Die Entdeckung des Blutkreislaufs


Seminararbeit, 2000

16 Seiten


Leseprobe


Inhalt:

- Wissenschaft und Medizin in 17. Jahrhundert

- Galen aus Pergamon

- Galens Theorie der Bewegung des Blutes und der Bildung des Spiritus

- William Harvey

- Exercitatio anatomica de mortu cordis et sanguinis in animalibus, Guiliemi

Harvei Angli, medici regii, et professoris anatomiae in collegio medicorum

londiensi. Francfurti, sumptibus Guilielmi Fitzeri. Anno 1628

- Der Blutkreislauf nach Harvey

- Die Herzbewegung

- Das Blut

- Das Schlagvolumen

- Neue Therapiemöglichkeiten

Wissenschaft und Medizin in 17. Jahrhundert

Das 17. Jahrhundert nimmt in Bezug auf die Naturwissenschaft eine einzigartige Stellung ein. „ Es ist das Jahrhundert der Mathematik-Philosophen Descartes, Leibniz und Pascal, der Physiker-Astronomen Newton, Galilei, Kepler und Gibert; der Chemiker Robert Boyle und van Helmont; es ist das Jahrhundert von Francis Bacon, dem großen Repräsentanten der Philosophie des Experiments und der Beobachtung.“1 Auf dem Gebiet der Medizin entwickelten sich die Psychopathologie und die Epidemiologie weiter. Die experimentelle Physiologie und die mikroskopische Anatomie nahmen im 17. Jahrhundert ihren Ausgangspunkt, das um 1600 erfundene zusammengesetzte Mikroskop ermöglichte, dass die Forschung auf dem Gebiet der Physiologie an ihrem ersten Höhepunkt angelangte. In diesem Jahrhundert „ war die Vorstellung von einem Kreislauf, Allgemeingut der Wissenschaft. Die Kreislaufbewegung der Planeten war entdeckt worden. Giordano Bruno entwickelte ein Weltbild unendlich vieler kreislaufförmiger bewegender Systeme. All dies geht zurück auf die neue Aristoteles Rezeption, und auch Harvey beruft sich ausdrücklich auf ihn.“2 Experimente lösten die passive Beobachtung ab, Mithilfe dieser war es möglich, neu gewonnene Erkenntnis auf dem Gebiet der Pathologie zu fundieren.

Eine der bedeutensten Entdeckungen dieses Jahrhunderts war die Beschreibung des Blutkreislaufs durch William Harvey, bis zu diesem Zeitpunkt war Galens Theorie der Blutbewegung vorherrschend.

Galen aus Pergamon

Galen (150-200 A.D.) stammte aus Pergamon, er gilt neben Hippokrates, als einer der herausragendesten Ärzte der Antike. Er studierte Mathematik, Philosophie und Medizin unter anderem in Alexandria und Korinth. In Pergamon war er als Gladiatorenarzt tätig, später ging er nach Rom, das er aber wenig später auf Grund einer Pestepidemie verlassen musste, kehrte kurz darauf zurück und wurde zum Leibarzt Marc Aurels ernannt. Galen verstarb in Rom 201 A.D.

Galen hatte in Rom einen hervorragenden Ruf als Lektor, Experimentator und Arzt, er trug wesentlich zur Weiterentwicklung der Medizin bei, besonders auf dem Gebiet der Anatomie. Er galt als glänzender Anatom und war wegweisend auf dem Gebiet der Physiologie. Seine Theorie über die Bewegung des Blutes, stützte sich auf den Glauben, dass die Natur nichts vergeblich tut, er war der Meinung, dass jedes Organ für einen bestimmten Zweck vom Schöpfer geschaffen wurde.

Galens Theorie der Bewegung des Blutes und der Bildung des Spiritus

Nach dieser Theorie werden die Nährstoffe von den Därmen in die Leber gebracht, wo der spiritus naturalis die Nahrung in Blut umwandelt. Ein „Teil“ dieses Blutes fließt durch die Venen direkt in die Peripherie des Körpers, das restliche Blut strömt in die rechte Herzkammer; aus der Herzkammer fließt ein kleiner „Teil“ in die Lunge, während der restliche „Teil“ des Blutes über die Poren des Septums in die linke Herzkammer gelangt. Im linken Herzen wird das Blut mit dem spiritus vitalis angereichert und durch die Adern wieder in die Peripherie gepumpt. Ein anderer „Teil“ des Blutes strömt in das Gehirn, wo sich der spiritus animalis entwickelt, dieser wird durch die Nerven im Körper verteilt.

Galens Erkenntnisse über Herz und Blutkreislauf sind sehr spekulativ, er geht davon aus, dass das Blut in der Leber aus der Nahrung gebildet wird; das„ bei Verlassen der Leber den spiritus naturalis erhält, das Blut erreicht langsam den rechten Ventrikel und fließt von dort einmal zur Lunge ( Ernährung der Lunge), zum anderen durch Blutgefäße des Septums in die linke Herzkammer. Diese wurde als Zentrum der Energie in Form eines Wärmezentrums ( Ofen) vorgestellt, zu deren Abkühlung die Luft der Lunge diente. Das Blutgemisch enthält im linken Herzen den spiritus vitalis und wird dort in das Gehirn bewegt, wo es mit einem weiteren spiritus, dem spiritus animalis versehen- wieder zur linken Herzkammer zurück. Die Bewegung des Blutes wird als Ebbe und Flut betrachtet, wobei die Peripherie durch einen Rückfluss des Blutes aus dem Herzen über die Venen und Arterien vorgestellt wurde.“3

Das Blut wird als diastolische Attraktion betrachtet, es entsteht aus dem Nahrungsbrei.

Pneumalehre:

- Der spiritus naturalis wird beim Verlassen der Leber aus Blut und Atemluft gebildet
- Der spiritus vitalis in der linken Herzkammer
- Der spiritus animalis im Gehirn gebildet

Spiritus vitalis und spiritus animalis verteilen über das arterielle System die zentrale Wärme und Vitalität des Körpers.

Beide Strömen durch die Nerven ( Rohre) in die Sinnesorgane und Muskel. Galens Theorie über die Bewegung des Blutes ist gekennzeichnet durch drei Punkte:

1. Herz als Wärmezentrum = Energetisches Prinzip
2. diastolische Wirkungsweise
3. Bewegung des Blutes -> Ebbe und Flut

Durch Galen wurden die vier Grundelemente der Naturlehre in die Physiologie eingebunden. Den 4 Grundelementen entsprechen vier fundamentale Qualitäten.

Erde-> warm, trocken

Luft-> heiß, feucht

Wasser-> kalt, feucht

Feuer-> heiß, trocken

Zwei Qualitäten entsprechen jeweils einem Grundelement. Diese wirken aktiv und passiv aufeinander.

Die Wärme bildet die zentrale Qualität für die Physiologie, durch sie vollzieht sich die Wandlung vom festen, der Nahrung in flüssiges, Blut. Diesen Prozess nennt Galen „Kochung“. Dieser Vorgang vollzieht sich wie schon gesagt in der Leber, das Blut wird durch eine weitere Kochung wieder fest, aber auf einer höheren Stufe, als Fleisch. Wobei die Luft nur als Kühlung dient. „ Während also das Feste „ die Erde“, über die Venen verteilt wird, findet „die Luft“, über das arterielle System Eingang in den Körper, erst in der Peripherie treffen sie zusammen und begründen so Aufbau und Ernährung des Gewebes einerseits, ihre Vitalität und Bewegungsfähigkeit andererseits. Das Flüssige dient dabei als Lösungsmittel bzw. Durchgangsstadium, die Wärme als „Katalysator“ der Umwandlungsprozesse von Luft und Erde.“4

Galens Theorie über die Bewegung des Blutes war bis Harvey unumstritten, dank seiner Forschung (u.a. Vivisektion an Schweinen) konnten auf dem Gebiet der Anatomie große Fortschritte erzielt werden, seit Galen gelten Herz und Blutgefäße nicht mehr als immun gegen Krankheiten.

William Harveys

Abhandlung liest sich Jahrhunderte später wie eine Streitschrift gegen Galen. Harvey gilt als Entdecker des Blutkreislaufs, aber auch Harvey hatte Gegner. „In diesem Zusammenhang ist der Pariser Dekan Riolan zu nennen, der 1649 „formulierte“, falls irgendwelche Obduktionen oder Beobachtungen von jenen des Meisters ( Galen) abweichen, bedeutet dies nicht, dass sich Galen geirrt habe, sondern das sich die Natur seither verändert habe!“5

Ein weiter bedeutender antiker Arzt war Rufus aus Ephesos. Er erkannte im Gegensatz zu Galen, dass der Herzspitzenstoß, der Entleerung der Kammer, also der Diastole entspricht, und dass der periphere Puls synchron und somit zusammen mit der Systole der Kammer erfolgt. Er ergriff mit dieser Aussage die altägyptische Ausfassung, das die Bewegung des Herzens und der Pulsschlag der Arterie im unmittelbaren Zusammenhang stehen, wieder auf. Im Gegensatz zu Galen, der davon überzeugt war, dass die Bewegung des Puls eine eigenständige ist, wodurch das Blut wie ein Gegenpol angezogen wird. In der gesamten antiken Forschung dominierte in Zusammenhang mit der Erforschung von Herz und Kreislauf das Studium der Blutgefäße.

Das abendländische Mittelalter war von Galens Theorie geprägt, auf dem Gebiet der Medizin kam es nicht zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit ein Grund könnten die allgegenwärtigen Pestseuchen, die alle Aufmerksamkeit auf sich lenkten, gewesen sein. Die islamische Medizin entwickelte hingegen neue Ansätze und Ideen. In diesen Zusammenhang sind Avicenna und Ibn Ain Nafis zu erwähnen.

Der persische Arzt und Philosoph Abu‚Ali al-Husain ibn Abdallah Ibn Sina, lateinsich Avicenna (980-1039 A.D.) verfasst einen fünf Bücher umfassenden Kanon der Medizin, indem er nahezu alle Teile der Medizin abdeckt. Dieser Kanon ist unterteilt in einen theoretischen, pathologischen, chirurgischen und pharmazeutischen Teil, Avicenna erhob mit diesem Kanon den Anspruch, die gesamte altertümliche Medizin endgültig abgeschlossen zu haben. Er war von Aristoteles, Hippokrates und Galen beeinflusst. Im 13. Jahrhundert wurde der Kanon von Gerhard von Cremona ins lateinische übersetzt. Der „Canon medicinae“ war bis ins 18. Jahrhundert hinein fester Bestandteil des Lehrplans der medizinischen Fakultät. Avicenna komprimierte seinen Kanon zu einem Gedicht von 1326 Knittelversen, um den Studenten das Studium zu erleichtern.

Für William Harvey ist eine von Avicenna verfasste Abhandlung über den Puls, einer der Ausgangspunkte für seine Forschungen und Überlegungen über den Blutkreislauf. Avicenna folgt in dieser Abhandlung prinzipiell Galen; er lehnt aber den Zusammenhang zwischen Puls und Herz ab, vertritt jedoch die These, dass das Herz die Quelle des Arteriensystems ist und eine eigene Antriebkraft besitzt.

Im 13. Jahrhundert beschrieb der ägyptische Arzt Ibn Ain Nafis (1210-1288 A.D.), ohne Vivisektion,“ in einem Kommentar zum „Canon medicinae“ des Avicenna, erstmals den Kapillarkreislauf der Lunge einschließlich der Alveolen, in denen die Aufnahme von Luft erfolget. Außerdem war der erste der behauptete, dass das Herz, durch eigene Blutgefäße ernährt werde, wodurch er zum Erstbeschreiber des Koronarkreislaufs wurde. Diese Schrift Ibn Ain Nafis wurde erst in 20. Jahrhundert gefunden und 1924 in Freiburg übersetzt. Es kann sicher davon ausgegangen werden, dass der Erfinder des Blutkreislaufs, Harvey, diese Schrift nicht kannte. Ebenso konnte Malpigi, der letztlich zum Begründer des Kapillarkreislaufs der Lunge über die Entdeckung des Mikroskops (1661) wurde diese Schrift nicht kennen.“6

Im 16. Jahrhundert beschrieb der spanische Theologe Miguel Serveto, der in Toledo, einen der Zentren zur Übersetzung arabischer Texte ins lateinische, lebte, in seinem Hauptwerk „ Christianismi restitutio“, als erster nach Ibn Ain Nafis, den Lungenkreislauf. Er wurde im Jahr 1553 zusammen mit seinen Schriften, durch Calvin öffentlich verbrannt.

Ebenfalls im 16. Jahrhundert veröffentlichte der französische Arzt Jean Fernel ( †1558) die Schrift „Der natürliche Teil der Medizin“; sein Hauptwerk „ Universelle Medizin“ umfasst drei Bücher, die Physiologie, die Pathologie und die Therapeutik. Fernel galt zu diesem Zeitpunkt als Erneuerer der Physiologie. Auch er geht von den vier Elementen bzw. Qualitäten warm, kalt, trocken und feucht aus.

Andreas Vesal ( † 1564), ein Zeitgenosse Fernels, wollte Galen korrigieren und gab die galensche Tradition bewusst auf. In Basel erscheint 1543 Vesals Werk „ De humani corporis fabrica“, dieses anatomische Werk enthält eine Fülle von Abbildungen der Strukturen des menschlichen Körpers. Für Vesal stand der Mensch im Mittelpunkt seines Studiums. Obwohl er gegen die Tradition Galens auftritt, folgt er doch dessen Vorgaben; ihm geht es um eine Korrektur bzw. Ergänzung der Theorie Galens.

Hieronymus Fabricius ad Aquapendente ( † 1619) beschrieb als erster gegen Ende des 16. Jahrhunderts, die Venenklappen. Er lehrte in Padua und gilt als Lehrer von William Harvey. In seinem Traktat über die Venenklappen „ De venarum ostiolis“ 1603, stellt er sich unter anderem die Frage, worin die Aufgabe dieser zahlreichen Venenklappen liegt. „Dieses Traktat über die Venenklappen besteht aus 23 Folioblättern mit acht Bildtafeln, auf denen Herz und Venensystem in natürlicher Größe abgebildet sind.“7 Fabricius teilt die medizinische Ansicht, das die Venenklappen den Blutfluss drosseln, er stimmt in diesem Punkt mit dem jüdischen Arzt Amatus Lusitanus († 1568) und mit dem Anatom Giambatista Canano († 1579) überein. Er vergleicht jedoch die Verästelung der Blutgefäße mit den Zweigen einer Pflanze. Der Fluss des Blutes entspricht dem Aufsteigen des Wassers in den Zweigen, was auch der Auffassung Galens entspricht, der die Blutbewegung mit Ebbe und Flut vergleicht, und nicht von einer Kreislaufbewegung spricht.

„Die Beobachtung von Krampfadern scheint diese falsche Auffassung über die Venenklappen zu bestätigen.

Krampfadern scheinen bei körperlich besonders schwer arbeiteten Menschen aufzutreten, deren Blut dichter als sonst sei und länger durch die Klappen zurückgehalten wurde. Dadurch weiten sich diese aus, was eine Ausdehnung der Venen zur Folge habe.“8

William Harvey:

Harvey stammte aus der englischen Oberschicht und wurde am 1. April 1578 in Folkstone, England geboren. Er genoss eine umfangreiche Schulbildung in Canterbury und Cambridge; 1597 erwarb Harvey den Titel des Bakkalars der freien Künste. In Cambridge begann er mit dem Medizinstudium und setzte es in Padua fort, dort promovierte er mit 24 Jahren zum Doktor der Medizin, einer seiner Lehrer war, wie schon erwähnt, Fabricius. Nach Beendigung seines Studiums kehrte er nach London zurück, bewarb sich dort für die Aufnahme in das College of Physicans und wurde 1607 Mitglied. Zwei Jahre zuvor heiratete er die Tochter eines Londoner Arztes. Im Alter von 37 Jahren wurde er zum Professor der Anatomie und Chirurgie am königlichen College der Ärzte berufen; 1623 wurde Harvey zum außerordentlichen Hofarzt König Jakob I befördert. Nach dessen Tod veröffentlichte Harvey seine Schrift über die Bewegung des Herzens und des Blutes 1628. „ Er versah seinen Dienst bei Hofe, begleitete König und Prinzen auf ausgedehnte Reisen, gehörte zur Gesandtschaft an den Habsburgerhof unter Lord Arundel und wurde in Auseinadersetzungen zwischen König und Palarment hineingezogen. So siedelte er von London nach Oxford über, wo er Rektor des Merton College wurde. Als die Parlamentstruppen Oxford besetzten, musste Harvey seinen Platz räumen. Nach dem englischen Bürgerkrieg, litt Harvey wohl zunehmend an Alterskrankheiten, ohne dass seine Forschung davon beeinflusst worden ist. 1654 wurde er zum Präsidenten des Royal College of Physicans gewählt. Am 3. Juni1657 starb er an den Folgen eines Schlaganfalls.“9

„Exercitatio anatomica de mortu cordis et sanguinis in animalibus, Guiliemi Harvei Angli, medici regii, et professoris anatomiae in collegio medicorum londiensi. Francfurti, sumptibus Guilielmi Fitzeri. Anno 1628”

Harveys Buch“10 Die Bewegung des Herzens und des Blutes”, ist in 17. Kapitel unterteilt, am Anfang stellt er eine Widmung an den König Karl von England, Großbritannien, Frankreich und Irland, und eine Vorrede. Auf beides möchte ich im Folgenden kurz eingehen; Harvey widmet, wie schon gesagt, sein Buch König Karl, er vergleicht das Herz, welches er als Grundstock des Lebens bezeichnet, von dem alles abhängt, mit dem König, der in gleicher Weise der Grundstock seines Reiches ist. Er begründet diese Widmung damit, dass es für einen König keineswegs unnütz ist, eine Kenntnis über sein eigenes Herz zu haben, da „ nahe alle Taten, wie auch die meisten Taten des Königs unter Eingebung des Herzens sich vollziehen.“11

Weiters richtet Harvey sich an Doktor Argent, dem Vorsitzenden des Londoner Kollegiums der Ärzte und an seine Kollegen.

„ Ich habe, hochgegehrte Herrn Doktoren, meine neue Meinung über den Kreislauf des Blutes in meinen Anatomievorlesungen dargelegt. In diesem Büchlein aber haben wir sie zutage gefördert und der Betrachtung durch alle Welt zugeführt, sie, die bereits durch Jahre und darüber hinaus mittels augenfälliger Nachweiße vor eurem Angesicht sichergestellt, durch begründete Beweise beleuchtet und von den Einwänden hochgelehrte und hocherfahrener Anatomen entlastet, so oft von allen verlangt, von gewissen Leuten nachdrücklich gefordert worden war. Ich hatte wenig Hoffnung das Büchlein könne unangefochten und sich erscheinen, hätte ich es nicht euch, hochgeehrte Doktoren, zugeneigt, da ich beinahe für alle jene Beobachtungen, aus denen ich entweder Wahrheit schöpfe, oder auf Grund derer ich Irrtümer widerlege, gar viele glaubwürdige Zeugen unter euch anrufen kann.“12 Meiner Meinung nach war es Harvey von Anfang an wichtig klar zu stellen, dass seine These über die Beschreibung des Blutkreislaufs, auf Fakten, Experimente und Beweise stützt, die nicht nur er, sondern auch seine Kollegen verifiziert haben. In der Vorrede geht Harvey darauf ein, was bisher zu diesem Thema geschrieben wurde; er nimmt Bezug auf alle Astronomen, Ärzte und Philosophen, die sich auf Galen stützten und annahmen, dass Puls und Atmung den selben Zweck, Aufgabe und Bewegung hätten, aus dem Grund heraus, weil der Puls des Herzens und der Arterien für die „Kühlung“ und „Lüftung“ nicht ausreicht und deshalb sei die Lunge von Natur aus um das Herz herum angeordnet. Daraus erhellt sich, dass unsere Vorgänger, was immer sie von einer Systole und Diastole, von der Bewegung des Herzens und der Arterien gesagt haben, all dies mit gleichzeitigem Hinblick auf die Lunge geäußert haben. Da sich aber die Bewegung und der Bau des Herzens anders verhält als die der Lungen, die Arterien anders als die der Brust, daher ist es wahrscheinlich, dass daraus andere Aufgaben und Nutzen erwachsen, und dass der Puls des Herzens und ähnlich der Plus und der Zweck der Arterien sich von dem Zweck der Brust unterscheiden.“13

„ Nachdem Harvey die Gründe für seine Arbeit in den einleitenden Kapiteln dargelegt hat, legt er schrittweise seine These vor. Er beschreibt die Herzbewegung, die er in unzähligen Vivisektionen an Kalt- und Warmblütern gesehen hat, und schließt daraus, dass die aktive Phase des Herzens die Systole ist. In ihr erfolgt die Kontraktion der Muskulatur, des Herzspitzenstoßes, das Austreiben des Blutes aus den Ventrikeln. Gleichzeitig mit der Systole des Herzens erweitern sich die Arterien, sie geben einen Schlag und befinden sich in der Diastole. Dies gilt für alle großen Arterien, auch für die arteriose Vene, die Arteria pulmonalis.“14 Harvey orientiert sich bei seinen Untersuchungen an der aristotelischen Wissenschaftstheorie: die Kernpunkte dieser Theorie sind die deduktive und induktive Methode. Die deduktive Methode geht vom Allgemeinen zum Besonderen. Das „ Ziel dieser Methode ist es das Besondere aus einer Ursache abzuleiten; der Prämisse muss notwendigerweise eine Konklusion erfolgen; dann ist das Argument gültig. Als Gegenstück zur Deduktion führt Aristoteles die Induktion an, ein Erkenntnisfortschritt, der vom Einzelnen zum Allgemein führt. Doch ist der Erkenntnisfortschritt nur im Zusammenhang von Vorwissen und sinnlicher Erfahrung möglich. Die Induktion sucht nach Gemeinsamen innerhalb einer Gattung. Das Zusammenspiel von Induktion und Deduktion bewirkt, dass das Verhältnis von früheren und späteren umgekehrt: das eigentlich frühere Allgemeine wird später erkannt als das Besondere.“15

Für Harvey war es wichtig auf die inhärenten Ursachprinzipien, die die Entwicklung jedes Lebewesen leiten, Bezug zu nehmen nicht auf allgemeine Naturgesetzte. Diese Ursachprinzipien“ treten zu beginn der Embryogenese am reinsten vor.

So liegt auch der Schlüssel zum Verständnis des Kreislaufs im Nachvollzug seiner Entstehung und Entwicklung aus dem „ punctum saliens“, der ersten sich bewegenden Anlage von Herz und Blut.“16

Harvey wechselt in „De Mortu Cordis“ oft zwischen induktiven und deduktiven Argumenten, doch verzichtet er bewusst auf das Aufsuchen der obersten Prinzipien, trotzdem führt er als Beweis einen Syllogismus an ( Kap. 9. S. 56)

Blut strömt ununterbrochen durch das Herz, diese Flüssigkeit wird entweder durch Nahrung ständig neu gebildet, oder fließt im Kreis.

Doch die aufgenommene Nahrung reicht für die Menge des Blutes nicht aus;

Da die Nahrungsmenge nicht ausreicht, ergibt sich daraus, dass das Blut in Kreis fließt.

Außerdem „lassen die Venenklappen einen Blutfluss nur in eine Richtung zu. Wenn man bei venöser Stauung der Unterarmvenen die gestaute Vene direkt unterhalb einer Venenklappe nach distal ausstreicht, so bleibt die solchermaßen geleerte Vene leer. Dies bedeutet, dass die Venenklappen einen Fluss des Blutes nach distal verhindern und nur einen Fluss nach proximal zum Herzen hin erlauben.“17 An der Widmung an König Karl haben wir bereits gesehen, dass Harvey das Herz als Zentrum bzw. als Herrscher der Organe ansieht, in diesem Punkt vertritt Harvey ebenfalls eine aristotelische Idee. Das Herz steigt dadurch zum höchsten Organ, noch vor Leber und Gehirn auf, weil es den Kreislauf beherrscht. „ Vor allem aber ist es die Kreissymbolik, dir Harveys Denken und seine Schriften prägt. In der Antike Sinnbild himmlischer, ewiger Bewegung, wurde der Kreis im neuplatonischen Denken der Renaissance zu einem universalen Prinzip, dass etwa Giordano Bruno oder alchemistische Denker wie Robert Fludd bereits zu Herz in Blut in Verbindung setzen

- freilich nur in symbolischer Weise.“18

Wie schon erwähnt, stützte sich Harvey auf die Ergebnisse seiner Vorgänger, doch eine ebenso wichtige Rolle spielten seine persönlichen Beobachtungen, Erfahrungen und Experimente. „ Ohne die Erkenntnisse aus der embryonalen und tierexperimentellen Forschung, auf die Harvey in „De Mortu Cordis“ immer wieder Bezug nimmt, ist seine Entdeckung wohl nicht denkbar. (...) Oft sah man in Harveys Berechnungen der täglichen Blutauswurfmenge des Herzens den Kern seiner Entdeckung, ja den Beginn quantitativer Biologie überhaupt. Dagegen wurde eingewendet, dass Harveys quantitativer Beweis im 9. Kapitel von „De Mortu Cordis“ nicht mit dem Weg zur Entdeckung gleich zusetzten ist; dass Harvey nur 1/36 der heute als Minimum angesehenen Menge angebe und diese Berechnung, eher als Gedankenexperiment in Zusammenhang mit seinen quantitativen Überlegungen gesehen werden müsse. - Zu diesen gehören dann wesentlich Gesichtspunkte der Symmetrie und Analogie, etwa zwischen kleinem und großem Kreislauf, zwischen rechtem und linkem Herzen - Gesichtspunkte, die Harvey in „De Mortu Cordis“ auch betont; die Idee der Identität von arteriellem und venösem Blut; und schließlich teleologische Aspekte wie die Frage nach dem Zweck der von Fabricius entdeckten Venenklappen - wie Harvey in einem Gespräch mit Robert Boyle offenbart hat, gaben den entscheidenden Hinweis.“19

Der Blutkreislauf nach Harvey

In der Vorrede und im ersten Kapitel geht Harvey auf Galen ein und kritisiert folgende Punkte an seiner Theorie

- Herz und Arterien haben keine die Atmung betreffende Funktion (-> da ja die Lunge zur Kühlung diente)
- Puls und Atmung haben unterschiedliche Aufgaben ( -> beide waren zur Kühlung notwendig)
- Arterielles Blut ( -> auch wenn es mehr „spiritus“ enthält) und venöses Blut unterscheiden sich nicht wesentlich von einander
- Das Blut fliest von der rechten Herzkammer über die Lunge in die linke Kammer, es sickert nicht durch die Poren der Herzscheidewand, da diese keine Poren besitzt
- Linke und rechte Herzkammer gleichen einander strukturell und funktionell
- Ansaugung „attractio“ ist nicht die Hauptantriebskraft physiologischer Prozesse, die Ausdehnung erfolgt passiv ( Harvey vergleicht das mit dem zusammenpressen eines Schwamms)

Im 14. Kapitel fasst Harvey seine Erwägungen über den Blutkreislauf zusammen. „Nun möge es denn schließlich gestattet sein, unsere Absicht über den Blutkreislauf vorzutragen und allen Menschen vorzuschlagen. Da all dies sowohl durch Erwägungen als auch durch augenfällige Versuche festgestellt ist: dass das Blut infolge der Pulsation der Herzkammer durch die Lungen und das Herz durchgeht und in den ganzen Körper hineingetrieben und versendet wird, und dort in die Venen und in die Porositäten des Fleisches eindringt und durch die Venen selbst allseits her von der Peripherie zurückströmt und von dort in die Hohlvene und endlich zum Herzohr gelangt in so großer Menge in so mächtiger Strömung und Rückströmung von hier aus durch die Arterien dorthin und von dort durch die Venen her zurück, dass es von der aufgenommenen Nahrung nicht nachgeliefert werden kann und zwar in viel größerer Fülle ( als für die Ernährung genügt), so muss man notwendiger Weise schließen: das Blut bewegt sich bei Lebewesen in einem Kreise, vermöge einer gewissen Kreisbewegung und es ist in immerwährender Bewegung, und dies ist die Tätigkeit bzw. Betätigung des Herzens, die es mittels seines Pulses zustande bringt, und überhaupt: die Bewegung und der Schlag des Herzens sind die einzige Ursache.“20 Also das Blut strömt von der Linken Herzkammer in den Vorhof. Von dort über die Aorta in die Arterien, von den Arterien in die Peripherie, von der Peripherie venös in die rechte Herzkammer (<- großer Kreislauf). Von der rechten Herzkammer in den Vorhof, von dort in die Lunge und von der Lunge zurück in die linke Herzkammer (<- kleiner Kreislauf). Die Bewegung des Blutes, also der Blutkreislauf erscheint Harvey zunächst nicht als eine natürliche Kreisbewegung „wie sie nach antiker Auffassung den Himmelskörpern zukam.“21 Der Blutkreislauf Hat bei Harvey einen gewaltsamen Charakter, den er zur Unterscheidung vom gemächlichen Säftefluss der alten Physiologie (<- Humoralphysiologie: Symmetrie zwischen den vier Säften Schleim, Blut, schwarze und gelbe Galle) betont.

Harvey illustriert die schlagartige Ausbreitung des Herzimpulses anhand eines

Handschuhes, dessen Finger sich beim aufblasen aufstellen. Doch es zeigt sich, dass diese gewaltsame Ausbreitung auf arterieller Seite beschränkt bleibt, je weiter das Blut in die Peripherie fortschreitet, desto schwächer wird der vom Herzen verliehene Puls.

„ Das Blut ist für Harvey nicht eine träge Masse im Sinne der newtonschen Physik, sondern eine - eigenwillige Masse -, mit einer der Oberflächenspannung des Wassers vergleichbaren zentripetalen Tendenz, die zu überwinden das Herz erforderlich ist.“22 Harvey verstrickt sich sichtlich in einen Widerspruch, indem er einmal sagt, dass das Blut zum Zentrum des Körpers hin strömt, so wie jede andere Flüssigkeit, zum Zentrum der Welt hin fliest, und an anderer Stelle spricht er von einer hin und her Tendenz des Blutes spricht.

Die Herzbewegung

Von den Vorhöfen erhalten die Herzkammern das Blut, zwischen beiden

Kontraktionen“ liegt ein Moment der Ruhe, so dass das Herz gewaltsam erregt, der Bewegung zu antworten scheint. Das wird noch deutlicher am sterbenden Herzen eines Tieres. Es antwortet nicht mehr auf jede Kontraktion, sondern nur noch mit Mühe - erweckbar - auf jede zweite oder dritte, bis die Vorhöfe schließlich allein weiter schlagen. Wenn die Kammern also nicht der letzte Bewegungsursprung des Kreislaufs sind, sondern abhängig von der Vorhofaktion, dann stellt sich die Frage, ob nicht auch die Vorhöfe einer anderen Bewegung antworten, nämlich der des Blutes.“23 Harveys Beobachtungen über die Funktion der Vorhöfe lieferten eine neue Erkenntnis, die für das Verständnis der Herzfunktion von großer Bedeutung waren. Bis zu diesem Zeitpunkt galten die Vorhöfe („Herzohren“) als unnütze Anhängsel der Kammern. Harvey erkannte die eigenständige Bewegung der Vorhöfe, die nur bei verlangsamtem Herzschlag für das Auge frei erkennbar ist. Die Kontraktion der Herzkammer folgt auf die Kontraktion des Vorhofes, die Herzkammer scheint zu „ antworten“. „ Das wird noch deutlicher an sterbenden Herzen eines Tieres: es antw3ortet nicht mehr auf jede Vorhofaktion, sondern, nur noch mit Mühe „erweckbar“, auf jede zeeite oder dritte, bis die Vorhöfe schließlich allein weiterschlagen.“24 Harvey erkannte, dass die Kontraktion des Herzens vom rechten Vorhof ausgeht, dass dieser eine eigenständige Kontraktion zeigt und er entwicklungshistorisch der erste Teil des Herzens ist. In diesen Punkt stimmt Harvey wieder mit Aristoteles überein und sieht sich philosophisch bestätigt, insofern als er feststellt: „ die Natur zieht sich beim sterben wieder dorthin zurück, wovon sie ausgegangen ist, als ob sie auf dem Rückweg vom Ziel zum Startplatz zurückkehren würde. Das, was bei Lebewesen zuletzt entsteht versagt zuerst und das, was zuerst entstanden ist zuletzt. (...) Der Ursprung für die Kontraktionsenergie und damit für die Aktion des Herzens liegt im rechten Vorhof.“25 Obwohl es Harvey nicht um mechanische Probleme, sondern um die Frage nach dem „punctum saliens“ geht, wendet er sich im 5. Kapitel, doch der mechanischen Sicht der Herbewegung zu. Er vergleicht die Herzbewegung mit der Mechanik eines Gewehrgeschosses, durch Betätigung des Auslösers, kommt nach einer Reihe von Folgewirkungen ein Schuss zustande; er vergleicht die Herzbewegung auch mit dem Ineinandergreifen eines Räderwerks. Er möchte mit diesen Vergleichen das harmonische Bewegungsgefüge von Vorhof und Ventrikel illustrieren. „ In ihren Bewegungen besteht gleichsam Harmonie und Rhythmus, so dass beide zugleich gesehen als eine Bewegung erscheinen.“26 Wärme entsteht durch Reibung, und laut Harvey wird durch die Reibung des Blutes an der Wand des rechten Vorhofs dieser gefüllt. Diese Wärme führt zu einer Volumenausdehnung. „ Die Volumenausdehnung führt zu einer Wandheizung (irritari) mit einer erweiterten Faser. Hierdurch wird die Kontraktion der Vorhofwand ausgelöst (excitari). Letztes Energieprinzip ist die eingeborene Wärme ( calor innatus), welche durch Reibung entsteht und Bewegung auslöst.“27

Das Blut

Der Puls, mit dem das Herz das Blut bewegt und die virtus, die das Blut vor Fäulnis und Stockung schützt sind dem Herzen eigen. Das Blut ist von Stockung und Fäulnis bedroht, wenn es in die Peripherie vordringt. Erst wenn das Blut wieder das Herz durchströmt, wird es mit dem belebenden calor und Spiritus angereichert. Calor und spiritus sind die Voraussetzungen für die Eigenbewegung des Blutes. Doch der calor innatus hat bei Harvey nicht den Charakter eines Feuers, die Galens Ansicht eines Herzfeuers ist mit der Anatomie dieser Zeit nicht mehr vereinbar, diese Wärme ist auf die enorme Geschwindigkeit der Blutbewegung zurückzuführen. „ Harvey orientiert sich auch hier an Aristoteles, der eine einfache Übernahme des Feuerelements in die Physiologie ablehnt. „De Respiratione“ beschreibt die Herzwärme als ein Aufschäumen, nicht aber Verbrennen des Blutes, aus seiner Verdampfung entsteht das Pneuma. Auch in „De Gerneratione Animalium“ hebt Aristoteles die dem Samen und dem Blut inhärente Wärme vom Feuer ab und bringt sie mit dem Pneuma in Verbindung, das nicht mehr einem irdisches Element, sondern dem Urstoff der Himmelskörper entspricht, dem Äther. Dessen Wesen aber ist die Selbstbewegung und zwar die Kreisförmige. Das letzte stoffliches Prinzip der Entstehung und Bewegung der Lebendigen kann nicht mehr irdisch- elemtarer Natur sein.“28 Harvey bestätigt in „De Generatione“ diese nichtphysikalische Natur von Samen und Blut. Das Herz als Wärmequelle ist für die gleichmäßige Verteilung der Wärme des Blutes nötig, und deshalb muss das Herz als Wärmespender im Zentrum des Körpers liegen. Die Körperwärme wird durch die Bewegung des Blutes erzeugt. Das Blut selbst braucht diese Bewegung um nicht zu gerinnen, dies droht in der Peripherie zu passieren. Das Blut braucht einen kräftigen Anstoß durch das Herz um wieder belebt in die Arterien gepumpt zu werden. „ Daher ist die arterielle Seite des Kreislaufs gekennzeichnet durch Wärme und kraftvolle Beweglichkeit des Blutes; im Zustand des Fiebers wird der Puls stärker und heftiger, er schiebt sich weiter in die Peripherie vor und lässt dann in den Fingern tasten. Doch nimmt seine Kraft ab mit der Entfernung vom Bewegungsorgan und in der kalten Peripherie wird das Blut kälter und erschöpft. Der Kreislauf weißt als mit dem hydraulischen auch ein qualitatives Gefälle auf; und die zentripetale Spannung des Blutes ist nichts anderes als sein Bestreben, sich selbst zu erhalten.“29 Der gewaltsamen Blutbewegung liegt eine natürliche voraus.

Das Schlagvolumen

Harvey erkannte, dass das Schlagvolumen keine Konstante ist, sondern das es abhängig von der Körperfunktion ist. Bei körperlicher Anstrengung kommt es zu einer Zunahme des Schlagvolumens, hingegen kommt es bei „ statischer Arbeit mit Vasalvamanöver (etwa beim heben von Gewichten) zu einer drastischen Abnahme des Schlagvolumens, weshalb gerade diese Übungen bei herzkranken Patienten zu vermeiden sind. (...) Er erkannte richtig, dass quantitative Veränderungen des Blutflusses vor dem Herzen und des Blutflusses nach dem Herzen jeweils zu Änderungen der Funktion des Herzens selbst führen. Genau dies aber gehört zur häufigen Therapie der Herzinsuffizienz.“30

„ Harvey stand im wissenschaftlichen Gespräch dieser Zeit, beeinflusst vor allem von seinem Lehrer Fabricius ab Aquapendente.“31 Er verstand es, die vielen Argumente dieser Zeit umzusetzen, und die Medizingeschichte zu revolutionieren. „ Gedanken und Überlegungen, die im Zeitgeist lagen, haben ihn sicher unterstützt und zu seinen neuartigen Versuchen angeregt. So hatte schon 1571 Andrea Cesalpino die Kontinuität der arteriellen und venösen Blutströmung gelehrt und sogar von seinem Kreislauf -circulatio- gesprochen, freilich in einem ganz anderem, in einem chemischen-alchemistischen Sinn einer Destillation, die das Blut immer wieder in der Lunge durchmache.“32

Als Harvey 1628 sein Buch “Die Bewegung des Herzens und des Blutes „

veröffentlichte, waren einige Punkte die für seine Entdeckung wichtig, oder hilfreich hätten sein können noch nicht bekannt, oder unklar formuliert, z.B. die präzise Kenntnis des Kapillarkreislaufs, die Lungenfunktion, der Blutdruck u.ä.. Mit der Beschreibung des Kapillarkreislaufs, durch den italienischen Anatomen Marcello Malpigi, der 1661 die Schrift „De Pulmonibus“ ( eine mikroskopische Studie der Lunge) veröffentlichte, wurde die letzte Lücke, die bei der Beweisführung Harveys noch fehlte geschlossen. Malpigi gilt auch als Begründer der mikroskopischen Anatomie, die eine Erkenntnistheoretische Wende zu folge hatte.

Neue Therapiemöglichkeiten

Die Entdeckung des Blutkreislaufs erschloss neue Therapiemöglichkeiten, bisher beschränkte man sich auf verschiedene Formen der Aderlass-Behandlungen. Die Idee eines Blutkreislaufs forderte den logischen Schluss, das in das Blut eingebrachte Medikamente unabhängig von ihrem Anwendungsort wirksam sein müssten. Dies war der Beginn der intervenöse Injektion und der Infusion im 17. Jahrhundert. Erstmals führte der englische Mathematiker und Astronom Wren mitte des 17. Jahrhunderts eine intervenöse Injektion bei Hunden durch. Er injizierte den Hunden Alkohol um eine Überdosis anzuzeigen. Ein Militärarzt aus Berlin führte als erster eine intravenöse Injektion 1664 beim Menschen durch. Doch auf Grund nicht nutzbringender Medikamente kam man wieder von dieser Therapieform ab, erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese Form der Therapie wieder aufgegriffen. „ Naheliegend war nach der Entdeckung des Blutkreislaufs die Anwendung von Bluttransfusionen bei Krankheiten aller Art. 1666 wurde von R. Lower erstmals eine Bluttransfusion zwischen Tieren durchgeführt, 1667 übertrug Jean Baptiste Denis in Paris Blut vom Tier (Schaf) auf den Menschen. (...) Teilweise versuchte man es mit einer Kombination von Aderlasstherapie und Blutübertragungen vom Tier auf den Menschen, jedoch ohne Erfolg, sodass man alsbald wieder zur reinen Form der Aderlasstherapie zurückkehrte und alles wieder unter Obhut der Tierkreise stellte.

(...) Wegen erheblicher Nebenwirkungen und tödlichen Komplikationen wurde die Therapieform der Bluttransfusion in Frankreich alsbald unter Strafe gestellt, anschließend bis zur Entdeckung der Blutgruppenspezifität 1901 durch Karl Landsteiner nicht weiter durchgeführt. (...) Es bleibt festzuhalten, dass die durch die Kreislaufentdeckung gewonnene Therapieform intervenöser Injektionen und Transfusionen noch im 17. Jahrhundert wieder verlassen wurde, wegen Mangel an brauchbaren Medikamenten, sowie wegen Unkenntnis der Blutgruppenspezifität bei der Übertragung von Blut.“33

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312 296

Die Entdeckung des Blutkreislaufs

704 924 Seminar für neuere Geschichte:

Wissenschaft, Weltbild und Gesellschaft im 15. und 16. Jahrhundert, bei Ao. Uni. Prof. H. Grössing

SoSe 2000

Bibliographie

- Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten, Altertum. Mittelalter und Neuzeit“, Frankfurt/Main 1992
- Erwin H. Ackerknecht, „Geschichte der Medizin“, Stuttgart 1979
- Thomas Fuchs, „ Die Mechanisierung des Herzens, Harvey und Descartes- Der vitale und mechanische Aspekt des Kreislaufs, Frankfurt/Main 1992
- „Klassiker der Medizin I, Von Hippokrates bis Hufeland, Hrsg. Dietrich v. Engelhardt, Fritz Hartmann, München 1991
- Heinz Schott, „ Die Chronik der Medizin“, unter Mitarbeit von Ingo Willhelm Müller, Volker Roelcke, Babara Wof-Baum, Hans Schadewaldt, Augsburg 1997
- William Harvey, Die Bewegung des Herzens und des Blutes,
- Peter Kunzmann, Franz-Peter Burkard, Franz Wiedmann, „ dtv-Atlas zur Philosophie, 6. Auflage, 1991 München

[...]


1 Erwin H. Ackerknecht, „ Geschichte der Medizin“, S. 100

2 „Klassiker der Medizin I“, S. 141

3 Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten“, S. 34

4 Thomas Fuchs, „Die Mechanisierung des Herzens“, S.37

5 Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten“, S. 34

6 Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten“, S. 40

7 Heinz Schott, „ Die Chronik der Medizin“, S. 161

8 Heinz Schott, „ Die Chronik der Medizin“, S. 161

9 „Klassiker der Medizin I“, S. 131

10 William Harvey, „ Die Bewegung des Herzens und des Blutes“, 1920 S. 11

11 ebenda S. 12

12 Harvey 1S. 13

13 ebenda S. 16

14 „Klassiker der Medizin I“, S. 137

15 Peter Kunzmann, Franz-Peter Burkard, Franz Wiedmann,“ dtv-Atls zur Philosophie S. 47

16 Thomas Fuchs, „Die Mechanisierung des Herzens“, S. 44

17 Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten“, S. 56, 57

18 Thomas Fuchs, „Die Mechanisierung des Herzens“, S. 56

19 Thomas Fuchs, „Die Mechanisierung des Herzens“, S. 55

20 William Harvey, „ Die Bewegung des Herzens und des Blutes“, 1920 S. 78

21 Thomas Fuchs, „Die Mechanisierung des Herzens“, S. 58

22 Thomas Fuchs, „Die Mechanisierung des Herzens“, S. 59

23 ebenda S.60

24 ebenda S. 60

25 Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten“, S. 60, 61

26 Thomas Fuchs, „Die Mechanisierung des Herzens“, S. 63

27 Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten“, S. 61

28 Thomas Fuchs, „Die Mechanisierung des Herzens“, S. 66

29 ebenda S. 68

30 Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten“, S. 62

31 „Klassiker der Medizin I“, S.141

32 ebenda S. 141

33 Joachim Staiger, „Herz und Kreislauf im Wandel der Zeiten“, S. 69, 70

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Entdeckung des Blutkreislaufs
Hochschule
Universität Wien
Autor
Jahr
2000
Seiten
16
Katalognummer
V101302
ISBN (eBook)
9783638997195
Dateigröße
417 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entdeckung, Blutkreislaufs
Arbeit zitieren
Catherine Cech (Autor:in), 2000, Die Entdeckung des Blutkreislaufs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101302

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