Aristoteles, Kant und wie gesagt Scheler. - Wojtylas Beschäftigung mit der Dichtkunst ist nicht Thema dieser Arbeit. Auch nicht eine Analyse der zeitgenössischen Philosophie, Theologie und Analytik. Es scheint, dass die zwei Blickrichtungen10: klassische Metaphysik, vor allem repräsentiert durch den Philosophen-Theologen Thomas von Aquin, und die phänomenologische Methode Max Schelers als Brückenpfeiler zu Wojtylas Beitrag zur Philosophie genügen. Max Scheler wird von Wojtyla ausdrücklich als bedeutender Kritiker Immanuel Kants gewürdigt.
Der Verfasser möchte dem ductus Wojtylas folgen, sich nicht in Detailfragen zu verlieren, sondern das “Wesentliche” und Ganze, sozusagen "die Sachen selbst” in den Blick zu bekommen. Dabei ist, wie auch Edith Stein in ihrem Hauptwerk zeigte, der spezielle menschliche Blick, der persönliche Standpunkt eines jeden Menschen das Kennzeichen einer “modernen” Methode, die sich auch phänomenologisch nennen möchte - also ist das nicht der rationalistische Blickwinkel “sub specie aeternitatis” einer “causa sui” wie bei Spinoza oder die idealistische Form des Denkens wie etwa bei Hegel11 im Gefolge der Ideenlehre Platons.
Wojtyla legt aber, um es vorwegzunehmen, großen Wert auf die “Objektivität’ dieses Blicks, dieser Theorie, die sich an den (durchaus weltlichen und empirischen) Phänomenen, so wie sie wahrhaft (selbst) sind, ausweisen soll. Philosophie soll also nicht reine Subjektivität oder menschliches Produkt der psychischen Einbildungskraft sein. So nennt er Scheler in seiner Habilitation12 einen Emotionalisten, der rein auf das Erleben eines persönlichen Wert-Gefühls fokussiert und Kant einen Rationalisten bzw. Phänomenalisten, der in den “Dingen” außerhalb der menschlichen Vernunft nur ein reines Chaos sieht, das erst noch durch einen menschlichen Verstand schematisiert werden muss.
Thomas von Aquin ist dabei in den Schriften und Vorlesungen Wojtylas immer die große unanfechtbare Autorität, die, sozusagen biblisch geerdet, den Vorzug vor allen anderen Denkanstrengungen hat, in ihrem unübertroffenen Realismus. Sein Name repräsentiert damit natürlich die ganze philosophische Tradition der Kirche und ihrer Denker, die sie durchaus von Anfang an hatte, bis hin zu den Definitionen der Konzilien, die sehr wohl auch einen philosophischen Anspruch stellen.
Nichtsdestotrotz sieht es Wojtyla als Verdienst der neuzeitlichen Denker nach Thomas, dass eben die persönliche individuelle Anschauung in einer Anstrengung, genannt das Erleben, das spezifisch und alltäglich menschliche13 Element also, theoretisch mehr Gewichtung findet als bei den antiken und mittelalterlichen Denkern und Systematikern. Mit Nachdruck hält der Philosoph Wojtyla hier aber an klassisch gewordenen Formulierungen in der lateinischen Sprache der scholastischen Überlieferung fest, um die Phänomene im Allgemeinen zu diskutieren. Ich meine, man kann Wojtyla daher mit Recht als thomistischen Realisten oder leicht auch als Vertreter eines ethischen Personalismus moderner Prägung bezeichnen.
So möchte auch der Verfasser dieser Arbeit ihm dabei ein Stück nachfolgen und den reichen Schatz der katholischen Philosophie-Theologie heben, wie sie sich über die Jahrhunderte einen Namen gemacht hat. Es ist nämlich gar nicht einfach, zB Thomas von Aquin im Original zu studieren, aufgrund der Fülle seiner Schriften, der überkommenen Sprache, der komplizierten Gedankengänge und der veralteten Fragestellungen. Die Problematik der Übersetzung anderer Sprachen ist eine ganz eigene, Kritik an deren Tradition ist oft anzutreffen. Wojtyla bietet aber in seinen akademischen und auch in seinen populären Schriften eine übersichtliche, kurze und bündige Darstellung von “Metaphysik" bzw.
“Seinslehre” bzw. dessen, was er immerhin als einer, der zum Papst gewählt wurde, darunter versteht. Das hat einen sehr großen heuristischen Wert für jeden Lernenden und Studierenden, der wissen will, was und wie man Philosophie verstehen soll. (Sehr freimütig hat er sich auch als Papst nicht gescheut, die philosophische Terminologie in populären Interviews, Katechesen und Publikationen zu verwenden.)
So soll diese Arbeit sozusagen monographisch speziell am wissenschaftlichen philosophischen Werk Wojtylas orientiert sein, ohne aber eine breite Auseinandersetzung mit allen möglichen Denk- und Schul-Richtungen, Problemen und Religionen bieten zu können. Durch diese methodische Reduktion, so meint der Verfasser, soll am Besten zum Vorschein kommen, was Wojtylas durchaus von ihm selbst “phänomenologisch” genannter Ansatz, was seine theoretische Methode und was seine Sicht einer “klassischen” , d.i. bleibenden Metaphysik (philosophia perennis) und Anthropologie ist.
Dazu stehen uns in diesem Ersten Teil der Arbeit vor allem Wojtylas Hauptwerk “Person und Tat”14 und seine akademischen Aufsätze und Vorlesungen sowie die Interviews (und später die apostolischen Lehrschreiben) zur Verfügung, soweit ich sie mit Hilfe meines akademischen Vorwissens und des Internets ab dem Jahr 2000 (in deutscher Sprache)15 recherchieren konnte.
Ob es einen ähnlich gearteten wissenschaftlichen Forschungsansatz16 zu Wojtylas Werk gibt, ist mir momentan nicht bekannt; in der akademischen Welt der sogenannten Geisteswissenschaftler, wie ich die universitäre Fakultät und vorher schon das “neusprachliche” Gymnasium, unter Gleichaltrigen erlebte, wurde der polnische Papst nicht erwähnt oder als nicht besonders ernst zu nehmende Gestalt irgendeines amts-versessenen obskur religiösen Machtapparats gesehen, mit dem man sich als gebildeter Mensch von Welt besser nicht zu sehr beschäftigte
Ich verfasste meine Diplomarbeit mit dem Titel “Die Zeitlichkeit des umsichtigen Besorgens und die Konzeption der Weltzeit nach M. Heidegger” nach Studien mit Schwerpunkt auf die hermeneutisch-phänomenologische Daseinsanalytik in Innsbruck und Freiburg im Breisgau, bei Professor Rainer Thurnher am philosophischen Institut der GEIWI in Innsbruck im Jahr 1999. Dieser Titel war sehr bewusst gewählt, denn, so schien es mir - und es sollte sich später im praktischen Berufsleben als kaufmännischer Buchhaltungs-Angestellter bestätigen -, hier war die crux des Alltags-Lebens, an der keiner vorbeikommt. Muss doch jeder “sein Geschäft verrichten”, und auch “jeder Krämer lobt seine Ware” - wie der Volksmund sagt.
Sehr verbissen hatte ich mich bei der Daseinsanalyse in einer Art von Weltschmerz in das Heideggersche Phänomen der “Weltzeit’, welche bekanntlich per definitionem ganz einfach “der Zeitlichkeit entspringt’, die “ausgesprochene” und “öffentliche Zeit” genannt wird und die gegliedert-gespannt datierbare und so bedeutsame Ausgelegtheit einer alltäglichen Seinsvorstellung darstellt. (Könnte man dieses Phänomen-Wort vielleicht mit “saeculum17 ” ins Lateinische übersetzen ?), kam aber zu keinem befriedigenden Ergebnis bzw. Doktorat, obwohl ich hinter dem Wort ein großes Geheimnis18 ahnte. Just zur gleichen Zeit kam die
Erfindung des Internets und mit ihm ungeahnte Möglichkeiten der Recherche auf allen Ebenen der Philosophie. So entdeckte ich auch den polnischen Dichter und Ethiker Karol Wojtyla für mich und war mehr als erstaunt, ja begeistert zu sehen - um es zu sagen mit einem Wort Edith Steins über Max Scheler - dass man katholisch sein kann und intelligent. (Zwar wurde man hierzulande in der Kindheit schon katholisch getauft und gefirmt, gelebte Identität mit der Kirche ist aber gesellschaftlich selten.)
- Und das in einem wirklich hervorragendem Maße, das ich gerne "päpstlich” nennen darf; denn er war ein Mann, der die "personalistische Norm” aufrichtig gelebt und mit benevolentia praktiziert hat.
1. Wojtylas theoretischer ANSATZ in seinen philosophischen Schriften, Vorträgen und Vorlesungen
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit. (Psalm 8,5-6)
Wojtyla selbst bietet einen optimalen Einstieg in die soeben aufgerissene Thematik: "Was ist Philosophie ?” oder: "Wie verstehen wir das <Sein> ?” oder: "Wie zeigen sich Phänomene ?”, "Was sind sie ?” besonders in seinem philosophischen Hauptwerk "Person und Tat”, wo er gleich zu Beginn seinen theoretische Ansatz als Methode (=Gang der Untersuchung) vorstellt und eine engere sachliche "Studie” ankündigt, die wesentliche Einsichten und einen festen theoretischen Standpunkt erarbeiten soll. Dazu sollen uns aber die etwas breiter angelegten Überlegungen Wojtylas aus seinen frühen akademischen Schriften und Vorlesungen den Weg bereiten, bevor wir dann in eine direkte Auseinandersetzung gehen, was "die phänomenologische Methode” für Wojtyla in seinem selbstständigen Entwurf, dem Hauptwerk "Person und Tat” ist.
1.a. “Liebe und Verantwortung”
“Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen. Ein deutliches Zeichen dafür ist die Liebe zu den Sinneswahrnehmungen. Denn abgesehen vom Nutzen werden diese um ihrer selbst willen geliebt, und von allen besonders die Sinneswahrnehmung, die durch die Augen zustande kommt. “ (Aristoteles, Metaphysik 1. Buch [A] 21-24)
Seine ethische Studie "Liebe und Verantwortung”19 beginnt Wojtyla mit der interessanten Darlegung der sozusagen ontischen, ersten Voraussetzungen der menschlichen Existenz und ihres Da- und Soseins. Da es sich meines Erachtens um einen grundlegenden Text20 sehr hohen Anspruchs handelt, möchte ich ihn in ausreichender Länge zitieren:
"Die Welt, in der wir leben, setzt sich aus einer großen Zahl von Objekten zusammen. <Objekt> ist hier gleichbedeutend mit <Wesen>. Das ist aber nicht der genaue Sinn Wortes, denn eigentlich bezeichnet <Objekt> das, was zu einem Subjekt in Beziehung steht. Nun aber ist das Subjekt ebenfalls ein Wesen, ein Wesen, das existiert und auf die eine oder andere Weise handelt. Man kann somit auch sagen, die Welt, in der wir leben, setze sich aus einer großen Zahl von Subjekten zusammen. Eigentlich sollte man von Subjekten sprechen, bevor man von Objekten spricht.
Wenn wir diese Ordnung umgestellt haben, so in der Absicht, in diesem Buch von Anfang an den Objektivismus, mithin Realismus zu unterstreichen. Wenn man nämlich mit dem Subjekt begänne, zumal wenn man beim Subjekt Mensch ansetzte, liefe man Gefahr, alles, was sich außerhalb seiner befindet, also die Welt der Objekte, rein subjektiv zu betrachten, also so, wie es in das Bewußtsein des Subjekts eindringt und sich in ihm festsetzt. Man muss sich deshalb von Anfang an klar sein, daß jedes Subjekt gleichzeitig etwas Objektives ist, daß es objektiv etwas oder jemand ist.
Der Mensch ist objektiv jemand, und dies unterscheidet ihn von den anderen Wesen der sichtbaren Welt, die objektiv immer nur etwas sind. Diese simple, elementare Unterscheidung zeigt, welch ein Abgrund die Welt der Personen von der der Dinge trennt.
Die objektive Welt, zu der wir gehören, setzt sich aus Personen und aus Dingen zusammen. Als <Ding> bezeichnen wir für gewöhnlich ein Wesen, das nicht nur keine Vernunft, sondern auch kein Leben hat; ein Ding ist ein unbelebtes Objekt. (...) Mit dem Ausdruck Person will man betonen, daß sich der Mensch nicht restlos in den Begriff <Individuum einer Spezies> fassen läßt, sondern daß es in ihm etwas mehr gibt, eine besondere Daseinsfülle und -vollkomenheit. Um diese hervorzuheben, muss unbedingt das Wort <Person> verwendet werden.
Die einfachste und einsichtigste Begründung dafür ist die, daß der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist, daß er die Vernunft besitzt, die sich bei keinem anderen sichtbaren Wesen feststellen läßt, weil wir bei ihnen keine Spur begrifflichen Denkens finden. Davon geht die bekannte Definition des Boethius aus, wonach die Person ein Individuum von vernunftbegabter Natur (individua substantia rationalis naturae) ist. Dies ist es, was innerhalb der Welt der objektiven Wesen die <Person> unterscheidet und ihre Besonderheit ausmacht (...) durch ihre Innerlichkeit und ein Leben eigener Art, das in ihr konzentriert ist, d.h. durch das innere Leben. (...) Beim Menschen nehmen das Erkennen und Verlangen einen geistigen Charakter an und tragen so zur Bildung eines eigentlichen inneren Lebens bei - ein Phänomen, das bei den Tieren nicht vorkommt. Das innere Leben ist das geistige Leben. Es sammelt sich um das Wahre und Gute. Zahlreiche Probleme gehören ebenfalls dazu, wovon die beiden folgenden wohl die wichtigsten sind: <Welches ist die erste Ursache von allen ?> und <Wie kann man gut sein und die Fülle des Guten erreichen ?> .
Das erste dieser zentralen Probleme des inneren Lebens des Menschen betrifft vor allem das Erkennen, das zweite dagegen das Verlangen, oder genauer gesprochen, das Streben. Übrigens scheinen diese beiden Funktionen mehr zu sein als lediglich Funktionen. Sie sind eher naturgegebene Ausrichtungen des ganzen Menschen.(...) Die Person ist eben ein objektives Wesen, das als bestimmtes Subjekt mit der ganzen (äußeren) Welt eng in Verbindung steht und dank seiner Innerlichkeit und seinem Innenleben darin von Grund auf wurzelt. (...) Zwar beginnt die Verbindung der menschlichen Person mit der Welt auf der physischen, sinnenhaften Ebene, doch nimmt sie erst in der Sphäre des inneren Lebens die dem Menschen arteigene Form an. Hier zeichnet sich ein für die Person spezifischer Zug ab: Der Mensch nimmt nicht nur die Elemente der äußeren Welt wahr und reagiert darauf spontan oder geradezu mechanisch, sondern er sucht in seiner ganzen Haltung zur Welt, zur Wirklichkeit sich selbst zu behaupten, sein eigenes Ich zum Ausdruck zu bringen - und er muß so handeln, denn die Natur seines Wesens verlangt dies. Der Mensch hat eine von Grund auf andere Natur als die der Tiere. Zu seiner Natur gehört die auf der Reflexion gründende Fähigkeit zur Selbstbestimmung, was darin zum Ausdruck kommt, daß der Mensch in seinem Handeln das, was er tun will, wählt. Man nennt diese Fähigkeit den freien Willen.
Weil der Mensch als Person freien Willen besitzt, ist er auch Herr seiner selbst, was die lateinische Formel besagt, nach der die Person suiiuris ist. In einer engen Beziehung mit diesem charakteristischen Zug der Person steht eine andere markante Eigenschaft: Die Person ist - nach der Formulierung der mittelalterlichen Philosophie - alteri incommunicabilis; sie ist unmitteilbar, unweggebbar. (...) Niemand anders kann meinen Willensakt durch den seinigen ersetzen. (...) Ich kann das, was ich nach dem Wunsch eines anderen wollen soll, nicht wollen, und darin bin ich incommunicabilis. Ich bin in meinen Taten selbstständig und soll dies sein. Auf diesem Prinzip beruht die ganze menschliche Koexistenz; die Erziehung und die Kultur gehen auf dieses Prinzip zurück.
Der Mensch ist nämlich nicht allein Subjekt des Handelns; manchmal wird er auch zu dessen Objekt. In jedem Moment finden Handlungen statt, die einen anderen Menschen zum Objekt haben.”
Diese lange Textpassage ist für den Verfasser dieser Arbeit wie die Antwort auf die Frage: Was ist die klassische Philosophie ? Was ist Metaphysik ? Es lohnt sich, die einzelnen Wörter genau zu betrachten, ihre Verwendung und ihren Zusammenhang. Es handelt sich nämlich um die Errichtung eines Gedanken-Gebäudes, das Wojtyla auch in seinem Hauptwerk benutzen wird. Es geht darum, von welchen ersten Voraussetzungen (Prinzipien) Wojtyla ausgeht, was seine Grund- Vokabeln sind. Es sind dies philosophische Vokabeln mit einer reichen Tradition, die auch in allen möglichen anderen Zusammenhängen verwendet wurden. Besonders sticht dabei der Begriff der Person hervor, auf den Wojtyla stark baut. Leider wird er dem Leser an dieser Stelle nicht eigens in seiner genetischen Herkunft erklärt - dass dieser aus dem altgriechischen Theater (Maske) stammt oder auch aus den Definitionen der Konzilien über die Göttliche Dreifaltigkeit der Personen.
Wojtyla wählt vielmehr die Methode, den Begriff "Person” von den "Dingen” abzuheben, aber nicht weiter auf einen anderen zurückzuführen - etwa auf Gott als den Schöpfer der geschaffenen Geschöpfe oder auf das Seiende "Mensch” selbst -, sondern er setzt den Wortsinn, seine Bedeutung vielmehr schon als bekannt voraus, ähnlich das urphilosophischen Wort "Wesen” (ousia, Substanz)21 oder "Natur” (physis)22 oder die grammatikalischen Wörtern "Subjekt” und "Objekt” und implizit auch die "Freiheit”23 24 (//'berfas), der "Geist” (mens) und die Wahrheit (veritas). Was Wojtyla neben seinem sicheren Gebrauch dieser Termini, die er wohl seiner aristotelisch-thomistischen Ausbildung verdankt, bietet, ist, dass er lateinische Definitionen bringt, etwa die des Boethius oder scheinbar geläufige Ausdrücke der mittelalterlichen Scholastik, die ohne eine weitere Urheber-Angabe 24 sind. Mir fällt auf, dass aber der Begriff "Liebe”25, der ja auch in allen Facetten schillert und viele Übersetzungsmöglichkeiten und Kontexte26 hat, hier in dieser Einleitung zu einer ethischen Studie (über das Thema Sexualität27 ) ebensowenig wie der phänomenologisch grundlegende Begriff “Bewusstsein” noch nicht vorkommt.
Diese Terminologie zieht sich wie ein Leitfaden durch das philosophische Werk Wojtylas und wird noch weiter verfeinert und ergänzt durch den Begriff “suppositum", der anscheinend auch zum guten Handwerkszeug eines Scholastikers gehört und für den methodischen Ansatz von Wojtylas späterem Hauptwerk eine große systematische Bedeutung hat.
1.a.1. D ie S ubstanz a ls V oraussetzung u nd d er B egriff “ suppositum”
»Gratia non tollit [= supponit] naturam, sed perficit« (Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I, 1,8 ad 2).
Ich möchte die persönliche Überlegung anführen, dass eine Theorie doch immer nur ein Schauen auf ein irgendwie schon Vorhandenes sein kann, eine eingeschränkte Blick-Nahme, die immer schon unter vielen Voraussetzungen steht. Sie ist meiner Meinung nach eigentlich nur ein Kraft-Akt, eine Anstrengung, mehr schlecht als Recht etwas in Worten oder im Bewußtsein intentional nachzubilden, nachzumachen, zu reproduzieren, was vorher schon und deshalb auch schon ohne unser persönliches Zutun nicht erst entstand, sondern einfach da war: das Was, die "Sache” und seine "Natur”: To ti en einai; quid quod erat; das, was es war, zu sein
Aus einer solchen typisch menschlichen Kraftanstrengung entspringt als Produkt zB das Wort Sein oder auch Seiendes: Es ist wie eine Speiche in einem Rad, das sich dreht, es ist und ist wieder nicht, es bleibt und es vergeht_.es ist Teil eines Ganzen, mehr innen als außen, einmal so und einmal anders; es ist und ist auch nicht Es nimmt bald diese, bald jene Wendung und Bedeutung an, denn Sein oder Seiendes ist ja einfach...Wir können also gar nicht genau wissen28, was wirklich eine Sache selbst ist, müssen sie aber trotzdem - besonders im Alltag und seiner Praxis - als gegeben voraussetzen. Wir halten fest: errare humanum est: Die Wahrscheinlichkeit, sich in einer Theorie menschlich zu täuschen, ist sehr groß.
Wir müssen folglich behaupten: das, was wir eigentlich meinen, subsistiert29. Edith Stein nennt es den "Selbststand”, was eigentlich eine sehr unglückliche Wortfügung ist (eben eine begriffliche Anstrengung). Sie sagt in: "Endliches und Ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn von Sein.” 1938/1950, auf Seite 400:
“Der Selbststand, als Bestimmtheit, durch die das Vollselbstständige gebildet wird, ist zu bestimmen: das, wodurch bestimmtheitlich die Einzelsubstanz für sich seiend und unmitteilbar wird. Das Vollselbständige verhält sich zum Wesen, zur Natur, wie das Ganze zu seinem bestimmtheitlichen Teilen. Daher ist das Vollselbstständige das, was ist, die Natur ist, das wodurch es dieses Artbestimmte ist (...) Das Vollselbstständige als das, was ist, ist auch das, was tätig ist; die Natur das, wodurch es tätig ist.”30
Es handelt sich also um einen Sinn, der einer Sache beigelegt bzw. hinzugefügt wird. Thomanisch gesprochen ist “Wahrheit’ die (logische und dann ontologische) Übereinstimmung des Wissens mit dem Gegenstand. Unser Erkennen ist nur eine immaterielle, an sich nahezu “bedeutungslose” Hinzufügung zum “Ding an sich” oder der Substanz: Es fügt diesen “nichts” hinzu31, existiert daher selbst nur intentional, nicht real. Diese Zuordnung im Geistigen wird, wie Stein auch zeigt, transzendental genannt. Der Sinn selbst ist transzendent, “nicht von dieser Welt”, geistig. Es handelt sich laut Stein (Seite 257/8) um ein Offenbarsein für den Geist. In aristotelisch-thomistischer Sprache ausgedrückt: anima quodammodo omnia. Die Geistseele des Menschen ist es, in der das Sein der Sache zu sich selbst kommt.
Was die Sache selbst betrifft und ihre Natur, kann der Wissenschaftler also ständig bohrend weiter fragen. Er wird nie zum Kern kommen, denn der ist transzendent So heißt es etwa bei Edith Stein: “Endliches und Ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn von Sein.” 1938/1950 auf Seite 29532:
“<Form> im Gegensatz zur <Fülle> hat die Bedeutung der Leerform, nicht der Wesensform (die schon <geformte Fülle> ist). Aber hier, im Ursprung allen Seins, ist auch das kein Gegensatz. Das Unendliche, Allumfassende umfaßt und umgrenzt sich selbst - während beim Endlichen die Form die Umgrenzung eines von anderem unterschiedenen Inhalts ist - das Ich besagt hier Form und Fülle zugleich, das sich selbst völlig besitzende und beherrschende Sein. Von der Fülle des Ich her wird auch am ehesten faßlich, daß darin Was und Sein zusammenfallen (die Frage, die uns die größten Schwierigkeiten bereitet hat). In ihm ist jegliches Was beschlossen: es umfaßt ja alles Seiende, und alles Endliche hat in ihm seinen Ursprung. Seine Fülle ist aber auch Fülle des Seins in jeglichem Sinn des Wortes.”
1.a.2. D as V ermögen d er W ahrnehmung u nd d er B egriff “ intentio”
Sein und Erkennen sind verschiedene Ordnungen (ratio essendi et ratio cognoscendi).
Es hieß aber oben bei Wojtyla: "Das erste dieser zentralen Probleme des inneren Lebens des Menschen betrifft vor allem das Erkennen, das zweite dagegen das Verlangen, oder genauer gesprochen, das Streben.”
Das Vermögen des Menschen zeigt sich also im Erkennen33 und im Willen. In "Person und Tat” heißt es34: "Dies wurde von Thomas v. Aquin besonders hervorgehoben, als er feststellte, daß im Erkennen das Objekt, so wie es sei, in das Subjekt eingeführt würde und daß es daher im Subjekt in einer neuen, der intentionalen Art existiere. Im Willensakt hingegen kann die umgekehrte Bewegung, hin auf das Objekt, beobachtet werden, so daß es nun das Subjekt ist, das durch den Willensakt sozusagen im Objekt zu existieren beginnt - natürlich nur intentional und nicht in Wirklichkeit. In diesem Zusammenhang müssen wir beachten, daß für den hl. Thomas der Ausdruck intentio auf eines der Schlüsselmomente in der Aktualisierung des Willens hinweist. Auf gar keinen Fall dürfen wir aber das Substantiv intentio mit dem entsprechenden Adjektiv intentionalis verwechseln. Diese Verwechslung hat in die zeitgenössische Philosophie solche Ausdrücke wie intentionaler Akt eingeführt35.”
Wir müssen uns stark vor Augen halten, dass es sich hier nicht um ein Problem des Scheins, nicht um eine rein theoretische und abstrahierte Frage handelt, die mit der Alltags-"Wirklichkeit” nichts zu tun hätte, sondern dass es hier um die ontischen Voraussetzungen geht, die eminente und vorrangig praktische Bedeutung haben. Wojtyla führt dazu in PT S. 143 weiter aus: "Wir nehmen den Willen mit der ganzen ihm eigenen Intentionalität in den Blick. Diese Intentionalität ist gewissermaßen der Intentionalität des Erkennens, also der Intentionalität der Erkenntnisakte, diametral entgegengesetzt. Dem schenkt Thomas von Aquin ganz ausdrücklich Beachtung, wenn er feststellt, daß in der Erkenntnis sich gleichsam eine Einführung des Gegenstands in das Subjekt vollzieht und so dieser Gegenstand auf neue - eben intentionale - Weise im Subjekt zu existieren beginnt. Im Wollen hingegen vollzieht sich gleichsam ein Ausgehen auf den Gegenstand zu, so daß das Subjekt durch das Wollen gleichsam im Gegenstand zu existieren beginnt, wiederum nicht real, sondern intentional.”
Diesen Sachverhalt drückt Edith Stein in ihrem Hauptwerk Seite 9536 so aus: "der bei Thomas so häufig wiederkehrende Grundsatz: das Erkannte ist im Erkennenden in der Weise des Erkennenden”. Wir werden im Hauptteil dieser Arbeit noch einmal auf dieses Thema in der Argumentation Wojtylas zu sprechen kommen müssen. Wir verfolgen dann ausdrücklich nicht die "moderne”, subjektive Linie der Kantischen "Transzendentalphilosophie”, die eigentlich eine wunderliche, wenn auch geistreiche, Anlehnung an die scholastischen Transzendentalien ens und res; unum; aliquid ist.37 Wir nehmen dann also auch keine Diskussion über das Kategorien-Problem (angefangen mit Aristoteles) in Angriff und wollen auch das klassische Universalien-Problem (im Platonischem Geiste)38 nicht berühren.
Es scheint dem Verfasser dieser Arbeit nämlich ziemlich klar zu sein, dass Wojtyla in der phänomenologischen Methode eine sehr ernst zu nehmende Wiederaufnahme, eine relecture der traditionellen - und wir müssen damit wohl auch sagen: christlich motivierten - Philosophie sah, möge man sie nun als Kritik an der Neuscholastik deuten, wie es vielleicht Husserls Intuition war; oder als "reine” Metaphysik, die sich aus den Fesseln der katholischen Denkschule befreit hatte, wie bei Heidegger.
Der Verfasser meint deutlich zu sehen, wie oben angedeutet, dass Wojtyla dies nicht aus irgendwelchen Gründen tat, sondern wirklich aus einer sachlichen und begrifflich nachzuvollziehenden Überzeugung heraus. Damit war er aber wiederum nicht allzu sehr an die Phänomenologie als Schulrichtung gebunden, die er in irgendeiner Form hätte "verraten” können oder akademisch verteidigen müssen. Dem späteren Papst stand bei der ganzen philosophischen Diskussion - etwa des modernen "cogito, ergo sum” von Descartes - eine ganze tatsächliche Welt vor Augen, die er in großer philosophischer Eigenständigkeit und Kreativität und durchaus originell, in Eigenständigkeit und, wie ich finde, sogar mit großem Freimut, ja denkerischem Wagemut, angegangen ist und reflektiert hat.
Meines Erachtens nach konnte er, ganz praktisch, gar nicht anders, als beim Wort "Welt” sogleich an die christliche Schöpfung zu denken, und beim "Sein”, dem philosophischen actus purus, an den biblischen Schöpfergott. Und beim "Menschen” sofort an Jesus Christus 39. - Und angesichts der Welt an das Kreuz Christi.39
1.a.3. Die Methodik des Papstes
“Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir” (hl. Augustinus, Bekenntnisse 1,1)
1.a.3.a. Zitate aus den populären Interviews Papst Johannes Paul II. Zur menschlichen Historie
Es handelt sich bei diesen Zitaten um einen kurzen Abriß von Kultur-Epochen:
Das Wissen um und die Beschäftigung mit "dem Menschlichen” selbst war nämlich zu jeder Zeit in der menschlichen Geschichte präsent. Das humanistische philosophische Studium beispielsweise hat stets irgendwie vor dem kulturellen Horizont eines Personalismus stattgefunden und zB neuzeitlich seinen Ausdruck in Descartes' <Cogito, ergo sum - Ich denke, also bin ich> gefunden:
"Vor Descartes war die Philosophie und damit das cogito - oder vielmehr das cognosco - dem esse untergeordnet. Das Sein wurde als etwas Ursprüngliches angesehen. Descartes erschien dagegen das esse als zweitrangig, während er das cogito als vorrangig ansah. Auf diese Weise vollzog sich im Philosophieren nicht nur ein Richtungswechsel, sondern das, was die Philosophie - und insbesondere die Philosophie des Thomas von Aquin - bis dahin gewesen war, nämlich die Philosophie des esse, wurde entschieden aufgegeben. Vorher war alles aus der Sicht des esse interpretiert worden, und für alles suchte man eine dieser Sicht entsprechende Erklärung. Gott als das sich selbst genügende Sein (Ens subsistens) wurde als unabdingbare Grundlage angesehen für jegliches ens non subsistens, ens participatum, d.h. für alle geschaffenen Wesen, also auch für den Menschen. Das <Cogito, ergo sum> bedeutete den Bruch mit dieser gedanklichen Ausrichtung. Nun wurde das ens cogitans zum Grundprinzip. Nach Descartes wird die Philosophie zu einer Wissenschaft des reinen Denkens: Alles esse - sowohl die geschaffene Welt als auch der Schöpfer selbst - bleibt im Bereich des cogito, gleichsam ein Inhalt des menschlichen Bewusstseins. Die Philosophie beschäftigt sich mit den Wesen, insofern sie Bewusstseinsinhalte sind, nicht insofern sie außerhalb des Bewusstseins existieren. (...) Man sprach vom <Untergang des thomistischen Realismus> und meinte damit auch die Loslösung vom Christentum als der Quelle des Philosophierens. Was im Endeffekt infrage gestellt wurde, war sogar die Möglichkeit, Gott zu erreichen. In der Logik des <Cogito, ergo sum> wurde Gott reduziert auf einen Inhalt des menschlichen Bewusstseins; er konnte nicht mehr als derjenige bezeichnet werden, der das menschliche sum bis zum Grunde erklärt. Er konnte also nicht mehr bestehen bleiben als das Ens subsistens, als das <sich selbst genügende Wesen>, als der Schöpfer, als der, welcher das Sein schenkt und im Mysterium der Inkarnation, der Erlösung und der Gnade sogar sich selbst schenkt. Der Gott der Offenbarung hatte als <Gott der Philosophen> aufgehört zu existieren. Nur die Idee von Gott war übrig geblieben, als Thema einer freien Entfaltung des menschlichen Denkens. (...) Der Mensch war allein geblieben - allein als der Schöpfer seiner eigenen Geschichte und seiner eigenen Zivilisation; allein als derjenige, der entscheidet, was gut und böse ist, als der, welcher sein und handeln würde etsi Deus non daretur- auch wenn es Gott nicht gäbe. (...) Ich meine, dass eine aufmerksamere Untersuchung dieser Frage uns über den Descart'schen Einschnitt hinaus führen könnte. Wenn wir in sinnvoller Weise von Gut und Böse sprechen wollen, müssen wir zu Thomas von Aquin, d.h. zur Philosophie des Seins zurückkehren. Mit der phänomenologischen Methode kann man z.B. Erfahrungen wie die der Moralität, der Religion oder auch die des Menschseins untersuchen und eine bedeutende Bereicherung unserer Erkenntnis daraus gewinnen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass all diese Analysen implizit die Realität des Menschseins - d.h. eines geschaffenen Wesens - voraussetzen und auch die Realität des Absoluten Seins. Wenn man nicht von solchen <realistischen> Voraussetzungen ausgeht, bewegt man sich schließlich im Leeren.”40 41
Im Barock beispielsweise fand der Mensch als Ausdruck der Herrlichkeit Gottes: Gloria Dei vivens homo - "die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch”40 41 42, ebenso seinen Platz wie sein künstlerisches düsteres Gegenbild dazu. Auf diese Art und Weise war Gott "alles in allem”, und der Mensch sein Spiegelbild.
Auch die Aufklärung als Geisteshaltung und kulturelle Denkströmung hinterließ in der menschlichen Geschichte gewaltige Spuren43:
"Die Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit waren am Anfang des 19. Jahrhunderts auch deswegen ein Segen, weil jene Jahre eine große Wende in der so genannten sozialen Frage mit sich bringen sollten. Der Kapitalismus der Anfänge der industriellen Revolution erstickte auf verschiedene Weise die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit, indem er mit Rücksicht auf die Gesetze des Marktes die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zuließ. Das aufklärerische Bewusstsein begünstigte - vor allem in seinem Verständnis von Freiheit - sicherlich das Entstehen des Kommunistischen Manifests von Karl Marx, es löste jedoch auch - bis zu einem gewissen Grade sogar unabhängig von diesem Appell - das Aufkommen der Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit aus, einer Gerechtigkeit, die ebenfalls ihre letzten Wurzeln im Evangelium hat. (...) <Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen WORTES das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf.> [Gaudium et spes, Nr. 22]. Mit diesen Worten drückt das zweite Vatikanische Konzil die Anthropologie aus, die an der Basis der gesamten Konzilslehre steht. Christus zeigt den Menschen nicht nur die Wege des inneren Lebens, sondern er bietet sich selbst als <Weg> an, dem man folgen muss, um das Ziel zu erreichen. Er ist der <Weg>, weil er das inkarnierte WORT, weil er der MENSCH schlechthin ist. (...) Allein Christus offenbart mit seinem Menschsein das Geheimnis des Menschen bis zum Grunde. In die Tiefe dieses Geheimnisses vorzudringen, ist nämlich nur dann möglich, wenn man von der Erschaffung des Menschen als Ebenbild Gottes ausgeht. Auf der Basis einer Bezugnahme auf die anderen Geschöpfe der sichtbaren Welt kann der Mensch sich selbst nicht völlig begreifen. Den >Schlüssel> zu einem Verstehen seiner selbst findet der Mensch in der Betrachtung des göttlichen Prototyps, des inkarnierten WORTES, des ewigen Sohnes des Vaters. Erste und entscheidende Quelle für das Verständnis des innersten Wesens des Menschen ist also die Heiligste Dreifaltigkeit.” (..) "Es heißt, das Konzil habe zu dem geführt, was Karl Rahner die <anthropologische Wende> nannte” (...), "da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche.”
Über unsere modern-postmoderne Gesellschaft heißt es auf ebenda auf Seite 167 im Kapitel "Die heutige Demokratie”: “Insofern es eine <Anordnung der Vernunft> ist, stützt sich das Gesetz auf die Wahrheit des Seins: auf die Wahrheit Gottes, auf die Wahrheit des Menschen und die Wahrheit der erschaffenen Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit.”
Diese Zitate sollen als die Etappen der Historie genügen. Wojtyla schließt ebenda auf Seite 181 im Kapitel “Rückkehr nach Europa?” mit dem Gedanken:
“Diese so tiefe und umfassende Erinnerung an die Erlösung und an die Vergöttlichung des Menschen ist zugleich die Quelle vieler anderer Dimensionen der Erinnerung sowohl auf persönlicher als auch auf gemeinschaftlicher Ebene. Sie ermöglicht ihm auch, die verschiedenen Gemeinschaften zu verstehen, in denen sich seine Geschichte gestaltet: die Familie, die Sippe und die Nation. Und schließlich ermöglicht sie ihm, die Geschichte der Sprache und Kultur zu verstehen, die Geschichte all dessen, was wahr, gut und schön ist.”
Die Beschäftigung mit dem Buch der Bibel hat die Menschen aller Jahrhunderte geprägt, der Papst geht in der Darlegung sogar bis in graue Vorzeiten zurück:
“Angefangen bei Abraham, verlangt der Glaube von jedem seiner Nachkommen die ständige Überwindung dessen, was lieb, eigen und wohl bekannt ist, um sich dem unbekannten Raum zu öffnen, indem man sich auf die gemeinsame Wahrheit und die gemeinsame Zukunft unser aller in Got stützt. Alle sind wir aufgefordert, an diesem Prozess der Überwindung des bekannten, nächstliegenden Kreises teilzunehmen; wir sind aufgefordert, uns jenem Gott zuzuwenden, der in Jesus Christus sich selbst überwunden hat, indem er die trennenden Wand der Feindschaft niederriss ( vgl. Eph 2,14), um uns durch das Kreuz zu sich zurückzuführen. Jesus Christus - das will heißen: Treue zur Berufung durch den Vater, offenes Herz gegenüber jedem Menschen, dem man begegnet, Weg, auf dem man vielleicht nicht einmal einen Ort hat, wo man <sein Haupt hinlegen kann> (vgl. Mat 8,20), und schließlich Kreuz, durch das man zum Sieg der Auferstehung gelangt. Das ist Christus, der unerschrocken voranschreitet und sich nicht aufhalten läßt, bevor er nicht alles vollbracht hat, bevor er nicht zu seinem Vater und zu unserem Vater hinaufgegangen ist (vgl. Joh 20,17), er, der derselbe gestern, heute und in Ewigkeit ist (vgl. Hebr. 13,8). Der Glaube an ihn ist also das unaufhörliche Sich-Öffnen des Menschen für das unaufhörliche Eintreten Gottes in die Welt der Menschen, ist das Sich-Bewegen des Menschen auf Gott zu, auf einen Gott, der seinerseits die Menschen zueinander führt. So geschieht es, dass alles, was dem Einzelnen gehört, Eigentum aller wird, und alles, was dem Anderen gehört, zugleich auch mein wird. (...) Nicht er allein musste <gehen>, auf die Erfüllung des Willens des Vaters zugehen, sondern auch sie mit ihm. (...) Gehen wir im Vertrauen auf Christus. Er wird uns begleiten auf unserem Weg bis zum Ziel, das nur er kennt.”44
1.a.3.b. Zitate aus den Generalaudienzen Papst Johannes Paul II. Die Frage des Glaubens und der Religion
Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass es nicht nur die natürliche Welt, sondern auch die Welt unter Anführungszeichen gibt, die Welt der Bücher und des Studiums, welche Wojtyla immer sehr schätzte45. Aus dieser Beschäftigung mit der Hl. Schrift ist auch die allgemein menschliche Wissenschaft der Theologie entstanden:
"Dieses <Ich weiß> betrifft die Existenz Gottes und bis zu einem gewissen Grad auch sein Wesen. Diese verstandesmäßige Erkenntnis Gottes wird von einer Wissenschaft systematisch behandelt, die natürliche Theologie heißt, philosophischen Charakter hat und aus dem Boden der Metaphysik, also der Philosophie vom Sein, hervorgeht. Sie konzentriert sich auf die Erkenntnis Gottes als Erstursache und auch als letztes Ziel des Universums.”46 "Die Heilige Schrift beschreibt Gott unter Verwendung verschiedener Adjektive. Diese sind Äußerungen der menschlichen Sprache, die sich vor allem dann als begrenzt erweist, wenn sie eine Aussage über jene völlig transzendente Wirklichkeit zu machen versucht, die Gott in sich selbst ist. (...) Gott, der wesentlich von der Welt verschieden ist (a mundo distinctus re et essentia) (...) In diesem Sinne ist Gott ewig: ein <Nunc>, ein subsistierendes <Jetzt>, das kein Werden kennt und dessen Seinsweise sich wesentlich von jener der Geschöpfe unterscheidet, die <der Zufälligkeit unterworfene> Wesen sind. Daher also ist der lebendige Gott, der sich selbst geoffenbart hat, der ewige Gott. Treffender sagen wir, daß Gott die Ewigkeit selbst ist. Die vollkommene Einfachheit des göttlichen Seins (omnino simplex) verlangt eine solche Ausdrucksweise.(...) Diese Ewigkeit ist für uns, die wir dem Raum und der Zeit unterworfen sind, unbegreiflich wie das göttliche Sein; sie läßt uns jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt die unendliche Größe und Majestät des göttlichen Seins erfassen, während uns der Gedanke mit Freude erfüllt, daß dieses ewige Sein alles in sich schließt, was geschaffen und nicht notwendig ist, auch unser kleines Sein, jede unserer Handlungen, jeden Augenblick unseres Lebens. <In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir>.”47
"Der Glaube - das, was sich im Ausdruck <ich glaube> ausspricht - steht in wesentlichen Zusammenhang mit der Offenbarung. Die Antwort auf die Tatsache, daß Gott <sich selbst> dem Menschen offenbart und gleichzeitig vor ihm das Geheimnis des ewigen Willens enthüllt, den Menschen durch <die Teilhabe an der göttlichen Natur> zu retten, ist die Hingabe an Gott von seiten des Menschen, in der der Glaubensgehorsam seinen Ausdruck findet. Der Glaube ist der Gehorsam der Vernunft und des Willens gegenüber dem sich offenbarenden Gott. Dieser Gehorsam besteht vor allem darin, das, was Gott offenbart, als Wahrheit anzunehmen: Der Mensch bleibt in seinem Ja zum Inhalt der Offenbarung in Harmonie mit seiner Natur als Vernunftwesen. Aber durch den Glauben überläßt sich der Mensch ganz diesem Gott, der sich ihm selbst offenbart - und während er das Geschenk von oben erhält, antwortet er also Gott mit der Hingabe seines Menschseins. So beginnt mit dem Gehorsam der Vernunft und des Willens gegenüber dem sich offenbarenden Gott eine neue Daseinsweise der ganzen menschlichen Person in ihrer Beziehung zu Gott. Die Offenbarung - folglich auch der Glaube - <übersteigt> den Menschen, weil sie die übernatürlichen Perspektiven vor ihm eröffnet. Aber in diesen Perspektiven liegt die höchste Erfüllung der in der geistlichen Natur des Menschen verwurzelten Sehnsüchte und Wünsche: das Wahre, das Gute, die Liebe, die Freude, der Friede. Der hl. Augustinus hat dieser Tatsache in dem berühmten Satz Ausdruck gegeben: <Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir> (Bekenntnisse I,1). Der hl. Thomas widmet die ersten Fragen des Zweiten Teiles der Summa Theologica dem Versuch, wie in Entfaltung des Gedankens des hl. Augustinus, zu beweisen, daß nur in der Schau und in der Liebe Gottes die Fülle der Verwirklichung menschlicher Vollkommenheit und damit das Ziel des Menschen zu finden ist. Darum begegnet die göttliche Offenbarung im Glauben der transzendenten Fähigkeit des menschlichen Geistes, sich dem Wort Gottes zu öffnen.”48
Die Frage des Glaubens ist ja: Ist die Wahrheit dem Menschen zumutbar ? Ist der Mensch tatsächlich dafür geschaffen ? In einer seiner Katechesen führt der Papst dazu aus49:
Ebd. Seite 99-100, Kapitel: "<Du bist, was nicht ist. Ich bin Der, Der ist.>”:
"Paul VI. nimmt Bezug auf den Namen Gottes: <Ich bin>, <Ich-bin-da>, der sich im Buch Exodus findet. Nach der lehrmäßigen und theologischen Überlieferung vieler Jahrhunderte sieht er in ihm die Offenbarung Gottes als das <Sein>: das <subsistierende>, selbstständige Sein. Dieser Name drückt in der Sprache der Philosophie des Seins (Ontologie oder Metaphysik), die der hl. Thomas von Aquin verwendet, das Wesen Gottes aus. Man muß hinzufügen, daß nach der rein sprachlichen Interpretation der Worte <Ich bin der <<I c h b i n >> auch andere Bedeutungen möglich sind, auf die wir in der Folge noch hinweisen werden. Die Worte Pauls VI. lassen hinreichend klar werden, daß die Kirche bei der Antwort auf die Frage: <Wer ist Gott?> weiterhin, in der Linie einer mehrhundertjährigen patristischen und theologischen Überlieferung vom Sein (esse) ausgeht. Es ist nicht ersichtlich, auf welche andere Weise sich eine haltbare und zugängliche Antwort formulieren ließe. Das Wort, mit dem Gott sich offenbart, zeigt, nach der <Terminologie des Seins> betrachtet, eine besondere Annäherung zwischen der Sprache der Offenbarung und der Sprache jener menschlichen Erkenntnis der Wirklichkeit, die seit der Antike als Grundlage jeder Philosophie bezeichnet wurde. Die Sprache dieser Philosophie erlaubt eine gewisse Annäherung an den Namen Gottes als <Sein>. Und doch können wir, wie einer der ausgezeichnetsten Vertreter der thomistischen Schule in unserer Zeit, dem hl. Thomas beistimmend (vgl. Contra gentes, I, cc. 14,30), bemerkt, auch wenn wir uns dieser Sprache bedienen, diesen offenbarten Namen, der das Wesen Gottes ausdrückt, bestenfalls nur <buchstabieren> (...) Die menschliche Sprache genügt in der Tat nicht, um in passender und erschöpfender Weise auszudrücken, <wer> Gott ist. Unsere Begriffe von Gott und unsere Worte über ihn dienen eher dazu, zu sagen, wer er nicht ist, als zu sagen, wer er ist ! (...) Derjenige, der erschafft, der Schöpfer, besitzt (...) das Dasein in sich selbst und aus sich selbst (<ens a se>). Das Sein gehört wesentlich zum Schöpfer. Sein Wesen ist das Sein. Er ist das Sein schlechthin (Esse subsistens). Gerade darum ist es für ihn unmöglich, nicht zu existieren, er ist das <notwendige> Sein. Im Gegensatz zu Gott, der das <notwendige Sein> ist, kann Bestehendes, das die Existenz von ihm empfängt, d.h. die Geschöpfe, ebenso gut nicht existieren: Das Sein ist nicht ihr Wesen; sie bestehen <zufällig>. Diese Erwägungen bezüglich der geoffenbarten Wahrheit über die Erschaffung der Welt helfen uns, Gott als das <Sein> zu verstehen. Sie erlauben uns auch, dieses <Sein> mit der Antwort in Zusammenhang zu bringen, die Mose auf seine Fragen nach dem Namen Gottes erhielt: <Ich bin der <<I c h- b i n- d a>>. Im Licht dieser Überlegungen erhalten auch die feierlichen Worte, die die hl. Katharina von Siena hörte, ihre volle Transparenz: <Du bist das, was nicht ist, ich bin der, der ist>>”
Ebd. Seite 101, Kapitel "Gott erkennen - aber nicht begreifen”:
"Der Gott unseres Glaubens (...) ist der Welt gegenüber transzendent. Er <...ist wahrhaftig und wesentlich von der Welt getrennt..., und unaussprechlich erhaben über alle Dinge, die außerhalb von ihm konzipiert sind oder sein können>(DS 3002)”.
Gegenüber dem modernen Atheismus hält die Kirche Wojtylas daran fest, "daß der Mensch ein nicht notwendig existierendes und im Dasein begrenztes Wesen ist.”50
"Gott ist <das Alpha und das Omega> (Offb 1,8): Er ist auch Anfang und Ende unseres Glaubens.”51
"Da der Gott unseres Glaubens Ewigkeit ist, ist er die Fülle des Lebens und unterscheidet sich als solche von allem, was in der sichtbaren Welt lebt. Es handelt sich um ein <Leben>, das im höchsten Sinn des Wortes verstanden wird, wenn es sich auf Gott bezieht, der Geist, reiner Geist, und, wie das I.Vatikanum lehrt, auch unermeßlich und unsichtbar ist. An ihm finden wir nichts, was nach den Kriterien der geschaffenen und sichtbaren Welt und der Zeit, die den Fluß des menschlichen Lebens kennzeichnet, meßbar wäre, denn Gott steht über der Materie, er ist absolut immateriell. (...) Gott ist (...) nicht nur das subsistierende Sein, sondern als solches auch subsistierender Geist (...). Das göttliche Sein ist seinem Wesen nach absolut geistig.
Geistigkeit bedeutet Verstand und freien Willen. Gott ist in unendlichen Maß Verstand, Wille und Freiheit, so wie er auch unendlich und in jeder Hinsicht vollkommen ist. (...) Gott, dieses unendlich Gute, das absolute Fülle der Wahrheit ist, <diffusivum sui> (Mitteilung seiner selbst) (Thomas von Aquin, STh I, q.5, a.4, ad 2), Auch dadurch hat Gott sich offenbart: die Offenbarung ist das Gute selbst, das sich als Wahrheit mitteilt. Dieser Gott, der sich selbst geoffenbart hat, will sich auf unaussprechliche und unvergleichliche Weise mitteilen, ja hingeben ! Das ist der Gott des Bundes und der Gnade.”
Ebd. Seite 112 bis 114, Kapitel "Gott ist Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart”:
"Der Schöpfungsakt erweist sich als das allmächtige Wort Gottes: <Der Herr sprach, und sogleich geschah es...> (Ps 33,9). Indem er alles aus dem Nichts, das Sein aus dem Nicht-Sein erschafft, offenbart sich Gott als unendliche Fülle des Guten, das sich verströmt. Er, der ist, das subsistierende Sein, das unendlich vollkommene Sein, verschenkt sich gewissermaßen in diesem <Ist>, indem er den sichtbaren und unsichtbaren Kosmos ins Dasein ruft: die geschaffene Welt. Indem er die Dinge erschafft, setzt er den Anfang der Geschichte des Universums; indem er den Menschen als Mann und Frau erschafft, setzt er den Anfang der Geschichte der Menschheit. Als Schöpfer ist er somit der Herr der Geschichte. <Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: er bewirkt alles in allen> (1 Kor 12,6) Der Gott, der sich selbst als Schöpfer und damit als Herr der Geschichte der Welt und des Menschen offenbart, ist der allmächtige Gott, der lebendige Gott. <Die Kirche glaubt und bekennt, daß es einen einzigen lebendigen und wahren Gott gibt, den allmächtigen Schöpfer und Herrn des Himmel und der Erde>, formuliert das 1. Vatikanum (DS 3001). Dieser Gott, unendlich vollkommener und allwissender Geist, ist absolut frei und souverän auch in bezug auf den Schöpfungsakt. Wenn er der Herr all dessen ist, was er erschafft, ist er vor allem Herr des eigenen Willens beim Schöpfungswerk. Er erschafft, weil er erschaffen will. Er erschafft, weil das seiner unendlichen Weisheit entspricht. Als Schöpfer handelt er mit der unerforschlichen Fülle seiner Freiheit aus ewiger Liebe. (...) Gott ist zuerst und vor allem sich selbst gegenwärtig; in seiner dreieinigen Gottheit. Er ist auch im Universum, das er geschaffen hat, gegenwärtig; er ist das infolge des Schöpfungswerkes durch die Schöpfungsmacht (per potentiam), in der sein transzendentes Wesen selber gegenwärtig ist (per essentiam). Diese Gegenwart überragt die Welt, durchdringt sie und erhält sie im Dasein. Dasselbe läßt sich von der Gegenwart Gottes durch sein Wissen sagen als unendlicher Blick, der alles sieht, durchdringt und erforscht (per visionem oder per scientiam). Schließlich ist Gott in besonderer Weise in der Geschichte der Menschheit gegenwärtig, die zugleich Heilsgeschichte ist. (Wenn wir so sagen dürfen, ist die <persönlichste> Gegenwart Gottes seine Gegenwart durch die Gnade, deren Fülle die Menschheit in Jesus Christus empfangen hat)”.
Ebd. Seite 115 bis 117, Kapitel "Gott schenkt sich dem Menschen im Bund”:
"(..) Offenbarung Gottes als das <Sein> (...). Gott das vollkommene, unendliche, subsistierende Sein”.
Ebd. Seite 125, Kapitel "Die Lehre von der Trinität. Gott ist dreifaltig”:
"(...) als das Christentum mit der griechischen Kultur und Philosophie in Kontakt kam. Es ging darum, das Geheimnis des dreieinigen Gott korrekt <in die Terminologie des Seins zu übertragen>, das heißt, die Begriffe, die sowohl Einheit wie die Dreiheit des Gottes unserer Offenbarung unmißverständlich definierten, präzise in der philosophischen Sprache der Zeit auszudrücken. (...) Das <Credo des Gottesvolkes> Pauls VI. bekräftigt den Glauben der Urkirche, wenn es verkündet: <Die wechselseitigen Band, die von Ewigkeit her die drei Personen bilden, deren jede das einzige und identische göttliche Sein ist, sind das glückselige innere Leben des dreimal heiligen Gottes, das unendlich über allem steht, was wir nach menschlichem Maß erdenken und erfassen können>(...): wahrhaftig, unaussprechliche und Heiligste Dreifaltigkeit - einziger Gott !”
Ebd. Seite 133 bis 135, "Jesus Christus ist der wesensgleiche Sohn des Vaters (II)”:
"Nach dem Johannesevangelium war der Sohn, das Wort, im Anfang bei Gott, und das Wort war Gott. Denselben Gedanken finden wir in der apostolischen Lehrverkündigung. So lesen wir im Hebräerbrief, daß Gott den Sohn <zum Erben des Alls eingesetzt und durch ihn auch die Welt erschaffen hat; er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort> (Hebr 1,2-3). Und Paulus schreibt im Brief an die Kolosser: <Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.> (Kol 1,15) Nach der Lehre der Apostel ist der Sohn also eines Wesens mit dem Vater, da er das göttliche Wort ist. In diesem Wort und durch es ist alles entstanden, ist das All erschaffen worden. Vor der Schöpfung, vor dem Anfang <aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge>, hat das Wort gemeinsam mit dem Vater das ewige Sein und das göttliche Leben und ist der <Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens> (Hebr 1,3). In diesem Anfang ohne Anfang ist das Wort der Sohn, weil es ewig vom Vater gezeugt wird. Das Neue Testament offenbart uns dieses für uns unbegreifliche Geheimnis von einem Gott, der einer und dreifaltig ist. In der seinsmäßigen, absoluten Einheit seines Wesens ist Gott ewig und ohne Anfang der Vater, der das Wort zeugt, und der als Wort des Vaters gezeugte Sohn. (...) <daß er, indem er sich selbst erkennt, den wesensgleichen Sohn zeugt.> [Konzil von Trient]. Es ist in der Tat gewiß, daß diese ewige Zeugung in Gott absolut geistlicher Natur ist, den <Gott ist Geist>. Analog zu dem erkenntnistheoretischen Prozeß des menschlichen Geistes, durch den der Mensch, indem er sich selbst erkennt, ein Bild, eine Idee, einen Begriff von sich selbst hervorbringt, das heißt eine <empfangene Idee>, die nach dem lateinischen <verbum> (Wort) häufig inneres Wort genannt wird, wagen wir, an die Zeugung des Sohnes bzw. den ewigen Begriff und das innere Wort Gott zu denken. Indem Gott sich selbst erkennt, zeugt er das Wort, den Sohn, der Gott ist wie der Vater. In dieser Zeugung ist Gott gleichzeitig Vater als derjenige, der zeugt, und Sohn als derjenige, der gezeugt wird, Sohn in der tiefsten Identität der Gottheit, die eine Mehrzahl von <Göttern> ausschließt. Das Wort ist der Sohn, gleichen Wesens mit dem Vater, und er ist mit ihm der einzige Gott der Offenbarung des Alten und Neuen Testaments. Diese Darlegung des für uns unerforschlichen Geheimnisses des innersten Lebens Gottes ist in der gesamten christlichen Überlieferung enthalten. Wenn die göttliche Zeugung unmittelbar in der Offenbarung enthalten und von der Kirche definierte Glaubenswahrheit ist, können wir sagen, daß die Erklärung, die die Kirchenväter und -lehrer davon geben, eine gut fundierte und sichere theologische Lehre ist. Aber wir können nicht behaupten, mit ihr sämtliche Nebel zu beseitigen, die den, der <in unzugänglichem Licht wohnt> (1 Tim 6,16), unserem Geist verhüllen. Eben weil der menschliche Verstand nicht fähig ist, das göttliche Wesen zu begreifen, vermag er nicht in das Geheimnis des innersten Lebens Gottes einzudringen. Mit besonderem Recht gilt hier der Ausdruck: <Wenn du ihn begreifst, dann ist er nicht Gott.> Dennoch macht uns die Offenbarung mit den wesentlichen Begriffen des Geheimnisses bekannt, legt es uns dar und läßt es uns weit über jedes intellektuelle Verständnis hinaus in Erwartung und in Vorbereitung auf die himmlische Vision verspüren. Wir glauben daher, daß <das Wort Gott war> (Joh 1,1), <Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat> (Joh 1,14) und <allen, die ihn aufnahmen, Macht gab Kinder Gottes zu werden> (Joh 1,12). Wir glauben an den Sohn, den <Einzigen, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht> (Joh 1,18) und der uns, ehe er die Erde verließ, verheißen hat, uns, seinen Kindern und Brüdern (..) in der Herrlichkeit Gottes <einen Platz vorzubereiten> (vgl. Joh 14,2).”
[...]
1 JOHANNES PAUL II., Ecclesia in Europa. Apostolisches Schreiben, Christiana 2003, Seite 16/17 mit einem Zitat der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa, Relatio ante disceptationem, 1,1,2: LOsservatore Romano, 3.10.1999, S. 6. Diese Meinung vertritt Karol Wojtyla auch schon im "Zeichen des Widerspruchs. Besinnung auf Christus", Beninger/ Herder aus dem Jahr 1979. Er schließt dabei an Gedanken Augustins aus "De civitate Dei" und an die biblische Sündenfall-Erzählung von Adam und Eva im Paradies, d.i. die menschliche Selbstliebe bis hin zur Verachtung Gottes, an. Vgl. aus der Einführung von D.J. Hilla zu JOHANNES PAUL II., Ich glaube an Gott, den Schöpfer. Katechesen 1985 -1986. EOS 1993, Seite 11: "Einen Schwerpunkt im Denken des Heiligen Vaters bildet die Frage nach der Wahrheit. Die Wahrheit ist in Gott verankert. Wahr ist etwas dann, wenn es genau jenes Wesen verwirklicht, das Gott ihm zugedacht hat. Wahrheit bedeutet die Übereinstimmung eines Seienden mit dem Plane Gottes." Hilla zitiert hier auch wieder Karol Wojtyla, Zeichen des Widerspruchs. Besinnung auf Christus, Beninger/ Herder 1979, S. 21: "Der Mensch muß Wurzel schlagen in der Erkenntnis des Schöpfers." Mit anderen Worten formuliert: Gottes idealtypisches Wort ist Jesus Christus. Natur ist dabei göttliche oder menschliche: etwas, das wird und wirkt.
2 JOHANNES PAUL II., Enzyklika Fides et Ratio. Über das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Deutsche Bischofskonferenz 1998, Seite 86.
3 Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 15; zitiert in JOHANNES PAUL II., Enzyklika Fides et Ratio. Über das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Deutsche Bischofskonferenz 1998, Seite 84.
4 JOHANNES PAUL II., Enzyklika Fides et Ratio. Über das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Deutsche Bischofskonferenz 1998, Seite 85
5 Ebd. S. 85
6 Ebd. S. 29.
7 Ebd. S. 28
8 bei Edith Stein so formuliert: "Zur Gesamtheit des Seienden fügt die Zuordnung zum Geist (..) nichts hinzu, weil sie schon darin eingeschlossen ist.” (Stein Edith, Endliches und ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins. GA Bd. II/I2, Herder 2006, Seite 267.)
9 vgl. Karol Wojtyla, Person und Tat, Anmerkungen. (Ab hier zitiert mit: PT.)
10 Aus JOHANNES PAUL II., Auf, lasst uns gehen ! Erinnerungen und Gedanken, Weltbild 2004, Seite 98, Kapitel "Der Bischof und die Welt der Kultur": "Mein persönlicher philosophischer Standort bewegt sich sozusagen zwischen zwei Polen: zwischen dem aristotelischen Thomismus und der Phänomenologie. In besonderer Weise interessierte mich das Gedankengut Edith Steins, einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, auch wegen ihres Lebensweges".
11 als idealistischen Denker bezeichnet Wojtyla auch Husserl, vgl. PT 57 und 352 Anmerkung 20 dazu.
12 in: Karol Wojtyla/ Johannes Paul II., Primat des Geistes. Philosophische Schriften, Seewald 1979, ab hier zitiert mit: PG, zB S. 43 und 44. Vgl. PT Seite 269 und S. 50.
13 Man kann es in diesem Zusammenhang das "demokratische" Element nennen und an den modernen Rechtsstaat mit öko-sozialer Marktwirtschaft denken. Vgl. dazu Johannes Messner, Das Naturrecht 1950 und Kulturethik 1954. Vgl. JOHANNES PAUL II., Erinnerung und Identität. Gespräch an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Weltbild 2005, Seite 72, Kapitel "Das Geheimnis der Barmherzigkeit": "das letzte Wort der göttlichen <Ökonomie> in der Geschichte der Welt und in der Geschichte der Menschheit. Gott will, dass alle gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können (vgl. Tim 2,4): Gott ist die Liebe. (vgl 1 Joh 4,8)." Vgl. Sartre Jean-Paul, Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, erster Satz: "Das moderne Denken hat einen beachtlichen Fortschritt gemacht, indem es das Existierende auf die Reihe der Erscheinungen, die es manifestieren, reduzierte." Es ist dies ein rein funktionelles Denken, im Gegensatz zu einem mehr traditionellen, das an ein "Wesen" hinter den Dingen glaubte.
14 Karol Wojtyla/Johannes Paul II., Person und Tat, Herder 1981, zitiert ab hier mit: PT
15 Im Vorwort zu: Wer ist der Mensch ? Skizzen zur Anthropologie. Hsgb. Hanns-Gregor Nissing, Pneuma 2011, bietet Nissing einen Überblick über das philosophische Werk Wojtylas.
16 Ich selbst, als Verfasser, würde diese Arbeit am ehesten eine semiotische Analyse nennen, mit einem von der Sache her philologisch-strukturalistisch orientierten Forschungsansatz.
17 Vgl. Der Kleine Stowasser- Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch 1987: saeculum = Menschenalter, Zeitalter; Zeitgeist; Jahrhundert; langer Zeitraum; die Menschheit des Jahrhunderts. Bei Heidegger liegt der Fokus von “Sein und Zeit” (SuZ) auf der Zuhandenheit des Zeugs, später auf dem Zeit-Spiel-Raum seines seinsgeschichtlichen Denkens. Er unterscheidet mit Hölderlin zwischen “den Himmlischen und den Irdischen” [Menschen], ein Gedanke, der sich schon in seinen frühen Vorlesungen über die Paulus-Briefe findet und an dessen radikale Trennung des Geistes (pneuma) vom “Fleisch” (sarx) erinnert.
18 vgl. Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI in: “Jesus von Nazareth. Zweiter Teil”, Herder 2011, Seite 119 im 4. Kapitel “Das hohepriesterliche Gebet Jesu”, Punkt “Dass sie alle eins seien”. Das Zitat lautet: "Die Kirche entspringt dem Gebet Jesu. Dieses Gebet ist aber nicht nur Wort, es ist der Akt, in dem er sich selbst "heiligt”, das heißt sich "opfert" für das Leben der Welt. Wir können umgekehrt auch sagen: Im Gebet wird das grausame Geschehen des Kreuzes zu "Wort”, zum Versöhnungsfest zwischen Gott und Welt. Daraus entspringt die Kirche als die Gemeinschaft derer, die auf das Wort der Apostel hin an Christus glauben” [Johannesevangelium 17,20]. Anm. Verf.: Hier zeigt sich in einem ausdrücklich religiösen Sinn die Struktur des "Entspringens” von "Welt” aus der Zeit. Der Verfasser dieser Arbeit stellt die These e.h. auf: Die Weltzeit ist das temporal interpretierte Sein; - oder anders formuliert: Die Weltzeit ist ein Pro-jekt, welches man auch als <ein Stück Arbeit> bezeichnen kann. - Das Sein selbst hingegen ist ein Wert an sich. Wir wissen nicht, was es schlussendlich besagt, wir können uns nur einen Begriff davon erarbeiten bzw. ein Ge-Wissen davon haben. Das Sein ist scholastisch gesprochen: actus. Vgl. Karol Wojtyla, Liebe und Verantwortung. Eine ethische Studie, Kösel 1979, (Anmerkung) Seite 260 : "Die erfahrbare Verbindung der Liebe mit der Bejahung des Lebens, des Seins drängt als Folge der metaphysischen Deutung den Gedanken auf, dass der Tod personaler Wesen in der Perspektive der schöpferischen Liebe Gottes nur ein Übergang zu einer höheren Form des Lebens sein kann (morte fortius caritas).
19 Karol Wojtyla, Liebe und Verantwortung. Eine ethische Studie, Kösel 1979; ab hier zitiert mit: LuV. Dieses Werk erschien erstmals 1960.
20 LuV Seite 19 bis 22, Kapitel I. Die Person und der Trieb. Unterkapitel: 1. Analyse der Wörter <gebrauchen< und <genießen>, Unterkapitel: Die Person als Subjekt und Objekt des Handelns.
21 Vgl. die langen Analysen des Wortes "Wesen” in Edith Stein: "Endliches und Ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn von Sein.” 1938/1950, in dem auch ein über 50-seitiger Anhang dem Denken und Werk Martin Heideggers gewidmet ist. Hier sind genaueste Begriffsklärungen zB von ousia, substantia, essentia, esse, ens, existentia, dynamis, potentia, actus, hypostasis, hypokeimenon, res, species, eidos, idea, Form und Stoff, hyle und morphe, zu finden, die von der akademischen Wissenschaft noch lange nicht rezipiert sind, wahrscheinlich, weil es sich bei der Autorin um eine christliche Märtyrerin, Ordensfrau und Heilige handelt, die immerhin von PP Johannes Paul II und im Jahr 1998 zur "Patronin Europas” erklärt wurde ! Sie war auch Assistentin von Edmund Husserl und persönlich zB mit Martin Heidegger oder Max Scheler und Roman Ingarden ("Der Streit um die Existenz der Welt” 1947/48) bekannt. Erwähnenswert ist auch ihre Beschäftigung mit dem Werk des Jesuiten Erich Przywara, namentlich mit der "Analogia entis” von 1932.
22 Beim Wort "Natur”, besonders aber bei "Welt” kann man an "Sein und Zeit” 1927 oder an die ’’Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis)” 1936-1938 von Martin Heidegger denken.
23 Vgl. zB Schelling, "Über das Wesen der menschlichen Freiheit” 1809
24 Vgl. Messner Johannes, Das Naturrecht, Tyrolia 1966, Seite 39 Anmerkung 7: "Die Vernunft ist es, wie P/ato sich ausdrückt, durch die der Mensch Herr seiner irrationalen Triebneigungen und damit <Herr seiner selbst> ist (Der Staat, IV. 430); es ist die Bestimmung der Vernunft <dem Menschen innerhalb seiner selbst>, wie er das personhafte Ich nennt, <die vollständige Herrschaft über das ganze menschliche Sein zu geben> (a. a. O. IX. 589).”
25 Vgl. JOHANNES PAUL II., Erinnerung und Identität. Gespräch an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Weltbild 2005: Seite 59 bis 62, Kapitel "Die Freiheit existiert für die Liebe”: "Es handelt sich nicht um ein abstraktes und aprioristisches System. Aristoteles geht von der Erfahrung des moralischen Subjekts aus. Auch für Thomas ist der Ausgangspunkt die moralische Erfahrung, er versucht jedoch, sie in das Licht zu rücken, das aus der Heiligen Schrift hervorgeht. Das größte Licht ist das Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe. In ihm findet die Freiheit des Menschen ihre vollständigste Verwirklichung. Die Freiheit existiert für die Liebe. Die Verwirklichung der Freiheit durch die Liebe kann sogar einen heldenhaften Grad erreichen. Tatsächlich spricht Christus davon, <das Leben hinzugeben> für die anderen, für die Mitmenschen. (...) Man kann sagen, dass an der Wurzel all dieser Dokumente des Lehramts das Thema der Freiheit des Menschen steht. Die Freiheit wird dem Menschen vom Schöpfer gegeben als Gabe und Aufgabe zugleich. Der Mensch ist nämlich dazu berufen, mit seiner Freiheit die Wahrheit über das Gute anzunehmen und zu verwirklichen. (...) Die Freiheit ist in dem Maße Freiheit, wie sie die Wahrheit über das Gute verwirklicht. Nur dann ist auch sie selbst etwas Gutes. Wenn die Freiheit aufhört, mit der Wahrheit verbunden zu sein, und beginnt, sie von sich abhängig zu machen, schafft sie die Voraussetzungen für moralisch schädliche Folgen, deren Ausmaße mitunter unberechenbar sind.”
26 Man denke nur an die "Phänomenologie [sic !] des Geistes” 1807 des gewaltigen protestantischen Denkers Hegel, so zB an seine Aussagen: das Wahre sei das Ganze. Das Sein sei Sache und Sage. Und an Heideggers geschichtliches und Geschichten-erzählendes Man.
27 Zum Thema: das “Objekt des Begehrens” meint unser Autor: “Hier zeichnet sich eine Spannung zwischen der Dynamik des Triebs und der Eigendynamik des Willens ab. Der Trieb bewirkt, daß der Wille eine Person um ihrer sexuellen Werte willen begehrt, und ersehnt, doch der Wille gibt sich damit nicht zufrieden. Er ist frei und und somit fähig, alles im Blick auf das absolut, unendlich Gute, im Blick auf das Glück zu ersehnen. Und diese Fähigkeit, diese naturgegebene, edle Potentialität engagiert er gegenüber einer anderen Person. Er wünscht für sie das absolut, unendlich Gute, das Glück, und kompensiert damit innerlich, daß er eine Person des anderen Geschlechts für sich ersehnt; er zahlt das Lösegeld.” Luv 119. Die Anmerkung führt dazu aus: “(...) heißt: er ordnet das <Ersehnen einer Person>, um sie zu besitzen, dem Wunsch unter, daß sie <das absolut, unendlich Gute, das Glück> erreicht. Dieses <Gleichgewicht> würde ins Wanken gebracht, wenn das Verlangen nach dem Besitz einer Person das Wollen ihres Wohls überwiegen würde. Dies wäre nämlich Egoismus: das Ersehnen einer anderen Person für sich auf Kosten ihres Wohls. Die Liebe, die kraft ihres Wesens die Person als solche bejaht, schließt hingegen keineswegs aus, daß diese Bejahung der Person vom Verlangen nach einer möglichst tiefen Vereinigung mit ihr begleitet wird.” (LuV S.260). Noch anzumerken bleibt, dass Karol Wojtyla seine theol. Dissertation über die Vereinigung der Seele mit Gott schrieb, mit dem Titel: Der Glaube beim Hl. Johannes vom Kreuz, in der es öfter heißt, dass der Glaube eine dunkle Nacht sei.
28 So hat es auch Heidegger gesehen: Wir wissen nicht, was Sein besagt.
29 Vgl. Edith Stein: "Endliches und Ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn von Sein.” 1938/1950, Seite 399: Kapitel "Sinn und Begründung des Einzelseins. § 2. Auseinandersetzung mit der thomistischen Lehre vom Grund des Einzelseins. Punkt 3. Selbststand und Vollselbstständigkeit (subsistentia und suppositum = hypostasis).
30 Dieses Text-Zitat referiert eigentlich nicht Steins eigenen Sprachduktus, sondern den der Phänomenologin Gredt, den sie hier heranzieht.
31 Vgl. Thomas von Aquin, Über die Wahrheit. Quaestiones de veritate. In der Übersetzung von Edith Stein, marixverlag 2013, Seite 29, I. quaestio: “An Material fügt also das Wahre nichts zum Seienden hinzu.” Qu. 1 Artikel 2, Seite 30: “Die Wahrheit dagegen hat nur Sinn im Hinblick auf einen erkennenden Geist.” und Seite 32: “Eine Abhängigkeit der Wahrheit von der Seele ist damit nicht ausgesprochen.”
32 im Kapitel VI. Der Sinn des Seins § 4. Das erste Sein und die “analogia entis”, Punkt 3. Der Name Gottes: “Ich bin”
33 Vgl. JOHANNES PAUL II., Erinnerung und Identität. Gespräch an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Weltbild 2005: Seite 52, Kapitel "Freiheit und Verantwortung. Für einen rechten Gebrauch der Freiheit”: "Im menschlichen Handeln tendieren die verschiedenen geistigen Fähigkeiten zu einer Synthese. In dieser Synthese übernimmt der Wille die führende Rolle. So prägt der Mensch dem Handeln seine eigene Rationalität auf. Die Akte des Menschen sind frei, und als solche bringen sie die Verantwortlichkeit des Subjekts ins Spiel. Der Mensch will etwas bestimmtes Gutes und wählt es; folglich ist er für seine Wahl verantwortlich.”
34 PT Seite 357 Anmerkung 43.
35 Vgl. die Phänomenologie von Max Scheler, Edmund Husserl und dessen Lehrer Franz Brentano, der übrigens katholischer Priester war.
36 Dort eine Seite davor (Seite 94, in der Anmerkung 79) fällt auch der Ausdruck "species intelligibilis”, dem Karl Rahner den Dissertationsversuch "Geist in Welt”, Freiburg 1939, gewidmet hat.
37 Vgl. Edith Steins Hauptwerk, Kapitel V. "Seiendes als solches (die Transzendentalien). §§ 5-7.
38 Vgl. auch die frühe Tafel der Gegensätze bei den Pythagoreern.
39 Angesichts mancher bis ins kleinste Detail aus-exerzierten akademischen Diskussionen, kürzlich zum Beispiel um die Genderdebatte, wo die Universität Wien über 15 verschiedene Geschlechtstypen diagnostiziert hat, muss sich doch zwangsläufig die Frage stellen, ob und inwieweit zB das "Geschlecht” das "Wesentliche” am Menschsein tatsächlich sein sollte.
40 JOHANNES PAUL II., Erinnerung und Identität. Gespräch an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Weltbild 2005, Seite Seite 22 bis 27, Kapitel “Ideologien des Bösen”.
41 Vgl. ebd. Seite 31, Kapitel “Die dem Bösen gesetzte Grenze in der Geschichte Europas”: “Dieses Gute hat schließlich sein Fundament allein in Gott. Nur Gott ist dieses Gute. Diese dem Bösen durch das göttliche Gute gesetzte Grenze ist durch das Werk Christi in die Geschichte der Menschheit, insbesondere in die Europas, eingetreten und ein Teil von ihr geworden. Es ist also nicht möglich, Christus von der Geschichte des Menschen zu trennen.” 42 Vgl. JOHANNES PAUL II., Das Geheimnis der Menschwerdung, Johannes-Verlag 1999, Seite 16: “Wenn die Kirche Jesus von Nazaret als wahren Gott und vollkommenen Menschen verkündet, eröffnet sie jedem Menschen die Aussicht <vergöttlicht> und damit mehr Mensch zu werden. Das ist der einzige Weg, durch den die Welt die hohe Berufung, zu der sie ausersehen ist, entdecken und in dem von Gott gewirkten Heil leben kann.”
43 Vgl. JOHANNES PAUL II., Erinnerung und Identität. Gespräch an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden, Weltbild 2005: Seite 139 bis 144, Kapitel "Früchte des Guten auf dem Boden der Aufklärung”.
44 Vgl. JOHANNES PAUL II., Auf, lasst uns gehen ! Erinnerungen und Gedanken, Weltbild 2004, Seite 211 bis 216, Kapitel “Abraham und Christus: <Ja, ich komme (...) um deinen Willen, Gott, zu tun> (Hebr 10,7)”.
45 "(...) ein weites Interesse für Geist und Sprache - Schätze, die denkende Menschen miteinander teilen. (...) Ich stand immer vor dem Dilemma: Was soll ich lesen ? Ich versuchte das zu wählen, was am wesentlichsten war. Die Buchproduktion ist so umfangreich ! Nicht alles ist nützlich und wertvoll. (...) Später, während meiner Studien in Rom, beschäftigte ich mich dann eingehend mit der Summa Theologiae des hl. Thomas. Es gab also zwei Etappen in meinem intellektuellen Werdegang: Die erste bestand in dem Übergang von der literarischen Denkweise zur Metaphysik; die zweite führte mich von der Metaphysik zur Phänomenologie. Das war meine wissenschaftliche <Werkbank>. (...) In meinem Lesen und Studieren habe ich mich immer bemüht, die Fragen des Glaubens, des Geistes und des Herzens harmonisch miteinander zu vereinigen. Es sind nämlich keine getrennten Gebiete. Jedes von ihnen durchdringt und belebt die anderen. In dieser gegenseitigen Durchdringung von Glaube, Geist und Herz kommt ein besonderer Einfluss dem Staunen zu - einem Staunen über das Wunder der Person, über die Ebenbildlichkeit des Menschen mit dem einen und dreifaltigen Gott, einem Staunen über die so tiefe Beziehung zwischen Liebe und Wahrheit, über das Geheimnis der gegenseitigen Hingabe und das Leben, das daraus entspringt, einem Staunen bei der Betrachtung des Vergehens der menschlichen Generationen.” (aus JOHANNES PAUL II., Auf, lasst uns gehen ! Erinnerungen und Gedanken, Weltbild 2004, Seite 100 bis 104, Kapitel "Die Bücher und das Studium”.)
46 JOHANNES PAUL II., Ich glaube an Gott, den Schöpfer. Katechesen 1985 - 1986. EOS 1993: Kapitel "Die natürliche Theologie”.
47 Vgl. JOHANNES PAUL II., Ich glaube an Gott, den Schöpfer. Katechesen 1985 - 1986. EOS 1993, Seite 105 bis 108, Kapitel "Gott ist ewig”:
48 aus JOHANNES PAUL II., Ich glaube an Gott, den Schöpfer. Katechesen 1985 - 1986. EOS 1993: Seite 51 bis 52, Kapitel "Die Geschichte der Offenbarung”.
49 aus JOHANNES PAUL II., Ich glaube an Gott, den Schöpfer. Katechesen 1985 - 1986. EOS 1993, ebd. Seite 99-100, Kapitel: "<Du bist, was nicht ist. Ich bin Der, Der ist.>”.
50 ebd. Seite 76, Kapitel "Glaube und Atheismus”.
51 ebd. Seite 93, Kapitel "Die Eigenschaften Gottes. Gott Vater, Herr des Himmels und der Erde”:
- Arbeit zitieren
- Stefan Ernst Fruth (Autor:in), 2021, Der Mensch als Person in Leiblichkeit. Karol Wojtylas philosophischer Beitrag zu einer fundamentaltheologischen Anthropologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1008282
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