Die jüdischen Pogrome währen des ersten Kreuzzuges


Facharbeit (Schule), 2001

14 Seiten


Leseprobe


1. Einleitung

Das Ziel dieser Arbeit soll sein, anhand von zwei Quellen die jüdischen Pogrome währen des ersten Kreuzzuges näher zu betrachten, die Aussagen der jeweiligen Schreiber zu interpretieren und zu diskutieren.

Es wird der Versuch unternommen, die Massaker, die von Christen an Juden verübt worden sind, zu beschreiben, sowie Ursachen und Gründe für dieses grausame Handeln zu finden. Ebenso werden Gegenreaktionen der Juden auf diese Attacken untersucht und inwieweit sie sich verteidigt haben.

Dazu soll zum einen die Quelle des Ekkehard von Aura1 hinzugezogen werden.

Er äußert sich zu den Morden an Juden eher verständnisvoll und betrachtet die Judenverfolgung als unvermeidlich. Beim Lesen seiner Chronik erhält man den Eindruck, daß Ekkehard von Aura selbst einen gewisse Abneigung gegen das Judentum in sich birgt, was später noch anhand von Quellenzitaten aufgeführt werden soll.

Als Beweis dafür, daß nicht alle mittelalterlichen Geschichtsschreiber das Verhalten der Kreuzritter in Bezug auf das jüdische Volk billigten, soll ebenfalls die Quelle des Albert von Aachen zur „Geschichte des ersten Kreuzzugs“ dienen.2 Dieser verurteilt gänzlich das Verhalten gewisser Kreuzfahrer. Am Beispiel der Stadt Mainz berichtet Albert von Aachen schließlich sehr anschaulich, auf welch scheußliche Art und Weise mit den Juden umgegangen wurde und wie sinnlos deren Verteidigung letztendlich war.

Damit die Gründe der Pogrome zumindest im Ansatz genannt werden können, soll in der vorliegenden Arbeit ebenfalls ein Aufsatz von Dieter Mertens verwendet werden, in dem sich der Verfasser über die Juden zur Zeit des ersten Kreuzzuges äußert.

Um die Ausschreitungen gegen die Juden während des ersten Kreuzzugs besser einordnen zu können, scheint es mir wichtig, die Arbeit mit einem kurzen Vorwort zum Judenhaß an sich beginnen zu lassen. Es soll dabei kurz auf Parallelen zu den Angriffen auf das jüdische Volk im dritten Reich hingewiesen sowie der entscheidende Unterschied dieser Pogrome zu den Pogromen im Mittelalter genannt werden.

1. 1. Der Haß auf die Juden -

Keine Erfindung des 20. Jahrhunderts

Sicher scheint es einfach, eine Parallele zwischen dem Judenhaß während des ersten Kreuzzuges und dem 20. Jahrhundert zu sehen. Und sicher darf man die grausamen Behandlungsmethoden in Verbindung zueinander setzen: Auch im 11. Jahrhundert wurden Synagogen niedergebrannt, jüdische Männer, Frauen und Kinder mit dem Schwert bestialisch niedergemetzelt. So schreibt Albert von Aachen: „ Auf gleiche Weise schlachteten sie auch die Weiber ab. Und auch die zarten Kinder beiderlei Geschlechts ließen sieüber die Klinge springen. “ 3. Waren es im elften Jahrhundert noch Handwaffen, wie zum Beispiel das Schwert, mit denen man versuchte, jegliches jüdische Leben auszurotten, so gingen die Nazis im 20. Jahrhundert effektiver vor: Um möglichst viele U ntermenschen, wie die Juden im dritten Reich oft bezeichnet worden sind, auf einmal umzubringen, baute man groß angelegte Gaskammern. Mehrere hundert Menschen erlitten so gleichzeitig den Tod. So erhofften sich die Nazis, das jüdische Volk in möglichst kurzer Zeit ausgerottet zu haben. Dies macht deutlich, wie tief doch der Haß sitzen mußte, seien es die Judenverfolgungen des Mittelalters oder der Neuzeit, um ein Volk - das jüdische Volk - auf diesem Wege einfach aus der Welt zu schaffen.

An dieser Stelle aber muß man die Gründe der Judenfeindschaft vom 11. und 20. Jahrhundert ganz klar trennen: „Die Judenfeindschaft des Mittelalters ist ein religiös begründeter Antijudaismus, während die jüdischen Progrome des 20. Jahrhunderts auf den rassistisch begründeten Antisemitismus zurückzuführen sind.“4

Es sei noch kurz erwähnt: „Nicht erst im Mittelalter, bereits schon in der hellenistisch - römischen Antike trat ein religiös - sozial abwertender Antisemitismus auf.“5.

1. 2. Der frühere königliche Schutz

Schon in frühmittelalterlicher und karolingischer Zeit bewohnten Juden das Gebiet des späteren ostfränkisch - deutschen Reiches, die meisten von ihnen aber lebten in den größeren Städten des Rheinlandes.6 Auf Grund der Religionsverschiedenheit standen die Juden außerhalb der Rechtsordnung, welche erst von Stammesverbänden, später von der Adelsherrschaft geprägt war.

Für die Beziehungen zur christlichen Umgebung waren die Bestimmungen des Judenrechts maßgebend - dieses beruhte auf königlichen Privilegien: Sie räumten dem jeweils Privilegierten und dessen Familie den besonderen königlichen Schutz ein.7 Dieses gut funktionierende System des Neben- und Miteinanders der verschiedenen Religionsangehörigen wurde in der Vorbereitungsphase des ersten Kreuzzuges um 1096 schwer gestört. Es kam hier zu den ersten großen Judenverfolgungen im deutschen Reich vom Rhein bis an die Donau. Vor allem im Rheinland traf dieser christliche Antijudaismus die blühenden Judengemeinden schwer.8 Gerade aus den Unterschichten stellten sich jene irregulären Heerhaufen zusammen, die während des ersten Kreuzzuges noch vor dem eigentlichen Ritterheer aufbrachen. Den Auftrag, die Feinde Christi zu vernichten, bezogen sie teilweise schon auf die unterwegs angetroffenen Juden.9 Vor allem in Worms, Mainz und Köln wurden schlimmste Massaker angerichtet.10

2. Quellen über jüdische Pogrome

2.1 Vergleich der Sicht Ekkehards von Aura mit der Alberts von Aachen

Ekkehard von Aura, ein Geschichtsschreiber des 11./12. Jahrhunderts, war von edelfreier Herkunft11 und stammte wahrscheinlich aus der Familie der Aribonen.12 Er nahm selbst an Kreuzfahrten des 12. Jahrhunderts teil, später war er Mönch in Tegernsee.13 Ekkehard von Aura lernte 1105 die Weltchronik Frutolfs14 kennen und ersetzte dessen Darstellung des ersten Kreuzzuges in den Jahresberichten von 1098 und 1099 unter Verwendung von Frutolfs Text durch umfangreichere Berichte.15

Die Verfolgung der Juden während des ersten Kreuzzuges sieht Ekkehard von Aura als durchaus berechtigt an, da das jüdische Volk für ihn selbst ganz klar ein Feind der Kirche ist: „ Diese ( die Kreuzritter) vernichteten auch die so verruchten Ü berreste der Juden, als in der Tat geheime Feinde der Kirche, in den Städten, durch welche sie zogen [...] 16. Die Wortgruppe als in der Tat geheime Feinde der Kirche beweist meiner Meinung nach deutlich, daß Ekkehard von Aura diese Nichtchristen als real existierende Bedrohung für die christliche Kirche empfindet, der man unbedingt entgegentreten sollte.

Sehr kurz und knapp äußert sich der Geschichtsschreiber zu diesen vorgefallenen Ereignissen. Ebenfalls erwähnt er, daß die Juden, um dem Tod zu entgehen, die Möglichkeit hatten, sich taufen zu lassen und so den christlichen Glauben anzunehmen: [...] oder nötigten sie, zur Taufe ihre Zuflucht zu nehmen, von denen die meisten jedoch später wieder wie Hunde zum Unrat zurückkehrten. “ 17 . Die Juden, die mit dieser Schande der Taufe nicht leben wollten und sich daher wieder ihrem ursprünglichen Glauben zuwandten, vergleicht Ekkehard von Aura mit Hunden, die zum Unrat zurückkehrten, - ein Vergleich, der zeigt, wie verachtend dieser auf das Judentum herabblickt. Man könnte daraus schließen: Hätte jener selbst die Möglichkeit gehabt, beim ersten Kreuzzug 1096 dabei zusein, hätte auch Ekkehard von Aura sich nicht von denen ausgeschlossen, die bei den grausamen Morden an den Juden beteiligt waren. Seiner Meinung nach sind auch jene Juden die Feinde Christi und das Ziel der Kreuzritter war ja, jegliche Feinde Christi auszuschalten.

Eines aber verschweigt der Schreiber beziehungsweise gibt er nur indirekt wieder: Den Kreuzrittern genügte es nicht, die sogenannten Feinde der Christen aus dem Weg geräumt zu haben. Sie bemächtigten sich anschließend auch noch ihrer Habe und zogen mit dieser nach Ungarn weiter: „ Jene Reisigen aber wurden, als sie von da mit sehr reicher Beute beladen Ungarn berührten [...] 18. Möglicherweise versucht der Schreiber so zu vertuschen, daß das Vorgehen gegen die Juden gar nicht deshalb geschah, um die Feinde Christi zu beseitigen, sondern daß die (angeblichen) Kreuzritter aus reiner Habgier handelten. Daß die Habgier jedoch nur ein Grund war und die eigentlichen Ursachen tiefere Wurzeln haben, soll später noch bewiesen werden.

Ebenfalls äußert sich Ekkehard von Aura nicht zu der versuchten Verteidigung von jüdischer Seite her. Er verschweigt auch, daß zum Beispiel die Mainzer Juden, trotz daß sie unter bischöflichen Schutz standen, ermordet und beraubt worden sind .19

Das alles beschreibt Albert von Aachen sehr genau, was wiederum eine ganz andere Sicht auf die jüdischen Pogrome wirft: nämlich die, die Juden nicht als die bösen Übeltäter zu betrachten, sondern als unschuldige Opfer eines sinnlosen Massakers, das so unerwartet für sie kam, daß ihnen kaum eine Chance zur Verteidigung blieb.

„Albert von Aachen gilt als Verfasser der reichhaltigsten Prosa-Darstellung des ersten Kreuzzuges und der Geschichte der Kreuzfahrerstaaten bis zum Jahre 1119. Trotz seines Eifers zog er selbst nicht ins Heilige Land, den Stoff für seine Schriften verdankte er Kreuzfahrern, die ihm Selbsterlebtes und Gehörtes erzählten.“20

Im Gegensatz zu Ekkehard von Aura, der die grausamen Massaker an den Juden für berechtigt hält, da er diese als Feinde der Kirche empfindet, weiß Albert von Aachen keinen Grund für das unberechenbare Handeln einiger Kreuzfahrer. „ Darauf, ich weißnicht ob nach Gottesratschlußoder aus irgendeiner Verirrung des Geistes, erhoben sie sich in einem Anfall von Grausamkeit gegen das jüdische Volk [...] und versicherten, dies sei der Anfang ihres Zuges und ihres Gelöbnisses gegen die Feinde des christlichen Glaubens. “ 21 Dieser Aussage Aachens entnehme ich, daß er weniger glaubt, Gott habe zu diesen Morden geraten. Im Gegenteil, er hält die Judenmorde für völlig unbegründet und schiebt sie auf die Dummheit und Unüberlegtheit einiger Christen.

[...] Entbrannt von himmlischem Liebesfeuer [...] 22 , so beschreibt Albert von Aachen jene Schar, die 1096 mit dem Kreuz aufbrach, um die östliche Christenheit von den muslimischen Seldschuken zu befreien.23 Das Ziel war Jerusalem, jedoch machten sich einige der Kreuzritter gar nicht erst die Mühe, dorthin zu gelangen. Sie bezogen den kirchlichen Auftrag, die Feinde Christi24 zu bekämpfen, schon auf die unterwegs angetroffenen Juden.

Während Ekkehard von Aura lediglich darauf hindeutet, daß Judenverfolgungen stattgefunden haben, nennt Albert von Aachen direkt einen Namen des wohl schlimmsten Anführers zu jenen Morden: [...] Graf Emicho, ein vornehmer und in diesen Gegenden reich begüterter und angesehener Herr [...]. 25. Emicho muß in der Stadt Mainz besonders großen Schaden angerichtet haben, worauf später noch genauer eingegangen werden soll.

Fest steht, daß innerhalb zweier Monate, bevor das reguläre Kreuzritterheer sich gesammelt hatte, alle wichtigen Judengemeinden des rhein-fränkisch-lothringischen Raumes zum großen Teil vernichtet worden waren. Mit am schwersten war die Stadt Mainz betroffen mit ca. 1014 Toten, wobei man nicht vergessen darf, daß nicht nur auf deutschem Gebiet jüdisches Leben ausgelöscht wurde. Insgesamt gab es wohl 1096, nach vorsichtiger Schätzung ca. 4000 bis 5000 Opfer.26

Um zu veranschaulichen, wie das Treiben einiger mordlustiger Christen aussah, sollen nun die Schilderungen Alberts von Aachen über die Stadt Mainz erfolgen.

2. 2. „Desgleichen zu Mainz“

27 Mainz galt im 11. Jahrhundert als die geistig und wirtschaftlich bedeutendste aschkenasische Judengemeinde Europas.28 Obwohl die Mainzer Juden aus Frankreich vor den sich ansammelnden Scharen gewarnt worden sind, fühlten sie sich nicht ernsthaft bedroht. Sie hatten einen Schutzbrief bei Kaiser Heinrich IV. für alle Juden im Reich erworben. Trotz dessen, daß dieser sich schon seit geraumer Zeit in Italien aufhielt, fühlten sich die Mainzer Juden sicher, was offensichtlich ein Fehler war.29

Als dann in Mainz feindselige Stimmung gegen das jüdische Volk aufkam, und die Nachricht von ermordeten Juden aus anderen Städten nach Mainz drang, brachten sie sich und ihr gesamtes Hab und Gut beim Erzbischof oder beim Burggrafen in Sicherheit.30 „ Die Juden dieser Stadt aber, die von dem Mord ihrer Glaubensbrüder gehört hatten und wohl merkten, daßsie den Händen dieser großen Menge nicht entrinnen könnten, flohen in der Hoffnung auf Rettung zum Bischof Ruothard und gaben ungezählte Schätze vertrauensvoll in seine Hut und hofften alles von seinem Schutze, da er ja der Bischof dieser Stadt war. “ 31 Albert von Aachen schildert, daß die Juden tatsächlich auf den Schutz des Bischofs vertrauten. Aber wie soll ein einziger Mann ein paar hundert Leute gegen ein ganzes Heer verteidigen, zudem auch noch andere und bedeutende Leute der Stadt Mainz gegen die Andersgläubigen eingestellt waren? Dennoch wird eines klar deutlich: Die Juden setzten große Hoffnung auf den Glauben der Christen zu ihrem Gott. Sie nahmen an, daß die Kreuzfahrer Respekt und Ehrfurcht vor ihrem Gott und so auch vor dem Bischof hätten. Das aber war wohl nicht der Fall: „ Die Juden selbst versammelte er, zum Schutze vor dem Grafen Emicho und seinem Gefolge, im geräumigsten Sale seines Hauses [...] . Aber Emicho und seine ganze Schar hielten Rat und bei Sonnenaufgang griffen sie mit Pfeilen und Lanzen die Juden im bischöflichen Sale an, brachen Riegel und Türen auf,überfielen die Juden, ungefähr 700 an der Zahl, die vergebens dem Ansturm von sovielen Tausenden Widerstand zu leisten suchten, trieben sie heraus und machten sie alle nieder. “ 32 Spätestens an dieser Stelle muß man sich doch fragen, ob sich dieses Handeln besagter Kreuzritter wirklich noch auf den Auftrag bezieht, das heilige Grab Christi von den Feinden zu befreien. Die Mainzer Juden lebten mehr oder weniger friedlich mit den Christen über viele Jahre hinweg in der Stadt. Ebenso muß der aufrichtige christliche Glaube zu Gott jener grausamen Kreuzfahrer angezweifelt werden; denn hätten sie wirklich an jenen geglaubt, hätten sie es doch nicht gewagt, vor seinen, Gottes Augen, unschuldige Kinder und wehrlose Frauen umzubringen.

Auch in anderen Städten wurden jüdische Kinder, Männer wie Frauen bestialisch umgebracht. In Worms gab es zum Beispiel 800 Tote, darunter waren 140 Familien.33 Vielleicht unverständlich und grauenvoll erscheint die Reaktion der Juden auf das von den Christen verübte Morden: „ Die Juden aber, da sie nun sahen, wie die Christen sich gegen sie und ihre Kinder erhoben und kein Alter verschonten, ergriffen nun gegen sich selbst und gegen die eigenen Glaubensbrüder die Waffen, gegen die eigenen Kinder und Weiber, Mütter und Schwestern und töteten sich in gegenseitigem Morden. “ 34 Den Grund für das passive Verhalten gegenüber den Christen weiß Albert von Aachen auch: „ Denn sie wollten alle lieber von eigenen Händen als durch die Waffen der Unbeschnittenen fallen. “ 35

Warum die Juden ihre letzte Kraft nicht dafür aufwandten, sich bis zum eigenen Tode dem Gegner zu stellen und so zu versuchen, den Gegner zu vernichten, ist aus der Quelle Aachens nicht ersichtlich. Er beschreibt indessen, auf welch brutale Art und Weise das gegenseitige Töten stattfand: „ Mütter schnitten, [...] mit dem Messer ihren saugenden Kindern die Gurgel ab, andere durchbohrten sie. “ 36

Um dem Tod zu entgehen, konnten sich die Juden auch taufen lassen. Doch welch fatale Folgen das haben konnte, beweist am besten dieses Beispiel: Ein zwangsgetaufter Jude entsühnte sich, indem er erst seine Kinder in der Synagoge tötete und dann sich selber samt der Synagoge verbrannte.37 Ekkehard von Aura hatte bereits in seiner Quelle bemerkt, das die meisten getauften Juden zu ihrem eigentlichen Glauben zurückkehrten, da sie mit dieser Schande nicht leben konnten. Auch Albert von Aachen sieht den Grund dieser vorgenommenen Taufen eher in der Todesangst jener Juden, als daß sie sich aus plötzlich entbrannter Liebe zum christlichen Glauben dafür entschieden.38

Zusammenfassend kann man sagen, daß am Mainzer Pogrom vieles typisch für andere deutsche Städte war. Die Judengemeinde war städtisch und in einer Bischofsstadt angesiedelt, sie vertraute auf die Herrschaftsträger sowie auf den Schutzbrief des Kaisers. Der Schutz wurde zunächst gewährt, war auf Grund jener wütenden Massen jedoch nicht lange gesichert, da die Beschützer selbst in Lebensgefahr gerieten. Die Juden töteten in dieser ausweglosen Lage ihre Kinder sowie sich selbst, teils um der christlichen Taufe zu entgehen, teils um eher durch ihre eigenen Hände als durch die Hände ihrer Peiniger zu sterben.39

2.3 Ursachen der jüdischen Morde von 1096

Schon in früherer Zeit war die Kirche darum bemüht, die jüdische Mission zu verhindern. Deren Religion galt als die religio licita, als die zugelassene Religion, besonders wichtig für die Kirche aber war, daß diese nicht wachsen sollte. Das aber konnte geschehen, wenn zum Beispiel christliche Diener eines wohlhabenden Juden dessen Glauben annahmen, sei es aus echter Überzeugung oder aus Zuneigung zum Herrn. Ebenfalls durch die Heirat einer Christin und eines Juden konnte es zum Übertreten in den anderen Glauben kommen. Dem wollte die Kirche entgegenwirken, indem sie zum Beispiel Mischehen verbot, sowie den Christen den Dienst bei Juden untersagte.40

Bereits vor dem ersten Kreuzzug kam es im 11. Jahrhundert zu brutalen Ausschreitungen gegen das jüdische Volk, wobei der Papst selbst immer dagegen einschritt. Er bestärkte dabei die Bischöfe in der Wahrnehmung des Judenschutzes und verurteilte die Verfolger. Der erste Kreuzzug unterscheidet sich von den vorausgegangenen Aktivitäten dadurch, daß er vom Papst selbst ausgerufen und so in seinem Auftrag unternommen wurde.41 Der Kreuzzug galt als weltweite Auseinandersetzung, in dem es um mehr ging, als um das heilige Grab Christi von den Feinden zu befreien. Man sah den Erdkreis ungerecht verteilt, die Türken beanspruchten nach Meinung einiger Christen den größten Teil und versuchten nun auch noch, die gesamte Welt sich untertan zu machen. Somit galt der Kreuzzug nicht nur der Befreiung des Grabes Christi, sondern er wurde auch als Kampf um die eigene Existenz deklariert.42 „Von den Türken als den aktuellen Feinden der oströmischen Christenheit schritt die Redeheit der Propaganda zu den Muslimen insgesamt [...], von dort zu den Feinden der Christen überhaupt, den Feinden des Namens Christi, den Feinden Christi. Unter die letzten Kategorien fielen auch die Juden, fielen die Juden sogar vor all den anderen Feinden, welche die Kreuzfahrer ja lange nicht, viele sogar niemals zu Gesicht bekamen.“43

Ein weiterer Grund für das wütende Morden an den Nichtchristen ist im Versprechen des Lohnes zu sehen: Denen, die es schafften die Feinde Christi zu besiegen, winkte ein Erlaß aller Sünden, die Seele eines jeden Kämpfers sollte wieder rein gewaschen werden. Auch das wird einige angespornt haben, jegliche Feinde, zu denen auch die deutschen Juden zählten, so schnell wie möglich auszurotten. Ebenso sehe ich einen Grund in der Aussicht auf schnellen Erfolg, den sich einige Kreuzzfahrer wohl erhofften.

Der Weg nach Jerusalem war ihnen einfach zu weit und zu beschwerlich. Mit dem Erlaß jeglicher Sündenstrafen vor Augen, richteten sie gleich im eigenen Lande den Feind hin, beziehungsweise erzwangen sie dessen Taufe. Denn auch so, glaubten sie wohl, sei ihre Seele gerettet.

Daß die Pogrome in deutschen Städten ein solches Ausmaß an Morden sowie Zwangstaufen annehmen konnten, führt Dieter Mertens darauf zurück, daß sich gerade dort soziale Differenzen mit politischen und kirchlichen verknüpften. „Ohne das Zusammengehen eines erheblichen Teils der Städter mit den Scharen des von Urban inaugurierten Kreuzzugs gegen die [...] der kaiserlichen Seite zugehörigen bischöflichen Stadtherren hätten die Pogrome nicht das eklatante Ausmaß erreichen können.“44.

Vielleicht wären die Juden von dem brutalen Treiben einiger Kreuzritter weitgehend verschont geblieben, hätte der Kaiser als ihr oberster Schutzherr sofort in das Wüten eingegriffen. Ein wesentlicher Grund für das Versagen des Judenschutzes im Reich war jedoch die Schwäche des Kaisertums zur Zeit des ersten Kreuzzuges.45

Auch für die längerfristige Entwicklung des jüdischen Volkes bedeutet der machtvolle Aufstieg des Papsttums eine fortschreitende Schwächung der Rechtssicherheit der Juden.46

Nachwort

Die Massaker, die während des ersten Kreuzzuges in Frankreich, auf deutschem Gebiet und ebenso auch in Jerusalem an den Juden verübt worden sind, waren nicht nur eine grausame und mit Ende des ersten Kreuzzuges eine abgeschlossene, langsam in Vergessenheit geratene Handlung. Nach Auffassung der Historiker bedeuten sie eine einschneidende Zäsur in der Geschichte der Juden und des Verhältnisses der Christen zu ihnen.47

Viele der Andersgläubigen reagierten hilflos und begingen untereinander ein bestialisches Blutbad, als sie sich mit den Attacken der Christen konfrontiert sahen. Wie die Quelle des Albert von Aachen beweist, glaubten zum Beispiel die Mainzer Juden ( auch andere jüdische Gemeinschaften hatten bei einflußreichen Persönlichkeiten Schutzbriefe erworben), auf Grund eines Schutzbriefes in Sicherheit zu sein. Das stellte sich als ein Irrtum heraus und die Verfolgungen kamen für sie so unerwartet, daß sie sich nicht einmal mehr verteidigen konnten beziehungsweise wollten.

Auch in den folgenden Kreuzzügen des 11. und 12. Jahrhunderts gab es unter den Juden immer wieder viele Opfer, wenn auch die Zahl der Toten lange nicht so hoch war, wie im Jahr 1096. Auf Grund all dieser Erfahrungen entwickelten die aschkenasischen Juden „ein neues, verdüstertes Selbst- und Daseinsverständnis [...]“.48

Die folgenden Jahrhunderte sollten den Juden ebenfalls viel Kummer und Leid bringen; sogar noch verschärfter sollte es zu Diskriminierungen, Zwangstaufen und Vertreibungen gegen dieses Volk kommen - den traurigen Höhepunkt fand diese Entwicklung in den Gaskammern des Dritten Reiches ...

Literaturverzeichnis

Quellen

Aachen, Albert von: Geschichte des ersten Kreuzzugs. Erster Teil: Die Eroberung des heiligen Landes. Jena 1923. S. 32-37.

Aura, Ekkehard von: Wilde Vorläufer des ersten Kreuzzuges, 1096. In: Lautemann,W., Schlenke, M. (Hrsg.): Geschichte in Quellen, Bd. 2. München 1989. S. 367-368.

Literatur

Jacobsen, Peter: Albert von Aachen. In: Lexikon des Mittelalters, Bd.1 (1980). Spalte 286-287.

Lotter, Friedrich: Judenfeindschaft (-haß, -verfolgungen). In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5 (1991). Spalte 790-792.

Mertens, Dieter: Christen und Juden zur Zeit des ersten Kreuzzuges. In: Martin, B., Schulin, E. (Hrsg.): Die Juden als Minderheit in der Geschichte. München 1981. S. 46-67.

Volkert, Wilhelm: Adel bis Zunft. Ein Lexikon des Mittelalters. München 1991. S. 117-120.

Schmale, Franz-Joseph: Ekkehard von Aura. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3 (1986). Spalte 1765-1766.

Schmale, Franz-Joseph: Frutolf. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4 (1989). Spalte 1002.

Störmer, Wilhelm: Aribonen. In: Lexikon des Mittelalters, Bd.1 (1980). Spalte 929- 930.

[...]


1 Aura, Ekkehard von: Wilde Vorläufer des ersten Kreuzzuges, 1096. In: Lautemann W., Schlenke M. (Hrsg.): Geschichte in Quellen, Bd.2 ( Mittelalter). München 1989. S.367-368.

2 Aachen, Albert von: Geschichte des ersten Kreuzzugs. Erster Teil: Die Eroberung des heiligen Landes. Jena 1923. S. 32-37.

3 zitiert nach: Aachen: Die Geschichte des ersten Kreuzzugs. S. 33-34.

4 Vgl. Lotter, Friedrich: Judenfeindschaft. In: Lexikon des Mittelalters, Bd.5 (1991). Spalte 790.

5 Ebenda.

6 Vgl. Volkert, Wilhelm: Adel bis Zunft. Ein Lexikon des Mittelalters. München 1991. S.117.

7 Vgl. Volkert, Wilhelm. S. 118.

8 Ebenda.

9 Vgl. Lotter, Friedrich: Judenfeindschaft. Spalte 790.

10 Ebenda.

11 Vgl. Schmale, Franz-Joseph: Ekkehard von Aura. In: Lexikon des Mittelalters, Bd.3 (1986) Spalte 1765- 1766.

12 führende Adelssippe, die im bayrisch-österreichischem Raum im 9.-11. Jahrhundert wichtige Amtspositionen besetzte; Vgl. Störmer, Wilhelm: Aribonen. In: Lexikon des Mittelalters, Bd.1 (1980). Spalte 929-930.

13 Vgl. Schmale, Franz-Joseph: Ekkehard von Aura. Spalte 1765-1766.

14 Mönch des Klosters Michelsberg, war dort als Schreiber und Lehrer tätig; seine Weltchronik reicht von der Schöpfung bis 1099; Vgl. Schmale, Franz-Joseph: Frutolf. In: Lexikon des Mittelalters, Bd.4 (1989). Spalte 1002.

15 Vgl. Schmale, Franz-Joseph: Ekkehard von Aura. Spalte 1765-1766.

16 zitiert aus: Die Chronik des Ekkehard von Aura, 1096. S. 368.

17 Ebenda.

18 Ebenda.

19 Vgl. Mertens, Dieter: Christen und Juden zur Zeit des ersten Kreuzzuges. In: Martin,B. Schulin,E. (Hrsg.): Die Juden als Minderheit in der Geschichte. München 1981. S. 49.

20 Vgl. Jacobsen, Peter: Albert von Aachen. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1 (1980). Spalte 286-287.

21 zitiert nach: Aachen: Die Geschichte des ersten Kreuzzugs. S.32

22 Ebenda.

23 Vgl. Mertens, Dieter: S. 47.

24 Ebenda.

25 zitiert nach: Aachen: die Geschichte des ersten Kreuzzugs. S. 33.

26 Vgl. Mertens, Dieter: S. 49.

27 Überschrift wurde übernommen aus: Aachen, Albert von: Geschichte des ersten Kreuzzugs. S. 33.

28 Vgl. Mertens, Dieter: S. 49.

29 Ebenda.

30 Ebenda.

31 zitiert nach: Aachen: Die Geschichte des ersten Kreuzzugs. S. 33.

32 Ebenda.

33 Vgl. Mertens, Dieter: S. 49.

34 zitiert nach: Aachen: Die Geschichte des ersten Kreuzzugs. S. 34.

35 Ebenda.

36 Ebenda.

37 Vgl. Mertens, Dieter: S. 49-50.

38 Vgl. Aachen, Albert von: Die Geschichte des ersten Kreuzzugs. S. 34.

39 Vgl. Mertens, Dieter: S. 50.

40 Vgl. Mertens, Dieter: S. 60.

41 Vgl. Mertens, Dieter: S. 52.

42 Vgl. Mertens, Dieter: S. 52-53.

43 zitiert nach: Mertens, Dieter: S. 54.

44 zitiert nach: Mertens, Dieter: S. 58.

45 Ebenda.

46 Ebenda.

47 Vgl. Mertens, Dieter: S. 46.

48 Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die jüdischen Pogrome währen des ersten Kreuzzuges
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V100848
ISBN (eBook)
9783638992701
Dateigröße
385 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Juden
Arbeit zitieren
Edgar Frances (Autor:in), 2001, Die jüdischen Pogrome währen des ersten Kreuzzuges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100848

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