Generische Nominalphrasen in Tierdokus

Eine Analyse von Gattungsreferenz am Beispiel Löwe


Hausarbeit (Hauptseminar), 2020

20 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

lEinleitung

2Was bedeutet Generezität?
2.1Gattungsreferenz vs. generische Sätze
2.2Generische Nominalphrasen
2.3Gattungsprädikate und episodische Prädikate
2.4Die Lesart

3Korpusanalyse
3.1Doku 1
3.2Doku 2
3.3Doku 3

4Gesamtauswertung
4.1 Singular vs. Plural

5Verwendung der unterschiedlichen NPs

6Ausblick

Generische Nominalphrasen in Tierdokus. Eine Analyse von Gattungsreferenz am Beispiel „Löwe“

1 Einleitung

Der Begriff der Generezität benennt in der Linguistik die Ausdrucksmöglichkeit generalisierender Prädikation über eine Gattung, Sorte oder Art. Bereits die uneinheitliche Definition zeigt die Komplexität der Thematik und hat daher in dieser Arbeit den Zweck Generezität verständlich zu machen und erhebt keinen Anspruch auf Exaktheit. Das Themengebiet ist im deutschsprachigen Raum noch relativ unerforscht. Bisherige Werke stammen größtenteils aus dem englischsprachigen Raum und dienen dementsprechend nachfolgend als Hauptquellen.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist eine Analyse von Dokumentarfilmen über die Gattung Löwe, die zweierlei Fragen beantworten soll.

1. Welche Konstruktion wird wie häufig verwendet, um eine verallgemeinernde Aussage über Löwen zu treffen?
2. Ist die Verteilung der Konstruktionen in irgendeiner Art kontextgebunden?

Zunächst wird Generezität anhand von Beispielen veranschaulicht und die grundlegenden Erkenntnisse zu dem Phänomen erläutert. Dabei wird sich mit der für die Analyse essentiellen Problematik der Lesart und Ambiguität generischer Aussagen beschäftigt. Auf Basis dieses Verständnisses wird eine Analyse generische Aussagen anhand eines Korpus bestehend aus 4 Dokumentarfilmen durchgeführt. Dabei wird immer zunächst kurz der Inhalt und die Machart des Films beschrieben, um daraufhin Ergebnisse der Analyse mit Inhalt und Form in Relation zu setzen und mögliche Wechselbeziehungen zu erkennen. Ebenso werden semantische, syntaktische, stilistische und mediale Gegebenheiten beachtet, sodass die Untersuchung nicht von Beginn an in eine Richtung gelenkt wird, sondern versucht möglichst viele Einflüsse in einen Gesamtkontext zu stellen. Gleichzeitig werden die einzelnen Konstruktionen und d

2 Was bedeutet Generezität?

Generezität benennt ein linguistisches Phänomen, bei dem verallgemeinernde Aussagen, meist über eine Gattung, Sorte, Art oder sonstige geläufige Klassifikationen im weitesten Sinne getroffen werden.

(1) „Die Banane enthält viel Fruchtzucker.“

Die Verwendung des Singulars in Kombination mit einem definiten Artikel weist auf eine spezifische Referenz hin. Dennoch erscheint uns die generische Lesart plausibler und wir verstehen den Satz als charakterisierende Beschreibung von Bananen im Allgemeinen und nicht einer bestimmten Banane.

2.1 Gattungsreferenz vs. generische Sätze

Krifka stellte 1995 eine heute noch geltende Unterteilung in generische Sätze charakterisierender Art (characterizing sentences) und generische Referenz, die in NPs ausgedrückt werden (reference to a kind).

(2) a. The potatoe was first cultivated in South America.
b. Potatoes were first cultivated in South America. (Krifka 1995: 2f)

(2) a. und b. sind gattungsreferierend. Die Aussage bezieht sich nicht auf eine oder mehrere bestimmte potatoes, sondern auf die Gemüsesorte Kartoffel.

Charakterisierende Aussagen können nicht nur über Gattungen oder Arten getroffen werden sondern auch Gewohnheiten ausdrücken und ein wiederkehrendes Ereignis generalisieren. In (3) wird kein einmalig auftretendes Event beschrieben sondern die Gewohnheit von John, nach dem Essen eine Zigarre zu rauchen.

(3) John smokes a cigar after dinner. (Krifka 1995: 2f)

Eine typisch generische Aussage enthält meist sowohl eine gattungsrefrierendeende NP als auch eine Charakterisierung, sodass die beiden Formen sich eher ergänzen als auszuschließen. Dabei wird auf die Individuen der jeweiligen Gattung, Sorte oder Gruppe referiert. In (4) werden Kartoffeln im Allgemeinen als sehr verdaulich charakterisiert.

(4) The potatoe is highly digestible. (Krifka 1995: 2f)

2.2 Generische Nominalphrasen

Im Deutschen gibt es 4 Möglichkeiten generische NPs zu bilden:

(5) a. Tiger sind Raubkatzen. Der bare Plural (0& PL)
b. Die Tiger haben ihre Vorfahren in Afrika. Der definite Plural (DEF & PL)
c. Der Tiger ist ein einsamer Jäger. Der definite Singular (DEF & SG)
d. Ein Tiger ist gefährlich. Der indefinite Singular (INDEF & SG)

Gattungsreferierende NPs können nur mit solchen Nomen gebildet werden, die eine gut etablierte Gattung benennen. Während die Aussage in (5) als generische Prädikation über den deutschen Schäferhund unmissverständlich ist, funktioniert (6) nicht ohne weiteren Kontext, da die deutsche Fliege als Unterart nicht bekannt ist. Dieser Behauptung müsste bspw. eine Studie über Fliegen in Deutschland vorausgehen, die diese „neue Art“ einführt (vgl. Pelletier 2010: 1-5).

(5) The German shepherd is a faithful dog.
(6) ?The German fly is a lazy insect (Pelletier 2010: 3).

2.3 Gattungsprädikate und episodische Prädikate

Einige Prädikate erfordern immer eine generische Lesart und werden daher als Gattungsprädikate bezeichnet:

(7) Der Löwe wird in der afrikanischen Wüste bald ausgestorben sein.

Das Prädikat „aussterben“ bezieht sich immer auf eine komplette abstrakte Gattung, da einzelne Individuen nicht aussterben können.

Ihnen gegenüber stehen die episodischen Prädikate, welche eine spezifische Lesart haben.

(8) Der Löwe scheiterte bei seinem Angriff und verletzte sich an der rechten Pfote.

2.4 Die Lesart

Generezität ist nicht immer eindeutig spezifisch oder eindeutig generisch. In manchen Fällen ist eine Disambiguierung nicht möglich und es kann nur von einer Tendenz gesprochen werden. Schmidt-Brücken bezeichnet Generezität auch als eine „Interpretationsmöglichkeit von Sätzen“ (Schmidt-Brücken 2015: 19).

(9) a. Der Löwe ist nach dem Fressen erschöpft. (Generischer Ausdruck einer Gewohnheit und Referenz auf den Löwen als Gattung.)
b. Der Löwe (Simba) ist nach dem Fressen erschöpft. (Episodische Verwendung mit spezifischer Referenz)

Ohne Kontext können wir über die „richtige“ Lesart nur spekulieren.

Die generischen NPs stehen nur teilweise in freier Variation zueinander.

(10) a. Löwen werden in der afrikanischen Wüste bald ausgestorben sein.
b. Die Löwen werden in der afrikanischen Wüste bald ausgestorben sein,
c. *Ein Löwe wird in der afrikanischen Wüste bald ausgestorben sein (Wäre nur möglich bei einer weiteren Unterklassifizierung der Löwen in der afrikanischen Wüste)

(11) a. Die Erdnuss wird im Westen Afrikas angebaut.
b. Erdnüsse werden im Westen Afrikas angebaut.
c. *Eine Erdnuss wird im Westen Afrikas angebaut, (ebenfalls nur denkbar, wenn es sich um eine spezifische Erdnusssorte handelt)

In einigen Fällen ist die Einschätzung subjektiv und die Austauschbarkeit graduell,

d. ?Die Erdnüsse werden im Westen Afrikas angebaut.

3 Korpusanalyse

Welche weiteren Regularitäten sich im Bezug auf die Verwendung der unterschiedlichen generischen Konstruktionen feststellen lassen, wird folgend anhand von 3 Dokumentarfilmen untersucht.

3.1 Doku 1

Die 43 minütige Dokumentation „Der Löwe“ aus der Reihe der „big Five Asiens“ handelt von dem asiatischen Löwen. Sie leben in einem Wald in Indien und waren vor rund hudert Jahren vorm Aussterben bedroht. Die letzten 12 Löwen konnten das Überleben sichern und ihre Nachfolger werden in der Dokumentation von einem Team aufgesucht und in ihrem Alltag beobachtet. Dabei werden einige generische Aussagen über die Gattung der Löwen bzw. die Unterart der asiatischen Löwen getroffen.

Am häufigsten taucht in diesem Dokumentarfilm der bare Plural als generische NP auf, gefolgt von dem definiten Plural. Sowohl der definite als auch der indefinite Singular werden inklusive Titel nurjeweils 4 Mal verwendet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der bare Plural ist nicht nur die häufigste, sondern auch die unproblematischste generische Konstruktion. Die Lesart ist selten ambig:

(12) Löwen warnen, bevor sie angreifen. (20:24)
(13) 35:10 Indische Leoparden sind in ihrem Wesen furchtloser als Löwen

Die beiden Aussagen enthalten alle Komponenten, die typisch für eine generische Prädikation sind. Eine NP, die auf eine gut etablierte und übergeordnete Gattung (Löwe) referiert, sowie ein typisches Charakteristika in (13) oder ein wiederkehrendes Ereignis, das im Präsens beschrieben wird in (12).

Häufiger tauchen in dem Film NPs mit dem Attribut „asiatisch“ oder „indisch“ auf, die auf die kleinere Unterart referieren.

(14) Indische Löwen ähneln ihren afrikanischen Verwandten äußerlich sehr. (5:07)

Die Lesart bleibt bei dem baren Plural dennoch klar generisch, der Umfang der Referenz wird lediglich eingeschränkt. Im Medium Film können wir zusätzlich das jeweilige Bild, das parallel gezeigt wird, zur Interpretation hinzuziehen. An dieser Stelle (14) ist nur eine einzige Löwin zu sehen, dennoch wird der Plural verwendet, sodass wir darauf schließen können, dass die Referenz nicht spezifisch ist.

(15) Da geht es Löwen genau wie uns - auf einem Weg läuft es sich leichter als durchs Unterholz. (5:26)

Auch hier ist im Bild nur eine einzige Löwin zu sehen und die Lesart ist zweifellos generisch.

Der definitie Plural

Am zweithäufigsten findet der definite Plural Verwendung.

(16) Die meisten Menschen glauben, dass ausschließlich Afrika die Heimat der Löwen sei. (2:09)

[...]

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Details

Titel
Generische Nominalphrasen in Tierdokus
Untertitel
Eine Analyse von Gattungsreferenz am Beispiel Löwe
Hochschule
Universität zu Köln  (Allgemeine Sprachwissenschaft)
Veranstaltung
Generezität
Note
1,7
Jahr
2020
Seiten
20
Katalognummer
V1009897
ISBN (eBook)
9783346402882
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Generezität, Linguistik, Germanistik, Sprachwissenschaft, Generische Nominalphrasen, Nominalphrasen, Artikel, Analyse
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Generische Nominalphrasen in Tierdokus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1009897

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