Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Die ATAD-Richtlinien
I. Zielsetzung und Maßnahmen der ATAD-Richtlinien
II. Mindestschutzniveau
C. Hybride Gestaltungen und Abwehrregelungen
I. Hybride Gestaltungen
1. Definition der hybriden Gestaltung
2. Grundformen hybrider Gestaltungen
3. Abwehrreglungen
4. Unberücksichtigte Betriebsstätten
5. Importierte hybride Gestaltungen
6. Hybride Übertragungen
II. Anwendungsausnahmen der Abwehrregelungen
III. Umgekehrt hybride Gestaltungen
IV. Inkongruenzen bei der Steueransässigkeit
D. Umsetzung der ATAD-Richtlinien
I. Referentenentwurf zur Umsetzung der ATAD
1. Umsetzung im Rahmen des EStG
a) Einführung des § 4k EStG-E
b) Weitere ausgewählte Änderungen
2. Ergänzung des § 8b KStG
E. Steuerplanerische Gegenmaßnahmen als Reaktion auf die Vorgaben der ATAD II gegen hybride Gestaltungen
F. Kritische Würdigung
I. Kritische Betrachtung des neuen § 4k EStG-E
II. Kompetenzrechtliche Bedenken zum Erlass der ATAD
G. Zusammenfassung
H. Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
Seit geraumer Zeit sieht sich die EU mit aggressiven steuerplanerischen Gestaltungen mit dem Ziel der Gewinnverlagerung und -kürzung konfrontiert. Dabei werden durch gestalterische Maßnahmen die divergierenden Steuersysteme innerhalb der EU ausgenutzt, um einen steuerlichen Vorteil zu erzielen. Bedingt wird dies durch eine sich verbreitende Niedrigbesteuerung im Rahmen des internationalen Steuerwettbewerbs. Aus diesem Problemfeld vorhergehend und vor dem Hintergrund internationaler Skandale wie den sog. Luxemburg-Leaks1 im Jahr 2014 und der aggressiven Steuerplanung internationaler Großkonzerne, resultierten die Arbeiten der OECD im Rahmen des Base Erosion and Profit Shifting Projekt (sog. BEPS-Projekt) der OECD, welches 2013 in einem BEPS-Aktionsplan und 2015 in einem Abschlussbericht zu 15 Aktionspunkten mit Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung mündete.2 Auf Grundlage einiger Aktionspunkte des BEPS-Projektes, wurden schließlich die Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) I3 und darauffolgend ATAD II4 erarbeitet, um die Umsetzung der unverbindlichen BEPS-Maßnahmen in eine nationale Gesetzgebung zu gewährleisten.5
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Maßnahmen der ATAD-Richtli- nien bezogen auf hybride Gestaltungen darzustellen, kritisch zu betrachten und deren Umsetzung in nationales Recht durch das ATAD- Umsetzungsgesetz (ATADUmsG)* darzulegen und einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Neben der Einleitung besteht die Arbeit aus sechs weiteren Kapiteln. Kapitel B. dient neben der Kurzdarstellung der Zielsetzung der ATAD sowie des sog. Mindestschutzniveaus. Im folgenden Kapitel C. erfolgt eine Darstellung der hybriden Gestaltungen mit ihren Erscheinungsformen, den vorgesehenen Abwehrregelungen sowie den dazugehörigen Anwendungsausnahmen. Kapitel D. befasst sich mit der Umsetzung der Regelungen zu den hybriden Gestaltungen in nationales Steuerrecht. Das darauffolgende Kapitel E. soll verbleibende Gestaltungsspielräume aufzeigen und dient demnach einer ersten Einordnung in Bezug auf die Wirksamkeit der ATAD. Kapitel F. setzt sich kritisch mit der Umsetzung der Regelungen zu den hybriden Gestaltungen sowie der Ermächtigung der EU zum Erlass der ATAD auseinander. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung in Kapitel G.
B. Die ATAD-Richtlinien
I. Zielsetzung und Maßnahmen der ATAD-Richtlinien
Zielsetzung der ATAD-Richtlinien ist grundlegend die Gewährleistung der Besteuerung am Ort der Gewinnerwirtschaftung und der Wertschöpfung, um das Vertrauen in die Fairness der europäischen Steuersysteme wiederherzustellen6 und einer Fragmentierung des Binnenmarktes entgegenzuwirken.7 Ziel ist zudem die Steuergerechtigkeit wiederherzustellen, da kleinere und mittelständische Unternehmen nicht in diesem Maße international agieren und resultierend aus der Vornahme hybrider Gestaltungen ein Ungleichgewicht im internationalen Wettbewerb begründet wird.8 Zur Zielerreichung enthält die ATAD, neben den Regelungen zu den hybriden Gestaltungen in Art. 9, 9a und 9b ATAD II, zahlreiche weitere Regelungsbereiche. So wird in Art. 4 ATAD eine Zinsabzugsbeschränkung geregelt, die in ihrem Aufbau stark der deutschen Zinsschrankenregelung ähnelt und diese wohl auch zur Grundlage hatte.9 Der folgende Art. 5 ATAD befasst sich mit der Wegzugsbesteuerung und Übertragung von Vermögenswerten. Eine dem § 42 AO ähnelnde allgemeine Missbrauchsvorschrift10 sieht Art. 6 für die nationale Umsetzung der Mitgliedstaaten (MS) vor. Die Art. 7 und 8 ATAD legen einen Mindeststandard für eine Hinzurechnungsbesteuerung fest, dabei wird u.a. eine Niedrigsteuergrenze vorgesehen, wonach eine Niedrigbesteuerung vorliegt, sofern die vom beherrschten Unternehmen bzw. von der Betriebsstätte (BS) gezahlte Körperschaftsteuer (KSt) weniger als die Hälfte beträgt, die nach dem Steuersystem des MS des beherrschenden Unternehmens zu entrichten gewesen wäre.11 Abgestellt wird auf die effektive Steuerbelastung12 nicht auf den Steuersatz. Diesem Ansatz folgend würde dies für Deutschland eine Niedrigsteuerschwelle von 7,5 Prozent bedeuten.13 Zurzeit liegt diese bei 25 Prozent und ist ob dieser Höhe immer wieder Gegenstand von Diskussionen.14
II. Mindestschutzniveau
Das Mindestschutzniveau ist in Art. 3 der ATAD normiert und erteilt den MS die Befugnis zur Schaffung eines höheren Schutzmaßes der eigenen KSt-Bemessungsgrundlage (BMG) durch Anwendung, Einführung bzw. Beibehaltung, strengerer nationaler Normen oder vertraglichen Bestimmungen.15 Demnach stellt das Mindestschutzniveau grds. eine Untergrenze des zulässigen Regelungsbereiches der Abwehrmaßnahmen dar, mildere Regelungen sind folglich unzulässig.16
Die Einführungen eines Mindeststandards ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass die Richtlinienvorgaben in mittlerweile 27 verschiedene Steuersysteme eingepasst werden müssen. So erreicht der Richtliniengeber eine Mindestharmonisierung und lässt den MS im Rahmen der nationalen Umsetzung bis zu einem gewissen Maße freie Hand.17 Bei der Anwendung, Ein- oder Fortführung strengerer nationaler Regelungen, sind nationale Umsetzungsakte weiterhin dennoch an den Grundfreiheiten der EU zu messen bzw. zu überprüfen.18
C. Hybride Gestaltungen und Abwehrregelungen
I. Hybride Gestaltungen
Aufgrund multinationaler Strukturen sind in einem internationalen Umfeld agierende Unternehmen vielmals in der Lage unter Ausnutzung dieser Unternehmensstrukturen Besteuerungsinkongruenzen, die im Zusammenspiel verschiedener Steuersysteme19 entstehen können, gezielt für sich zu nutzen bzw. durch entsprechende Vorgehensweisen herbeizuführen.20 Bei diesen Vorgehensweisen handelt es sich um sog. hybride Gestaltungen. Hybride Gestaltungen waren bereits im Rahmen der ATAD I Bestandteil der verschiedenen Regelungen zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken. Durch ATAD II wurden die Abwehrregelungen auf weitere Erscheinungsformen hybrider Gestaltungen sowie auf Drittstaatenfälle ausgeweitet.21
1. Definition der hybriden Gestaltung
Hybride Gestaltungen werden in Art. 2 Abs. 9 ATAD II definiert. Als solche gelten Gestaltungen zwischen einem in der EU steuerlich ansässigen Stpfl. und verbundenen Unternehmen, dem Stammhaus und einer BS, Unternehmen, die demselben Konsolidierungskreis im Rahmen eines Konzernabschlusses angehören oder auch strukturierte Gestaltungen zwischen mindestens zwei voneinander unabhängigen Parteien. Abweichende steuerrechtliche Einordnungen von Finanzinstrumenten (FI) oder Rechtsträgern (RT) führen hier zu einer Besteuerungsinkongruenz mit einem doppelten Abzug derselben Zahlung (Double-Deduc- tion-Ergebnis; DD-Ergebnis) oder einem Abzug der Zahlung bei gleichzeitiger steuerlicher Nichtberücksichtigung des korrespondierenden Ertrages (Deduction/No-Inclusion-Ergebnis; D/NI-Ergebnis).22
Grds. greifen die Regelungen zu den hybriden Gestaltungen, abgesehen von strukturierten Gestaltungen nur, insofern die Beteiligungsgrenzen zur Begründung von verbundenen Unternehmen durch einen Stpfl. selbst oder zusammengerechnet mit anderen erreicht sind, sprich in Konzernfällen.23 Strukturierte Gestaltungen, i.S.d. Art. 2 Abs. 11 ATAD sind Gestaltungen bei denen die Besteuerungsinkongruenz mit in die Bedingungen der Vereinbarung eingerechnet wird oder solche die gezielt entwickelt wurden, um eine hybride Struktur zu begründen. Beteiligungsschwellen spielen hier keine Rolle.24 Von einer strukturierten Gestaltung wird allerdings nicht ausgegangen, insofern vernünftigerweise nicht davon auszugehen ist, dass dem Stpfl. oder den verbundenen Unternehmen die hybride Gestaltung bewusst war und der Stpfl. nicht an dem sich ergebenden steuerlichen Vorteil beteiligt wurde.25
2. Grundformen hybrider Gestaltungen
Die verschiedenen Formen, welche sodann zu einem DD- oder einem D/NI-Ergebnis führen können werden in Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 1 Buchst. a bis g ATAD II definiert. So können zunächst hybride FI zu einem D/NI-Ergebnis führen. Dies beruht i.d.R. auf einer divergierenden rechtlichen Würdigung des FI oder der Zahlungen aus diesem.26 Diesbezüglich kann es der Fall sein, dass ein hybrides FI gegeben ist, da dieses in einem Staate als Fremdkapital (FK) (z.B. als Darlehen) mit abzugsfähigen Betriebsausgabe (BA) in Form von Zinsen und im anderen als Eigenkapital (EK) bspw. mit einer entsprechenden Freistellung von Dividenden, eingeordnet wird.27
Denkbar ist zudem ein D/NI-Ergebnis aufgrund von Zahlungen an ein hybrides Unternehmen. Das D/NI-Ergebnis wird in diesem Fall durch eine, sich aus divergierenden Vorschriften der betroffenen Staaten, ergebende abweichende Zuordnung der Zahlungen erzeugt. Man spricht von einem hybriden Unternehmen, wenn dieses in seinem Sitz- bzw. Errichtungsstaat als eigenständiger Stpfl. also intransparent, beurteilt wird (Trennungsprinzip) und aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Anteilsinhabers als transparent (Transparenzprinzip) eingeordnet wird.28
Ein D/NI-Ergebnis kann ebenfalls in Verbindung mit hybriden BS auftreten. Hier kommt es zur hybriden Gestaltung im Zuge einer Zahlung an ein Unternehmen, welches über eine Repräsentanz bzw. Geschäftstätigkeit in einem anderen Staat verfügt. Das D/NI-Ergebnis resultiert aus einer abweichenden Zurechnung der Zahlung, welche aufgrund unterschiedlicher nationaler Vorschriften der betroffenen Staaten erfolgt.29
Ebenso kann eine Zahlung eines hybriden Unternehmens an ein verbundenes Unternehmen eine hybride Gestaltung mit einem D/NI-Ergeb- nis bewirken, insofern der Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers die Zahlung aufgrund seiner nationalen Vorschriften nicht berücksichtigt.30 Demnach kann eine Zahlung, sei es eine Zins- oder Lizenzzahlung eines hybriden Unternehmens in seinem Ansässigkeitsstaat aufgrund einer intransparenten Behandlung als BA abgezogen werden, wobei die Zahlung gleichzeitig aus Sicht des Staates des Zahlungsempfängers aufgrund der angenommenen Transparenz nicht besteuert wird. Der Staat des Zahlungsempfängers erkennt das Rechtsgeschäft aus denen die Zahlungen in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren stammen nicht an, da aufgrund der Transparenz des hybriden Unternehmens der Zahlungsempfänger ein sog. in-sich-Geschäft abgeschlossen hätte.31
Auch fiktive Zahlungen zwischen einem Hauptsitz und seiner BS oder zwischen verschiedenen BS können, infolge einer Nichtberücksichtigung der Zahlung im Zuge der Einkommensermittlung im Steuergebiet des Zahlungsempfängers32, zu einer hybriden Gestaltung mit D/NI- Ergebnis führen. Denkbar wäre eine aufwandswirksame Berücksichtigung fiktiver Zahlungen im Rahmen des Authorized OECD Approachs (AOA), wonach eine Fiktion der Selbstständigkeit einer BS hergestellt wird und interne Leistungsbeziehungen mit fiktiven Zahlungen unter Beachtung der Vorgaben bzgl. Verrechnungspreise zustande kommen.33 Erfolgt eine einseitige oder eine durch eine abweichende Auslegung geprägte Anwendung des AOA, kann dies zum D/NI-Ergebnis führen, insoweit kein korrespondierender fiktiver Ertrag erfasst wird.34
Zudem werden auch solche hybriden Gestaltungen erfasst, die zu einem DD-Ergebnis führen. Die Ursachen des doppelten Abzugs werden nicht näher definiert.35 Ursache können gleichermaßen Konstellationen mit hybriden RT und einer abweichenden Bewertung der Transparenz36 oder BS-Konstellationen37 sein.
3. Abwehrreglungen
Die Ergebnisse hybrider Gestaltungen sollen abhängig von den betroffenen Steuergebieten und der Form der hybriden Gestaltung durch verschiedene Abwehrregelungen, in Form von Korrespondenzregelungen38 beseitigt werden.
Bei einem DD-Ergebnis gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b ATAD II soll grds. im ersten Schritt der BA-Abzug durch den MS des Investors (Zahlungsempfänger) untersagt bzw. beschränkt werden, geschieht dies nicht, soll im zweiten Schritt der Staat des Zahlenden in Form eines BA- Abzugsverbots bzw. einer Beschränkung tätig werden.39 Handelt es sich hingegen um eine hybride Gestaltung mit einem D/NI-Ergebnis, soll gem. Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b ATAD II zunächst der Ansässigkeitsstaat des Zahlenden den BA-Abzug verweigern. Wird dieser nicht tätig, soll der Betrag der Zahlung, sprich der korrespondierende Ertrag, der sonst eine Besteuerungsinkongruenz begründen würde, in die steuerliche BMG im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers einbezogen werden.40 Zweck der zweistufigen Struktur der Abwehrregelungen ist einerseits eine Anwendung dieser sicherzustellen41, andererseits durch Definition einer Rangfolge der Anwendung eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.42 Dieser Abwehrmechanismus bestehend aus Primär- und Sekundärregelung wird auf sämtliche Grundformen hybrider Gestaltungen je nach Ausprägung, sprich DD- oder D/NI-Ergebnis, angewandt. Der Umfang der Korrektur misst sich an der Dimension der Besteuerungsinkongruenz.43
4. Unberücksichtigte Betriebsstätten
Gemäß Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 1 Buchst. d ATAD II führt auch eine Zahlung an eine unberücksichtigte BS die ein D/NI-Ergebnis zur Folge hat zu einer hybriden Gestaltung.
Die unberücksichtigte BS wird in Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 3 Buchst. n ATAD II definiert und Art. 9 Abs. 5 ATAD II regelt die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen, welche zur Anwendung der entsprechenden Abwehrregelung führt. Im Sinne der Definition des Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 3 Buchst. n ATAD II, ist eine unberücksichtigte BS gegeben, sofern ein der MS des Stammhauses des Unternehmens, bei einer ausländischen Repräsentanz bzw. Geschäftstätigkeit die Existenz einer BS im Aktivitätsstaat bejaht und die BS-Einkünfte freistellt, aus Sicht des vermeintlichen Belegenheitsstaates der BS allerdings keine BS angenommen wird.44 Der D/NI-Effekt ist demnach auf einen Qualifikationskonflikt bzgl. der Existenz einer BS im Verhältnis der betroffenen nationalen Rechtsvorschriften der Steuergebiete des Zahlenden und des Zahlungsempfängers zurückzuführen.45 Als Rechtsfolge ordnet Art. 9 Abs.
5 ATAD II an, dass der MS der EU in dem das Stammhaus steuerlich ansässig ist die Einkünfte in die BMG des Stammhauses einbezieht, welche andernfalls gem. der steuerlichen Vorschriften des Staates des Stammhauses dem Belegenheitsstaat der BS zugerechnet würden.46 Folglich ist auf eine Freistellung der BS-Einkünfte aufgrund nationaler Vorschriften abzusehen47, wenn die Einkünfte ansonsten dem Aktivitätsstaat der BS zugerechnet und infolgedessen nicht besteuert würden. Eine Versagung der BS-Freistellung soll gem. Art. 9 Abs. 5 S.2 ATAD II dann nicht erfolgen, wenn die Einkünfte der BS aufgrund eines DBAs zwischen einem MS und einem Drittstaat freizustellen sind.48
5. Importierte hybride Gestaltungen
Die in Art. 9 Abs. 3 ATAD II geregelten importierten hybriden Gestaltungen, werden durch hybride FI aus dem Steuergebiet von Drittstaaten in das eines EU-MS importiert. Demnach kommt es in diesen Fällen zu indirekten DD- bzw. DN/I-Ergebnissen in dem Steuergebiet des jeweiligen MS, da jener nicht in unmittelbaren Kontakt mit dem hybriden FI tritt.49 Dabei sind mindestens zwei Drittstaaten beteiligt zwischen denen entsprechende Transaktionen zur Verlagerung der hybriden Ergebnisse in das Steuergebiet der EU vorgenommen werden.
Eine Transaktion zur Erreichung einer importierten hybriden Gestaltung, kann bspw. durch eine Darlehensvereinbarung erfolgen, indem infolge einer solchen Vereinbarung ein in einem MS ansässiger Stpfl. eine Zinszahlung an ein in einem Drittstaat ansässiges verbundenes Unternehmen leistet. Der korrespondierende Zinsertrag wird im Drittstaat steuerlich berücksichtigt, gleichzeitig erfolgt eine Verrechnung mit einem Abzugsposten aus einer hybriden Gestaltung, die zwischen zwei Drittstaatenansässigen verwirklicht wird.50 Der mit dem Abzugsposten korrespondierende Ertrag kann bspw. im zweiten Drittstaat einer Dividendenfreistellung aufgrund einer abweichenden Einordnung als EK in diesem Staat unterliegen. Demnach erfolgt eine Finanzierung des hybriden FI, mittels einer Zahlung aus dem Steuergebiet eines MS, ohne dass dieser unmittelbar von der hybriden Gestaltung betroffen ist.51
Die in Art. 9 Abs. 3 ATAD II angeordnete Rechtsfolge sieht vor, dass der betroffene MS den Abzug für die Zahlung, die der Finanzierung der hybriden Gestaltung im Drittstaat dient, verweigert.52 Von der Abzugsverweigerung soll abgesehen werden, insofern einer der betroffenen Drittstaaten eine gleichwertige Anpassung gegen die hybride Gestaltung vornimmt.53
6. Hybride Übertragungen
Eine hybride Übertragung i.S.d. Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 3 Buchst. l ATAD II liegt vor, insofern durch eine Gestaltung im Rahmen der Übertragung eines FI, die Erträge aus der Übertragung des FI so behandelt werden, als seien sie gleichzeitig mehreren an der Übertragung beteiligten Parteien zugeflossen.54 Ein solches Ergebnis kann u.a. im Rahmen von Wertpapierleih- bzw. Wertpapierpensionsgeschäften zwischen verschiedenen Steuergebieten, mit abweichender Zuordnung des Eigentums an den Wertpapieren bzw. der resultierenden Zahlungen, durch das jeweilige nationale Recht der betroffenen Steuergebiete entstehen.55 Im Ergebnis ergibt sich dann die Möglichkeit einer doppelten Nutzung des Anrechnungsvolumens der Quellensteuer.56
Zum Eintritt der in Art.9 Abs. 6 ATAD II geregelten Rechtsfolge, bedarf es neben dem hybriden Element, einer Absicht der Herbeiführung der einschlägigen hybriden Gestaltung57 und einer damit verbundenen Ermäßigung der Quellensteuer bei mehr als einer Partei.58 Art. 9 Abs. 6 ATAD II ordnet schließlich, dass der MS der EU eine Anpassung der Quellensteueranrechnung vornimmt, in dem die Erträge aus der Übertragung des hybriden FI durch Kompensationszahlungen gemindert wurden.59 Eine Anpassung soll dann im Verhältnis der stpfl. Nettoeinkünfte im Zusammenhang mit der Zahlung aus der hybriden Übertragung stattfinden.60 In dieser Weise wird der sich ergebenden steuerliche Vorteil, auf jenen begrenzt, der zum Ausgleich der tatsächlichen Doppelbelastung erforderlich ist.61
II. Anwendungsausnahmen der Abwehrregelungen
Eine Ausnahme von der Anwendung der Abwehrregelung i.S.d. Art 9 Abs. 1 Buchst. a und b ATAD II, ist durch Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 ATAD II vorgesehen, sofern der doppelt in Abzug gebrachten BA mit dem doppelten erfassten korrespondierenden Ertrag verrechnet wird.62 Man spricht hier von Dual-Inclusion-Income.63
[...]
1 Fuest/Spenge/Finke/Heckemeyer/Nusser, StuW 2015, 90; Max, StuW 2017, 266.
2 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.4.
3 RL (EU) 2016/1164 des Rates v. 12.07.2016, ABl. Nr. L 193, 1.
4 RL (EU) 2017/952 des Rates v. 29. 5. 2017; ABl. Nr. L 144, 1.
5 Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 206; Oertel in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, A. Rz. 71. * Rechtsstand dieser Arbeit ist der 01.08.2020, eine Berücksichtigung von RefE nach diesem Datum erfolgt nicht.
6 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht 17.22.
7 Oppel, IStR 2016, 797, 798.
8 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 2.
9 Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 873a; Rödl/Grube in Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 22. Kapitel Rz. 8; Haarmann, IStR 2018, 561,568; Haug, DStZ 2016, 446, 448; Valta/Gerbracht, StuW 2019, 118, 119 ff.
10 Franz, DStR 2018, 2240, 2243.
11 Kraft in Kraft, Außensteuergesetz, Vorbemerkungen zu §§ 7-14 AStG, Rz. 155; Ko- kott, Steuerrecht der EU, § 2 Rz. 88; Jacobsen, IStR 2018, 433, 439, Engelke/Hoff- mann, BB 2019, 1564, 1566.
12 Dehne, ISR 2018, 132, 134; Linn, IStR 2016, 645, 646.
13 Schönfeld, IStR 2017, 721,723; Becker/Loose, BB 2018, 215, 216.
14 https://www.idw.de/blob/123080/024d9eaa08064ffecfdc9366eb32918c/down-bmf- atadumsg-data.pdf; Haase, DStR 2019, 827, 834; Mammen, Ubg 2019, 394, 400.
15 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 17.31; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rz. 148; Fehling, DB 2016, 2862.
16 Oppel in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 3 Rz. 2.
17 Oppel in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 3 Rz. 9.
18 Hey, StuW 2017, 248, 254.
19 Marquadsen, StuW 2019, 374; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 206.
20 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 1; Grotherr, BB 2017, 1367.
21 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.87; Nied- ling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1501; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205; Zino- wsky, Jochimsen, ISR 2017, 325, 326.
22 Kokott, Steuerrecht der EU, § 2 Rz 90; Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 6 ff.; Bannes/Cloer, BB 2016, 1503.
23 Haase, Internationales und Europäisches Steuerecht, Rz. 873a; Grotherr, BB 2017, 1367, 1368.
24 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 68; Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.92; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 207; Grotherr, BB 2017, 1367, 1374.
25 Radmanesh/Gebhardt, IWB 2018, 580, 585.
26 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 330.
27 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.83; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 209; Grotherr, BB 2017, 1367, 1371. 5
28 Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 1274; Grotherr, BB 2017, 1367, 1368; Bannes/Cloer, BB 2016, 1503.
29 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 242 ff.; Grotherr, BB 2017, 1367, 1368.
30 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 331; Grotherr, BB 2017, 1367, 1371.
31 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 257 ff.
32 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 333.
33 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 269 ff.; Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.90; Kahlenberg, IStR 2018, 93, 99.
34 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 272; Grotherr, BB 2017, 1367, 1373.
35 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 329.
36 Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 209; Bannes/Cloer, BB 2016, 1503.
37 Böhmer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebstätten-Handbuch, Rz. 14.28; Grotherr, BB 2017, 1367, 1370.
38 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 2 Rz. 6.
39 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.94; Radma- nesh/Gebhardt, IWB 2018, 580, 584; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1501. 7
40 Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1503; Rüsch, ISR 2019, 304, 311.
41 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 71.
42 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 5.
43 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 5.
44 Böhmer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebstätten-Handbuch, Rz. 14.35; Zino- wsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 334.
45 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 191; Zino- wsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 332; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1503; Köhler, ISR 2018, 250, 259.
46 Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1503.
47 Köhler, ISR 2018, 250, 259; Grotherr, BB 2017, 1367, 1375.
48 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 205; Grotherr, BB 2017, 1367, 1375.
49 Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 15; Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.96.
50 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 129; Zino- wsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 333.
51 Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 333.
52 Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 16; Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 212; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1503.
53 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 166; Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325, 333.
54 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 211; Grotherr, BB 2017, 1367, 1376; Köhler, ISR 2018, 250, 254.
55 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 210; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500, 1505.
56 Grotherr, BB 2017, 1367, 1368.
57 Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 26; Köhler, ISR 2018, 250, 254.
58 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 213 f.
59 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 220.
60 Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, RL (EU) 2016/1164, Art. 9 Rz. 26.
61 Kahlenberg/Radmanesh in Hagemann/Kahlenberg, ATAD, Art. 9 Rz. 210.
62 Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.94, Grotherr, BB 2017, 1367, 1369.
63 Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205, 207; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500 1501; Radmanesh/Gebhardt, IWB 2018, 580, 585.