Zukunft der Arbeit


Ausarbeitung, 2000

4 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Zukunft der Arbeit

Die deutsche Wirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Strukturwandel bewältigt. Der Wertschöpfungswandel der Industrie ist zurückgegangen, Dienstleistungen machen einen immer größeren Teil der wirtschaftlichen Leistung aus. Allein von 1991 bis 1998 ist der Anteil des Produzie- renden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung von 36 auf 31 % zurückgegangen -bis 2020 wird der Anteil der Industrie um 20% zurückgehen; der Anteil des Dienstleistungssektors ist fast spiegelbild- lich von 62 auf gut 68% gestiegen. Seit einigen Jahren verändern neue Technologien, insbesondere der Bereich im Informations- und Telekommunikationssektor zusätzlich das Bild. Klassische Indust- riekonzerne werden zu Dienstleistern und zu Anbietern von Informationsdienstleistungen. Auch das mittelständische Handwerk oder die freien Berufe werden durch diese Entwicklungen erfaßt. Für sie bieten die neuen Technologien zum Teil neue Chancen, auf den Weltmärkten Fuß zu fassen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Industrie wandert aus, die Dienstleistungsgesellschaft aber halt nicht für jeden einen Arbeitsplatz bereit. Die Radikalkur muß lauten: Arbeit wird neu definiert

Wassily Leontief, Träger des Wirtschaftsnobelpreises, hat den lndustriegesellschaften bereits vor 15 Jahren prophezeit, daß mit der Einführung immer leistungsfähiger Computer der Mensch als wich- tigster Produktionsfaktor verschwinden wird, genauso wie einst das Pferd durch die Einführung der Traktors aus der landwirtschaftlichen Produktion verschwunden ist". Dies läßt sich an konkreten Beispielen dokumentieren.

Erstes Beispiel: Fünf bisherige regionale Konstruktionsbüros sind bei Ford zu einem globalen Stu- dio für die Autokonstruktion per Video- und Rechnerschaltungüber alle Ozeane und Zeitgrenzen hinweg in einer radikalen Reorganisation zusammengeführt worden. Die Umstellung spart Kosten in Milliardenhöhe und ,,kostet" vermutlich auch die Jobs von Managern, Ingenieuren und Marke- tingfachleuten. Für das Modell Mondeo benötigten die Ford-Konstrukteure nur noch zwei Monate und 20 internationale Arbeitskonferenzen, ehe das Projekt beschlußfähig war Für das neue Modell Taurus waren gerade 15 Arbeitstage und drei Kontrollsitzungen nötig, ein Effizienzsprung vonüber 100 Prozent.

Zweites Beispiel: Wenn Siemens einen Kernspinntomographen baut, dann kommt die Software aus Bangalore in Indien. Die Programme laufen auf Chips von Matsushita, IBM oder Motorola. Die Firmen haben die Silizium-Units in Asien fertigen lassen. Den Magneten für das Siemensgeräte lie fert eine Firma in Oxford, den Hochfrequenzverstärker eine Fabrik in Boston (USA>. Die Liegen kommen aus Ostdeutschland und zusammenmontiert wird das System in Erlangen.

Drittes Beispiel: Mitternacht auf dem Berliner Flughafen Tegel. Eine freundliche Stimme teilt den müden Fluggästen mit, daßihr Flug nach Köln/Bonn endlich zum Einsteigen bereit ist. Die Stimme stammt von Angelika B. aus Kalifornien, die vor ihrem Bildschirm sitzt. Der Mesagedienst des Ber liner Flughafens wird nach 18 Uhr Ortszeit per online von Kalifornien aus bedient, und zwar aus ebenso einfachen wie einsichtigen Gründen: Erstens müssen dort keine Zuschläge für Spätdienst bezahlt werden; zweitens liegen die Lohn(neben) kosten für dieselbe Tätigkeit erheblich niedriger als in Deutschland. Telekommunikation macht es möglich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Zeitraum von 1980 bis 1995 sind schätzungsweise 3,6 Mill. neue Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor entstanden. Der positive Trend in den Dienstleistungsbranche hält weiter an. Im Jahre 2010 dürften 2/3 der Beschäftigten in diesem Bereich tätig sein.

Neue AP entstehen im Bereich:

- Softwarehäuser,
- Multimedia
- Forschung, Entwicklung,
- Beratung
- Internet-Dienstleistungen

⃗ es wird eine Verdopplung der bisher vorhandenen AP erwartet

laut European Communikation Council (ECC) bereits 1/3 aller AP von Internet Ökonomie berührt.

Neue Berufe entstehen: Webdesigner, E-Commerce Manager, I-Net-Systemtechniker

1999 bereits 1,9 Mio in Info-Kommunikationsbranche tätig-Produktion der Unterhaltung wird mit die größte Wachtumsbranche für die Zukunft werden.

Aber: Der technologische Fortschritt und die internationale Vernetzung werden auch im Dienstleis- tungsbereich eine große Anzahl von Arbeitskräften freisetzen; betrachten wir dies wieder an einigen Beispielen: Es gibt schon heute ein Softwareprogramm zur Spracherkennung zu kaufen, in dem man Texte direkt in den Computer spricht Somit werden eine große Anzahl von Schreib- und Sekretariats- positionen in Behörden und Kanzleien, in Büros und Praxen nicht mehr notwendig sein. Bisher ging der Bankkunde in seine Bankfiliale und erfährt dort persönliche Beratung. Inzwischen wird aber sehr massiv und aggressiv für das Telebanking, Home Banking und Direct Banking geworben. Von Zu- hause aus werden die Überweisungen getätigt, die Kontostände abgefragt und weitere Bankgeschäfte per Telefon oder Online erledigt. Nach einer Studie der Universität Würzburg lassen sich von 772000 untersuchten Bank-Arbeitsplätzen durch technischen Fortschritt etwa 474000 (=61 Prozent) freiset- zen. Nach der Studie von Prof. Thome (Würzburg) können rein rechnerisch über 6 Millionen der be- trachteten 15 Millionen Arbeitsplätze im Dienstleistungsbreich eingespart werden. Es sind vor allem Berufe mit Routinetätigkeiten und sich häufig wiederholenden Aufgaben, die wegrationalisiert werden können.

Um gleichen Luxus wie 1989 zu erreichen brauchen wir mit heutiger Technik und Erfahrungsstand nur 5 Stunden pro Woche arbeiten - Tabelle

Und nun? Haben wir Anlaß zur Resignation? Keineswegs!

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Im Jahre 2020 werden vielleicht 1 Prozent aller Arbeitnehmer (bezogen auf das Erwerbskräftepotenti- al) im primären Sektor (Landwirtschaft, Forsten, Bergbau, Fischerei), 15 Prozent im sekundären, ge- werblichen, industriellen Sektor und 34 Prozent im Dienstleistungssektor tätig sein. Bis 2020 jeder 3. Arbeitsplatz im Bau- und Chemiebereich abgebaut; jeder 5. AP im Maschinenbau, Elektroindustrie. Die uns heute vertraute Erwerbsarbeit schmilzt wie der Schnee in der Sonne. Wenn nur noch etwa die Hälfte der Erwerbspersonen über eine Arbeit in unserem heutigen Verständnis verfügen, dann wird sich auch die Erwerbsarbeit selbst auch vollständig verändert haben, denn die angebotenen Erwerbs- arbeitsplätze benötigen nicht mehr den ,,Malocher", sondern den ,,Symbolanalytiker". Bei dem stehen neben fachlichen Qualifikationen vor allem ,,Schlüsselqualifikationen" wie Flexibilität und Kreativi- tät, kombiniert mit der Fähigkeit schnell zu lernen und im Team arbeiten zu können, im Vordergrund. In den Unternehmen wird in Zukunft die Produktivität nicht in erster Linie durch den Mehreinsatz von Kapital erhöht, sondern durch den Ideenreichtum, die Flexibilität und Kreativität der Mitarbeiter. Nicht mehr Rohstoffe, Grund und Boden oder Kapital verschaffen auf Dauer Wohlstand, sondern der neue und entscheidene Produktionsfaktor ist Wissen. Erfindungsgeist, Innovation, Wendigkeit, Medienkompetenz. Das ,,atmende" Unternehmen der Zukunft benötigt Mitarbeiter, die mehrfachqualifiziert, mitgestaltend, mobil und menschlich sind. Wer den mitdenkenden, mitgestaltenden, mitentscheidenen Mitarbeiter will, der muß ihn auch Mitbestimmung, Mitentscheidung und Mitbeteiligung bieten. Wir werden ein Paradigmenwechsel in den Unternehmen erleben, weg von der Orientierung am Kapital hin zur Orientierung am Menschen

Zukunft der Arbeit wird von drei verschiedenen Faktoren bestimmt. Auf der Nachfrageseite schaffen Globalisierung und rapider technologischer Fortschritt einen Bedarf nach Reorganisation und neuen Formen von Arbeit. Auf der Angebotsseite bestimmen Weiterbildung , Mobilität und das Altern der Gesellschaft die Reichweite und die sozialen Konsequenzen dieser Anpassungen.

Veränderung der Altersstruktur ab 2010

- ab 2010 wird 1/2 der Beschäftigten älter als 45 sein -> heute 1/3

Zusätzlich wird das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage von einem dritten Sektor geprägt: den Reaktionen der verschiedenen Arbeitsmarksituationen und staatlichen Maßnahmen.

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Arbeit ist mehr als nur außerhäusliche Erwerbsarbeit. Sie ist vielmehr jede gesellschaftlich bedeutsame Leistung, gleichgültig ob sie außerhalb oder innerhalb des Hauses geleistet wird, ob sie in sozialen und gemeinwohlorientierten Aktivitäten in der Nachbarschaft, geschieht. Sie ist also mindestens zugleich: häusliche und außerhäusliche, wirtschaftliche und gemeinwohl-orientierte Arbeit. Wenn die beschriebenen Prozesse immer mehr Menschen die Arbeitsgelegenheiten im außerhäuslichen Erwerbssektor wegnehmen und wenn die lang anhaltende Massenarbeitslosigkeit die drängendste politische, wirtschaftliche und soziale Herausforderung ist, wir es also mit einem strukturellen Problem der Erwerbsarbeitslosigkeit zu tun haben, dann verbleiben im Kern nur zwei Strategien:

Erste Strategie:

Die vorhandene Arbeit muß neu verteilt werden, selbstverständlich mit Lohnverzicht, wie es bei Volkswagen erfolgreich umgesetzt wurde. Man könnte sich vorstellen, daß sich Mitmenschen in ei- nem gesellschaftlichen Solidarpakt auf eine Begrenzung der wöchentlich bezahlten Arbeitszeit, bei- spielsweise auf 30 Stunden pro Person einigen, d.h. daß jeder nur einen Anspruch auf maximal 30 entlohnte Arbeitsstunden pro Woche hätte. Für die Arbeitsplatzbesitzer bedeutete dies eine Einkom- menseinbuße. Für Millionen von Menschen, die heute arbeitslos sind, hieß das, daß ihre Arbeitszeit von 0 auf 30 Stunden steigen würde. Ein weitergehender Schritt in diese Richtung könnte die konse- quente Ausnutzung aller Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung, der Teilzeitarbeit und der Re- duzierung von Überstunden sein. Es ist aber auch notwendig über einen. neuen Verteilungsmodus des durch Arbeit geschaffenen Mehrwertes nachzudenken.

Zukunft liegt in häuslicher Telearbeit, Arbeit von unterwegs für 1/3 der Beschäftigten Zweite Strategie: Viele Einzelschritte sind derzeit in der Diskussion:

Die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes neu gestalten, die räumliche Mobilität erhöhen, die Ar- beitszeit flexibilisieren, die Vermittlungstätigkeiten verbessern, die Arbeitsmarkttransparenz vergrö- ßern, die Arbeitslosenversicherung reformieren, den Mißbrauch bekämpfen, die politische Zuständig- keit regionalisieren, die individuelle. Lebensarbeitszeit verkürzen, die Wochen -und Jahresarbeitszeit weiter reduzieren, die Teilzeitbeschäftigung fördern, die Arbeitsentgelte stärker differenzieren die Lohnzusatzkosten senken, die Selbständigkeit ermutigen, die einfachen, personenbezogenen Dienste ausbauen, neue Märkte innovativ erschließen, die dynamischen Kräfte in der Wirtschaft stärken, mehr Risikokapital zur Verfügung stellen, Innovationen fordern und Investitionen erleichtern, die Belastun- gen der Wirtschaft vermindern, die Qualifikation der Bevölkerung verbessern, die Arbeitnehmer am Produktivvermögen beteiligen, das Lohnabstandsgebot konsequent beachten und so weiter.

Trotz dieser teilweise einschneidenden Veränderungen wird nach jetzigen Prognosen im Jahre 2020 von dem gesamten Erwerbspersonenpotential nur noch 50 Prozent in der Erwerbsarbeit tätig sein wer- den.

Und die anderen 50 Prozent?

Eine wirklich Veränderung bringende Lösung könnte lauten: Gesellschaftlich bestimmen wir einen neuen, vierten Sektor: den Non-Profit-Sektor, Humandienstleistungen, gemeinwohlorientierte Arbei- ten. im ,,Sozialwort" regen die Kirchen an Arbeitsplätze im Bereich der häuslichen Erwerbsarbeit (Er- ziehung und Pflege) und der außer häuslichen gemeinwohlorientierten Tätigkeit zu schaffen, neue Formen der Arbeit anzuerkennen und gesellschaftlich zu finanzieren Es werden in Zukunft immer weniger Menschen bereit sein, für Gotteslohn die familiären, sozialen und gemeinwohlorientierten Dienste an Kindern, Alten und Pflegebedürftigen, an Friedens- und an Nachbarschaftshilfen zu über- nehmen. Dazu gibt es interessante Vorschläge, z.B. Zahlung eines "Familiengehaltes oder ,,Erziehungsgeldes"

Um die großen Herausforderungen der künftigen Arbeitswelt bewältigen zu können, braucht es Mut und Visionen; mit kleinkariertem Festhalten am Bestehenden wird ein großer Teil der Erwerbsfähigen dauerhaft vom Arbeitseinkommen ausgeschlossen.

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Zukunft der Arbeit
Veranstaltung
Soziologie
Note
1-
Autor
Jahr
2000
Seiten
4
Katalognummer
V101301
ISBN (eBook)
9783638997188
Dateigröße
375 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zukunft, Arbeit, Dienstleistungsgesellschaft, Industriegesellschaft
Arbeit zitieren
Birgit Ötjengerdes (Autor:in), 2000, Zukunft der Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101301

Kommentare

  • Gast am 23.10.2001

    Gruner & Jahr Angebot.

    na schon was verdient kleine?
    is ja ne Wucht Deine These von dem geräucherten Affen...
    Hoffentlich komme ich da nicht zu kurz in Deiner Betrachtung.:)
    Ich dachte meine Dipl. Arbeit finde ich hier wieder..na gut
    dann eben krass sozooliogogie.

    VLG ralf

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