Hybride Gestaltungen und Umsetzung der ATAD-Richtlinien im nationalen Steuerrecht


Bachelorarbeit, 2020

41 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Die ATAD-Richtlinien
I. Zielsetzung und Maßnahmen der ATAD-Richtlinien
II. Mindestschutzniveau

C. Hybride Gestaltungen und Abwehrregelungen
I. Hybride Gestaltungen
1. Definition der hybriden Gestaltung
2. Grundformen hybrider Gestaltungen
3. Abwehrreglungen
4. Unberücksichtigte Betriebsstätten
5. Importierte hybride Gestaltungen
6. Hybride Übertragungen
II. Anwendungsausnahmen der Abwehrregelungen
III. Umgekehrt hybride Gestaltungen
IV. Inkongruenzen bei der Steueransässigkeit

D. Umsetzung der ATAD-Richtlinien
I. Referentenentwurf zur Umsetzung der ATAD
1. Umsetzung im Rahmen des EStG
a) Einführung des § 4k EStG-E
b) Weitere ausgewählte Änderungen
2. Ergänzung des § 8b KStG

E. Steuerplanerische Gegenmaßnahmen als Reaktion auf die Vorgaben der ATAD II gegen hybride Gestaltungen

F. Kritische Würdigung
I. Kritische Betrachtung des neuen § 4k EStG-E
II. Kompetenzrechtliche Bedenken zum Erlass der ATAD

G. Zusammenfassung

H. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

Seit geraumer Zeit sieht sich die EU mit aggressiven steuerplaneri­schen Gestaltungen mit dem Ziel der Gewinnverlagerung und -kürzung konfrontiert. Dabei werden durch gestalterische Maßnahmen die diver­gierenden Steuersysteme innerhalb der EU ausgenutzt, um einen steu­erlichen Vorteil zu erzielen. Bedingt wird dies durch eine sich verbrei­tende Niedrigbesteuerung im Rahmen des internationalen Steuerwett­bewerbs. Aus diesem Problemfeld vorhergehend und vor dem Hinter­grund internationaler Skandale wie den sog. Luxemburg-Leaks1 im Jahr 2014 und der aggressiven Steuerplanung internationaler Großkon­zerne, resultierten die Arbeiten der OECD im Rahmen des Base Ero­sion and Profit Shifting Projekt (sog. BEPS-Projekt) der OECD, welches 2013 in einem BEPS-Aktionsplan und 2015 in einem Abschlussbericht zu 15 Aktionspunkten mit Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung mündete.2 Auf Grundlage einiger Aktionspunkte des BEPS-Projektes, wurden schließlich die Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) I3 und darauffolgend ATAD II4 erarbeitet, um die Umsetzung der unverbindlichen BEPS-Maßnahmen in eine nationale Gesetzgebung zu gewährleisten.5

Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Maßnahmen der ATAD-Richtli- nien bezogen auf hybride Gestaltungen darzustellen, kritisch zu be­trachten und deren Umsetzung in nationales Recht durch das ATAD- Umsetzungsgesetz (ATADUmsG)* darzulegen und einer kritischen Be­trachtung zu unterziehen. Neben der Einleitung besteht die Arbeit aus sechs weiteren Kapiteln. Kapitel B. dient neben der Kurzdarstellung der Zielsetzung der ATAD sowie des sog. Mindestschutzniveaus. Im folgen­den Kapitel C. erfolgt eine Darstellung der hybriden Gestaltungen mit ihren Erscheinungsformen, den vorgesehenen Abwehrregelungen so­wie den dazugehörigen Anwendungsausnahmen. Kapitel D. befasst sich mit der Umsetzung der Regelungen zu den hybriden Gestaltungen in nationales Steuerrecht. Das darauffolgende Kapitel E. soll verblei­bende Gestaltungsspielräume aufzeigen und dient demnach einer ers­ten Einordnung in Bezug auf die Wirksamkeit der ATAD. Kapitel F. setzt sich kritisch mit der Umsetzung der Regelungen zu den hybriden Ge­staltungen sowie der Ermächtigung der EU zum Erlass der ATAD aus­einander. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung in Kapitel G.

B. Die ATAD-Richtlinien

I. Zielsetzung und Maßnahmen der ATAD-Richtlinien

Zielsetzung der ATAD-Richtlinien ist grundlegend die Gewährleistung der Besteuerung am Ort der Gewinnerwirtschaftung und der Wert­schöpfung, um das Vertrauen in die Fairness der europäischen Steuer­systeme wiederherzustellen6 und einer Fragmentierung des Binnen­marktes entgegenzuwirken.7 Ziel ist zudem die Steuergerechtigkeit wie­derherzustellen, da kleinere und mittelständische Unternehmen nicht in diesem Maße international agieren und resultierend aus der Vornahme hybrider Gestaltungen ein Ungleichgewicht im internationalen Wettbe­werb begründet wird.8 Zur Zielerreichung enthält die ATAD, neben den Regelungen zu den hybriden Gestaltungen in Art. 9, 9a und 9b ATAD II, zahlreiche weitere Regelungsbereiche. So wird in Art. 4 ATAD eine Zinsabzugsbeschränkung geregelt, die in ihrem Aufbau stark der deut­schen Zinsschrankenregelung ähnelt und diese wohl auch zur Grund­lage hatte.9 Der folgende Art. 5 ATAD befasst sich mit der Wegzugsbe­steuerung und Übertragung von Vermögenswerten. Eine dem § 42 AO ähnelnde allgemeine Missbrauchsvorschrift10 sieht Art. 6 für die natio­nale Umsetzung der Mitgliedstaaten (MS) vor. Die Art. 7 und 8 ATAD legen einen Mindeststandard für eine Hinzurechnungsbesteuerung fest, dabei wird u.a. eine Niedrigsteuergrenze vorgesehen, wonach eine Niedrigbesteuerung vorliegt, sofern die vom beherrschten Unternehmen bzw. von der Betriebsstätte (BS) gezahlte Körperschaftsteuer (KSt) we­niger als die Hälfte beträgt, die nach dem Steuersystem des MS des beherrschenden Unternehmens zu entrichten gewesen wäre.11 Abge­stellt wird auf die effektive Steuerbelastung12 nicht auf den Steuersatz. Diesem Ansatz folgend würde dies für Deutschland eine Niedrigsteuer­schwelle von 7,5 Prozent bedeuten.13 Zurzeit liegt diese bei 25 Prozent und ist ob dieser Höhe immer wieder Gegenstand von Diskussionen.14

II. Mindestschutzniveau

Das Mindestschutzniveau ist in Art. 3 der ATAD normiert und erteilt den MS die Befugnis zur Schaffung eines höheren Schutzmaßes der eige­nen KSt-Bemessungsgrundlage (BMG) durch Anwendung, Einführung bzw. Beibehaltung, strengerer nationaler Normen oder vertraglichen Bestimmungen.15 Demnach stellt das Mindestschutzniveau grds. eine Untergrenze des zulässigen Regelungsbereiches der Abwehrmaßnah­men dar, mildere Regelungen sind folglich unzulässig.16

Die Einführungen eines Mindeststandards ist unter anderem dem Um­stand geschuldet, dass die Richtlinienvorgaben in mittlerweile 27 ver­schiedene Steuersysteme eingepasst werden müssen. So erreicht der Richtliniengeber eine Mindestharmonisierung und lässt den MS im Rah­men der nationalen Umsetzung bis zu einem gewissen Maße freie Hand.17 Bei der Anwendung, Ein- oder Fortführung strengerer nationa­ler Regelungen, sind nationale Umsetzungsakte weiterhin dennoch an den Grundfreiheiten der EU zu messen bzw. zu überprüfen.18

C. Hybride Gestaltungen und Abwehrregelungen

I. Hybride Gestaltungen

Aufgrund multinationaler Strukturen sind in einem internationalen Um­feld agierende Unternehmen vielmals in der Lage unter Ausnutzung dieser Unternehmensstrukturen Besteuerungsinkongruenzen, die im Zusammenspiel verschiedener Steuersysteme19 entstehen können, ge­zielt für sich zu nutzen bzw. durch entsprechende Vorgehensweisen herbeizuführen.20 Bei diesen Vorgehensweisen handelt es sich um sog. hybride Gestaltungen. Hybride Gestaltungen waren bereits im Rahmen der ATAD I Bestandteil der verschiedenen Regelungen zur Bekämp­fung von Steuervermeidungspraktiken. Durch ATAD II wurden die Ab­wehrregelungen auf weitere Erscheinungsformen hybrider Gestaltun­gen sowie auf Drittstaatenfälle ausgeweitet.21

1. Definition der hybriden Gestaltung

Hybride Gestaltungen werden in Art. 2 Abs. 9 ATAD II definiert. Als sol­che gelten Gestaltungen zwischen einem in der EU steuerlich ansässi­gen Stpfl. und verbundenen Unternehmen, dem Stammhaus und einer BS, Unternehmen, die demselben Konsolidierungskreis im Rahmen ei­nes Konzernabschlusses angehören oder auch strukturierte Gestaltun­gen zwischen mindestens zwei voneinander unabhängigen Parteien. Abweichende steuerrechtliche Einordnungen von Finanzinstrumenten (FI) oder Rechtsträgern (RT) führen hier zu einer Besteuerungsinkon­gruenz mit einem doppelten Abzug derselben Zahlung (Double-Deduc- tion-Ergebnis; DD-Ergebnis) oder einem Abzug der Zahlung bei gleich­zeitiger steuerlicher Nichtberücksichtigung des korrespondierenden Er­trages (Deduction/No-Inclusion-Ergebnis; D/NI-Ergebnis).22

Grds. greifen die Regelungen zu den hybriden Gestaltungen, abgese­hen von strukturierten Gestaltungen nur, insofern die Beteiligungsgren­zen zur Begründung von verbundenen Unternehmen durch einen Stpfl. selbst oder zusammengerechnet mit anderen erreicht sind, sprich in Konzernfällen.23 Strukturierte Gestaltungen, i.S.d. Art. 2 Abs. 11 ATAD sind Gestaltungen bei denen die Besteuerungsinkongruenz mit in die Bedingungen der Vereinbarung eingerechnet wird oder solche die ge­zielt entwickelt wurden, um eine hybride Struktur zu begründen. Beteili­gungsschwellen spielen hier keine Rolle.24 Von einer strukturierten Ge­staltung wird allerdings nicht ausgegangen, insofern vernünftigerweise nicht davon auszugehen ist, dass dem Stpfl. oder den verbundenen Un­ternehmen die hybride Gestaltung bewusst war und der Stpfl. nicht an dem sich ergebenden steuerlichen Vorteil beteiligt wurde.25

2. Grundformen hybrider Gestaltungen

Die verschiedenen Formen, welche sodann zu einem DD- oder einem D/NI-Ergebnis führen können werden in Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 1 Buchst. a bis g ATAD II definiert. So können zunächst hybride FI zu ei­nem D/NI-Ergebnis führen. Dies beruht i.d.R. auf einer divergierenden rechtlichen Würdigung des FI oder der Zahlungen aus diesem.26 Dies­bezüglich kann es der Fall sein, dass ein hybrides FI gegeben ist, da dieses in einem Staate als Fremdkapital (FK) (z.B. als Darlehen) mit ab­zugsfähigen Betriebsausgabe (BA) in Form von Zinsen und im anderen als Eigenkapital (EK) bspw. mit einer entsprechenden Freistellung von Dividenden, eingeordnet wird.27

Denkbar ist zudem ein D/NI-Ergebnis aufgrund von Zahlungen an ein hybrides Unternehmen. Das D/NI-Ergebnis wird in diesem Fall durch eine, sich aus divergierenden Vorschriften der betroffenen Staaten, er­gebende abweichende Zuordnung der Zahlungen erzeugt. Man spricht von einem hybriden Unternehmen, wenn dieses in seinem Sitz- bzw. Errichtungsstaat als eigenständiger Stpfl. also intransparent, beurteilt wird (Trennungsprinzip) und aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Anteilsinhabers als transparent (Transparenzprinzip) eingeordnet wird.28

Ein D/NI-Ergebnis kann ebenfalls in Verbindung mit hybriden BS auftre­ten. Hier kommt es zur hybriden Gestaltung im Zuge einer Zahlung an ein Unternehmen, welches über eine Repräsentanz bzw. Geschäftstä­tigkeit in einem anderen Staat verfügt. Das D/NI-Ergebnis resultiert aus einer abweichenden Zurechnung der Zahlung, welche aufgrund unter­schiedlicher nationaler Vorschriften der betroffenen Staaten erfolgt.29

Ebenso kann eine Zahlung eines hybriden Unternehmens an ein ver­bundenes Unternehmen eine hybride Gestaltung mit einem D/NI-Ergeb- nis bewirken, insofern der Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers die Zahlung aufgrund seiner nationalen Vorschriften nicht berücksich­tigt.30 Demnach kann eine Zahlung, sei es eine Zins- oder Lizenzzah­lung eines hybriden Unternehmens in seinem Ansässigkeitsstaat auf­grund einer intransparenten Behandlung als BA abgezogen werden, wobei die Zahlung gleichzeitig aus Sicht des Staates des Zahlungs­empfängers aufgrund der angenommenen Transparenz nicht besteuert wird. Der Staat des Zahlungsempfängers erkennt das Rechtsgeschäft aus denen die Zahlungen in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren stammen nicht an, da aufgrund der Transparenz des hybriden Unter­nehmens der Zahlungsempfänger ein sog. in-sich-Geschäft abge­schlossen hätte.31

Auch fiktive Zahlungen zwischen einem Hauptsitz und seiner BS oder zwischen verschiedenen BS können, infolge einer Nichtberücksichti­gung der Zahlung im Zuge der Einkommensermittlung im Steuergebiet des Zahlungsempfängers32, zu einer hybriden Gestaltung mit D/NI- Ergebnis führen. Denkbar wäre eine aufwandswirksame Berücksichti­gung fiktiver Zahlungen im Rahmen des Authorized OECD Approachs (AOA), wonach eine Fiktion der Selbstständigkeit einer BS hergestellt wird und interne Leistungsbeziehungen mit fiktiven Zahlungen unter Be­achtung der Vorgaben bzgl. Verrechnungspreise zustande kommen.33 Erfolgt eine einseitige oder eine durch eine abweichende Auslegung ge­prägte Anwendung des AOA, kann dies zum D/NI-Ergebnis führen, in­soweit kein korrespondierender fiktiver Ertrag erfasst wird.34

Zudem werden auch solche hybriden Gestaltungen erfasst, die zu ei­nem DD-Ergebnis führen. Die Ursachen des doppelten Abzugs werden nicht näher definiert.35 Ursache können gleichermaßen Konstellationen mit hybriden RT und einer abweichenden Bewertung der Transparenz36 oder BS-Konstellationen37 sein.

3. Abwehrreglungen

Die Ergebnisse hybrider Gestaltungen sollen abhängig von den be­troffenen Steuergebieten und der Form der hybriden Gestaltung durch verschiedene Abwehrregelungen, in Form von Korrespondenzregelun­gen38 beseitigt werden.

Bei einem DD-Ergebnis gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b ATAD II soll grds. im ersten Schritt der BA-Abzug durch den MS des Investors (Zah­lungsempfänger) untersagt bzw. beschränkt werden, geschieht dies nicht, soll im zweiten Schritt der Staat des Zahlenden in Form eines BA- Abzugsverbots bzw. einer Beschränkung tätig werden.39 Handelt es sich hingegen um eine hybride Gestaltung mit einem D/NI-Ergebnis, soll gem. Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b ATAD II zunächst der Ansässig­keitsstaat des Zahlenden den BA-Abzug verweigern. Wird dieser nicht tätig, soll der Betrag der Zahlung, sprich der korrespondierende Ertrag, der sonst eine Besteuerungsinkongruenz begründen würde, in die steu­erliche BMG im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers einbezo­gen werden.40 Zweck der zweistufigen Struktur der Abwehrregelungen ist einerseits eine Anwendung dieser sicherzustellen41, andererseits durch Definition einer Rangfolge der Anwendung eine Doppelbesteue­rung zu vermeiden.42 Dieser Abwehrmechanismus bestehend aus Pri­mär- und Sekundärregelung wird auf sämtliche Grundformen hybrider Gestaltungen je nach Ausprägung, sprich DD- oder D/NI-Ergebnis, an­gewandt. Der Umfang der Korrektur misst sich an der Dimension der Besteuerungsinkongruenz.43

4. Unberücksichtigte Betriebsstätten

Gemäß Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 1 Buchst. d ATAD II führt auch eine Zahlung an eine unberücksichtigte BS die ein D/NI-Ergebnis zur Folge hat zu einer hybriden Gestaltung.

Die unberücksichtigte BS wird in Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 3 Buchst. n ATAD II definiert und Art. 9 Abs. 5 ATAD II regelt die weiteren Tatbe­standsvoraussetzungen, welche zur Anwendung der entsprechenden Abwehrregelung führt. Im Sinne der Definition des Art. 2 Abs. 9 Unter­abs. 3 Buchst. n ATAD II, ist eine unberücksichtigte BS gegeben, sofern ein der MS des Stammhauses des Unternehmens, bei einer ausländi­schen Repräsentanz bzw. Geschäftstätigkeit die Existenz einer BS im Aktivitätsstaat bejaht und die BS-Einkünfte freistellt, aus Sicht des ver­meintlichen Belegenheitsstaates der BS allerdings keine BS angenom­men wird.44 Der D/NI-Effekt ist demnach auf einen Qualifikationskonflikt bzgl. der Existenz einer BS im Verhältnis der betroffenen nationalen Rechtsvorschriften der Steuergebiete des Zahlenden und des Zah­lungsempfängers zurückzuführen.45 Als Rechtsfolge ordnet Art. 9 Abs.

5 ATAD II an, dass der MS der EU in dem das Stammhaus steuerlich ansässig ist die Einkünfte in die BMG des Stammhauses einbezieht, welche andernfalls gem. der steuerlichen Vorschriften des Staates des Stammhauses dem Belegenheitsstaat der BS zugerechnet würden.46 Folglich ist auf eine Freistellung der BS-Einkünfte aufgrund nationaler Vorschriften abzusehen47, wenn die Einkünfte ansonsten dem Aktivi­tätsstaat der BS zugerechnet und infolgedessen nicht besteuert wür­den. Eine Versagung der BS-Freistellung soll gem. Art. 9 Abs. 5 S.2 ATAD II dann nicht erfolgen, wenn die Einkünfte der BS aufgrund eines DBAs zwischen einem MS und einem Drittstaat freizustellen sind.48

5. Importierte hybride Gestaltungen

Die in Art. 9 Abs. 3 ATAD II geregelten importierten hybriden Gestaltun­gen, werden durch hybride FI aus dem Steuergebiet von Drittstaaten in das eines EU-MS importiert. Demnach kommt es in diesen Fällen zu in­direkten DD- bzw. DN/I-Ergebnissen in dem Steuergebiet des jeweili­gen MS, da jener nicht in unmittelbaren Kontakt mit dem hybriden FI tritt.49 Dabei sind mindestens zwei Drittstaaten beteiligt zwischen denen entsprechende Transaktionen zur Verlagerung der hybriden Ergebnisse in das Steuergebiet der EU vorgenommen werden.

Eine Transaktion zur Erreichung einer importierten hybriden Gestaltung, kann bspw. durch eine Darlehensvereinbarung erfolgen, indem infolge einer solchen Vereinbarung ein in einem MS ansässiger Stpfl. eine Zinszahlung an ein in einem Drittstaat ansässiges verbundenes Unter­nehmen leistet. Der korrespondierende Zinsertrag wird im Drittstaat steuerlich berücksichtigt, gleichzeitig erfolgt eine Verrechnung mit ei­nem Abzugsposten aus einer hybriden Gestaltung, die zwischen zwei Drittstaatenansässigen verwirklicht wird.50 Der mit dem Abzugsposten korrespondierende Ertrag kann bspw. im zweiten Drittstaat einer Dividendenfreistellung aufgrund einer abweichenden Einordnung als EK in diesem Staat unterliegen. Demnach erfolgt eine Finanzierung des hybriden FI, mittels einer Zahlung aus dem Steuergebiet eines MS, ohne dass dieser unmittelbar von der hybriden Gestaltung betroffen ist.51

Die in Art. 9 Abs. 3 ATAD II angeordnete Rechtsfolge sieht vor, dass der betroffene MS den Abzug für die Zahlung, die der Finanzierung der hybriden Gestaltung im Drittstaat dient, verweigert.52 Von der Abzugs­verweigerung soll abgesehen werden, insofern einer der betroffenen Drittstaaten eine gleichwertige Anpassung gegen die hybride Gestal­tung vornimmt.53

6. Hybride Übertragungen

Eine hybride Übertragung i.S.d. Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 3 Buchst. l ATAD II liegt vor, insofern durch eine Gestaltung im Rahmen der Über­tragung eines FI, die Erträge aus der Übertragung des FI so behandelt werden, als seien sie gleichzeitig mehreren an der Übertragung beteilig­ten Parteien zugeflossen.54 Ein solches Ergebnis kann u.a. im Rahmen von Wertpapierleih- bzw. Wertpapierpensionsgeschäften zwischen ver­schiedenen Steuergebieten, mit abweichender Zuordnung des Eigen­tums an den Wertpapieren bzw. der resultierenden Zahlungen, durch das jeweilige nationale Recht der betroffenen Steuergebiete entste­hen.55 Im Ergebnis ergibt sich dann die Möglichkeit einer doppelten Nut­zung des Anrechnungsvolumens der Quellensteuer.56

Zum Eintritt der in Art.9 Abs. 6 ATAD II geregelten Rechtsfolge, bedarf es neben dem hybriden Element, einer Absicht der Herbeiführung der einschlägigen hybriden Gestaltung57 und einer damit verbundenen Er­mäßigung der Quellensteuer bei mehr als einer Partei.58 Art. 9 Abs. 6 ATAD II ordnet schließlich, dass der MS der EU eine Anpassung der Quellensteueranrechnung vornimmt, in dem die Erträge aus der Über­tragung des hybriden FI durch Kompensationszahlungen gemindert wurden.59 Eine Anpassung soll dann im Verhältnis der stpfl. Nettoein­künfte im Zusammenhang mit der Zahlung aus der hybriden Übertra­gung stattfinden.60 In dieser Weise wird der sich ergebenden steuerli­che Vorteil, auf jenen begrenzt, der zum Ausgleich der tatsächlichen Doppelbelastung erforderlich ist.61

II. Anwendungsausnahmen der Abwehrregelungen

Eine Ausnahme von der Anwendung der Abwehrregelung i.S.d. Art 9 Abs. 1 Buchst. a und b ATAD II, ist durch Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 ATAD II vorgesehen, sofern der doppelt in Abzug gebrachten BA mit dem doppelten erfassten korrespondierenden Ertrag verrechnet wird.62 Man spricht hier von Dual-Inclusion-Income.63

[...]


1 Fuest/Spenge/Finke/Heckemeyer/Nusser, StuW 2015, 90; Max, StuW 2017, 266.

2 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.4.

3 RL (EU) 2016/1164 des Rates v. 12.07.2016, ABl. Nr. L 193, 1.

4 RL (EU) 2017/952 des Rates v. 29. 5. 2017; ABl. Nr. L 144, 1.

5 Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 206; Oertel in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, A. Rz. 71. * Rechtsstand dieser Arbeit ist der 01.08.2020, eine Berücksichtigung von RefE nach diesem Datum erfolgt nicht.

6 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht 17.22.

7 Oppel, IStR 2016, 797, 798.

8 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 2.

9 Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 873a; Rödl/Grube in Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 22. Kapitel Rz. 8; Haarmann, IStR 2018, 561,568; Haug, DStZ 2016, 446, 448; Valta/Gerbracht, StuW 2019, 118, 119 ff.

10 Franz, DStR 2018, 2240, 2243.

11 Kraft in Kraft, Außensteuergesetz, Vorbemerkungen zu §§ 7-14 AStG, Rz. 155; Ko- kott, Steuerrecht der EU, § 2 Rz. 88; Jacobsen, IStR 2018, 433, 439, Engelke/Hoff- mann, BB 2019, 1564, 1566.

12 Dehne, ISR 2018, 132, 134; Linn, IStR 2016, 645, 646.

13 Schönfeld, IStR 2017, 721,723; Becker/Loose, BB 2018, 215, 216.

14 https://www.idw.de/blob/123080/024d9eaa08064ffecfdc9366eb32918c/down-bmf- atadumsg-data.pdf; Haase, DStR 2019, 827, 834; Mammen, Ubg 2019, 394, 400.

15 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 17.31; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rz. 148; Fehling, DB 2016, 2862.

16 Oppel in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 3 Rz. 2.

17 Oppel in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 3 Rz. 9.

18 Hey, StuW 2017, 248, 254.

19 Marquadsen, StuW 2019, 374; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 206.

20 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 1; Grotherr, BB 2017, 1367.

21 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.87; Nied- ling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1501; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205; Zino- wsky, Jochimsen, ISR 2017, 325, 326.

22 Kokott, Steuerrecht der EU, § 2 Rz 90; Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 6 ff.; Bannes/Cloer, BB 2016, 1503.

23 Haase, Internationales und Europäisches Steuerecht, Rz. 873a; Grotherr, BB 2017, 1367, 1368.

24 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 68; Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.92; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 207; Grotherr, BB 2017, 1367, 1374.

25 Radmanesh/Gebhardt, IWB 2018, 580, 585.

26 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 330.

27 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.83; Kahlen­berg/Oppel, IStR 2017, 205, 209; Grotherr, BB 2017, 1367, 1371. 5

28 Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 1274; Grotherr, BB 2017, 1367, 1368; Bannes/Cloer, BB 2016, 1503.

29 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 242 ff.; Grot­herr, BB 2017, 1367, 1368.

30 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 331; Grotherr, BB 2017, 1367, 1371.

31 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 257 ff.

32 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 333.

33 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 269 ff.; Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.90; Kahlenberg, IStR 2018, 93, 99.

34 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 272; Grotherr, BB 2017, 1367, 1373.

35 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 329.

36 Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 209; Bannes/Cloer, BB 2016, 1503.

37 Böhmer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebstätten-Handbuch, Rz. 14.28; Grot­herr, BB 2017, 1367, 1370.

38 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 6.

39 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.94; Radma- nesh/Gebhardt, IWB 2018, 580, 584; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1501. 7

40 Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1503; Rüsch, ISR 2019, 304, 311.

41 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 71.

42 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 5.

43 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 5.

44 Böhmer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebstätten-Handbuch, Rz. 14.35; Zino- wsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 334.

45 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 191; Zino- wsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 332; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1503; Köhler, ISR 2018, 250, 259.

46 Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1503.

47 Köhler, ISR 2018, 250, 259; Grotherr, BB 2017, 1367, 1375.

48 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 205; Grotherr, BB 2017, 1367, 1375.

49 Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 15; Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.96.

50 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 129; Zino- wsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 333.

51 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 333.

52 Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 16; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 212; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1503.

53 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 166; Zino­wsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 333.

54 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 211; Grotherr, BB 2017, 1367, 1376; Köhler, ISR 2018, 250, 254.

55 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 210; Nied­ling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1505.

56 Grotherr, BB 2017, 1367, 1368.

57 Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 26; Köhler, ISR 2018, 250, 254.

58 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 213 f.

59 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 220.

60 Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 26.

61 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 210.

62 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.94, Grotherr, BB 2017, 1367, 1369.

63 Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 207; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500 1501; Radmanesh/Gebhardt, IWB 2018, 580, 585.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Hybride Gestaltungen und Umsetzung der ATAD-Richtlinien im nationalen Steuerrecht
Hochschule
Hochschule RheinMain  (Wiesbaden Business School)
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
41
Katalognummer
V1012640
ISBN (eBook)
9783346409065
ISBN (Buch)
9783346409072
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ATAD, ATAD-Richtlinien, ATAD-RL, ATAD-Umsetzungsgesetz, hybride Gestaltungen, hybride Finanzierung, Betriebsausgabenabzug, nationales Steuerrecht, EU, Steuerrecht, OECD, BEPS, Base Erosion Profit Shifting, Richtlinie, Einkommensteuer, EStG, 4k, 4k EStG, EStG-E, 4k EStG-E, Umsetzung, Umsetzung in nationales Steuerrecht, ATADUmsG
Arbeit zitieren
Sven Steinhauer (Autor:in), 2020, Hybride Gestaltungen und Umsetzung der ATAD-Richtlinien im nationalen Steuerrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1012640

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