Der Krieg in Bosnien und das Scheitern der internationalen Politik


Seminararbeit, 2000

27 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Gliederung:

1. Einleitung

2. Entstehung und Zerfall Jugoslawiens
2.1 Entstehung Jugoslawiens
2.2 Zerfall Jugoslawiens
2.3 Krieg in Slowenien und Kroatien

3. Kriegsbeginn in Bosnien-Herzegowina
3.1 das Übergreifen des Krieges auf Bosnien-Herzegowina
3.2 die Eskalation des Konflikts

4. Die UNO

5. Die NATO

6. Friedenskonzepte
6.1 Kantonsmodell
6.2 Regionalisierungsmodell
6.3 Konföderationsmodell
6.4 Modell einer Zweistaaten-Union
6.5 Fazit der Friedenskonzepte

7. Der Friedensvertrag von Dayton

8. Nachwort

9. Literaturangabe

1. Einleitung:

Der Krieg in Jugoslawien, welcher im Sommer 1991 seinen Verlauf nahm und 4 Jahre später mit dem Vertrag von Dayton einen vorläufigen Abschluß fand, flammte 3 Jahre später im Südwestlichen Teil der ehemaligen Sozialistischen Republik Jugoslawien, im Kosovo, wieder auf. Das Prinzip, der Kriegsverlauf und die Konsequenz des Krieges war jedesmal nach dem selben Muster gestrickt und wurde von den selben Protagonisten ausgelöst. Eine Teilrepublik oder eine einzelne Provinz versuchte sich vom föderalen jugoslawischen Staat zu lösen und die von Serben dominierte Jugoslawische Volksarmee (JVA), beziehungsweise von Serben unterstützte Milizen, versuchen dies militärisch zu verhindern.

Das der Balkan ein explosives Pulverfass darstellt und das ethnische und nationale Auseinandersetzungen Gewalt provozieren können, ist der internationalen Politik seit jeher bekannt. Trotzdem war es der Staatengemeinschaft nicht möglich, präventiv oder schlichtend auf den Konflikt einzuwirken. Ende des 20. Jahrhunderts findet Mitten in Europa ein Krieg statt. Ein Krieg der von langer Hand vorbereitet war und der von Balkanbeobachtern jahrelang vorhergesagt wurde. Die Internationale Staatengemeinschaft, egal ob OSZE, EU oder UNO, verstand es in keiner Phase angemessen darauf zu reagiere und fiel mehr durch „Kompetenzgerangel“1 als durch Aktionismus auf.

Als im Frühjahr 1992 Bosnien und Herzegowina als eigenständiger Staat anerkannt wurde, obwohl in keinerlei Hinsicht gelöst wurde, wie die multiethische bosnische Bevölkerung, durch die Kriege in Slowenien und Kroatien aufgehetzt, sich organisieren und zusammen leben soll, wurde eine Verschärfung der Auseinandersetzung von der Internationalen Politik provoziert. Nur 4 Wochen nach der Proklamation von Bosnien und Herzegowina begann die Belagerung Sarajewos durch die Serben. Die Welt, durch politische Veränderungen im ehemaligen Warschauer Pakt, einer ständigen geographischen Erosion ausgesetzt, sah hilflos und überfordert zu, wie sich ehemalige Nachbarn und Brüder2 bestialisch abschlachteten. Die Hilflosigkeit, die Ohnmacht der UNO und aller anderer Organisationen auf innerstaatliche Bürgerkriege präventiv und friedlich zu reagieren wurde der Welt aufs deutlichste gezeigt.

Diese Arbeit wird zu erst auf die Zuspitzung der Situation im ehemaligen

Jugoslawien eingehen und dann die Reaktion der internationalen Politik und deren Lösungsversuche vorstellen.

2. Entstehung und Zerfall Jugoslawiens

2.1 die Entstehung Jugoslawiens

Jugoslawien als Staat aller Süd (Jug)-Slawen entstand nach Beendigung des ersten Weltkrieges unter dem Namen „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“3 und wurde von den Siegermächten auf der Pariser Friedenskonferenz4 anerkannt. Dieser neue Vielvölkerstaat umfasste außer den Serben, Kroaten und Slowenen auch die weiteren südslawischen Völker der Bosniaken, Montenegriner und Makedonen. Das Königreich setzte sich somit aus 6 Völkern und 3 Hauptreligionen5 zusammen.

Es ist historisch nicht haltbar davon zu sprechen, dass dieses neu entstandene Königreich unter Herrschaft des serbischen Königs Alexander, eine Zwangsehe oder gar eine serbische Einverleibung von Bosniaken, Kroaten und Slowenen darstellt, wie es in der Kriegspropaganda der Kroaten, Slowenen und der Moslems in Bosnien bis heute dargestellt wird, da die ersten Impulse zur Gründung eines Staates aller Südslawen aus Kroatien6 kamen und da außerdem sowohl Kroaten, als auch Slowenen und Bosniaken zuvor Jahrhunderte unter Habsburger Herrschaft lebten und somit im neuen Königreich zum ersten Mal eine gewisse, wenn auch oft mangelhafte, Mitsprache und Eigenständigkeit genoß.

Die innerstaatlichen Reibungen, bezüglich einer Verfassung, verschärften sich im Laufe der Jahre erheblich und auch die Umbenennung des Staates in Jugoslawien im Jahre 19297 konnte den innerstaatlichen Konflikt, besonders zwischen Serben und Kroaten ausgetragen, nicht wirklich lindern. 1934 wird der serbische König Alexander Karadjordjevic von kroatischen Nationalisten ermordet. Der aufgeheizte Konflikt um die Vorherrschaft in Jugoslawien zwischen Kroaten und Serben verflachte aufgrund der außenpolitischen Zuspitzung und des beginnenden 2. Weltkriegs im Jahre 1939.

Der zweite Weltkrieg läutet das schwärzeste Kapitel der jugoslawischen Geschichte ein. Die deutsche Wehrmacht nimmt 1941 Jugoslawien ein und gestattet den kroatischen Nationalisten (Ustaschas), einen eigenen Staat zu Gründen. Für Deutschland stellt sich dies als taktisch klevere Variante heraus. Denn die besetzen Jugoslawen bekämpfen sich selbst, anstatt gegen den eigentlichen Aggressor gemeinsam vorzugehen. Hitler und seine Strategen machen sich den serbisch - kroatischen Konflikt zu nutze und ein nie dagewesenes Massentöten findet auf dem Boden Jugoslawiens statt.

Im späteren Verlauf gelingt es den jugoslawischen Partisanen um den Kommunisten Josip Broz (Tito), die verschiedenen Kriegsparteien, die serbischen Tschetniks, die kroatischen Ustaschas und die deutsche Wehrmacht, zu besiegen, so dass nach Kriegsende die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien offiziell ausrufen kann. Der neue, aus dem alten hervorgegangene, Staat hat, trotz aller Bemühungen und wirtschaftlichen Fortschritte, es niemals geschafft, das Trauma des Bürgerkriegs zwischen den eigenen Nationalitäten während des zweiten Weltkrieges, zu überwinden. Man kann von einem „Geburtsfehler“ sprechen, da die inneren Konflikte nicht gelöst, sondern nur verdrängt wurden.

Unter Tito entwickelte sich Jugoslawien wirtschaftlich zu einem relativ fortschrittlichen Land und die Frage der Nationalität geriet aufgrund des materiellen Aufstiegs in den Hintergrund. Tito gelingt es aus dem mulitethnischen Staat eine Einheit zu bilden, welche aber einzig und allein mit der Person und der Autorität Titos zusammen hängt.

Als Tito im Jahr 1980 starb begann ein regelrechter „Kampf um Titos Erbe“8 welcher sich 10 Jahre später in der Auflösung Jugoslawiens manifestierte.

2.2 der Zerfall Jugoslawiens

Nach Titos Tod löste sich die „Klammer“9 seiner Macht langsam auf, welche alle nationalistischen Tendenzen bisher unterdrückt oder aber zumindest klein gehalten hatte. Seine Nachfolger setzten von Beginn an auf die Karte Nationalismus, um ihre Macht durch die wiederauflebenden nationalen Ressentiments zu untermauern. Das Monopol der jugoslawischen KP wurde zunehmend in Frage gestellt und gleichzeitig begann eine wirtschaftliche Rezession. Das auf Föderalismus beruhende System der jugoslawischen Politik wurde von beinahe allen Seiten in Frage gestellt. Nationalistische Großmachtträume der Serben und Kroaten gewannen zunehmend an Popularität und wurden durch nationalistische Propaganda der einzelnen Nationalitäten noch gestärkt. Das Gebilde Jugoslawien war innerlich blockiert und stand wirtschaftlich vor dem Bankrott.

Slowenien und Kroatien entschieden sich im Jahre 1991, nachdem sich zuvor nationalistische Parteien bei den ersten freien Wahlen durchgesetzt hatten, ihre Unabhängigkeit vom jugoslawischen Bund auszurufen. Die Auflösung Jugoslawiens war besiegelt, doch der „Kampf um Titos Erbe“ begann damit erst.

2.3 Krieg in Kroatien und Slowenien

Im Juni 1991, direkt nach der Proklamation der Slowenischen Unabhängigkeit, kam es zum Krieg zwischen Slowenien und der von Serben dominierten Jugoslawischen Volksarmee. Nach 14 Tagen endete, dank Verhandlung der EU, diese militärische Auseinandersetzung. Der Grund für das schnelle Ende dieses Konflikts war aber sicher nicht die Einschaltung der EG als Vermittler, sondern die Tatsache, dass auf slowenischem Staatsgebiet wenige Serben beheimatet waren und Serbien keine historischen Wurzeln auf slowenischem Staatsgebiet besitzt. Serbien hatte, genauso wie die anderen Teilrepubliken Jugoslawiens, kein Interesse mehr daran Jugoslawien als staatliche Einheit, als multiethischen Staat zu erhalten, sondern träumte von der Errichtung eines großserbischen Staates. Alle von Serben bewohnten Gebiete sollten zu Serbien gehören und besonders das serbische Ursprungsland, das Kosovo und der serbische Teil auf kroatischem Boden, die Krajina. Nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens10 entflammt der Konflikt um die Krajina und um die 12% serbische Bevölkerung in Kroatien11. Sowohl der kroatische Präsident Tudjman als auch der Serbische Präsident Milosevic weigerten sich eine Verhandlungslösung zu finden. Serbische Freischärler und die Bundesarmee führten ab Juli 1991 einen Krieg gegen die kroatische Territorialverteidigung und hielten teilweise fast 40% des kroatischen Territoriums besetzt. Die Europäische Union und die UNO waren von der Heftigkeit der Auseinandersetzung völlig überrascht und überfordert. Die Nachkriegsordnung in Europa war durch den Zusammenbruch der Sowjetunion neu zusammengesetzt worden und die Autonomiebestrebungen von Kroatien und Slowenien entzweite die internationale Politik. Weder über Maßnahmen, noch über eine zukünftige Strategie was mit Jugoslawien geschehen sollte, herrschte Einigkeit. Das Versagen der Politik nahm schon in dieser frühen Phase des Konflikts seinen Beginn und besonders die „verfrühte Anerkennung“12 Kroatiens und Sloweniens durch Deutschland im Winter 199113 verschärfte den Konflikt ungemein, anstatt ihn zu entschärfen.

3. Krieg in Bosnien-Herzegowina

3.1 Das Übergreifen des Konflikts auf Bosnien-Herzegowina

Der militärische Konflikt zwischen Serben und Kroaten griff auf Bosnien über, als dieses noch nicht ihre „Unabhängigkeit und Souveränität erklärt hatte“14. Der damalige Präsident Jugoslawiens, Stipe Mesic15, wandte sich schon im September 1991 an den UN-Generalsekretär Butros Butros-Gahli mit der Befürchtung, dass der Konflikt sich auf Bosnien ausbreiten könnte. War Jugoslawien ein Staat welcher aus vielen verschiedener Nationalitäten bestand, so war das Staatsgebiet von BosnienHerzegowina ein Abbild Jugoslawiens im Kleinen. Auf dem Staatsgebiet von Bosnien-Herzegowina lebten im Jahre 1991 4,5 Millionen Menschen, wovon 47,7% Muslime, 31,3% Serben und 17,3% Kroaten16 waren.

Am 18. September erklärten bosnische Serben mehrere Gebiete der Republik zu „autonomen Regionen“ und es kam zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Einheiten der JVA und kroatischen und muslimischen Zivilisten.

Das bosnische Parlament beschloss am 15. Oktober 1991 die Souveränität von Bosnien-Herzegowina, „betonte jedoch zugleich den Verbleib im bisherigen jugoslawischen Staatenbund. Im Krieg zwischen Kroatien und Serbien wollte es eine neutrale Position einnehmen“.17 Die serbischen Mitglieder des Parlaments in Sarajewo verließen daraufhin das Parlament und gründeten am 24. Oktober 1991 die „Serbische Republik Bosnien-Herzegowina“18 mit der Hauptstadt Banja Luka unter dem Serbenführer Radovan Karadzic, welche sich als Teil des Bundesstaates Jugoslawien verstand.

Das eigentliche Parlament von Bosnien-Herzegowina, welches nur noch aus Vertretern der Muslime und Kroaten bestand, hatte eine Volksabstimmung angesetzt, die über die Zukunft des Landes, welches immer noch offizielles Mitglied des Bundesstaates Jugoslawien war, entscheiden sollte. Die Volksabstimmung am 1. März 1992, die vom serbischen Teil der Bevölkerung geschlossen boykottiert wurde, ergab eine Mehrheit von über 99%19 für die Loslösung Bosnien-Herzegowina von Jugoslawien. Am 6. April 1992 wurde Bosnien-Herzegowina20 von den USA und der EG offiziell anerkannt. Mit diesem Beschluss der westlichen Mächte war der unaufhaltsame Weg in einen kriegerischen bosnischen Konflikt eine beschlossene Sache, denn man musste davon ausgehen, dass die serbische Bevölkerung mit diesem Beschluss nicht zufrieden sein würde und das eine Eskalation der angespannten Situation bevorstand.

Die westlichen Staaten und allen voran Deutschland, die eine Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas forcierten, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, den Konflikt zwar nicht gemacht zu haben, aber dennoch unnötig Öl ins Feuer Balkan geschüttet zu haben und somit einen Krieg herausgefordert zu haben. Es wäre, dessen sind sich alle neutralen Beobachter und Balkankenner einig, besser gewesen, erst die ungelöste Frage der einzelnen Bevölkerungsgruppen zu lösen und ein Konzept für die Zukunft Bosnien-Herzegowinas zu erarbeiten, anstatt einfach einen Staat anzuerkennen, in dem sich 3 Bevölkerungsgruppen gegenseitig bekämpfen, es zwei verschiedene Parlamente gibt und dessen Grenzfrage überhaupt nicht geklärt ist.

3.2 Die Eskalation des Konflikts

Seit dem Ausstieg der serbischen Vertreter aus dem bosnischen Parlament im Oktober 1991 und der Ausrufung der „Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina“ (Srpska) war es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Serben und kroatischen beziehungsweise muslimischen Zivilisten gekommen. Die serbische Bevölkerung war schon seit Ende der 80er Jahre mit Waffen ausgerüstet und auf einen möglichen Konflikt vorbereitet worden und verfügte außerdem über die Infrastruktur der JVA. „Mit der Anerkennung der souveränen Staatlichkeit Bosnien-Herzegowinas durch die EG und die USA am 6.April 1992 dehnten sich die Kämpfe auf das ganze Land aus. Drei Tage zuvor hatte das Präsidium der Republik unter seinem Präsidenten, der Vorsitzende der Muslimischen Nationalen Partei (SDA), Alija Izetbegovic, die Generalmobilisierung seiner Territorialverteidigungs- Streitkräfte ausgerufen.“21 Die serbische Bombardierung Sarajewos, begann am 8. April 1992 und „schreckte deren Bevölkerung, Moslems, Serben, Kroaten, Juden, aus der Vorstellung auf, in ihrer Stadt könnte es keinen Krieg geben.“22 Die Kämpfe eskalierten zusehend im ganzen Staatsgebiet des jungen Staates und die Serben festigten ihre Kontrolle über Nordbosnien, vertrieben den größten Teil der dort ansässigen Moslems und kontrollierten den wichtigen Ost-West-Korridor zwischen der Republik Serbien und den serbisch kontrollierten Landstrichen in Bosnien und Kroatien. Am 20. Mai 1992 wurde eine bosnische Armee offiziell gegründet, welche die muslimische und kroatische Territorialverteidigung zusammenschloss.

„Im Verlauf des Krieges hat sich die anfängliche kroatisch-muslimisch Solidarität gegen den gemeinsamen Feind Serbien zugunsten der Verfolgung eigener nationalistischer Interessen aufgelöst.“23 Die von Zagreb gesteuerten Kroaten Bosnien-Herzegowinas wechselten im Verlauf des Krieges ihre Strategie und riefen ihrerseits die „Kroatische Gemeinschaft Herceg-Bosna“24 aus, in welchem sie sämtliche zentralen Machtpositionen übernahmen.

Die Kriegswirren zwischen 1992 und 1995 lassen sich nicht einheitlich aufzählen und darlegen, da aller 3 Kriegsparteien mit ständig neuen Strategien und Kriegsvarianten in Aktion traten, innerhalb der eigenen Volksgruppe es ständige Reibereien und Machtwechsel gab, der Einfluss von Belgrad auf die bosnischen Serben und der von Zagreb auf die bosnischen Kroaten zu und ab nahm und auch die Gebietsgewinne sich nicht vereinheitlichen lassen. Definitiv klar ist jedoch, dass alle drei Kriegsparteien „ethnischen Säuberungen“ in den eroberten Gebieten verfolgten und praktizierten. Jede Kriegspartei, gleichgültig wer jetzt den Krieg begann oder wer nicht, hat sich schuldig gemacht und der eigentliche Verlierer ist die Menschlichkeit.

4. Die UNO:

Der bosnische Bürgerkrieg traf die Weltgemeinschaft an einem Punkt, an dem die UNO glaubte eine „Neue Weltordnung“25 errichten zu können. Die Einigkeit des UNO-Sicherheitsrates während des Golfkrieges hatte sich „als Katalysator für die vorübergehende Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit der Weltorganisation erwiesen“.26 Die UNO, so hoffte man, könnte nun, nach Beendigung des Kalten Krieges, die ihr zugedachte Rolle als Instrumentarium zur Bewältigung von internationalen Krisen wirksam ausfüllen.

Die Hilflosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft im Falle des ehemaligen Jugoslawien, offenbarte dann aber auf eindrucksvolle und deprimierende Art und Weise, wie unfähig die UNO dasteht, wenn der Sicherheitsrat sich nicht einigen kann und die Konfliktparteien sich nicht einfach in zwei Parteien aufteilen lassen. „Wohl kaum einem Konflikt seit 1945 waren so viele internationalen Konferenzen, Sondertagungen, Gipfel und Verhandlungen gewidmet wie diesem ersten großen Krieg seit dem Sieg über Hitlerdeutschland. In den ersten sechs Monaten bis Anfang 1992 waren diese hektischen Aktivitäten aber vor allem Ausdruck der Konkurrenz um Einfluß und Profilierung zwischen verschiedenen westlichen Hauptstädten sowie zwischen EG, WEU und NATO.“27 Dazu kam noch die oftmals ungewisse Rolle, welche Moskau spielte, welches selber mit ständigen Veränderungen personeller Art beschäftigt war.

Während auf dem Balkan die ersten Opfer zu beklagen waren, während eine Welle der Gewalt über das Territorium Jugoslawiens hin wegfegte beschloß der Sicherheitsrat über 200 Resolutionen28 zum Krieg auf dem Balkan. Alle ihm zur „Verfügung stehenden Instrumentarien bis kurz vor die Schwelle des massiven Einsatzes militärischer Gewalt“29 hat die Weltgemeinschaft angewendet, ohne zu einem zählbaren Ergebnis zu gelangen. Die UNO und alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel haben es aber nicht geschafft, eine friedliche Lösung zu finden.

„Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft war insgesamt verworren und falsch“.30 Am 15. Mai 1992 verabschiedete die UNO die Resolution 752, welche eine tiefe Besorgnis über die humanitäre Lage in Bosnien ansprach und gleichzeitig zum beidseitigen Friede mahnte und die Militärs, insbesondere die Einheiten der JVA, aufforderte sich zurück zu ziehen. 14 Tage31 später verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 757 welche „wirtschaftliche Sanktionen gegen die Föderative Republik Jugoslawien“32 zum Gegenstand hatte. Diese beiden Resolutionen sind symptomatisch für die Politik, für die politischen Ansatzpunkte, der UNO während des Bosnienkonflikts. Die Vereinten Nationen versuchten mit friedlichen Mitteln, mit Vermittlungsversuchen und mit Wirtschaftssanktionen den Krieg zu beenden. Dem Wirtschaftsembargo der Resolution 757 folgten in den nächsten Jahren noch weitere verschärfte Embargoresolutionen33, welche aber alle nicht den erhofften Effekt hatten. Es wurde zwar die ohnehin schwache Infrastruktur Restjugoslawiens weiter geschwächt, aber ein Ende der Feindseligkeiten wurde ebenso wenig erzwungen, wie eine Schwächung des militärischen Materials der JVA. Die eigentlichen Verlierer des Embargos war die Bevölkerung, welche unter einer neu entstehenden Armut und unter einer radikalen Kürzung aller Staatsausgaben zu leiden hatte. Das Regime von Milosevic und die Militärs waren davon nicht betroffen und im Jahre wurden 75% des Haushalts Jugoslawiens34 für Militärausgaben aufgewandt. Die Politik der UNO, welche auf die Karte Wirtschaftssanktionen gesetzt hatte ging somit nicht auf. Der andere Ansatz der UNO, mit peacekeeping-Truppen die Verteilung von Hilfsgütern unter der Bevölkerung zu sichern, scheiterte ebenfalls. Die im Frühsommer 199235 eingesetzte UNPROFOR36 Schutztruppe der Vereinten Nationen war eine nach den traditionellen peacekeeping Prinzipien37 aufgestellte Blauhelmtruppe, welche aus zivilem und leicht bewaffnetem Personal bestand. Gewalt sollte nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden, so dass der komplette Einsatz schon vom Ansatz her paradox war, da Blauhelm-Soldaten mitten in aktives Kriegsgebiet entsandt wurde und somit die Voraussetzungen für eine peacekeeping-Mission38 gar nicht bestand. Das Mandat der UNPROFOR-Truppe wurde im weiteren Kriegsverlauf ständig erneuert und verändert und beinhaltete schließlich hochkomplexe und vor allem in sich widersprüchliche Aufgaben, „besonders seit die Blauhelm-Soldaten 1993 erstmals Aufgaben erhielten, deren Erfüllung den Einsatz von Gewaltmitteln voraussetzte“.39 Einige Aufgaben der UNPROFOR wurden unter Kapitel 7 der UNO-Charta aufgeführt und legitimierten somit militärische Mittel, während andere und vor allem der Einsatz einer Friedenstruppe an sich von Kapitel 6 legitimiert wurde und somit keinerlei gewaltanwendende Operationen abdeckte. Inwieweit das Mandat der UNPROFOR legitim war ist fraglich und besonders die truppenstellenden Länder pochten darauf, dass ihre Soldaten nicht zu Kampfeinsätze autorisiert seien.

Trotz aller Anstrengungen vieler Hilfsorganisationen und des UNHCR, blieben etliche Teile Bosniens von der Außenwelt und somit von Hilfsgütern abgeschnitten. Die Behinderungen der von Blauhelmen bewachten Hilfskonvois nahm ständig zu und erwies sich als lukrative Einnahmequelle der Serben. Die US-Regierung begann im Frühjahr 1993 mit der Versorgung der von der Außenwelt abgeschnittenen Bevölkerung durch die Luft.

Ab dem Frühjahr gab es Versuche den humanitären Auftag der UNO-Blauhelme mit härteren Mittel durchzusetzen. Es wurden mit der Resolution 82440 die Städte Srebreniza, Gorazde, Zepa, Sarajewo und Bihac unter den besonderen Schutz der UNO gestellt. In diesen Sicherheitszonen sollte der Schutz und die Versorgung der muslimischen Zivilbevölkerung garantiert sein. Das Mandat der UNPROFOR wurde mit der Resolution 83641 daraufhin erneut verändert und sah nun auch die Möglichkeit vor, Angriffe auf die Sicherheitszonen abzuschrecken.

Als im Sommer 1993 die Gewalt der Serben weiter eskalierte und ein Schutz der Sicherheitszonen durch die Blauhelme sich als Illusion erwies und die Weltöffentlichkeit, angespornt von Medienberichte über Massenvergewaltigungen und Konzentrationslagern, ein härteres Eingreifen der internationalen Gemeinschaft forderte, entschied die NATO sich des Konflikts anzunehmen.

Die UNO versuchte weiter mit peacekeeping Truppen die Sicherheitszonen zu schützen, was ihr aber auch nicht dank einiger NATO Luftangriffe gelang. Als die Serben im Sommer 1995 eine Offensive gegen die Sicherheitszonen Srebreniza, Zepa und Bihac starteten, überrannten sie die kleinen Kontingente der Blauhelme und massakrierten vor den Augen der UNO Soldaten Tausende von Zivilisten. Der Fall "Srebreniza" ist der schwärzeste Tag42 in der Geschichte der UNO-Politik im ehemaligen Jugoslawien und verdeutlicht auf traurige Art und Weise die Ohnmacht der Welt.

5. Die NATO

Die NATO und die WEU waren von Beginn der diplomatischen Friedensbemühungen in Jugoslawien mit dabei, haben sich aber in der ersten Jahren zurückgehalten und waren allenfalls Randfiguren. Die NATO reagierte auf die Resolutionen der UNO bezüglich eines Handelsembargos positiv und entsandten Kriegsschiffe und Flugzeuge zur Überwachung des Wirtschaftsembargos in der Adria.43 Im November 1992 weiteten NATO und WEU ihre militärische und operationellen Hilfsangebote aus, indem man zur „strikten Überwachung des Embargos auf See“44 beitragen wollte und weitere Kriegsschiffe und Flugzeuge in die Adria verlegte. Als die UNO im Sommer 1993 die Schutzzonen ins Leben ruf, forderte sie die NATO auf, den UNO-Truppen bei der Verwirklichung ihres Auftrags zu helfen. Die NATO lehnte dies aber, aufgrund ihrer inneren Uneinigkeit bezüglich des Vorgehens gegen die Serben, ab. Erst als wenige Wochen später eine Granate mitten in Sarajewo mehrere Menschen tötete und Fernsehbilder mit sterbenden Kindern und weinenden Müttern um die Welt gingen, entschied die NATO45 entschlossenere Maßnahmen durchzuführen um Sarajewo zu schützen.

Bis die NATO dann aber wirklich mit militärischen Luftschlägen ins Kriegsgeschehen eingriff verging ein weiteres halbes Jahr. Als am 5. Februar 1994 ein neuerliches Massaker in Sarajewo angerichtet wurde, „beschloß der Nordatlantikrat auf Initiative Frankreichs, den bosnischen Serben ein Ultimatum zu stellen.46 Die Belagerer Sarajewos sollten alle schweren Waffen aus einer Sperrzone von 20km um Sarajewo abziehen oder der UNPROFOR übergeben47, ansonsten werde die NATO mit Luftangriffen gegen serbische Stellungen beginnen. Das Ultimatum wurde von den Serben, auch dank Vermittlung der russischen Regierung von Jelcin, auch zum größten Teil durchgeführt, so dass sich im Frühjahr, aufgrund der NATO-Drohung, die Situation in Sarajewo verbesserte.

Die NATO hatte die Serben in diesem Fall zwar „disziplinieren“48 können und unterstrich ihren Wille hart vorzugehen auch durch den Abschuß von 4 serbischen Jagdbombern, welche das Flugverbot der mißachtet hatten, aber dennoch war Bosnien-Herzegowina noch weit von einem Friedensschluß entfernt. Die Serben hatten ihre Waffen zwar vom Belagerungsring um Sarajewo abgezogen, aber gleichzeitig eine neue Offensive in Gorazde gestartet. Der Schwerpunkt des Krieges war nun nicht mehr die Stadt Sarajewo, sondern mehr das Hinterland, welches abseits von westlichen Medienzentren und Reportern lag. Die NATO wurde aufgefordert das „Modell Sarajewo“49 in den anderen Schutzzonen zu wiederholen. Nach wochenlanger Berichterstattung über Greultaten und Massakers an bosnischen Zivilisten, entschied der NATO-Rat50 auch die anderen Sicherheitszonen unter den Schutz ihrer Luftwaffe zu stellen.

Elfmal hat das westliche Militärbündnis in zwischen Februar 1994 und August 1995 militärisch in Bosnien eingegriffen. Der Nutzen dieser Angriffe ist aber bei weitem nicht so effektiv einzuschätzen wie erhofft, denn Luftangriffe sind nutzlos, wenn es darum geht einen Belagerungsring zu durchbrechen oder einen Konvoi zu schützen. Als serbische Milizen im Juli 199551 die Stadt Srebreniza stürmte, waren die NATO- Bomber ebenso zum Zusehen verdammt wie die überforderten und befehlslosen Soldaten der UNPROFOR. Ohne die Unterstützung von Bodentruppen, so mußte die internationale Gemeinschaft einsehen, lassen sich die serbischen Milizen nicht aufhalten. Die in Bosnien stationierte UNPROFOR hatte dazu jedoch weder die erforderliche moralische und politische, noch personelle und materielle Unterstützung erhalten. Statt der geforderten 34 000 Soldaten entsandte die UNO nur 7600 leicht bewaffnete Mann. Die schlechte Zahlungsmoral der UNO- Mitgliedsstaaten und ein genereller Unwille, Blauhelm-Soldaten in gefährliches Terrain zu entsenden, machte den Einsatz der peacekeeping-Truppen zum Desaster, welches durch das punktuelle Eingreifen der NATO durch ihre Luftwaffe noch verschärfte.

„Jedesmal, wenn die NATO einen Luftangriff flog, reagierten die Serben mit Vergeltungsschlägen gegen zivile Ziele, wurden peacekeeper gefangengenommen und als Geiseln festgehalten52, wurden schwere Waffen aus den Sammellagern entwendet, Hilfskonvois blockiert und sämtliche Verhandlungen eingestellt.“53 Der Preis für die Luftangriffe der NATO war somit sehr hoch, denn sowohl die bosnische Bevölkerung als auch das UNO Personal mussten darunter leiden, ohne das ein wirklich positiver Effekt, ein Schritt in Richtung Friede erreicht wurde. Die NATO wollte ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen und agierte auf Greultaten der Serben mit Gegengewalt, was man vielleicht auf den ersten Moment als moralisch richtig und legitim betiteln kann, was aber unter dem Strich ein kurzfristiges Handeln ist und zur Problemfindung nicht tauglich ist. Eine Stärkung der UNO Blauhelm- Truppen durch die NATO und eine vernünftige realistische, einheitliche Strategie der internationalen Politik hätte viel verhindern können und hätte viel unnötige Tote gerettet.

6. Friedenskonzepte:

6.1 Das Kantonsmodell:

Bevor Bosnien-Herzegowina im Jahre 1992 international anerkannt wurde, verhandelten die Vertreter der drei bosnischen Völker auf Vermittlung der EG über den zukünftigen Staatsaufbau. Nach dem Schweizer Kantonsprinzip, sollte jede Volksgruppe eigene Kantone haben und gleichzeitig sollte die Republik in den bestehenden Grenzen erhalten bleiben. Alle drei ethnischen Parteien legten eigene Vorschläge auf den Tisch, die in keinerlei Hinsicht ihrer waren Bevölkerungszahl entsprach. Die Serben beispielsweise reklamierten 70% des Territoriums für sich, die Kroaten 32% und die Muslime wollten 4 eigene Kantone unter ihrer Führung haben. Die Verhandlungen, von den Vertretern der Europäischen Union, nicht unbedingt inhaltlich vorbereitet und auf regionale Ressentiments achtend, scheiterten aber nicht primär an den utopischen Forderungen der drei Völker, sondern am Lösungsvorschlag der EG, welcher Bosnien und Herzegowina zu 45% an Muslime, zu 42,5% an Serben und zu 12,5% an Kroaten aufteilen wollte und damit aufgrund der Siedlungsstruktur 59% der Kroaten und mehr als die Hälfte der Serben nicht in „ihrem“ Kanton gelebt hätten.

Die Festlegung der EG auf das ethische Prinzip erwies sich als ausgesprochen konfliktverschärfend, da jede der drei Ethnien die Angst hatte, im von anderen dominierten Kanton zu leben. Die ethnischen Massenvertreibungen werden mit Blick auf eine Kantonslösung verständlicher. Das EG und die UNO widmeten, nachdem sie zuerst die Verhandlungen gescheitert waren und dann schließlich Bosnien und Herzegowina als Land anerkannt wurde54, obwohl es keine Einigung über die Staatsform gab, sich dem Vorschlag einer Regionalisierung.

6.2 Regionalisierungsmodell:

Ende Oktober 1992 machten die Vermittler von EG und UNO, Lord Owen und Cyrus Vance,55 den ersten detaillierten Vorschlag für eine politische Regelung seit Ausbruch des Krieges. Zu den theoretischen Vorzügen ihres Planes (Vance-Owen- Plan) gehörte, dass alle Flüchtlinge in ihre Gebiete zurückkehren sollten und die Verfügung, dass die serbischen Gebiete nicht so zusammen liegen sollten, dass sie sich en bloc mit Serbien vereinigen könnten. „Der neue Entwurf sah die Schaffung von zehn autonomen Provinzen mit einer gemeinsamen Zentralregierung vor, wobei die Hauptstadt Sarajewo als freie Stadt einen Sonderstatus einnehmen sollte. Die Verbindungswege zwischen den Provinzen sollten unter dem Schutz der UNPROFOR stehen.“56

Der vermeintliche Friedensplan von Vance und Owen, erwies sich jedoch nicht nur als sinnlos, sondern sogar als außerordentlich schädlich, da der Plan den Eindruck erweckte, dass die genauen Grenzziehungen noch nicht endgültig feststünden. Das spornte zu erneutem Kampf um Gelände an - was man hätte voraussehen können. Und am schlimmsten war, dass es Auseinandersetzungen zwischen kroatischen und muslimischen Streitkräften um die teile Zentralbosniens auslöste, in denen eine Mischbevölkerung lebte. Der Vance-Owen-Plan förderte die Entwicklung57 die Entwicklung eines echten Bürgerkriegs in Bosnien und zerbrach damit die kroatisch- muslimische Allianz, die die einzige wirksame Barriere für die Serben gewesen war.

6.3 Das Konföderationsmodell:

Nachdem das Lösungsmodell einer Regionalisierung gescheitert war, legte die EG und die UNO im August 1993 einen neuerlichen Friedensplan vor. Das von Stoltenberg und Owen58 ausgearbeitet Programm sah eine Dreistaaten- Konföderation59 vor. Im Gegensatz zum Regionalisierungsmodell wurde nicht mehr an eine territorialen Eigenständigkeit Bosniens geglaubt, so dass jeder Teilstaat die Möglichkeit erhalten sollte, über einen Anschluß an die Nachbarrepubliken zu entscheiden.

Dieser Vorschlag entsprach zwar den militärischen Gegebenheiten des Sommers 1993, kam allerdings primär den Kroaten und Serben entgegen, denen ein Anschluß ans „Mutterland“ in Aussicht gestellt wurde, während sich die Muslime in zwei territoriale Teile aufteilen mussten und außerdem keinen Zugang zum Meer und zum Fluß Save besitzen sollte. Trotz etlichen Verhandlungsrunden und einem gewissen Entgegenkommen der UNO und der EG auf die Muslime, lehnten diese den Friedensplan strikt ab, da er eine quasi Auflösung von Bosnien-Herzegowina vorsah.

6.4 Das Modell einer Zweistaaten-Union

Am 12. März 1994 unterzeichneten Vertreter der Muslime und der bosnischen Kroaten in Washington einen gemeinsamen Konföderationsvertrag, welcher die Bildung einer gemeinsamen Armee, einer gemeinsamen Geheimpolizei und eines gemeinsamen Hauptquartiers vorsah.

Die neu entstandene internationale „Jugoslawien Kontaktgruppe“60 versuchte diesen Zusammenschluß der in etliche Kämpfe verwickelten Kriegsparteien zu neuen Verhandlungen zu nützen und schlug die Schaffung einer Zweistaaten-Union vor. Die bosnisch-kroatische Föderation sollte mindestens 51%, die „Serbische Republik“ maximal 49% des bosnischen Territoriums erhalten. Die bosnisch-kroatische Föderation stimmte dem Friedensplan zu, während die Serben sich in einem Referendum gegen ihn Aussprachen, da er die serbischen Gebiete zerstückelt.

6.5 Fazit der Verhandlungsversuche

Die UNO und die EG zu Beginn des Bosnien Konflikts und später die Bosnien Kontaktgruppe haben versucht eine Verhandlungslösung zu finden, haben es aber nicht verstanden im Vorfeld sensibler auf die Anliegen der Konfliktparteien einzugehen und haben es somit versäumt präventiv zu agieren. Das Jugoslawien im Begriff war sich Aufzulösen war schon seit Mitte der 80er Jahre bekannt und auch das Konfliktpotential der Serben und Kroaten war bekannt. Die internationale Politik hat diese Gefahrenpotentiale allerdings nicht ernst genommen und war sich außerdem nicht klar darüber ob Jugoslawien als Ganzes erhalten bleiben sollte oder ob es sich aufteilen sollte.

Natürlich muss man Anerkennen, dass eine friedliche Konfliktlösung in Bosnien- Herzegowina nicht einfach zu finden gewesen wäre, aber wenn man beispielsweise die Verhandlungen zwischen Serben, Kroaten und Muslime im Vorfeld der Gewalteskalation61 intensiviert hätte und nicht nur externer Beobachter, sondern als engagierter Vermittler agiert hätte, auf regionales Empfinden eingegangen wäre, anstatt mit pauschalen Lösungspunkten aufzutreten

7. Der Vertrag von Dayton:

Im Juli 1995 einigten sich die Mitglieder der Londoner Konferenz62, angesichts der massiven Greultaten der Serben in Srebreniza und anderen Schutzzonen eine Schnelle Eingreiftruppe63 nach Bosnien-Herzegowina zu entsenden und läuteten damit die letzte Runde des Krieges ein. Die Serben, vom langen Krieg gekennzeichnet, sahen sich nun nicht mehr einzig und allein einer neuerlichen Koalition von Muslime und Kroaten64 und einem Haufen wehrloser Blauhelme entgegengesetzt, sondern auch einer harten und massiven Luftoffensive der NATO und einer sich um Sarajewo formierenden internationalen Eingreiftruppe unter französischer Führung.

Die Serben verloren nicht nur die Krajina in Kroatien, sondern auch etliche Gebiete in Bosnien-Herzegowina an die neue Allianz. Eine Verhandlungslösung, welche den Status Quo festschreibt, erschien nun möglich und dank der intensiven Vermittlung der USA kam es im Herbst 199565 in Dayton (Ohio) zu einem Friedensvertrag66, welcher im Grundsatz von allen Parteien akzeptiert werden konnte.

Im militärischen Teil des Vertrages verpflichteten sich die Parteien, ihre Armeen binnen dreißig Tagen zurückzuziehen und eine entmilitarisierte Zone einzurichten. Eine Freilassung aller Kriegsgefangenen wurde ebenfalls festgeschrieben. Eine 60000 Mann starke internationale Armee67 unter NATO Kommando soll die Überwachung des Vertrages überwachen und die Blauhelm-Soldaten der UNO ablösen.

Der politische Teil des Vertrages besagt, dass Bosnien-Herzegowina als eigenständiger Staat in seinen international anerkannten Grenzen erhalten bleibt, aber von zwei innerstaatliche Einheiten, die der muslimisch-kroatischen Föderation und die der Serbischen Republik, verwaltet wird. Wie bereits von der Bosnien- Kontaktgruppe 1994 im Zweistaaten-Modell vorgeschlagen, sollen 51% des Territoriums an die Föderation fallen und 49% an die Serben. Sarajewo, so konnte man sich einigen, soll die ungeteilte Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas sein. Des weiteren wurde geregelt, dass alle Flüchtlinge das Recht haben sollen in ihre Heimat zurück zu kehren und dass freie Wahlen angesetzt werden.

Im Herbst 1995, fast 4 ½ Jahre nach Beginn des Krieges um Titos Erbe wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet, der von allen Kriegsparteien zwar akzeptiert wurde, dessen Umsetzung sich aber als überaus schwierig erwies. Die Kriegswunden innerhalb der Bevölkerung waren und sind so tief, dass ein friedliches Beisammensein der verschiedenen Ethnien nicht möglich ist. Der militärische Teil des Abkommens wurde zwar recht schnell umgesetzt, aber die psychologisch- mentalen Konfliktdimensionen68 des Krieges erwiesen und erweisen sich als beinahe unlösbar.

Dayton brachte zwar einen militärischen Frieden und beendete nach langen Anstrengungen die Vermittlungsversuche der internationalen Politik, aber gleichzeitig beginnt mit dem Vertrag von Dayton die eigentliche Aufgabe der Welt und der UNO, nämlich den „künstlichen“69 Friede zu festigen und die inneren Sperren aus den Köpfen der Menschen zu lösen. Dayton ist somit kein Abschluß, sondern mehr der Beginn einer UNO Mission.

Man darf sich keinen Illusionen hingeben und in irgendeiner Weise behaupten, dass der Friedensvertrag von Dayton zustande kam, weil die NATO sich intensiv in das Kriegsgeschehen einmischte und somit die serbischen Machthaber dazu zwang eine friedliche Lösung zu finden,

8. Nachwort:

Die Politik der UNO und aller ihrer Neben-und Regionalorganisationen haben in dreifacher Hinsicht in Bosnien-Herzegowina versagt und haben sich nicht als „ehrliche Makler“70, sondern mehr als oberflächliche Mittler und populistische Intervinisten erwiesen. Der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien wurde von der Weltöffentlichkeit und von ihrer Politik vollkommen falsch eingeschätzt und die Brisanz der Situation wurde unterschätzt. Eine friedliche Auflösung Jugoslawiens wäre, ebenso wie die Trennung von Tschechen und Slowaken oder wie die Abnabelung der baltischen Staaten von Rußland möglich gewesen, wenn die UNO oder die eigentlich zuständige OSZE, mit schlüssigen Gesamtkonzepten für den Balkan aufgetreten wäre, wenn die Gesamtsituation als Maßstab des politischen Handelns fungiert hätte, anstatt alte Kriegsallianzen wieder aufleben zu lassen und mit kurzfristigen Handlungen Probleme nicht zu lösen sonder zu verschieben.

Ein weiterer elementarer Fehler war der Blauhelm Einsatz der peacekeeping-Truppen der UNO. Die schlecht ausgerüsteten Soldaten waren weder auf die Situation auf dem Balkan vorbereitet, noch verstanden sie es sich friedlich zwischen die Kontrahenten zu stellen. Die UNPROFOR-Truppen waren mit einem Mandat unterwegs, welches sie zu lebenden Schutzschildern werden ließ. Die Blauhelme waren, aufgrund des Unwillens der UNO Mitgliedsstaaten Bodentruppen zu entsenden und der knappen finanziellen Ressourcen, komplett überfordert und spiegelten niemals die Gefährlichkeit der Situation wieder. Die Einrichtung von Schutzzonen, welche sich nicht von ein paar Blauhelmen sichern lässt, hat sich ebenso als Fehler erwiesen, denn genau diese Schutzzonen wurden von den Serben am aggressivsten und brutalsten Angriffen und verwüstet. Die Blauhelme dienten als menschliche Schutzschilder für die Serben, denn ein NATO Luftangriff auf durch UNO-Soldaten beschützte Stadt, war unmöglich.

Als ein weiterer Fehler ist der Friedensvertrag von Dayton zu nennen, welcher es zwar verstand einen Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien in Bosnien- Herzegowina herzustellen und aus dieser Perspektive als Erfolg zu bewerten ist, welcher aber keine weiteren Lösungsperspektiven für das Gebiet Restjugoslawiens und dessen Kriesenherde Kosovo und Montenegro vorsah. Die UNO hätte aus den Fehlern von Bosnien lernen müssen und im Vorfeld präventiv auf diese Problemfelder hinweisen müssen. Nicht der Vertrag von Dayton ist der Fehler, sondern das Erbe von Dayton, welches leichtfertig verspielt wurde. Die Konflikte um Kosovo und Montenegro hätten im Anschluß von Dayton verhandelt und angesprochen werden müssen. Die UNO hätte dort frühzeitig humanitär und auch durch unabhängige OSZE-Beobachter friedlich Intervenieren können, hätte Vermittler sein können bevor der Konflikt eskaliert. Diese Lehre aus Bosnien hat die UNO nicht gezogen und der Kosovokrieg 4 Jahre nach Dayton war das Resultat, als die Weltgemeinschaft erst wieder aktiv wurde als nur noch eine militärische Lösung möglich war.

Der gravierendste Vorwurf, den man der internationalen Staatengemeinschaft machen kann, ist zugleich eine der wichtigsten Erklärungen für ihr Scheitern. „Weder Staaten noch Organisationen haben trotz einer Vielzahl von Hinweisen auf die Gefahr des Ausbruchs von Kämpfen in Jugoslawien ein frühzeitiges Eingreifen für nötig befunden“71 und haben statt dessen durch die verfrühte Anerkennung Sloweniens, Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas noch selber unnötig Blut ins Öl des Balkans geworfen.

9.Literaturangabe:

- Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt am Main 1996
- Calic, Marie-Janine: Das Ende Jugoslawiens, aus: Informationen zur politischen Bildung (LpB) - aktuell 1996
- Hartmann, Ralph: Die ehrlichen Makler. Die deutsche Außenpolitik und der Bürgerkrieg in Jugoslawien, Berlin 1998
- Karadi, Matthias Z und Klingenburg, Konrad: Auf den Trümmern der „neuen Weltordnung“ - Das Scheitern von UNO und NATO im Balkankrieg, aus: Sicherheit und Friede 1/95, Seite 16-23
- Koslowski, Gerd: Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina. Deutschland, Frankreich und die USA im internationalen Kriesenmanagement, 1995 Vierow bei Greifswald
- Malcolm, Noel: Geschichte Bosniens, Frankfurt am Main 1996
- Maass, Peter: Die Sache mit dem Krieg. Bosnien von 1992 bis Dayton, München 1997
- Silber, Laura und Littel, Allan: Bruderkrieg. Der Kampf um Titos Erbe, Graz 1995
- Sundhaussen, Holm: Geschichte Jugoslawiens 1918-1980, Stuttgart 1982
- Ugresic, Dubravka: Die Kultur der Lüge, Frankfurt am Main 1995
- Politik und Unterricht 3/97 Der Zerfall Jugoslawiens. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (hrsg.)

[...]


1 Karadi, Matthias u.a.: Das Scheitern von UNO und NATO im Balkankrieg; Seite 18

2 Silber Laura u.a.: der Bruderkrieg

3 Sundhaussen, Holm: Geschichte Jugoslawiens, Seite 38

4 Pariser Friedenskonferenz in Versaille 1918

5 Katholiken, Moslems und orthodoxen Christen

6 Silber, Laura u.a.: Bruder Krieg, Seite 11

7 LpB: Der Zerfall Jugoslawiens, Seite 8

8 Silber, Laura u.a.: Bruder Krieg, Seite 3

9 LpB: Der Zerfall Jugoslawiens, Seite 12

10 26. Juni 1991

11 Calic, Marie-Janine: Krieg und friede in Bosnien und Herzegowina, Seite 18

12 Hartmann, Ralph: Die ehrlichen Makler, Seite 8

13 23.12.1991

14 Koslowski, Gerd: Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina, Seite 19

15 der momentane Präsident Kroatiens

16 Calic, Marie-Janine: Krieg und Frieden in Bosnien-Herzegowina, Seite 44

17 Koslowski, Gerd: Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina, Seite 20

18 Malcolm, Noel: Geschichte Bosniens, Seite 272

19 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 44

20 Malcolm, Noel: Geschichte Bosniens, Seite 269

21 Koslowski; Gerd: Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina, Seite 21

22 Silber, Laura u.a.: Bruder Krieg, Seite 269

23 Koslowski, Gerd: Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina, Seite 22f

24 Calic, Marie-Janine: Krieg und Frieden in Bosnien-Herzegowina, Seite 91

25 US Präsident George Bush im Jahre 1991 nach Beendigung des ersten Golfkrieges

26 Karadi, Matthias u.a.: Auf den Trümmern der „Neuen Weltordnung“, Seite 17

27 Zumach, Andreas: Die UNO in der Krise, Seite 130

28 Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Nr. 47

29 Karadi, Matthias u.a.: Auf den Trümmern der „Neuen Weltordnung“, Seite 17

30 Malcom, Noel: Geschichte Bosniens, Seite 277

31 Resolution 757 vom 30. Mai 1992

32 Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Nr. 47

33 Resolution 787 vom 16.11.1992 und Resolution 820 vom 17.04.1993

34 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 174

35 Resolution 743 vom 21.02.1992

36 United Nation Protection Force

37 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 178

38 Unparteilichkeit, Handeln mit Konsens der Konfliktparteien, Gewalteinsatz nur zur Selbstverteidigung

39 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 179

40 06.05.1993

41 04.06.1993

42 Malcolm, Noel: Geschichte Bosniens, Seite 301

43 Der NATO-Rat beschloß eine Teilnahme in Kooperation mit WEU-Verbänden auf seiner Sitzung am 10.Juli 1992 in Helsinki

44 Koslowski, Gerd: Die NATO und der Krieg in Bosnien-Herzegowina, Seite 33

45 02.08.1993

46 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 182

47 Koslowski, Gerd: Die NATO in Bosnien-Herzegowina, Seite 41

48 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 182

49 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 183

50 22.04.1994

51 ??.07.1995

52 im Mai 1995 hatten Serben als Reaktion auf NATO Angriffe mehrere hundert Blauhelme als Geiseln genommen

53 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 184

54 am 06.04.1992 wird Bosnien und Herzegowina als selbständiger Staat anerkannt

55 Malcolm, Noel: Geschichte Bosniens, Seite 283

56 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien und Herzegowina, Seite 192

57 Malcolm, Noel: Geschichte Bosniens, Seite 284

58 BpB: Der Zerfall Jugoslawiens, Seite 11

59 Für die Serben waren 52% für die Muslime 31% und für die Kroaten 17% Bosnien-Herzegowinas vorgesehen

60 im April 1994 auf Initiative von Rußland gegründete Kontaktgruppe von GUS, EU und USA

61 Im März/April 1992 verhandelten alle drei Konfliktparteien über die künftige Staatsform von Bosnien-Herzegowina

62 USA, Rußland, EU

63 Rapid Reaktion Force

64 Am 22. Juli 1995 unterzeichneten die Präsidenten von Kroatien und Bosnien ein neues Abkommen zum Zwecke der militärischen Zusammenarbeit

65 21. November 1995

66 das Abkommen von Dayton wurde am 14. Dezember in Paris von den 3 Präsidenten unterzeichnet

67 IFOR (Implementation Force)

68 Calic, Marie-Janine: Krieg und Friede in Bosnien-Herzegowina, Seite 257

69 Malcolm, Noel: Geschichte Bosniens, Seite, Seite 305

70 Hartmann, Ralph: Die ehrlichen Makler, Seite 28

71 Karadi, Matthias u.a.: Das Scheitern von UNO und NATO im Balkankrieg, Seite 19

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Der Krieg in Bosnien und das Scheitern der internationalen Politik
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
UNO
Note
1,5
Autor
Jahr
2000
Seiten
27
Katalognummer
V100895
ISBN (eBook)
9783638993173
Dateigröße
390 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Krieg, Bosnien, Scheitern, Politik
Arbeit zitieren
Jörg Heeskens (Autor:in), 2000, Der Krieg in Bosnien und das Scheitern der internationalen Politik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100895

Kommentare

  • Gast am 9.12.2002

    verfrühte Anerkennung.

    Die Arbeit ist soweit in Ordnung,enthält aber einen gravierenden Fehler.Die Anerkennung Slo.und Kro. seitens Deutschlands kam keineswegs zu früh,sondern genau richtig!Genscher hat damals als einer der wenigen Politiker die Lage erkannt und mit der deutschen Anerkennung Serbien als Agressor auf ein unabhängiges und souveränes Land gebrandmarkt!Wäre dies nicht passiert,hätten die serbischen Verbündeten in Frankreich und England bis heute noch von kroatischen

Blick ins Buch
Titel: Der Krieg in Bosnien und das Scheitern der internationalen Politik



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