Die AfD und ihre Ideologie

Ist die Partei dem rechten Spektrum zuzuordnen?


Bachelorarbeit, 2020

67 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

I Theoretische Gr undlagen
1. Rechts als politische Orientierung
1.1 Definition und Merkmale

2. Rechte Parteien und Vereine Deutschlands..
2.1 Bund freier Bürger 1994
2.2 Zivile Koalition..
2.3 Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie
2.4 Partei Rechtsstaatlicher Offensive / Schill Partei ..
2.5 Freie Wähler / Bundesvereinigung freier Wähler..
2.6 Aktion Neue Rechte
2.7 Bündnis Bürgerwille..
2.8 Wahlalternative 2013

3. Die Alternative für Deutschland
3.1 Parteigeschichte und -gründung
3.2 Parteiinterne Strukturen
3.3 MitgliederInnen und Wählerschaft..
3.4 Exkurs: MitgliederInnen und die Verbundenheit zum Militär.
3.5 Politische Orientierung
3.6 Die strategische Orientierung nach rechts
3.7 Der fortwährender Drang nach rechts außen
3.8 Parteifinanzierung

II Kriterienkatalog
4. Bestandteile der rechten Ideologie.
4.1 Rechtsextremismus..
4.1.1 Völkisch
4.2 Rassismus.
4.3 Nationalismus ..
4.4 (Rechts)populismus .
4.5 Klassismus
4.6 Sozialdarwinismus
4.6.1 Eugenik.
4.7 Antisemitismus - Judenfeindlichkeit
4.8 Antiziganismus.
4.9 Antiislamismus.
4.10 Ableism..
4.11 Sexismus und Familismus..
4.12 Zusammenfassung .

III Analyse
5. Rechte Ideologien im Vergleich zurAfD

F azit undAusblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

% Prozent

AfD Alternative für Deutschland

ANK Aktion Neue Rechte

BFB Bund freier Bürger

bpb Bundeszentrale für politische Bildung

bzw. beziehungsweise

CDU Christlich Demokratische Union

CSU Christlich-Soziale Union

DF Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie

EU Europäische Union

FDP Freie Demokratische Partei

NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands

PEGIDA Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes

rechts politische Einstellung/Orientierung, die als undemokratisch gilt

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Einleitung

Politische Parteien und ihre gewählten VertreterInnen formen und bestimmen die gesell-schaftlichen Strukturen. Wer sich der Wahl von RepräsentantInnen entzieht, erfährt ferner keinen Einfluss auf bevorstehende Entscheidungen. Bis vor einigen Jahren gestaltete sich die Parteienlandschaft Deutschlands eintönig, denn über Jahrzehnte hielten sich stets dieselben Parteien an der Spitze. Dies hat sich jedoch aktuell geändert, denn die Alternative für Deutschland (AfD) hat es aufgrund des wachsenden Zuspruchs geschafft, zu einer Partei zu werden, die zunehmend an politischer als auch gesellschaftlicher Relevanz gewinnt. Die Konsequenz zeigt, die Altparteien verlieren gegenüber der Neupartei an WählerInnen und müssen sich demnach zwangsläufig mit dem Phänomen AfDauseinandersetzen. DieseAuseinandersetzungist geprägt von Unterstellungen sowie Einordnungen in unterschiedliche politische Kategorien und legt fortwährend offen, dass der AfD eine gewisse Nähe zum rechten Spektrum zugesprochen werde (vgl. Thieme 2019).

Mit Blick auf die letzten Jahrekonnte festgestellt werden, dass die politischePartizipation Deutschlands anhaltend zunahm (vgl. Bernhard Weßels & WZB 2018). Nicht zuletzt ist dies mitunter der AfD zu verdanken. Dadurch, dass sich die Parteienlandschaft durch die „Neupartei“ und ihr Mitwirken auf unterschiedlichen politischen Ebenen erweitert hat und diese aufgrund ihrer Konzeption und dessen VertreterInnen bis heute sehr umstritten sind, stieg ebenso ein gesellschaftlicher Zuspruch als auch Widerstand. Kollektive aus den unterschiedlichsten politischen Lagern kamen und kommen zusammen, um gegen die Partei zu demonstrieren. Ihre MitgliederInnen werden im öffentlichen Raum als NationalsozialistInnen bezeichnet, was ihre Zugehörigkeit zum extrem rechten Spektrum zum Ausdruck bringen soll (vgl. Thieme 2019).

Aufgrund dessen, dass unsere Epoche von terroristischen Delikten und der europäischen

Flüchtlingskrise geprägt ist, erhält die Debatte um Nationalität eine ganz neue Dynamik. Die Frage nach der Parteizugehörigkeit und die Sympathie gegenüber politischen Lagern gewinnen zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz. Die gesellschaftliche Mitte fängt allmählich an, sich selbst zu deformieren, sodass eine Unterteilung in Rechts- bzw. Linkspolitisch fortwährend voranschreitet. Hierbei scheint in der Gesellschaft der „moralische Kompass“ und die „soziale Erwünschtheit“ des eigenen Umfeldes eine wichtige Rollezu spielen. DieGesellschaft gliedert nach dem Prinzip der Stigmatisierung die Verhaltensweisen Einzelner in Muster und schafft ferner die Eingliederung und Zuordnung in politische Lager. Festzustellen ist, mit dem Mitgliederzuwachs der AfD gewinnt die Identitätszuweisung aufgrund von politischer Ideologie kontinuierlich an gesellschaftlicher Bedeutung. So wird beispielsweise medial darüber diskutiert, ob die Partei verfassungsfeindlich und ihreAnhängerInnen rassistisch seien. Diese Debatte geht sogar so weit, dass Parteiangehörige der AfD gesellschaftliche Sanktionen erfahren (vgl. Thieme 2019). In einer Demokratie halte ich dies, ungeachtet meiner politischen Zugehörigkeit, für sehr fragwürdig und besorgniserregend.

Angesichts der geschilderten Tatsachen soll in der vorliegenden Bachelorarbeit

herausgearbeitet werden, inwiefern bzw. in welchem Spektrum die AfD politisch einzuordnen ist. Dabei soll folgende Fragestellung gezielt untersucht werden: „Ist die AfD dem rechten Spektrum zuzuordnen oder nicht?“.

Um ein qualitatives Urteil zu fällen, werden zunächst Merkmale der rechten politischen Orientierung vorgestellt. Anschließend wird auf bekannte rechte Parteien und Vereine Deutschlands eingegangen und dabei geschaut, inwieweit diese mit der Alternative für Deutschland in Verbindung stehen. Darauf aufbauend werden die Parteistrukturen der AfD erläutert, die wiederum im nächsten Schritt anhand eines Kriterienkatalogs kritisch analysiert werden. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einem allgemeinen Fazit und Ausblick.

I Theoretische Grundlagen

1. Rechts als politische Orientierung

Im folgenden Kapitel sollen die Grundlagen einer rechten Ideologie knapp und bündig dargestellt werden. Dafür wird zunächst versucht, das Konzept des rechten politischen Spektrums zu definieren, sodass die verschiedenen Merkmale bzw. dessen Bewegungen greifbar werden. Darauf aufbauend soll eine Auswahl an rechtsorientierten, deutschen Parteien und deren Nähe zur Alternativen für Deutschland beleuchtet werden, um ferner die Relevanz der Überschneidungspunkte zur rechten Ideologie herauszustellen, bevor an späterer Stelle eine spezifische Einordnung der Partei vorgenommen wird.

1.1 Definition und Merkmale

Basierend auf der Tatsache, dass weder eine homogene politische Ideologie des rechten Spektrums existiert, noch eine wissenschaftliche Definition vorzufinden ist, kann eine eindeutige politische Einordnung zunächst nicht ermöglicht werden. Jedoch gibt es zahlreiche Charakteristika bzw. Bewegungen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden. So verkörpern nach Kiess, Decker und Brähler (2015) AnhängerInnen der rechten Ideologie oftmals folgende Merkmale:

„Antisemitismus/ Judenfeindlichkeit, Nationalismus und Anti-Europa (Populismus), Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und -radikalismus, Radikalneo-liberalismus, Faschismus, (Neo-)Faschismus, (Neo-)Nazismus, Autoritarismus und völkische Ideologie“.

Parteien, die innerhalb des politischen Systems dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, werden auf Grundlage ihres Parteiprogrammes und ihrer parteiinternen Ideologie in Abhängigkeit zu den Unionsparteien als rechts eingestuft. Hierbei existiert allerdings eine große Spannweite, welche sich vom radikalen äußeren rechten Rand, der sich im Rechtsextremismus widerspiegelt, bis zur rechts konservativen Mitte hinzieht (vgl. Stöss 2016a). Differenziert betrachtet besteht eine Partei in der Regel aus divergenten Teil-organisationen bzw. Kollektiven, die wiederum verschiedenen Parteiflügeln zuzuordnen sind, wodurch sich parteiinterne Meinungen voneinander abgrenzen lassen. Demzufolge kann es vorkommen, dass MitgliederInnen derselben Partei unterschiedlich oder gar widersprüchlich handeln. Des Weiteren lässt sich daraus folgern, dass auch innerhalb der großen Unionsparteien Gruppierungen auftreten, die dem rechten Spektrum eher zu- bzw. abgewandt sind.

Alle Flügel einer Partei sind lose miteinander verflochten und wollen in irgendeiner Art dasselbe, jedoch unterschieden sich die Flügel in der programmatischenAuslegungen der Ziele und in der Radikalität ihrer Umsetzung. Die Struktur einer Partei gliedert sich in unterschiedliche Verbände. Kommunal-, Regional-, Landes-, Bundes- sowie Orts-verbände bilden dabei die Parteizusammensetzung. Damit angesichts der parteiinternen Gruppenvielfalt ein gemeinsamer Konsens entstehen kann, werden Parteitage etabliert, in denen grundsätzliche Fragen debattiert als auch Beschlüsse verfasst werden. Anlässlich von Streitigkeiten, die die Parteisatzung betreffen, kann ein Schiedsgericht ausgerufen werden. Dieses verfügt dann über die Position einzelne MitgliederInnen einer Partei auszuschließen. Darüber hinaus obliegt dem Schiedsgericht das Erteilen von Sanktionen sowiebeiWahlanfechtungen das Treffen endgültigerEntscheidungen, was schließlich der innerparteilichen Konsensfindung dient (vgl. Jun 2016).

Die Parteienlandschaft in Deutschland ist im Wesentlichen durch sieben Großparteien geprägt. Die Christlich Demokratische Union, Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Bündnis 90 - Die Grünen, Freie Demokratische Partei, DIE LINKE, Christlich-Soziale Union und die Alternative für Deutschland sind als führende gewählte Parteien in Deutschland tätig. Neben diesen gibt es noch eine Vielzahl von Kleinparteien, welche jedoch über keinerlei Mehrheit verfügen und deshalb im regierenden Prozess keine wesentliche Rolle spielen (vgl. bpb, Parteien in Deutschland, 2019).

Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen nun exkursartig ausgewählte rechtsorientierte Kleinparteien der deutschen Parteienlandschaft in Anbetracht ihrer Verbundenheit zur AfD vorgestellt werden.

2. Rechte Parteien und Vereine Deutschlands

2.1 Bund freier Bürger 1994

Der Bund freier Bürger (BFB) findet seinen Ursprung im Protest gegen den Maastrichter Vertrag von 1992, in welchem zu Gunsten Europas die gemeinsame Währung des Euros beschlossen wurde. Verschiedene PolitikerInnen darunter der damalige Vorsitzende der Freien Demokratische Partei (FDP) Manfred Brunner leisteten politischen Widerstand und klagten gegen den Beschluss. Die Sammelklage entgegen der Einheitswährung wurde schließlich von dem Bundesverfassungsgericht abgelehnt, doch Brunner wollte den politischen Widerstand gegen das Abkommen trotz des Fehlschlages vorsetzen und gründete somit die Neupartei BFB (vgl. Decker 2018b). Ohne Zweifel wurde der Kampf

gegen die Einheitswährung in das rechtspopulistische Parteikonzept eingebunden. Neben der Eurokritik wurden Kernpunkte wie Migration und Kriminalität in die Agenda aufgenommen. Der BFB schaffte es wie auch die AfD liberale und konservative Merkmale in sich zu vereinen. Im Jahr 1994 wurde Startbatty stellvertretender Bundes-vorsitzender des BFB. Ebenfalls gehört er zu den GründungsmitgliederInnen der Wahlalternative 2013 (vgl. ebd.).

Heute gilt die Partei der Bund freier Bürger als Wegbereiter der AfD. Zum einen lassen sich personelle Parallelen zwischen den Parteien aufzeigen, denn ehemalige MitgliederInnen des BFBs sind heute der AfD angehörig. Und zum anderen verfügen die Parteiprogramme über inhaltliche Überschneidungen. So zeigte sich das Programm des BFBs wie auch das der AfD als sehr eurokritisch aus (vgl. Dietl 2017, S. 17). Im Grundsatzprogramm, welches 1995 publiziert wurde, forderte der BFB „(…) mehr Leistungsorientierung, nationale Identität und Heimatbewusstsein [und war] gegen Korruption, Verschwendung und Parteienfilz (…)“ (Häusler & Roeser 2015, S. 29). Der BFB positionierte sich bürgernah, konservativ und national orientiert, genauso wie die AfD heute.

Weitere Parallelen zur AfD finden sich in folgenden Punkten. Zum einen forderte der BFB vorrangig die Verwirklichung der deutschen Einheit, statt eines föderalen Bundesstaates einen Europäischer Staatenbund und entgegen einer gemeinsamen Währungsunion die Leitwährung der D-Mark. Zum anderen war die Partei gegen den „laschen Rechtsstaat“, sprachen sich für einen bürgerlicher Pioniergeist entgegen bürokratischer Gleichmacherei aus und plädierten für mittelstandsorientierte Steuer-politik. Ferner sollte unter gewünschter Führung das Asylrecht abgeschafft werden, sodass die Arbeitsimmigration reguliert werden könne und der Erhalt der Familie als Fundament jedes Gemeinwesens verstanden werde (vgl. ebd.)

Vier Jahre nach der Gründung des BFBs (1998) schloss die Partei einen Schulterschluss mit der Offensive für Deutschland. Ein Jahr später wies der Verfassungsschutz dem BFB rechtsextremistische Bestrebungen nach, woraufhin sich dieser im Jahr 2000 offiziell auflöste (vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2000, S. 92).

2.2 Zivile Koalition

Im Jahr 2005 gründete Beatrix von Storch gemeinsam mit ihrem Partner Sven von Storch die Zivile Koalition. „Wichtige Funktionen innerhalb des Vereins werden beinahe ausschließlich von Verwandten der von Storchs und anderen Adeligen wahrge-nommen“ (Dietl 2017, S. 19). Christliche als auch konservativ-nationale Inhalte prägen den Verein und sollen salonfähig gemacht werden. „(…) [Z]u den wichtigsten Feindbildern der Politik gehören die Antidiskriminierungs- sowie die Gleichstellungs-politik“ (ebd.).

Die christlich-konservativen Werte sind nicht die einzige Parallele zur AfD. Die Zivile Koalition war schon immer sehr eurokritisch. Sie versuchte zum Beispiel im Jahr 2010 mit diversen Kampagnen die Eurorettung zu unterbinden und machte somit öffentlich auf sich aufmerksam. Die Kampagnen konnte die damalige Euro-Rettung nicht aufhalten, jedoch brachten sie eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Partei die Freien Wähler auf. Gemeinsam organisierten und führten sie 2012 „(…) eine Demonstration gegen den ESM-Rettungsschirm in München an (…), an der sich auch zahlreiche bayerische Neonazis beteiligten“ (ebd., S. 20). Aus dieser Koalition wiederum entstand das Bündnis Bürgerwille. Diesem traten noch weitere Institutionen, wie die Vereinigungen der Familienunternehmen ASU und die jungen Unternehmer BJU bei (vgl. ebd.). Auf der Internetseite der Zivilen Koalition wirbt diese damit, dass sie gegen ein vereintes Europa und gegen Familiennachwuchs sei (vgl. Zivilekoalition 2019).

Auch Hans Olaf Henkel, welcher als Industrieverbandspräsident und Initiator für die Zivile Koalition und dessen Internetplattform tätig war, trat im zu einem späteren Verlauf seiner politischen Karriere der AfD bei. Ebenfalls war er Mitglied des rechtsorientierten Bündnisses Bürgerwille (vgl. Decker 2018b), was im weiteren Verlauf der Arbeit noch dargestellt wird. Dies verdeutlicht ebenfalls, dass es schon vor der Gründung der Wahlalternative 2013 Überschneidungen und Verknüpfungen zwischen den Verbänden im rechten Spektrum gab.

2.3 Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie

Die Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie (DF) wurde 2010 in Berlin gegründet und bestand unter anderen aus ehemaligen AnhängerInnen der Christlich Demokratischen Union (CDU) (vgl. Häusler & Roeser 2015, S. 32). Ausschlaggebend für die Gründung der Neupartei war ein Konflikt, der innerhalb der Berliner CDU ausbrach.

Der Abgeordnete Rene Stadtkewitz, späterer Gründer der Bürgerrechtspartei DF, sprach öffentlich eine Einladung an den rechtsorientierten, niederländischen Politiker Geert Wilders aus. In der Partei bestand nun große Uneinigkeit darüber, ob die Berliner CDU den Kontakt zu einem offenkundig rechtszugewandten Akteur wie Wilders suchen sollte oder nicht (vgl. Häusler & Roeser 2015, S. 32).

Wilders und seine Partei Partij voor de Vrijheid (PVV) kooperierten nach dem Konflikt mit der Neupartei und setzten auf einen bürgernahen Konkurs. Die Grundzüge der DF waren zu dieser Zeit auffallen geprägt von muslimfeindlicher und rechtspopulistischer Ausrichtung. Wilders sah in der Bürgerrechtspartei DF zwar eine rechte Partei, doch solle sie aufgrund dessen, dass sie keine Neo-Nazi-Verflechtungen und antisemitischen Hintergründe aufwies, als standfeste und respektable Partei angesehen werden (vgl. ebd.). Des Weiteren trat Stadtkewitz mit seiner Partei nicht zur Bundestagswahl an, da er der AfD keine WählerInnen unterschlagen wolle. „[B]eachtlich wertete Rene Stadtkewitz in einem Schreiben an die Mitglieder das 4,7%-Bundestagswahlergebnis der AfD. Mit der AfD habe es erstmals eine bürgerlich-liberale Partei geschafft, sich eine realistische Chance zu erarbeiten, bereits im kommenden Jahr in zahlreichen Parlamenten vertreten zu sein“ (ebd.). Die Problematik des Scheiterns an der Fünfprozenthürde sah Stadtkewitz nicht an der politischen Orientierung sondern bei anderen rechten Kleinparteien, die der AfD WählerInnen entringen.

2.4 Partei Rechtsstaatlicher Offensive / Schill Partei

Gegründet wurde die Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO)imJahr 2000in Hamburg. Die Partei konnte bei den Wahlen allerdings nicht unter den Kürzel PRO antreten, sodass sie zur „ Schill-Partei “ umbenannt wurde. Kernkonflikt der Partei war die Kritik am der vorherrschenden Asylpolitik und dem Multikulti-Wahn (vgl. ebd., S. 40). Bei der 2001 erfolgten Hamburger Bürgerschaftswahl erzielte die Partei ein Ergebnis von 19,4%. Ihr Gründer Roland Barnabas Schill, wurde daraufhin zum Innensenator Hamburgs gekürt. Der ruhmhafte Aufstieg war jedoch nicht von langer Dauer. Durch parteiinterne Streitigkeiten „(…) und öffentliche Skandale Schills verlor die Partei rapide an Ansehen und Zustimmung“ (ebd.). Mit der Absicht sich erneut zur Wahl aufstellen zu lassen, schloss Schill kurz darauf eine Allianz mit der Initiative Pro D-Mark - neue liberale Partei. Dieser Versuch scheiterte allerdings aus unbekannten Gründen und Schill trat aus dem politischen Leben heraus (vgl. ebd.).

Aus den Überbleibseln der Allianz formierte sich zum einen die Neupartei Bürger in Wut (BIW) und zum anderen schloss sich ein Großteil der alten Schill Partei wiederum der AfD an. Eine besondere Rolle trägt dabei „(…) der Verwaltungsbeamte und frühere Innensenator im Beust-Senat, Dirk Nockemann, der als AfD-Kandidat mit Listenplatz 3 sowohl personell als auch inhaltlich [als Schnittmenge] zwischen der rechts-populistischen Schill Partei und derAfD“ (Häusler & Roeser 2015, S. 41) fungiert.

2.5 Freie Wähler / Bundesvereinigung freier Wähler

Die „(…) 2009 ins Leben gerufene Bundesvereinigung Freie Wähler bot von Union und FDP enttäuschten Marktradikalen und Konservativen Platz und versuchte, sich bald an die Spitze der Eurogegner zu stellen“ (Dietl 2017, S. 20). Auch diese Partei bildete sich aus enttäuschten WählerInnen anderer Parteien und verschrieb sich der Eurobekämpfung. Die Freien Wähler agierten im weiteren Verlauf eng mit der Wahlalternative 2013 zusammen.

2.6 Aktion Neue Rechte

Im Jahr 1969 scheiterte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit 4,3% der Zweitstimmen an der Fünfprozenthürde des Bundestags. Dies führte dazu, dass innerparteiliche Konflikte auftraten. Die damalige Parteiführung erfuhr aufgrund ihres legalistischen und besitzbürgerlichen Kurses harsche Kritik aus den eigenen Reihen. Der Kernkonflikt mündete schließlich im Jahr 1972 in der Konsequenz der Partei-abspaltung bzw. mit der Gründung der Aktion Neue Rechte (ANR) (vgl. Stöss 2016b).

In der Neupartei waren ebenso nationale wie revolutionäre Ideologien beheimatet. Entscheidend für die Namensgebung war die Abspaltung zur Alten Rechten. Demnach wollte sich die Aktion Neue Rechte von der Ideologie des fortbestehenden „Dritten Reiches“distanzieren und einen eigenen politischen Kurs anstreben. Sie formulierten ihre Ziele auf nationaler Ebene und plädierten für eine Revolution als auch die Selbst-verwirklichung des Volkes. In Lateinamerika, Afrika und Asien sah die neue Bewegung Schicksalsgefährten. Einzelne Länder der Staaten gingen davon aus, dass das deutsche Volk von Kolonialherren besetzt werde und getrennt werden müsse. In ihrer Grundsatz-erklärung bezeichneten sie modernen Nationalismus als antiimperialistisch und als Befreiungskampf (vgl. ebd.).

Heute steht die ANR für die Errichtung eines autoritären - extrem souveränen Staates, welcher durch ein weitgehendes homogenes Volk getragen wird. Richtungsweisend für das Volk ist hierbei eine Identität mit dem Staat und nationale Verbundenheit (vgl. Stöss 2016b).

Bereits mit dem Beginn ihrer Anfangsphase hatte die AfD Kontakt zur Aktion Neue Rechte. Auszumachen ist dies an der Vielzahl von Veröffentlichungen der AfD-Publikationen. Zunehmend Unterstützung findet die AfD über die Wochenzeitung der Jungen Freiheit (JF), das Compact-Magazin sowie über das neurechte Institut für Staatspolitik (IfS). Solch befürwortende Publikationen finden weitgehend auf den Plattformen der ANR statt und offenbaren die Sympathien als auch den engen Kontakt (vgl. Häusler 2018).

2.7 Bündnis Bürgerwille

Nachdem die Bundesregierung das ESM-Rettungspaket freigab, formierten sich binnen einer parteiübergreifenden Sammelbewegung GegnerInnen der Eurorettung. Der Bewegung mit dem Namen Bündnis Bürgerwillen gehörten verschiedene Unions-politikerInnen sowie bis dato FDP-MitgliederInnen an. Auch spätere Gründungs-mitgliederInnen der Wahlalternative 2013 waren in die Bewegung involviert. Einzige Ausnahme bildet der Politiker Bernd Lücke, der entgegen seiner späteren Parteiangehörigen kein Teil der Bewegung war (vgl. Decker 2018b).

Im Grundkonsens der Partei, welches 2012aufgestellt wurde, findensich drei Kernpunkte (vgl. Bündnis Bürgerwille, Grundkonsens 2012). Unter dem ersten Punkt Neuer Kurs für Europa spricht sich die Bewegung für ein gemeinsames Europa aus, jedoch prangert sie zeitgleich den damaligen binnen Ressourcentransfer der EU an. Hier heißt es, dass dieser unkontrolliert und maßlos sei. Eine weitere Forderung umfasst das Recht eines jeden EU-Landes zu jederzeit freiwählbar aus der Gemeinschaft austreten zu können, was bis heute nicht bzw. in den Ansätzen (siehe Brexit) möglich ist. Ebenfalls lehnt die Partei der Rettungsschirm und allgemeine Haftungsübernahmen entschieden ab. Stattdessen sieht die Bewegung die Banken in der Eigenverantwortung und fordert, dass diese selbst haften, wenn Staatsinsolvenzen eintreten.Auch die EuropäischeSozialbank soll allein für die Preisstabilität verantwortlich sein (vgl. ebd.).

Punkt zwei umfasste die Stärkung demokratischer Mitbestimmung. Hierbei wird gefordert, dass gesellschaftliche Grundentscheidungen durch Volksentscheide getroffen werden. Die Umsetzung von wesentlichen Entscheidungen bedarf demnach die

Zustimmung des Volkes. Insbesondere solle dieses Recht für Währungsfragen und Souveränitätsreche im Europäischen Raum gelten (vgl. Bündnis Bürgerwille, Grundkonsens 2012).

Der Dritte und letzte Punkt des Grundkonsenses wird durch die Überparteilichkeit gebildet. Unter dieser Thematik erläutert die Bewegung ihre Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft. Es heißt, bis auf Rechts- oder Linksradikale seien alle politischen Lager sind in der Bewegung willkommen. Ferner werden keine MitgliederInnen aus dem ausländerfeindlichen Spektrum aufgenommen. Auch die freiheitliche und demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland soll bedingungslos befürwortet werden. DieToleranz gegenüber allen politischen Lagern beruht darauf, dass angenommen wurde, dass Deutschland im Zuge der Bankenrettung vor extremen finanziellen Risiken steht, welche überwunden werden müssen, damit die demokratische parlamentarische Kultur innerhalb Deutschlands nicht verkommt. Dieses übergeordnete Ziel stellt alle politischen Differenzen in den Hintergrund und bedingt die Kooperation von konkurrierenden politischen Lagern (vgl. Bündnis Bürgerwille 2012).

2.8 Wahlalternative 2013

Im Jahr 2013 befand sich die CDU unter Anderem in einem inneren Konflikt bezüglich des EMS-Rettungspaketes, woraufhin Parteiangehörige, aufgrund ihrer Unzufriedenheit beschlossen, einen neuen Verein zu gründen. Der Verein kann als direkter Vorläufer der AfD bezeichnet werden und trug den Namen Wahlalternative 2013. An der damaligen Gründung waren unter anderen Konrad Adam, Joachim Startbatty, Gerd Robanus, Alexander Gauland, Gerd Robanus und Bernd Lucke beteiligt (vgl. Dietl 2017, S. 12-17). Zeitgleich begann ein zunehmenderParteibeitritt von VerfechterInnen des marktradikalen neoliberalen Lagers, sodass sowohl die Freie Demokratische Partei als auch die Unions-parteien vermehrt an WählerInnen verloren. Als zentralenAuslöser für den Parteiwechsel kann das ESM-Rettungspaket angesehen werden, welches von Euro-GegenspielerInnen verschiedener Parteilager stark angeprangert wurde und auf regen Widerstand stieß. Allerdings war die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags für eine Umsetzung des Rettungsschirms. Als Konsequenz dessen verloren viele Partei Teile ihrer Wählerschaft an die Wahlalternative2013 (vgl. ebd.,S. 21).DieWahlalternative galt somit als Auffang-becken für politisch unzufriedene BürgerInnen.

Am 20. Januar 2013 koalierte die Partei mit den Freien Wählern und trat zur Wahl an. Die Koalition stellte Bernd Lucke und Konrad Adam zur Landtagswahl in Niedersachsen auf. Weiterführendes Ziel war es, auf Bundesebene anzutreten und zu gewinnen. Doch die Koalition scheiterte und bekam nur 1,1% der Stimmen. Der Anti-Eurowahlkampf schlug fehl und die Koalition wurde somit aufgehoben. Der Verein verkündete abschließend, dass er eine eigene Partei gründen werde, woraufhin sich am 6. Februar 2013 die Alternative für Deutschland politisch etablierte (vgl. Dietl 2017, S. 22).

3. Die Alternative für Deutschland

3.1 Parteigeschichte und -gründung

Am 28. Februar 2013 kündigte der Politiker Bernd Lucke via Facebook die Gründung einer Neupartei mit dem Namen Alternative für Deutschland an (vgl. Krautkrämer 2014, S. 15). „Diese werde die Auflösung des Euro zugunsten nationaler Währungen oder kleinerer Währungsverbündete fordern und sich für ein Ende der milliardenschweren Rettungsschirme und gegen eine europäische Transferunion aussprechen“ (ebd.).

Der ausschlaggebende Aspekt der Parteigründung wurzelt auf der internationalen Finanzmarktkrise der Währungsunion des Jahres 2010. DieAfD sah die Bewältigung der Krise als gescheitert an und forderte neue Strukturen (vgl. Decker 2018b). Der Name der Neupartei findet seinen Ursprung in einem Statement, welchesAngela Merkel bezüglich der Rettungskampagne des Euros von sich gab. Merkel betitelte die Eurorettung als „alternativlos“. Die Partei machte sich ihre Wörter zu Eigen und gab sich unter dem Titel Alternative für Deutschland bekannt, was öffentlichkeitswirksam den Parteikurs darstellen und die Oppositionsseite veranschaulichen sollte (vgl. Häusler 2018).

Kurz darauf, am 11. März 2013, lud Beatrix von Storch im hessischen Oberursel zu einer Informationsveranstaltung ein, zu der 1.300 ZuhörerInnen kamen, die von Bernd Lucke dazu aufgefordert wurden, der neu gegründeten Partei beizutreten (vgl. ebd., S. 17). „(…) Ohne Ihre Hilfe schaffen wir es nicht, rief Lucke den Zuhörern zu (…)“ (ebd.). Schon jetzt geriet die Neupartei ins Visier der Presse. So verglich zum Beispiel der Journalist Bernhard Biener die angehende AfD mit der NPD: „Die AfD ist gegen die Eurorettung, das ist die NPD auch. Da gibt es ganz offensichtlich Schnittmengen“ (ebd., S. 18). Auch der Spiegel Online titelte mit der Schlagzeile „Aufmarsch der Euro-hasser“ und hinterfragte, ob die AfD ein Sammelbecken für RechtspopulistInnen sei.

Der Verleger und Publizist Jakob Augstein schrieb in seiner Kolumne, „(…) die Euro-Skepsis sei nur ein programmatischer Baustein der AfD. Als nächstes geht es gegen den Islam, die Klimaforschung, den Feminismus und die Schwulen - das ganze Programm der modernen Rechtspopulisten“ (Krautkrämer 2014, S. 18).Ebenso schrieb dieBild-Zeitung der Partei bereits rechte Tendenzen zu: „Lucke schüre Ängste und gehe mit simplen Phrasen auf Stimmenfang. Verdächtig sei auch, daß Startbatty in Oberursel zu Lucke gesagt habe, er habe das Zeug zu einem Volkstribun“ (ebd.). Die angeführten Beispiele legen offen, dass schon zu dieser Zeit Ausdrücke im Sprachgebrauch der Partei benutzt wurden, die mit der national-sozialistischen Zeit assoziiert werden.

„Am 14. April 2013 wurde der erste offizielle Parteitag zelebriert und mehr als 1000 Interessierte kamen nach Berlin“ (Krautkrämer 2014, S. 22). An diesem Tag wurden Bernd Lucke, Konrad Adam und Frauke Petry als ParteivertreterInnen gewählt. Die Abgeordneten Alexander Guland, Partricia Casale und Roland Klaus wurden stellvertretend genannt. Als Redeführer des Parteitages fungierte Bernd Lucke, welcher seit dem ersten Parteitag dasAmt des Vorstandssprechers derAfD tätigt (vgl. ebd.).

Mit großem Enthusiasmus und einer Menge aufstrebender Euphorie thematisierte der Parteiführer Lucke das Vorhaben und die Ziele der Neupartei. Unter anderem forderte er eine Unterbindung der Schuldenfinanzierung fremder Staaten, die Auflösung der einheitlichen Währung des Euros sowie die Abtretung von Hoheitsrechten an die EU, ohne Volksabstimmung (vgl. ebd., S. 15). Weiter wirft Lucke in seiner Rede der bisherigen Regierung "Wortbruch bis hin zum politischen Betrug“ (Vollmer 2013) vor. Ebenfalls betonte er, dass Griechen, Portugiesen, Spanierund Zyprer unser Geld gar nicht bekommen sollen, sondern allenfalls mal daran riechen dürfen (vgl. ebd.). Der eurokritische Ton und das Streben nach Veränderung dominierten im gesamten Vortrag.

„In seiner Rede verwahrt sich der fünffache Familienvater dagegen, daß seine Partei in die rechte Ecke gestellt wird. Die AfD komme vielmehr aus der Mitte der Gesellschaft (…). [D]ie Zeit sei reif, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ökonomischer Vernunft wieder die die ihnen gebührende Geltung zu verschaffen“ (Krautkrämer 2014, S. 27).

Der Kurs der Partei wurde an diesem Tag nicht genauer debattiert. Lucke schlug vor, „(…) daß vom Vorstand erarbeitete und formulierte Wahlprogramm erst einmal prinzipiell abzusegnen. Änderungen könne man dann später ja immer noch beschließen“ (ebd., S. 27). Eher lag der Fokus darauf, eine Tages- und Geschäftsordnung zu erstellen, das offizielle Kürzel zu definieren sowie wichtige Ämter der Partei mit Abgeordneten zu besetzen. So wurden lediglich ein Vorstand, ein Schatzmeister und ein

Schiedsgericht bestimmt. Das Amt des Bundesschatzmeisters übernahm Klaus-G. Fohrman, stellvertretender Bundesschatzmeister war Frank Pasemann. Als Schriftführer wurde Joachim Kuhs aufgelistet und als BeisitzerInnen fungierten Dr. Alice Weidel, Beatrix von Storch, Guido Reil, Andreas Kalbitz, und Stephan Protschka (vgl. Alternative für Deutschland 2019c).

„Aus vielen der Bewerbungen für den Parteivorstand spricht ein großes Maß an zum Teil recht aggressiver Wut gegen ‚die Politik‘ im Allgemeinen, zum Teil auch in klarer rechtsradikaler Diktion gegen ‚das System‘, gegen ‚Political Correctness‘, gegen die ‚Systemparteien‘, die sich über ‚die wahren Interessen des Volkes‘ hinwegsetzen“ (Krautkrämer 2014, S. 27).

3.2 Parteiinterne Strukturen

Angesichts des knapp bemessenen Zeitraums zwischen der Parteigründung bis hin zur ersten Bundestagswahl, musste die AfD im Jahr 2013 alle erforderlichen Maßnahmen unter enormen Zeitdruck in die Wege leiten. Dazu zählte einerseits, dass die Landes-verbände der Bundesländer rasch gebildet werden mussten. Andererseits mussten KandidatInnen aufgestellt und Landeslisten etabliert werden. Eine weitere Bedingung für die Teilnahme an der Bundestagswahl war, die Regenerierung von 2.000 Unterschriften je Bundesland (vgl. Berliner Zeitung 2013). Die Partei schaffte es, die Unterschriften zu mobilisieren und kandidierte in allen 16 Bundesländern unter dem Slogan „Mut zur Wahrheit“. Darüber hinaus setzte die AfD auf einen neuen Kurs, entgegen den großen Altparteien, denen sie mangelndes Engagement in unterschiedlichen politischen Feldern z.B. der Familienpolitik vorwarf. Ebenfalls gab sich die Partei der bürgerlichen Mitte zugewandt und sprach davon, dass eine maßgebliche politische Kursänderung für die Zukunft der Kinder und Enkel von erheblicher Relevanz sei. Doch wie bereits erwähnt, scheiterte die Partei mit 4,7% der Zweitstimmen an der Fünfprozenthürde und konnte demnach nicht in den Bundestag einziehen (vgl. Häusler & Roeser 2015, S. 32; vgl. Decker 2018c).

Ein Jahr später 2014 gelang es der Partei in das Europaparlament und in 10 Landtage einzuziehen (vgl. Knelangen 2017).

Darauffolgend kam es im Jahr 2015 zu einem innerparteilichen Dissens, welcher zur Folge hatte, dass mehrere MitgliederInnen aus der Partei austraten. Der Wirtschafts-liberale Flügel, welcher von Bernd Lucke angeführt wurde, beschwerte sich ferner darüber, dass die Partei sich nicht ausreichend von antiwestlichen sowie Islam- und ausländerfeindlichen Stellungen distanzieren würde (vgl. ebd.).

Zwei Jahre später, im Jahr 2017, zog die Partei erstmalig in den deutschen Bundestag ein. Mit 12,6% der Stimmen gelangen der AfD die Überwindung der Fünfprozenthürde als auch der angestrebte Erfolg. Mit diesem spitzen Ergebnis überholte die AfD sogar die FDP (10,8%), LINKE (9,2%), GRÜNEN (8,9%) als auch die CSU (6,2%) (vgl. Bundes-zentrale für politische Bildung, Zahlen und Fakten, Bundestagswahlen, 2019).

Fünf Tage nach dem Wahlerfolg verließen Frauke Petry und ihr Ehemann die Partei. Bis dato war sie als Bundessprecherin und Vorsitzende des Landesverbandes zuständig. Petry äußerte dazu, dass es einen innerparteilichen Dissens gäbe. Weiter sprach sie, dass sich die Partei radikalisiert hätte und dass diese Tatsache nicht verschwiegen werden dürfte (vgl. Welt Online 2017b).

Neben Petry gab es weitere Akteure, die den gleichen Weg wählten und die Partei verließen. Beispielsweise trat Ralf Nahlob, welcher im Landesvorstand der AfD tätig war von allen Ämtern zurück. Er teilte mit: „Es sei ihm immer wichtiger gewesen ein Abdriften der AfD an den politischen Rand zu verhindern. (…) Dieses Ziel ist leider gescheitert“ (Kamann 2017a).

Mit dem Wahlsieg der AfD betraten Alexander Gauland und Alice Weidel als Fraktionsvorsitzende den Bundestag. Stellvertretende Fraktionsvorsitzende sind Roland Hartwig, Peter Felser, Tino Chrupalla, Leif-Erik Holm und Beatrix von Storch. Als parlamentarische Geschäftsführer fungieren Bernd Baumann, Jürgen Braun, Michael Espendiller und Hansjörg Müller. Die Struktur der AfD besteht im Wesentlichen aus dem Bundes-, Bezirks-, Kreis-, Landes- und zahlreichen Unterverbänden. Der Bundes-vorstand ist dem Bundesverband zugeordnet. Diesem Zugehörig ist Jörg Meuthen und Alexander Gauland als Bundessprecher. Georg Pazderski, Kay Gottschalk und Albrecht Glaser besetzen die Positionen des stellvertretenden Bundessprechers (vgl. Alternative für Deutschland 2019c).

3.3 MitgliederInnen und Wählerschaft

Seit Parteigründung hat die AfD an Zuspruch gewonnen. Eine Zahl von 4.589 MitgliederInnen regenerierte die Partei alleine im Zeitraum von Februar 2013 bis zum März desselben Jahres. Dies kann bedeuten, dass die AnhängerInnen der parteiinternen Ideologie gut vernetzt sind, denn die Partei wurde, wie oben bereits erwähnt, erst einen Monat später offiziell gegründet. Nach bereits Monaten verzeichnete die Partei nochmals einen Zuwachs von rund 10.000 MitgliederInnen, am Ende des Jahres kam die AfD auf

eine Anzahl von 15.344AnhängerInnen. Ein Jahr später im November 2014 war die Zahl bereits auf 21.203 Personen angestiegen (vgl. Alternative für Deutschland 2019d; Frankfurter Allgemeine Zeitung 2014). Demnach erhielt die AfD einen enormen Zuspruch, sodass sie schnell zu einer Parteigröße heranwachsen konnte. Mit dem Zuwachs wurdediePartei allerdings auffallend pluralistischer, was dazu führte, dass auch innerhalb der AfD ideologische Unterschiede sowie Streitigkeiten auftraten. Im Juli 2015 mündeten die parteiinternen Diskrepanzen schließlich mit dem Parteiaustritt Bernd Luckes, welcher ferner weitere Parteiverluste mit sich zog. 2.500AnhängerInnen taten es ihm gleich und verließen die AfD (vgl. Lachmann 2015). Sicherlich könnte dies im ersten Augenblick als ein Rückschlag betitelt werden, doch ungeachtet dessen stabilisierte sich die innerparteiliche Lage schnell wieder.

Nachdem im selben Jahr die Flüchtlingskriese eintrat und Angela Merkel als Kanzlerin verkündete, sie würde keine Obergrenze für geflüchtete Menschen gutheißen, gelang es der AfD erneut WählerInnen zu mobilisieren. Im Dezember 2015 verzeichnete die Partei somit 18.612 MitgliederInnen. Des Weiteren lagen 1.900 neueAnträge zum Parteibeitritt vor (vgl. Doemens 2015).

Es kann festgehalten werden, dass dieAlternative für Deutschland offensichtlich dazu in der Lage ist, die Stimmen verschiedener Lager für sich zu gewinnen, demnach MitgliederInnen anderer Parteien abzuwerben und zudem NichtwählerInnen zur Wahl zu mobilisieren. Die Kernwählerschaft bestehe dabei primär aus ArbeiterInnen und Selbstständige. RentnerInnen hingegen seien der AfD am wenigsten zugewandt (vgl. Friedrich 2015, S. 73). Je älter die WählerInnen werden, desto weniger sind sie der AfD zugeneigt. Auffallend beliebt ist die Partei vor allem unter den WählerInnen der Mitte Vierzigjährigen. Des Weiteren sticht hervor, dass deutlich mehr Männer als Frauen der prozentualen Wählerschaft angehören. So wurde die AfD bei der Europawahl 2014 von 5% der Frauen und 9% der Männer gewählt. Auf regionaler Ebene bestätigte sich dies ebenfalls. In Sachsen wählten 8% der Männer und 11% der Frauen, in Thüringen 9% Frauen und 13% Männer und in Brandenburg 10% Frauen und 15% Männer (vgl. ebd. S. 74).

Die Universität in Leipzig führte im Jahr 2014 eine repräsentative Befragung durch, welche ermitteln sollte, wie hoch das Einkommen von AfD WählerInnen sei. Dabei kam heraus, dass 3,9% der Wählerschaft ein Haushaltseinkommen von unter 1.000 Euro beziehen würde (vgl. ebd., S. 75). Dies lässt darauf schließen, dass die gesellschaftliche Mitte als Hauptwählerschaft derAfDgilt. Nach denEuropawahlen befasstesich das Forsa

Institut ebenfalls mit dieser Thematik und stellte fest, dass 53% der AnhängerInnen aus der Mittelschicht und 26% aus der Oberschicht stammen. „Mehr als die Hälfte der Anhänger_in hat Abitur und 44% verfügen über ein Haushaltsnettoeinkommen von mindestens 3.000 EUR“ (Friedrich 2015, S. 76).

Die größte Wählerschaft, die zur AfD wechselte, kam aus den Reihen der FDP und der Linken. Die Neupartei wurde mit ihrer Gründung als Professorenpartei betitelt und „(…) galt als Partei des gehobenen Mittelstandes, welche die aus verschiedenen Gründen politisch disqualifizierte FDP in dieser Rolle ablöste. (…) So gewann die AfD rund 430.000 ihrer 2,1 Millionen Wähler*innen Stimmen bei der Bundestagswahl 2013 von der FDP und bei der folgenden Europawahl konnte sie den ohnehin schon geschrumpften Liberalen noch einmal 60.000 Stimmen abnehmen“ (Dietl 2017, S. 84). Auch die Linke „(…) verlor (…) bei der Bundestagswahl 2013 etwa 340.000 Wähler*innen an die AfD und verzeichnete somit nach der FDP die meisten Verluste an die neue Partei“ (Dietl 2017, S. 85).

Zusammenfassend gelingt es der AfDunterschiedliche gesellschaftliche Schichten anzus-

prechen und WohlstandsbürgerInnen bis hin zu NichtwählerInnen zu mobilisieren. Eine zentrale Rolle für die Bündelung der verschiedenen Lager innerhalb der AfD ergibt sich ebenfalls durch die Ideologie des Marktradikalismus bzw. -fundamentalismus. Die Termini wurden durch den Finanzinvestor und Philanthropen George Soros popularisiert.

„Mit Marktradikalismus bezeichnet Soros die (...) Vorstellung, dass Märkte ein Gleichgewicht anstreben und dass demAllgemeinwohl am besten gedient ist, wenn man den Teilnehmern erlaubt, ihre Eigeninteressen zu verfolgen. (…) Das gesamte Zusammenleben der Menschen wird hier unter reinen Leistungs- und Nützlichkeits-erwägungen betrachtet. Daraus folgt die Unterordnung allen staatlichen Handelns unter das Primat der Wirtschaft“ (ebd., S. 44).

Hierbei sollen kommunale und staatliche Aufgaben privatisiert und zeitgleich sozial-

staatliche Strukturen abgebaut werden. VertreterInnen dieser Ideologie finden sich im konservativen Lager der CDU sowie im Spektrum der FDP wieder. AnhängerInnen des Marktradikalismus und Neoliberalismus bündeln sich in der AfD und sehen ihre Meinung in ihren ehemaligen Parteien nicht mehr ausreichend vertreten (vgl. ebd.).

Doch auch der äußere rechte Rand schließt sich der AfD an (vgl. Häusler & Roeser 2015, S. 13). Dies scheint nicht verwunderlich, wenn man sich beispielsweise Aussagen des AfD-Spitzenkandidaten Hans Olaf Henkelshinsichtlichder Europawahl vergegenwärtigt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Die AfD und ihre Ideologie
Untertitel
Ist die Partei dem rechten Spektrum zuzuordnen?
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1,3
Jahr
2020
Seiten
67
Katalognummer
V1010512
ISBN (eBook)
9783346399830
ISBN (Buch)
9783346399847
Sprache
Deutsch
Schlagworte
AfD, Bachelorarbeit, Ideologie, rechtes Spektrum, Rassismus, Alternative für Deutschland, Rechtspopolismus, Klassismus, Nationalismus, Analyse AfD
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Die AfD und ihre Ideologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1010512

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