Reaktionen auf den Ehebruch! - ein Vergleich von Fontanes Romanen
,,Effi Briest" und ,,L'adultera"
Innstetten:
fordert gegen Crampas ein Duell um seine Ehre zu retten _ dahin geht sein erster Gedanke und bittet deshalb Wüllersdorf zu sich um sein Sekundant zu sein
- jedoch: S.198 Z. 43
- gesellschaftliche Normen sind zu stark, so dass kein Spielraum für Liebe ist, bzw. dafür Effi zu verzeihen (selbst nach 7 Jahren nicht)
- rigiden Ehrenkodex, dem Innstetten verpflichtet ist. »Fühlen Sie sich so verletzt, beleidigt,
- empört, daß einer weg muß, er oder Sie?« fragt Wüllersdorf, und Innstetten verneint
- seine persönliche Bereitschaft, die Angelegenheit zu vergessen, zählt nichts gegen die Macht der gesellschaftlichen Norm.
»Und dagegen zu verstoßen geht nicht; dieGesellschaft verachtet uns, und zuletzt tun wir es selbst und können es nicht aushalten und jagen uns die Kugel durch den Kopf.«
- Innstetten S.206 Z. 3-5 _ spürt keinen Drang nach Rache, trotzdem muss er sich duellieren
- schreibt an alle Briefe (z.B. Hohen-Cremmen, möglicherweise auch an die Zeitung) um sie über Effi's Ehebruch zu informieren und die Scheidung bekannt zu geben > keinen Respekt vor der Privatsphäre, bzw. darüber, welche Folgen Effi nun ertragen muss (Innst. = gefühlskalter Mensch)
- Entwicklung Innstettens entlarvt den Ehrbegriff und die an ihn geknüpften Konsequenzen als
- unmenschlich. »Rache ist nichts Schönes, aber was Menschliches und hat ein natürlich menschliches Recht. So aber war alles einer Vorstellung, einem Begriff zuliebe, war eine gemachte Geschichte, halbe Komödie«.
Crampas:
- geschockt über die Herausforderung Innstettens sich zu duellieren, nimmt die Herausforderung aber an S.202 Z. 27
1. Reaktion der Eltern: - S.215 Z.30
- trennen sich von ihrer Tochter (unterstützen sie aber weiterhin finanziell)
- Effi wird nun alleine leben müssen; sie darf auch nicht nach Hohen-Cremmen zurückkehren (das elterliche Haus wird ihr verschlossen bleiben, da sich die Eltern nicht von der Gesellschaft abkapseln möchten) >zeigt, wie stark die gesellschaftl. Normen ein Leben beeinflussen können
- die Eltern verurteilen und ächten ihre Tat (verzeihen nicht!) · elterliche Liebe?!
2. Reaktion: - S.234 Z. 32
- Vater Briest möchte nicht weiter den Großinquisitor spielen und möchte Effi zurück nach Hause holen
- Effis Vaterwill gegen den Willen der Mutter die kranke Tochter nach Hause holt, stellt den Sinn der starren Verhaltensmuster in Frage: »Aber das ist nun schon wieder eine halbe Ewigkeit her, soll ich hier bis an mein Lebensende den Großinquisitor spielen?« - Mutter bleibt vorerst skeptisch (sie behauptet zwar, sie liebe Effi, aber sie will trotzdem nicht Nachsicht walten lassen und Effi nach Hohen-Cremmen kommen lassen)
- wenn Effi zurückkehrt · ist vorbei mit Katechismus (Religion/Kirche) und den Anspruch auf Gesellschaft, da die Eltern ebenfalls verachtet werden
Mutter: ,,schwer sich ohne Gesellschaft zu behelfen
Zwicker: - S.218 Z. 27
- Effis Freundin in Bad Ems
- erfährt den begangenen Ehebruch aus der Zeitung (große Entfernung Berlin-Bad Ems) _ bis dorthin ist es schon vorgedrungen
- betrachtet dieses Duell als Unsinn und unnötig
- voll Mitleid um Effi Roswitha: - S.223 Z. 36
- kehrt wieder zu Effi zurück · fühlt sich Effi gegenüber verbunden · sieht den Ehebruch nicht als Verstoß gegen gesellschaftl. Regeln · Roswitha stammt aus der unteren gesells. Schicht
Ministerin: - S.228 Z. 20
- freut sich Effi wiederzusehen
- ohne Effi zu verurteilen, geht die Ministerin auf sie zu
- vielleicht besseres Verständnis untereinander von Frau zu Frau
- geht auch nicht weiter auf den Ehebruch ein, sondern im Gegenteil unterstützt Effi in ihrem Anliegen
Annie: - S.232 Z. 6
- wurde abgerichtet
- Mutter - Tochterbeziehung ist zu Ende nach dem Treffen
- Das gesellschaftliche System bleibt erhalten, solange dessen Normen über die Generationen tradiert werden
- selbst die engste aller menschlichen Verbindungen, diejenige zwischen Mutter und Kind, ist von der Erlaubnis der Gesellschaft abhängig
- Frage der Ehre - Die Gesellschaft verlangt es geradezu von ihm · Ein Duell war damals aber die einzige Art, seine Ehre zu retten
- Eine Frau war damals Besitz, sie gehörte zum Inventar
- Effi hatte in der Welt ohnehin keine Chancen. - Als Ehebrecherin mit einem Mann, der darüber hinwegsieht erst recht nicht
- Notwendigkeit unbedingt gültiger Ordnungsbegriffe, hat Fontane bei L'Adultera mit einer ,,sittlichen Gewaltlösung" beantwortet
- Ehebruch als Angriff auf die sittlichen Grundlagen der Gesellschaft
"L'Adultera" - Novelle
- Entstehung: Dez. 1879 - April 1880
- Vorabdruck in: "Nord und Süd" 1880, Bd 13 u. 14, Heft 39 u. 40
- Erste Buchausgabe: März 1882 bei Salo Schottländer, Breslau.
...
- doch so heimlich soll ihr die Flucht mit Rubehn, mit dem sie den Ehebruch begangen hat, nicht gelingen, denn irgendwie ist ihr Ehemann von ihrem Vorhaben unterrichtet worden · bittet sie um eine Aussprache · versucht sie davon zu überzeugen, dass ihr Glück nicht in einer Ehe mit Rubehn liegen wird · sie würde die darauf folgende gesellschaftliche Ächtung namentlich nicht ertragen
- Melanie zieht die Konsequenz aus dem Ehebruch und dem Geschehenen und verlässt ihren Mann und ihre beide Töchter, um sich mit Rubehn zu verbinden
- doch Melanie lässt es sich nicht ausreden und wehrt sich gegen seine Annahme, sie handle nur aus Lust und Laune
- weil er ein liebender und gutmütiger Mann ist, lässt er sie gehen und willigt in die Scheidung ein
- kurze Zeit später sind Melanie und Rubehn in Italien, verheiratet und etwas später auch Eltern einer Tochter
- Melanie indes zieht es zurück nach Berlin, wo sie so lange gelebt hatte, und Rubehn ist einverstanden,
- wenngleich er ihr verständlich macht, auf wie wenig gesellschaftliche Akzeptanz sie dort hoffen dürfen · Befürchtungen bestätigen sich zunächst · Melanie muss erfahren, dass sie von der Gesellschaft als ,,Ehebrecherin" geächtet wird · nur einige wenige, darunter eine alte Freundin des van der Staaten'schen Ehepaares und Melanies Schwester (deren Mann es ihr eigentlich verbietet), wünschen weiterhin einen engeren Kontakt mit dem jungen Paar
- heimliches Treffen mit ihren Kindern endet katastrophal · indem die ältere der Töchter nichts mehr mit ihrer Mutter zu haben will und sie harsch brüskiert
- Rubehn verhält sich seltsamer, schweigsamer und beinahe ablehnend-uninteressiert · Folge des Bankrott des Familienunternehmens
- ihre Zuneigung zu Rubehn ist echt · Pläne für ein schlichteres Leben
- die Novelle endet mit einem völlig positiven Ausblick · Melanie und Rubehn finden sich in ihrer neuen ärmeren Rolle zurecht · es kommt schließlich sogar zu einer endgültigen Aussöhnung mit dem alten van der Straaten
Mehr als viele - oder vielleicht gar im Gegensatz zu vielen - Frauengestalten Fontanes, entscheidet Melanie ganz allein über ihre Zukunft und ihr Schicksal, und sie verteidigt dieses einerseits gegen die lästernden Zungen der Gesellschaft, andererseits gegen das sie treffenden Unglück, als Rubehns Firma bankrott geht - und es gereicht ihr zumGlück, was bei Fontane selten genug ist.
Zum Ehebruch-Motiv äußert Fontane sich detailliert in einem anderen Brief, diesmal an Eduard Engel:[...] Lassen Sie mich noch ein paar Worte sagen, wie ich selber zu der Frage stehe.
Das sechste Gebot ist ein gebot so gut wie jedes andre und ist nicht dazu da gebrochen sondern gehalten zu werden. Das ist Paragraph eins. Indessen die Ehe wird hundert und tausendfältig unter Verhältnissen gebrochen, die dem schuldigen Theil zwar nicht Zustimmung aber doch nach längrer oder kürzrer Frist eine Verzeihung sichern.
Diese in vielen Fällen eintretende Verzeihung, ist gerade so bestimmt eine sich täglich vor Augen stellende Thatsache, wie der Fehltritt selbst und der Roman- oder Novellenschreiber, dem, nach meiner Meinung vom Metier, nichts anderes obliegt als künstlerische Darstellung der Wirklichkeiten, hat mit der Thatsache des seitens der Gesellschaft ertheilten Pardons gerade so gut zu rechnen wie mit der Thatsache der voraufgegangenen Schuld.
Er hat auch diesen Pardon zu verzeichen und wird seine Aufgabe, namentlich einem so heiklen Punkt gegenüber, um so vollkommener lösen, je objektiver er verf ährt. Dieser Objektivität hab ich nachgestrebt und habe, indem ich stetsandredas Für und Wider durchdebattieren lasse, persönlich nirgens Partei ergriffen. Nur in der letzten Zeile geschieht es, ich weiß kaum selber gewollt oder nicht gewollt. Aber daß es geschieht, daß diese Zeile dasteht, ist mir lieb. Denn es ist dadurchdas zum Ausdruck gekommen, was mein Herz in dieser delikaten Frage fühlt, und nach einem im Herzen der Gesellschaft immer lebendiger und mächtiger werdenden stillen Uebereinkommen auch fühlen darf.
Dieser Satz lautet: ' Ehebruch ist Sünde, gewiß, aber unter Umständen (wobei jeder Einzelfall zu prüfen) eineläßlicheSünde.' Diesen Satz unterschreibe ich de tout mon coeur. Er ist stillschweigend Sitte geworden, und wenigstensihm gegenüber (denn ich beuge mich nicht jeder Sitte) fühl ich keinen Beruf besser zu sein als meine Zeit. Im Gegentheil, es ist ein Glück aus dem todten Katechismus-Satz heraus zu sein. Respekt vor dem Gesetz, aber nicht vorm Rigorismus.
[Fontane an Eduard Engel, 18.April 1882; Jahrbuch d. Deutschen Schillergesellschaft 28, 1984, S. 26ff.]
- Arbeit zitieren
- Ronny Büttner (Autor:in), 2001, Fontane, Theodor - Effi Briest - Reaktionen auf den Ehebruch - ein Vergleich von Fontanes Romanen und "L`adultera", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100977