Sprachphilosophie und "descriptions". Ist Russells Theorie der Kennzeichnung korrekt?


Hausarbeit, 2020

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprachphilosophie und ihre Komponenten

3. Kennzeichnungen - Entwicklung des Begriffs
3.1 Bertrand Russell
3.1.1 Die drei Arten der Kennzeichnung

4. Kritik an Russell
4.1 Peter Strawsons Kritik und Weiterentwicklung

5. Peter Strawsons „On Referring“

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: R. Magritte „Das ist keine Pfeife.“ Der Verrat der Bilder (La trahison des images), 1928–29, County Museum of Art, Los Angeles.

Auf dem Bild dargestellt ist eine sehr realistisch gemalte Pfeife. Darunter steht in sorgfältiger, regelmäßiger Handschrift, der französische Satz „Ceci n’est pas une pipe“ (dt. „Dies ist keine Pfeife“).

Magrittes Werk konfrontiert auf der Ebene des Bildes eine bildliche und eine sprachliche Behauptung, die sich zu widersprechen scheinen. Es zeigt damit, dass die Bilder auf einer anderen Realitätsebene lokalisiert sind als das Abgebildete, der reale Gegenstand. Damit macht der Maler abgesehen von der Diskrepanz zwischen Abgebildetem und Abbild, auch auf das komplexe Beziehungsgefüge zwischen Text, Bild und Gegenstand aufmerksam.

Wir sprechen, schreiben und hören jeden Tag. Aber was ist eigentlich Sprache? Solange sie von uns einfach nur genutzt wird, haben wir keine Probleme mit ihr. Doch sobald wir darüber nachdenken, was wir eigentlich tun, wenn wir sprechen, geraten wir in Erklärungsnot. Insofern ist “die Sprache” an sich ein Thema, das geeignet ist, uns selbige zu verschlagen. Seit der Antike beschäftigt sich die Philosophie mit der Frage

nach dem Ursprung und der Funktion von Sprache und wie sie mit dem menschlichen Geist zusammenhängt. So untersucht Sprachphilosophie die logischen Strukturen der Sprache und stellt sie ins Verhältnis mit der Ontologie.1

Die vorliegende Hausarbeit setzt sich mit der Sprachphilosophie auseinander, wobei besonders die Theorie der Kennzeichnungen von Bertrand Russell im Fokus steht. Der Text „On Referring“ legte den Grundstein für eine Weiterentwicklung der Theorie zu Kennzeichnungen und hatte einen großen Anteil an der Begründung der modernen analytischen Philosophie, sodass viele modernere Theorien auf diesem Werk basieren. Das Ziel dieser Hausarbeit ist es, Russells Theorie zu bewerten und letztendlich zu entscheiden, ob sie zutreffend ist oder nicht. Um dieses Ziel zu erreichen wird die Theorie als solches erläutert und eine Weiterentwicklung und Kritik von Peter Strawson behandelt, um eine andere mögliche Perspektive aufzuzeigen.

Zunächst wird in Kapitel 2 die Sprachphilosophie als Teilbereich der Philosophie kurz vorgestellt und einige wenige Grundbegriffe werden erläutert. In Kapitel 3 wird der Kennzeichnungsterm und die Geschichte seiner Entstehung dargestellt, was auch den Text von Russell beinhaltet und seine Analyse in drei unterschiedlichen Teilen. Die Kapitel 4 und 5 beschäftigt sich mit der Kritik und Weiterentwicklung von Russells Arbeit, wozu ebenfalls der Text von Peter Strawson zählt. Im 6. Kapitel schließlich folgt das Fazit mit der abschließenden Evaluierung der Ergebnisse.

2. Sprachphilosophie und ihre Komponenten

In diesem ersten Abschnitt soll ein grober Überblick über die Sprachphilosophie und verschiedene sprachliche Ausdrücke gegeben und ihre Zugehörigkeit zur Sprachphilosophie aufgezeigt werden.

Bei der Sprachphilosophie handelt es sich um einen eigenständigen Teilbereich der Philosophie, welche um den Umbruch zum 20. Jahrhundert entstand. Lange Zeit davor beschäftigten sich die meisten Wissenschaften nicht mit der Sprache, denn sie wurde lediglich als Werkzeug genutzt, um Theorien zu formulieren.2

Man hat sich zwar schon in der Antike über sprachliche Elemente Gedanken gemacht und Theorien dazu entwickelt und es gibt spätestens seit der Zeit der Aufklärung Theorien, welche sich mit der Entstehung von Sprache oder mit der Frage nach der "ersten" oder "natürlichen" oder "besten" Sprache auseinandersetzen. Allerdings stellte sich bald heraus, dass diese Theorien zu kurz und naiv gedacht waren.3 Sprachphilosophie fragt, um es grob zu formulieren, nach dem Wesen der Sprache und beschäftigt sich unter anderem mit dem Zusammenhang zwischen Sprache und Erkennen und der Definition der Elemente, aus denen Sprache besteht.4

Die Sprachphilosophie prägt auch heute viele philosophische Diskurse und Debatten, denn die Fragen nach dem Wesen der Sprache, nach ihren Aufgaben und Funktionen und nach der Beziehung zwischen Sprache und unserem Bild von Wirklichkeit prägen das Denken von vielen bekannten Wissenschaftlern wie zum Beispiel Ludwig Wittgenstein5 und John Searle.

Ein sprachphilosophischer Begriff, welcher aber von dem der Kennzeichnung zu trennen ist, ist der Eigenname. Bei Eigennamen handelt es sich um singuläre Termini, also Zeichen, welche genutzt werden um auf einen ganz bestimmten Gegenstand als

solchen Bezug zu nehmen.6 Der Eigenname „Peter Schmidt“ steht also für Peter

Schmidt und der Eigenname „der pinke Felsen“ steht für den pinken Felsen.

Ein „Satz“ fügt sprachphilosophisch gesehen die Bedeutung und den Sinn einzelner Ausdrücke zusammen. Er drückt nach Frege einen Gedanken aus und setzt sich aus Namen, Begriffen und verschiedenen Regeln zusammen, welche seine Struktur bestimmen. Die Logik eines Satzes entspricht laut Frege nicht der grammatischen Form von Subjekt und Prädikat, sondern ist vielmehr als eine Funktion aufzufassen. In dieser Funktion sind die Eigennamen und Begriffe als Variablen zu verstehen. Der Satz

„Lutz liebt Ingrid“ wird nach der traditionellen Logik in das Subjekt „Lutz“ und das Prädikat „liebt Ingrid“ aufgeteilt. Nach Frege bestehen die Elemente des Satzes aus „X liebt Y“. Die Namen Lutz und Ingrid sind dabei aber austauschbar und könnten auch durch Christoph und Janina ersetzt werden. Die Anordnung des Satzes ist ebenfalls für den Sinn relevant. Die Umkehrung „Ingrid liebt Lutz“ ergibt einen anderen Sinn, also ist hier kein Umtausch der Positionen der Namen möglich. Sinnvoll ist ein solcher Satz, wenn er einen Wahrheitswert hat. Der Gedanke ist die Bedingung dafür, ob eine Aussage wahr oder falsch ist. Leere Namen ohne Referenzen wie Odysseus können nicht wahrheitsfähig sein.7 Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle aber, dass es sich bei den vorangegangenen Erläuterungen um eine Vereinfachung handelt, um die Grundbegriffe zu erklären und voneinander abzugrenzen.

Um die eben vorgestellten Begriffe zu verallgemeinern, lassen sich zwei Aussagen treffen: Sprachliche Ausdrücke haben eine Bedeutung, weil sie für etwas stehen und Wörter und Sätze bedeuten etwas, weil sie auf konventionelle Art und Weise mit gewissen Dingen und Situationen in der Welt assoziiert werden.8

3. Kennzeichnungen - Entwicklung des Begriffs

Der folgende kurze Absatz soll eine Einleitung in den Begriff der Kennzeichnung darstellen, worauf ein Abschnitt über die Geschichte der Entwicklung des Kennzeichnungsbegriffs folgt.

Der sogenannte Kennzeichnungsterm bezeichnet Terme, welche die Form „aF“ besitzen, wobei „a“ hierbei einen Artikel wie „der“, „die“, „das“, „ein“ oder „eine“ beschreibt. Möglich sind aber auch Pronomen wie „mein“ oder „dein“ und generell besitzende Substantive. Als Beispiele dafür lassen sich auch Namen wie „Schneiders“ oder „Hausmanns“ anführen. Das „F“ bezeichnet die Nominalform eines Prädikats, also dem Ausdruck von nominalen Vorgängen oder Sachverhalten mithilfe von Nomen.9 Einige Beispiel dafür ist „die Fahrt“ oder „die Armut“.

Um diese Beschreibung zu verdeutlichen bietet sich ein weiteres Beispiel an. Die Kennzeichnung „die gegenwärtige Bundeskanzlerin“ und der Eigenname „Angela Merkel“ beziehen sich jetzt zwar auf dieselbe Person, sie sind aber nicht bedeutungsgleich, denn dann wäre Merkel notwendigerweise Bundeskanzlerin.

3.1 Bertrand Russell

Im Folgenden wird Bertrand Russell und seine Argumentation rund um Kennzeichnungen dargestellt, wonach ich seine Einteilung der verschiedenen Typen der Kennzeichnungen behandle.

Bertrand Russell lebte von 1872 bis 1970 und gilt neben Frege eben auch als Begründer der modernen Logik. Er arbeitete zu den Grundlagen der Mathematik und hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung der modernen analytischen Philosophie.10

Russell argumentiert im Gegensatz zu Frege11 dafür, dass Kennzeichnungen oder

Eigennamen keine Ausdrücke sind, die eine Denotation besitzen. In seinem Text versucht er vor allen Dingen zwei Probleme zu lösen: Zum Einen müssen Identitätsaussagen informativ sein, zum Anderen müssen allgemeine Aussagen ohne Kennzeichnungen sinnvoll sein.12 Dabei geht er wie folgt vor.

Zuerst behandelt er das Problem der Bezugnahme auf nichtexistente Gegenstände. Dabei hilft möglicherweise der Beispielsatz (1) „Der gegenwärtige König von Frankreich ist reich.“ Dieser Satz hat eine ganz spezifische Bedeutung. Wenn jedoch die Bedeutung von Kennzeichnungen der Gegenstand ist, für den sie stehen, dann könnte (1) keine Bedeutung besitzen, da Frankreich keinen König hat und somit kein Gegenstand existiert, welcher die Bedeutung des Ausdrucks „der gegenwärtige König von Frankreich“ sein könnte.13

Ein weiterer Punkt in Russells Text ist das Problem der negativen Existenzsätze, wozu ein zweiter Beispielsatz (2) „Der gegenwärtige König von Frankreich existiert nicht.“ nützlich wäre. Auch dieser Satz scheint sinnvoll und wahr zu sein. Wenn die Bedeutung von Kennzeichnungen der Gegenstand ist, für den sie stehen, dann wäre

(2) entweder falsch oder sinnlos.14

Die referentielle Theorie birgt ein drittes Problem, welches Russell ebenfalls diskutiert: Das Identitätsrätsel, welches bereits von Frege nicht gelöst werden konnte. Hierzu das Beispiel (3) „Angela Merkel ist die gegenwärtige Bundeskanzlerin.“ Wenn ein Name oder eine Kennzeichnung nur für ein Individuum steht, dann würde (3) aussagen, dass Angela Merkel mit sich selbst identisch ist. (3) ist aber informativ und nicht trivial wahr. Jemand anderes als Merkel hätte Bundeskanzler/-in sein können.15

Kennzeichnung für die Person Goethes steht, dann können wir diese nicht durch die Kennzeichnung „der Mann von Christiane Vulpius“ ersetzen, die ebenfalls für die Person Goethes steht, ohne dabei eventuell die Wahrheit von (4) zu verändern.16 Russell argumentierte dafür, dass die Bedeutung von Kennzeichnungen nicht in dem Gegenstand liegen kann, den sie bezeichnen und behauptet außerdem, dass Kennzeichnungen keine bezugnehmenden Ausdrücke, sondern Abkürzungen für komplexere Strukturen sind. Dafür gab er eine Definition des Kontexts für Sätze an, die Kennzeichnungen enthalten.17

3.1.1 Die drei Arten der Kennzeichnung

In seiner Analyse stellt Russell die These auf, dass ein Satz mit einer Kennzeichnung eine “tiefere“ Struktur besitzt, welche selbst aus einem Zusammenspiel von drei Aussagen besteht und den Leser über die eigentliche logische Struktur des Satzes täuschen möchte. Für die Darstellung dessen eignet sich der Beispielsatz (5) „Der Autor des Zauberlehrlings war ein Freund Schillers.“. Dieser Satz beinhaltet eigentlich folgende drei Sätze:

Existenzbehauptung: 1 „Es gibt mindestens einen Autor des Zauberlehrlings.“ Eindeutigkeitsbehauptung: 2 „Es gibt höchstens einen Autor des Zauberlehrlings.“ Prädikation: 3 "Jeder, der den Zauberlehrling verfasste, war ein Freund Schillers.“ Kombiniert ergeben diese drei Aussagen den Satz (6) „Es gibt einen und nur einen Autor des Zauberlehrlings und dieser war ein Freund Schillers.“ Dabei beschreiben die ersten beiden Sätze die Kennzeichnung und zerlegen sie in ihre Bestandteile, während der dritte Satz die Funktion des eigentlichen Beispielsatzes übernimmt.18 Russells

Position ist die, dass (6) die logische Form des Satzes (5) zum Ausdruck bringt. Der Kennzeichnungsterm „der Autor des Zauberlehrlings“ in (5) ist auf der Ebene der logischen Form nicht wirklich als ein Kennzeichnungsterm zu verstehen, sondern als eine bequeme Abkürzung für eine komplizierte Struktur mit einer Eindeutigkeits- und einer Existenzbehauptung, sowie einer Prädikation.19

Der ursprüngliche Satz (5) kann auf verschiedene Arten falsch sein. Dabei gibt es die Möglichkeiten „Es gibt gar keinen Autor vom „Zauberlehrling“, „Mehrere Autoren haben den „Zauberlehrling“ geschrieben.“ oder „Es gibt zwar einen Autor vom

„Zauberlehrling“, der war aber kein Freund von Schiller.“ Dementsprechend würden wir als Leser den Satz (5) für falsch halten, wenn eine der drei Behauptungen Russells falsch wäre, was für die Analyse des Briten spricht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Sprachphilosophie und "descriptions". Ist Russells Theorie der Kennzeichnung korrekt?
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
16
Katalognummer
V1010490
ISBN (eBook)
9783346401533
ISBN (Buch)
9783346401540
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprachphilosophie, russells, theorie, kennzeichnung
Arbeit zitieren
Yannick Schult (Autor:in), 2020, Sprachphilosophie und "descriptions". Ist Russells Theorie der Kennzeichnung korrekt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1010490

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