Lessing, G. E. - Nathan der Weise - Inwiefern ist das Werk ein Werk der Aufklärung


Referat / Aufsatz (Schule), 1999

10 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Gliederung

A) Erklärung der Menschenrechte

B) Inwiefern ist Lessings „Nathan der Weise“ ein Werk der Aufklärung?
I) Inhalt
1) Inhaltsangabe
2) Bezug zur Aufklärung
II) Form
1) dramatisches Gedicht
2) Ideendrama
3) Blankvers
4) Ringparabel
III) Tempelherr
1) Vorurteile
2) Rechtsempfinden
3) Entwicklungsfähigkeit
IV) Nathan
1) Menschlichkeit
2) Erziehungsmethode
3) Vernunft
V) Aussage
1) Belehrung
2) Kritik an Kirche und Staat
3) Erziehung
4) Humanität
5) Toleranz

C) Utopie der Gleichheit aller Menschen?

Die Erklärung der Menschenrechte

„Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Unterricht, Ausübung, Gottesdienst und Beachtung religiöser Bräuche zu bekunden.“1

Bis es am 10. Dezember 1948 zur Allgemeinen Erklärung der Menschen- rechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen kam, war es ein weiter Weg, der seinen Ursprung im Zeitalter der Aufklärung hat. Dieser, um 1700 auch in Deutschland auftretenden, Epoche sind Schlagworte wie „Vernunft“, „Erziehung“ und „Freiheit“ zuzuordnen. Um die Menschen aus ih- rer Unterdrückung durch Kirche, Militär und den Adel zu befreien, war vor al- lem das eigenständige Denken wichtig, das Hinterfragen von Kirchenlehren und Staatsideologien, das schließlich auch zur Französischen Revolution im Jahre 1789 führte. Dabei kämpfte das Volk für liberté ( Freiheit ), égalité

( Gleichheit ) und fraternité ( Brüderlichkeit ). Auf diese Begriffe gründet sich unsere heutige Gesellschaftsform. Um diese neuen Vorstellungen allerdings im Volk zu verbreiten, bedurfte es aufklärerischer Schriften wie Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ aus dem Jahre 1779.

Inhalt

Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge: Der Jude Nathan lebt hier mit seiner Tochter Recha und ihrer christlichen Gesellschafterin Daja. Der Herrscher der Stadt ist Sultan Saladin, der einen gefangengenommenen Tempelherrn, entgegen aller Gewohnheit, nicht hinrichten lässt, da er ihn an seinen Bruder Assad erinnert. Bei einem Brand in Nathans Haus rettet der Tempelherr Recha aus den Flammen. Da ihr Vater nicht anwesend ist, schickt das Mädchen Daja um dem Tempelritter zu danken. Dieser verschmäht ihren Dank, da er aus seiner Sicht ja nur ein Judenmädchen gerettet hat.

Nach Nathans Rückkehr gelingt es ihm, in einem Gespräch mit dem Tempel- ritter Freundschaft zu schließen und dieser erklärt sich zu einem Besuch bei Recha bereit.

Inzwischen hat der Sultan nach Nathan schicken lassen. Nathan erwartet eigentlich eine Bitte um Geld, doch der Sultan (Islam) stellt ihm (dem Juden) die verfängliche Frage nach der rechten Religion. Eine direkte Antwort umgehend, erzählt Nathan die Ringparabel:

Ein Vater besitzt einen Ring, der vor Gott und den Menschen angenehm macht. Diesen soll er an den Liebsten seiner Söhne weitergeben. Da sein Tod naht und er sich nicht zwischen seinen drei Söhnen entscheiden kann, lässt er zwei weitere Ringe fertigen, die dem Ersten zum Verwechseln ähn- lich sind, gibt jedem seiner Söhne heimlich einen davon und stirbt. Da nun jeder der Söhne, seiner Meinung nach, der Nachfolger des Vaters ist, ent- brennt zwischen ihnen Streit. Als man den echten Ring nicht ermitteln kann, gehen sie vor einen Richter. Dieser vermag das Rätsel nicht zu lösen und so gibt er ihnen statt des Urteils einen Rat: Durch die Kraft des Ringes müssten zwei von den Brüdern einen am meisten lieben, da dies nicht der Fall ist, sol- len sie die Echtheit des Ringes durch Taten beweisen und wenn sich der Ring bei ihren Nachfahren ermitteln lässt, sollen sie wieder vor diesen Richterstuhl kommen.

Nathan vergleicht also Gott mit dem liebenden Vater und die Söhne sind die drei monotheistischen Religionen. Da nun Gott jeder einen Ring gegeben hat, die man nicht unterscheiden kann, soll sich auch kein Mensch ein Urteil über die Echtheit der Religionen anmaßen.

Saladin erkennt nun die Weisheit Nathans an und möchte mit ihm Freund- schaft schließen. Der Tempelherr, der sich zwischenzeitlich in Rechas Schönheit und Klugheit verliebt hat, bestürmt Nathan, ihm seine Tochter zur Frau zu geben. Jener reagiert jedoch bedächtig und zurückhaltend auf sein Werben, da er eine vage Vermutung in Bezug auf die Familie des Tempel- herren hat. Daja verrät dem beleidigten jungen Mann nun das Geheimnis von Rechas Abstammung: sie ist eine getaufte Christin und von Nathan nur an Kindes Statt angenommen. Der Tempelherr schaltet hierauf den Patriarchen von Jerusalem ein, der ihm versichert, dass der Jude für dieses Vergehen nur mit dem Scheiterhaufen bestraft werden kann. Mit dieser Tatsache kon- frontiert, besinnt sich der Tempelritter und verschweigt Nathans Namen. Der Patriarch gibt sich jedoch nicht so einfach zufrieden und schickt den Kloster- bruder Bonafides um Nachforschungen anzustellen. Dieser erinnert sich, einst dem Juden Nathan, der seine Frau und sieben Söhne in einer Pogrom- nacht durch rasende Christen verloren hatte, ein Christenkind anvertraut zu haben. Nun sucht er ihn auf und gemeinsam lüften sie die Herkunft Rechas. Daja hat unterdessen auch Recha berichtet, Nathan wäre nicht ihr Vater und das verzweifelte Mädchen sucht bei Sittah, der Schwester Saladins, Trost. Saladin, der zwischen dem Tempelherren und Nathan vermitteln möchte, bit- tet sie beide zu sich und hier bringt Nathan nun alle Familienbanden ans Licht: Recha, alias Blanda von Filnek, ist die Schwester des Tempelherrn, a- lias Leu von Filnek. Ihr beider Vater ist Assad ( Wolf von Filnek ), der Bruder von Saladin und Sittah, womit die Geschwister nun auch Onkel und Tante haben und alle drei Religionen in dieser Familie vertreten sind.

Schon an der Besetzung dieses Werkes erkennt man den aufklärerischen Charakter. Lessing lässt alle drei großen monotheistischen Religionen, Ju- dentum, Christentum und Islam, bezeichnenderweise im Heiligen Land auf- einandertreffen. Nach anfänglichen Vorurteilen: „Verachtet Mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide Uns unser Volk nicht auserlesen.“ ( V 1300 ff ) kommt es schließlich zu Freundschaften über alle Schranken hinweg, wie man an folgendem Ausspruch Nathans deutlich erkennen kann: „Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, Als Mensch? Ah! Wenn ich einen mehr in Euch Gefunden hätte, dem es gnügt, ein Mensch Zu heißen!“ ( V 1310 ff ) Lessing geht sogar noch einen Schritt weiter und bringt diese drei Religionen in einer Familie zusammen. Das Thema „Toleranz“ der Aufklärung tritt hier ganz deutlich hervor, denn Lessing stellt das Menschsein über die Religionszugehörigkeit.

Form

Lessing selbst bezeichnete sein Werk als „dramatisches Gedicht“, da es sowohl komische, z. B. das Benehmen des Patriarchen, als auch tragische E- lemente, wie der Tod von Nathans Frau und Söhnen, besitzt und damit ein dramatischer Zwitter ist.

Das Ziel einer Komödie ist es, den Zuschauer durch Lachen zu bessern, bei einer Tragödie wird dieselbe Wirkung durch „éleos“ (= Jammer) , „phóbos“ (= Schaudern) und „Katharsis“ (= Reinigung) erzielt, bei Nathan ist jedoch weder das eine noch das andere der Fall.

Es lag zunächst nicht in der Absicht Lessings, das Stück auf die Bühne zu bringen, sondern er wollte lediglich seinen Streit mit Goeze fortsetzen, wie man bei Barner2nachlesen kann: „Die optimistische Entwicklungsidee der Erziehung des Menschengeschlechts soll in dramatisierter Form vermittelt werden. Das Drama als publizistisches Medium, als dialogisierter Traktat, tritt an die Stelle jener Publikationsformen ( Zeitschriftenartikel, Rezensionen, Polemiken ), deren Verwendung Lessing durch den Eingriff der Zensur ver- wehrt war.“

Man bezeichnet dieses Werk auch als Ideendrama, da Handlung, Charaktere und Sprache auf eine Idee, nämlich die der Toleranz, bezogen sind. Außer- dem stammt der Stoff eines Ideendramas meist aus der Mythologie oder Ge- schichte und auch diese Bedingung ist erfüllt, da Lessing sich historische Gestalten wie den Sultan Salah - ed - Din für Saladin und den Patriarchen Heraklius für den Patriarchen von Jerusalem als Vorbild nahm. „Nathan der Weise“ ist ein Versdrama mit sogenannten Blankversen. Dieser reimlose Vers beruht auf dem fünfhebigen Jambus und ist durch häufige En- jambements gekennzeichnet. Lessing machte den vorher wenig bekannten, zum gebräuchlichsten Vers des klassischen Dramas.

Doch das wohl auffälligste formale Element ist die Parabel in der Mitte des Stückes. Lessing bediente sich hier bei G. Boccaccios „Il Decamerone“ und setzte die Ringparabel in einen neuen Zusammenhang. Die ganze übrige Handlung ist kunstvoll um die Parabel herum geschrieben, so dass sie den Kern des Stückes bildet.

Bezeichnend für eine Parabel ist die Tendenz zum Lehrhaften und ihr Auffor- derungscharakter an den Leser. Durch diese Eigenschaften ist die Parabel eine nahezu perfekte Ausdrucksform in der Aufklärung, denn es war ja das Ziel der Aufklärer eine breite Schicht der Bevölkerung zu unterrichten.

Tempelherr

Eine der wichtigsten Figuren stellt der Tempelritter dar. Er ist zunächst sehr stolz und voreingenommen gegenüber dem Juden Nathan, wie man an die- ser Textpassage bemerkt: „Wenn zu danken: - spart’s! Ich hab um diese Kleinigkeit des Dankes schon zuviel erdulden müssen. [...] wenn’s auch nur Das Leben einer Jüdin wäre.“ ( V 1210 ff ). Er besitzt jedoch auch Vorausset- zungen für ein aufgeklärtes Denken, da er seiner Religion, obwohl er Tem- pelherr ist, nicht bedingungslos gehorcht. Er lehnt es beispielsweise ab, den Saladin auf Befehl des Patriarchen zu töten: „Was wäre da Wohl leichter, als des Saladins sich zu Bemächtigen? den Garaus ihm zu machen? [...] Gott aber und der Orden... Ändern nichts! Gebieten mir kein Bubenstück!“ ( V 670 ff)

Sein natürliches Rechtsempfinden und seine Jugend machen ihn empfäng- lich für die Denkweise Nathans und unter dessen Einfluss entwickelt er sich so weit, dass er den Menschen über die Religion stellt, als er sich in Recha verliebt: „So - liebt der Tempelritter freilich, - liebt Der Christ das Judenmäd- chen freilich. - Hm! Was tut’s? [...] Ich hab in dem gelobten Lande - Und drum auch mir gelobt auf immerdar! - der Vorurteile mehr schon abgelegt!“ ( V 2130 ff ) Und obwohl er durch seine geringe Lebenserfahrung noch recht hitzköpfig und impulsiv ist, was man daran sieht, dass er sofort zum Patriarchen läuft als er sich von Nathan verraten fühlt, erkennt er doch die Grausamkeit und Verlogenheit des Kirchenführers, was folgende Stelle belegt: „Denn ist Nicht alles, was man an Kindern tut, Gewalt? - Zu sagen: - ausgenommen, was die Kirch‘ An Kindern tut. [...] Tut nichts! der Jude wird verbrannt!“ ( V 2540 ff ) und besinnt sich noch rechtzeitig auf sein Gewissen, da er Nathans Namen nicht verrät um das Schlimmste abzuwenden.

In seiner Entwicklungsfähigkeit erweist sich der Tempelherr als christlich geprägter Schüler des Juden Nathan.

Lessing führt damit dem Leser einen Charakter vor, der unvollkommen und mit Fehlern behaftet ist, sich aber durch Aufgeschlossenheit, Nachdenken und die Beeinflussung eines Aufklärers zu einem passablen Vertreter aufklärerischer Ideen entwickelt und so ein Beispiel für die eigenen Fortbildungsmöglichkeiten des Lesers gibt Nathan „Nathan der Weise“, schon der Titel verrät die Hauptfigur des Stückes. Der Jude Nathan personifiziert das Idealbild eines Menschen. Mit ihm stellt Les- sing dem Leser eine Figur vor, die bedingungslos nach den Ideen der Aufklä- rung lebt.

Nathan hat sich nach dem Verlust seiner gesamten Familie, obwohl er „der Christenheit den unversöhnlichsten Hass zugeschworen“ ( V 3050 ff ) wieder auf seine Vernunft besonnen, da ja alles Gottes Wille ist, und ein Christen- kind wie seine eigene Tochter großgezogen. Nathan versinkt nicht in seinem Groll und Hass, sondern stellt sich dem Leben und rettet aus Mitgefühl einem unschuldigen Kind, auch wenn es nicht seiner Religion angehört, das Leben. So erfüllt er das erste Gebot der Aufklärung, nämlich die Humanität. An diesem Kind wird nun ein weiteres Anliegen der Aufklärer verdeutlicht: die Erziehung. Nathan ist auch hier wieder ein vorbildlicher Charakter. Indem er „das Mädchen nicht sowohl in seinem, als Vielmehr in keinem Glauben auf- erzogen, Und sie von Gott nicht mehr nicht weniger Gelehrt, als der Vernunft genügt.“ lebt er die richtige Erziehungsmethode vor. Erziehung soll den Men- schen zum Nachdenken, zum Verantwortungsbewusstsein, zur Freiheit und vor allen Dingen zur Vernunft verhelfen. Descartes bringt dieses mit seinem Satz „cogito ergo sum“ auf den Punkt, „der besagt, dass nach vorausset- zungsloser Erkenntnis gestrebt wird und nur das als richtig anerkannt werden kann, was durch die eigene Vernunft erschlossen wird.“3

Niemand soll sich einfach so in Denkschemata oder Gesellschaftsnormen pressen lassen, wenn er es nicht mit seiner Vernunft vereinbaren kann. Dazu gehört es auch, seine Religion nicht einfach als Offenbarungsglauben hinzunehmen, sondern zu hinterfragen und auch zu kritisieren. Nathan geht auch hier mit gutem Beispiel voran, als er nämlich vom Sultan mit der Fest- stellung: „Von diesen drei Religionen kann doch eine nur die wahre sein. Ein Mann, wie du, bleibt da nicht stehen, wo der Zufall der Geburt ihn hingewor- fen: oder wenn er bleibt, bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern.“ ( V 1840 ff ) konfrontiert wird, antwortet er mit der Ringparabel. Er erklärt damit dem Sultan, dass alle Religionen ihre Daseinsberechtigung von Gott haben und sich die einzelnen Mitglieder der Religionen gegenseitig achten und tolerieren sollen, denn nur durch ihr Verhalten können sie vielleicht eines Tages ihrem Glauben dazu verhelfen, als der Beste anerkannt zu werden.

Aussageabsicht

„Das Wort Aufklärung nahmen die Schriftsteller ernst und ganz wörtlich.

Dichtung sollte den Leser und den Theaterbesucher aufklären, wie es mit der Welt stand, was er falsch sah und wann er sich falsch verhielt.“4Zu allererst will Lessing also ein möglichst großes Publikum belehren. Dies erreicht er, indem er den Menschen die Offenbarungsreligionen, ihre Un- menschlichkeit und Kälte, vor Augen führt. Das Christentum ist durch Daja vertreten, die in ihrem blinden, religiösen Eifer fanatisch alles dafür tut, einen anderen zu bekehren, sogar den Tod von Nathan nimmt sie in Kauf. Auch der zweite Vertreter des Christentums, der Patriarch von Jerusalem, zeigt keinerlei christliche Nächstenliebe: „Tut nichts! Der Jude wird verbrannt!“ ( V 2550 ff ) Hier wird Lessings Kritik an der Kirche ganz deutlich und er ver- tritt die Forderungen seiner Zeitgenossen nach einer Verbesserung im Straf- vollzug und einem Ende der Hexenverbrennungen, er fordert seine Mitmen- schen auf, nicht alles einfach so hinzunehmen, wie sie es von den geistlichen Herrschern vorgesetzt bekommen.

Weiter prangert er den Prunk und die Verschwendungssucht der weltlichen und geistlichen Herrscher an, indem er den Patriarchen, der eher der Böse- wicht des Stückes ist, „mit allem geistlichen Pomp“ ( V 2450 ff ) erscheinen lässt, Sultan Saladin hingegen, eine sympathische Figur, versucht mit dem von Nathan geliehenen Geld vernünftig umzugehen: „Zwar Man wird wohl endlich hart; und nun gewiß Soll’s Künste kosten, mir viel abzuzwacken.“

( V 2600 ff ). In der Zeit des Absolutismus, als die Macht eines Herrschers nur nach seinem Prunk bemessen wurde und auch all die barocken, üppigen Kirchen entstanden, war das einfache Volk, das dies ja alles mit Steuern fi- nanzieren musste, oft am Ende seiner Möglichkeiten. Barner5ist der Auffas- sung, Lessing vertrete die konstante Formel der aufklärerischen Staatsphili- sophie, d. h. die Kritik am beträchtlichen Geldverbrauch der Höfe. „Eine Selbstverwirklichung des Menschen in der etablierten ständischen Ordnung war nicht möglich, vielmehr bedurfte es dazu einer neuen, herr- schaftsfreien, bürgerlichen Gesellschaft, in der die gleichen Freiheiten für alle galten, Vorstellungen, die bereits auf die Französische Revolution und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hindeuten.“6Dies alles verdanken wir den Ideen der Aufklärung.

Neben all den Beispielen für Missstände gibt Lessing jedoch auch gleich ein Vorbild für guten Lebenswandel: „Die Kunstfigur Nathan wird zu Idealgestalt der Aufklärung; was er verkündet, ist das Credo der Naturreligion, das Ethos reiner Menschlichkeit“7. Lessing möchte, dass seine Leser sich ein Beispiel an der Erziehungmethode von Nathan nehmen, und somit ihren Kindern eine liebevolle Erziehung angedeihen lassen, die vor allem das eigenständige Denken fördert und nicht auf bedingungslosen Glauben abzielt.

Das Heranwachsen unter solchen Bedingungen ist auch gleichzeitig die Ba- sis für ein mitfühlendes Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen. Dem Publikum wird nahegelegt, aus der engstirnigen Denkensweise der Kirche auszubrechen und in anderen Menschen eben nur die Menschen und nicht ihre Religionszugehörigkeit oder Hautfarbe zu sehen, wie es Nathan beweist: „Ich weiß, wie gute Menschen denken; weiß, daß alle Länder gute Menschen tragen. [...] An Farb, an Kleidung, an Gestalt verschieden.“ ( V 1270 ff ) Es kommt nur darauf an, was ein Mensch in seinem Innersten fühlt und wie er handelt. Deshalb ist es auch von zentraler Bedeutung, dass sich die Men- schen ohne Vorurteile und Misstrauen begegnen, so dass sie immer brüder- lich handeln.

Damit kommt man sogleich auf das Hauptanliegen des Autors. Die Toleranz. Ohne Toleranz ist das Nebeneinander der verschiedenen Religionen nicht vorstellbar, wie man es an den zahllosen, im Namen Gottes geführten, Kreuzzügen sehen kann. Immer waren und sind die drei großen Religion der Meinung, sie besitzen den Unfehlbarkeitsanspruch und somit können nur sie allein auf dem Pfad Gottes wandeln.

Das gesamte Werk ist ein einziger Appell Lessings für Verständnis und Akzeptanz anderer Sitten und Gebräuche, damit ein besseres und toleranteres Zusammenleben aller Menschen in Zukunft gewährleistet wird.

Utopie der Gleichheit aller Menschen?

„Nathan der Weise“ besitzt auch heute noch verblüffende Gültigkeit. Der Traum von der Einheit der drei Religionen ist bis heute nicht Realität gewor- den. Das wohl erschreckendste Beispiel für Völkerhass lieferten die Deut- schen im 2. Weltkrieg, als Millionen von Juden und andere „ nicht arische“ Rassen ihr Leben in Konzentrationslagern lassen mussten. Doch auch 50 Jahre danach gibt es immer noch kriegerische Auseinandersetzungen, die von ethnischen Säuberungen, wie jüngst im Kosovo geschehen, begleitet werden.

Es muss jedoch nicht immer gleich ein großer Krieg sein, auch der Fremdenhass, der sich in Friedhofsschändungen wie sie in Guben vor rund einer Woche verübt wurden, äußert, ist ein Zeichen dafür, dass die Welt noch lange kein Paradies ist und somit die Gleichheit aller Menschen wohl noch für lange Zeit eine Utopie bleiben wird.

Leicht kann man das Resümee ziehen: die Menschen haben in Jahrhunder- ten von Tod und Zerstörung nichts dazugelernt, sie sind einfach nicht fähig friedlich nebeneinander zu leben, in gegenseitiger Toleranz und Mitmensch- lichkeit.

Kennzeichnend für Lessing war jedoch sein optimistisches Menschenbild und es gab und gibt ja zu jeder Zeit Menschen wie Mahatma Ghandi oder Mutter Theresa, die mutig, selbstlos und aufopferungsvoll für eine Sache eintreten. Solange es solche Menschen gibt, denen man nacheifern kann, wird die Hoffnung auf eine bessere Zukunft weiterbestehen.

Ein aktuelles Beispiel für den Versuch des Miteinanders liefert der Papst mit seiner Reise ins Heilige Land. Er hat dort um Vergebung für die Sünden von Christen bei den Judenverfolgungen gebeten, doch er hat dies nur allgemein getan und nicht etwa die aktiven Verstrickungen der Amtskirche zugegeben. Auch andere dunkle Kapitel der Christenheit, wie die Kreuzzüge, die India- nerausrottung oder die Inquisition sind von der Kirche noch nicht ausreichend beleuchtet worden.

Allgemein bleibt zu sagen, dass erste Schritte für eine Annäherung zwischen den Religionen gemacht wurden, doch bis diese drei friedlich nebeneinander bestehen können, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

Literaturverzeichnis:

[...]


1Artikel 18 der Menschenrechte amnesty international - Journal 12/1997 - 1/1998

2 Barner, Wilfried. Lessing Epoche - Werk - Wirkung München 4. Auflage 1981, S. 301

3 Schülerduden „Die Literatur“ , hrsg. von der Redaktion für Literatur des Bib- liographischen Institutes - Mannheim 1980

4 http://home.snafu.de/henrik.marek/deutsch/epochen.html 18.03.2000

5nach Wilfried Barner, S. 309

6Schülerduden, S. 43

7Harenbergs Lexikon der Weltliteratur; Dortmund 1989; S. 2093

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Lessing, G. E. - Nathan der Weise - Inwiefern ist das Werk ein Werk der Aufklärung
Note
2
Autor
Jahr
1999
Seiten
10
Katalognummer
V101339
ISBN (eBook)
9783638997560
Dateigröße
390 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lessing, Nathan, Weise, Inwiefern, Werk, Aufklärung
Arbeit zitieren
Susanne Trummer (Autor:in), 1999, Lessing, G. E. - Nathan der Weise - Inwiefern ist das Werk ein Werk der Aufklärung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101339

Kommentare

  • Gast am 12.9.2001

    Frau.

    Danke für diese tolle Arbeit.
    Ich verstehe nicht, warum dafür keine eins vergeben wurde!!!

  • Gast am 31.5.2001

    Daaanke!.

    Morgen schreiben wir Deutsch-Klausur über"Nathan" und da hat mir das echt geholfen!!!

    Daaannnkkkeee!

  • Gast am 29.4.2001

    Schüler.

    ganz nett

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Titel: Lessing, G. E. - Nathan der Weise - Inwiefern ist das Werk ein Werk der Aufklärung



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