Grössengewichtstäuschung


Hausarbeit, 2001

10 Seiten


Leseprobe


Abstract

Wie oft haben wir schon gehört, „ich glaube nur was ich sehe“?

Tatsächlich ist es aber so, dass die Urteilsabgaben nur teilweise stimmen, denn die Wahrnehmung ist immer nur relativ. Täuschungen wie die Grössengewichtstäuschung liefern uns ein Beispiel dafür. Basierend auf ei- ner Originaluntersuchung von Anderson (1970) wurde ein Replikationsex- periment durchgeführt. 16 Probanden sollen Schwereurteil über Zylinder abgeben, deren physikalisches Gewicht in fünf Stufen und deren Höhe in drei Stufen variiert wurde. An Hand der Ratingskala wurden die Ergebnisse notiert. Es wurde von der Annahme ausgegangen, je kleiner die Gewichte sind, desto schwerer werden sie im Bezug auf ihr objektives Gewicht ge- schätzt. Zudem wird ein Parallelität zwischen den einzelnen Regressionsge- raden vermutet. Die Ergebnisse entsprechen nicht der zweiten Vermutung. Die Erklärung kann darin liegen ,dass ein Anker auf das mittelschwere Ge- wicht gesetzt worden ist.

2. Problemstellung

Die Wahrnehmung ist für unsere Orientierung in unserer Umwelt lebens- notwendig. Was aber versteht man unter Wahrnehmung? „Von einer Wahr- nehmung spricht man, wenn Menschen Reize aus den Sinnesorganen als In- formationen interpretieren, ihr Wissen und ihre Erfahrung nutzen, um sie sinnvoll erscheinen zu lassen“ (G. Miezel). Die Aufgabe der Sinnesorgane besteht darin, die dazugehörigen Reize verschlüsselt an das Zentralnerven- system zu bestimmten Bereichen der Grosshirnrinde weiterzuleiten. Dort werden sie mit bekannten verglichen und eventuell erkannt. Erfahrungen spielen bei der Wahrnehmung, vor allem der Wahrnehmungskonstanz eine wichtige Rolle. Konstanzprinzipien wie zum Beispiel die Grössenkonstanz sind für die Organisation unserer konstanten Umwelt zuständig. Die Grös- senkonstanz ist für die relative Bestimmung der Grösse zuständig. Doch weil die Wahrnehmung immer nur relativ ist, können Fehlurteile entstehen. Diese entstehen vor allem bei Täuschungen. Von einer Täuschung spricht man, wenn das Wahrnehmungserlebnis mit den objektiven Reizverhältnis- sen nicht übereinstimmt. Einen Einfluss auf die Wahrnehmung haben zum Beispiel die Wirkung der Einstellung oder der Erwartung. „Lässt man zwei gleich schwere Gegenstände mit verschieden grossem Volumen testen, so wird der kleinere Gegenstand wegen des erwarteten geringeren Gewichtes überschätzt.“ (H. Häcker)

Die Grössengewichtstäuschung (GGT) ist ein Beispiel für eine ineffektive Zusammenarbeit des haptischen und optischen Sinnes. Genau mit diesem Phänomen hat sich auch Anderson im Jahre 1970 beschäftigt. In seinem Einzelversuch sollten die Versuchsteilnehmer Schwereurteil über Zylinder abgeben, deren Höhe in 5 Stufen und deren physikalisches Gewicht in 3 Stufen variiert wurde. Die Versuchspersonen sollten an Hand der Ratingska- la ihre unterschiedlichen Einschätzungen abgeben. Anderson stellte in sei- nem Ergebnis fest, dass die Urteilsregressionsgeraden fast parallel waren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

Ergebnisse der Untersuchung von Anderson 1970. Experiment eins und zwei unterscheiden sich in der Methode wie die Gewichte angehoben wurden.

Unser Replikationsexperiment beschäftigt sich ebenfalls mit dem Phänomen der GGT. Wir nehmen an, je kleiner die Zylinder sind desto schwerer wer- den sie in Bezug auf ihr objektives Gewicht geschätzt. Zudem vermuten wir eine Parallelität zwischen den einzelnen Urteilsregressionsgeraden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2

Vermutete Ratingurteile über die verschieden grossen Zylinder

Die Parallelität wird aufgrund der Formel Rij=wisi-wjsj von Anderson ver- mutet. Diese Formel bedeutet, dass ein Gewicht in Bezug auf seine Grösse eingeschätzt wird und das diese Verknüpfung additiv ist. Wj und sj sind der subjektive Gewichtseindruck und wi und si der Grösseneindruck

Methode

Versuchspersonen

An diesem Experiment nahmen 16 Versuchspersonen teil, die Mehrheit von ihnen waren Psychologiestudenten. Ihr Alter lag zwischen 20 und 26 Jahren.

Versuchsmaterial

Es wurden 15 Zylinder verwendet deren Gewicht in fünf Stufen und deren Höhe in drei Stufen variiert wurde, ausserdem eine Ratingskala und das Permutationsschema mit dem festgelegt wurde in welcher Reihenfolge die Gewichte den Probanden gegeben wurden.

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Abbildung 3

Zeigt die Apparatur die bei dem Versuch verwendet wurde. Versuchsleiter (VL) und Pro-

band (PB) sitzen über Eck, der Proband hat die Ratingskala vor sich und der Versuchsleiter protokolliert.

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Abbildung 4

Zeigt die Ratingskala die den Probanden während des Experimentes vorgelegt wurde.

Versuchsablauf

Die Versuchspersonen bekamen die Instruktion mit einer Hand den Stan- dardreiz hoch zu heben, und mit der selben Hand den Vergleichsreiz (Ver- gleichsgewichte in verschiedenen Grössen) anzuheben. Die Ratingskala wurde ihnen erklärt und während des Experimentes vorgelegt. Die insge- samt 15 verschiedenen Vergleichsreize wurden den Probanden jeweils 5 mal in einer bestimmten Reihenfolge, die durch ein Permutationsschema festge- legt war zur Beurteilung gegeben, so dass es zu insgesamt 75 Schwereurtei- len kam, die der Proband den Versuchsleiter sagte. Die Ratingurteile der Probanden wurden dann vom Versuchsleiter protokolliert. Am Ende des Versuchs wurden die Probanden darüber aufgeklärt worum es in dem Ver- such ging. Sie wurden gebeten die Augen zu schliessen, dann wurde ihnen das schwerste Gewicht gegeben und zwar in eine Hand das 5 cm grosse und in die andere Hand das 18,3 cm grosse. Nachdem sie festgestellt hatten, dass beide Zylinder das gleiche Gewicht haben wurden sie gebeten die Augen zu öffnen. Die Mehrheit von ihnen erkannte dadurch das Prinzip der Grössen- gewichtstäuschung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5

Zweifaktorieller Versuchsplan mit Wiederholungsmessungen auf beiden Faktoren, A Schwere mit 5 Stufen und B Grösse mit 3 Stufen

Ergebnis

Zu Beginn der Auswertung wurden die Mediane der fünf Schwereurteile pro Zylinder errechnet. Danach wurde aus den Medianen der einzelnen Probanden das arithmetische Mittel errechnet, so dass es für jeden der 15 Zylinder ein arithmetisches Mittel gab. Dann wurden die Standardschätzfehler errechnet um zu prüfen, ob die Geraden parallel verlaufen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6

Ratingurteile der Probanden über die Zylinder.

Zu Anfang verlaufen die Geraden noch parallel, aber bei den schwereren Gewichten nicht mehr. Die Zylinder in den Grössen 11,7 cm und 18,3 cm überschneiden sich bei 500g auch wenn man den Standardschätzfehler mit berücksichtigt.

Diskussion

Es wurde von der Annahme ausgegangen, dass je kleiner die Zylinder sind, desto schwerer werden sie in Bezug auf ihr objektives Gewicht geschätzt, und dass die Urteilsregressionsgeraden parallel verlaufen. Die Ergebnisse zeigen, dass kleinere Gewichte zwar schwerer geschätzt werden, aber die Urteilsregressionsgeraden verlaufen nicht parallel, deswegen wird die zwei- te Hypothese verworfen. Es währe vorteilhaft gewesen, wenn man den Pro- banden vorher das schwerste und das leichteste Gewicht gegeben hätte, damit die Intraindividuellen Angaben im ersten Durchgang nicht so stark von den anderen Durchgängen abweichen. Einen Einfluss auf das Ergebnis kann die Urteilsheuristik „Verankerung“ gehabt haben, das heisst die Probanden können das Vergleichsgewicht so lange angepasst haben wollen, bis sie meinten, sie hätten das endgültige Ergebnis. Da aber das Standardge- wicht das mittelschwere Gewicht war, können die Werte verzerrt worden sein. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich anschaut an welcher Stelle die Urteilsregressionsgeraden nicht mehr parallel verlaufen. Es ist aufgefallen, dass einige Probanden schon das zweitschwerste Gewicht mit 20 beurteilten und dann wenn sie das schwerste bekamen sagten, dass dies noch schwerer sei. Aufgrund der Ratingskala konnte dies aber nicht berück- sichtigt werden. Auch im Versuch können unbeabsichtigte Manipulationen seitens der Versuchsleiter aufgetreten sein. Als die Gewichte übergeben wurden, passierte es einige Male, dass sie unterschätzt wurden und auf den Tisch knallten.

Eine interessante Untersuchung wäre es auch gewesen, wenn die Versuchs- personen Gewichte mit trügerischen Gewichtsangaben bekommen hätten und dann ihre Aussagen getroffen hätten, um auch eventuell nicht nur die Täuschungen sondern auch die Konformität der Angaben zu ermitteln. Eine grosse Differenz dürfte aber dabei zum objektiven Gewicht nicht gegeben sein.

Erwähnenswert war auch die Methode beim Anheben der Gewichte. Ein Fall trat auf: Die Versuchsperson hob die Zylinder wie Gymnastikhanteln hoch. Als wir sie am ende des Experiments fragten, was sie in ihrer Freizeit machte, erfuhren wir, dass sie Arobictrainerin war.

Literatur

Anderson,N.H.: Averaging model applied to the size-weight illusion. Perception and Psychophysics, 1970, 8, 1-4

Miezel,G.(1998). Wege in die Psychologie Stuttgart: Klett-Cotta

Häcker,H.(1977). Einf ü hrung in die Psycologie:Grundlagen, Methoden, Er gebnisse Darmstadt: Steinkopf

Sarris,V.(1995). Experimentalpsychologischen Praktikum Band 1 Lenge- rich:Pabst

Strack,F (1974). Theorien der Sozialpsychologie in D.Frey und M.Irle (Hrsg.)

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Details

Titel
Grössengewichtstäuschung
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Autor
Jahr
2001
Seiten
10
Katalognummer
V100888
ISBN (eBook)
9783638993104
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grössengewichtstäuschung
Arbeit zitieren
Ipek; Broß Sahin (Autor:in), 2001, Grössengewichtstäuschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100888

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