Der hilflose Helfer. Auswirkungen des Helfersyndroms im sozialberuflichen und privaten Bereich


Akademische Arbeit, 2021

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Relevanz der Thematik
1.3 Zielsetzung der Arbeit

2. Literatur Review
2.1 Alltagsverständnis des Helfersyndroms
2.2 Definition des Helfersyndroms nach Schmidbauer
2.3 Entstehung und Ursachen des Helfersyndroms
2.4 Das Helfersyndrom – Die fünf Komponenten
2.5 Begriffsabgrenzung
2.5.1 Der pathologische Altruismus
2.6 Die Auswirkungen des Helfersyndroms
2.6.1 Die Auswirkungen im beruflichen Bereich
2.6.2 Die Auswirkungen im privaten Bereich
2.6.3 Gesundheitliche Folgen und Risiken des Helfersyndroms
2.7 Hilfe für Helfer
2.7.1 Prävention
2.7.2 Intervention
2.8 Kontrastierende Positionen

3. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Ausgangssituation

In unserer Gesellschaft ist die Hilfsbereitschaft im Allgemeinen als eine positive Charaktereigenschaft anzusehen. Anderen zu helfen und ihnen auch in schwierigen Situationen zur Seite zu stehen, während die eigenen Bedürfnisse zurückgestellt werden, wird insbesondere von den Hilfeempfängern sehr geschätzt.  

Demgegenüber gibt es auch Personen, die mit ihrer Hilfeleistung eigene, egoistische Motive verfolgen und somit das Wohlbefinden des Hilfeempfängers nicht mehr im Fokus der Hilfeleistung steht. Diese Motive können unbewussten Ursprungs sein. Dennoch kann diese Art der Hilfe oftmals negative Auswirkungen sowohl für den Hilfeempfänger als auch für den Helfenden selbst nach sich ziehen.

Der deutsche Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer gab diesem Phänomen einen Namen: „Das Helfersyndrom“

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den verschiedenen Komponenten des Helfersyndroms, wobei der Fokus auf den Auswirkungen im sozial beruflichen sowie privatem Bereich liegt.

1.2 Relevanz der Thematik

Depressionen und Burnout sind schwerwiegende psychische Störungen, welche unter anderem aus dem Helfersyndrom resultieren können. Oft geschieht es, dass sich die Betroffenen erstmals Gedanken über ein mögliches Bestehen des Helfersyndroms machen, wenn sie bereits unter Symptomen von Burnout und Depression oder weiteren psychischen Störungen leiden. Dadurch wird deutlich, dass das Helfersyndrom als solches für die Betroffenen unbewusst erlebt wird.

Aus diesem Grund ist es von hoher Bedeutung, dass das Helfersyndrom bereits im Vorfeld erkannt wird, damit mögliche Präventions-, sowie Interventionsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können.

Des Weiteren sind es nicht nur die Betroffenen selbst, die unter den Auswirkungen des Helferssyndroms leiden. Auch das direkte Umfeld, sei es das private oder berufliche, wie zum Beispiel Arbeitskollegen, Patienten oder weitere hilfsbedürftige Personen, können durch die Auswirkungen des Helferssyndroms negativ beeinflusst werden.

Aufgrund dessen ist es wichtig, dass das Helfersyndrom und dessen Folgen im Rahmen dieser Arbeit nicht ausschließlich im Hinblick auf die Auswirkungen für die Betroffenen selbst, sondern auch für das direkte Umfeld behandelt wird.

1.3 Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, in welchem Umfang das Helfersyndrom bereits erforscht wurde. Gleichzeitig soll die historische Entwicklung der Erforschung des Helfersyndroms, sowie mögliche Forschungslücken dargestellt werden.

Die historische Entwicklung, sowie der aktuelle Forschungsstand des Helfersyndroms wird in Kapitel 2 dieser Arbeit behandelt, indem zunächst das Helfersyndrom nach Wolfgang Schmidbauer thematisiert und gezielt auf seine Definition, sowie Entstehung und Ursachen Bezug genommen wird.

Ein weiteres Ziel dieser Arbeit ist es, mögliche Handlungsempfehlungen aufzuzeigen, um gegen das Helfersyndrom präventiv bzw. interventiv vorgehen zu können.

Hierfür müssen im Vorfeld die Auswirkungen des Helfersyndroms sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich dargestellt werden, was ebenfalls in Kapitel 2 dieser Arbeit erfolgt.

Im Anschluss werden unterschiedliche Standpunkte bzw. Forschungsansätze in Bezug auf das Helfersyndrom thematisiert, wobei der aktuelle Forschungsstand erneut aufgegriffen wird.

Aufbauend auf die gesammelten Erkenntnisse wird die Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung in Kapitel 3, dem Fazit, geschlossen.

Die daraus resultierenden forschungsleitenden Fragen sind demnach:

1. Was wird unter dem Helfersyndrom verstanden? Was sind die Ursachen für dessen Entstehung?
2. Wie lässt sich das Helfersyndrom von anderen Formen der Hilfe unterscheiden?
3. Welche Folgen ergeben sich aus dem Helfersyndrom für das private sowie das berufliche Umfeld? Wie kann dem vorgebeugt werden?

2. Literatur Review

2.1 Alltagsverständnis des Helfersyndroms

Der Begriff “Helfersyndrom” wurde von dem deutschen Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer, mit der Veröffentlichung seines Werkes: „Die hilflosen Helfer. Über die seelische Problematik der helfenden Berufe” im Jahr 1977 geprägt. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 5)

Seither wird der Begriff sowohl in der Alltagssprache, als auch in der Literatur häufig missinterpretiert und aus dem Zusammenhang gerissen (vgl. Schmidbauer, 2021).

Während fälschlicherweise angenommen wird, dass Helfersyndrom-Betroffene beispielsweise rein egoistische Motive verfolgen oder auch neurotisch sind, geht es Schmidbauer um die Herausstellung der „besonderen seelischen Risiken“ (Schmidbauer, 2021), die mit helfenden Berufen einhergehen, da der Zwang zu helfen mitunter in einem Burnout resultieren kann. (vgl. Schmidbauer, 2021)

Der Psychologe Prof. Dr. Jörg Fengler ist der Meinung, dass der Begriff “Helfersyndrom” nur noch von geringer Bedeutung ist, da er sich mit der Zeit verselbständigte. (vgl. Fengler, 2001, S. 37)

Obwohl nahezu jedem der Begriff als solches bekannt ist, kennen nur wenige die genaue Herleitung und Hintergründe. Dies hat zur Folge, dass er tendenziell negativ belastet ist. (vgl. Fengler, 2001, S. 37)

2.2 Definition des Helfersyndroms nach Schmidbauer

Wie bereits erwähnt, prägte der deutsche Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer 1977 den Begriff des „Helfer-Syndroms“. Zum einen lernte er dieses Verhalten bei sich selbst, zum anderen aber auch bei seinen Klienten kennen. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 11)

Zunächst erläutert Schmidbauer, was unter dem Begriff „Syndrom“ zu verstehen ist. Sowohl im Hinblick auf die Medizin als auch im Bereich der Psychologie.

In der Medizin ist ein Syndrom „eine in typischer Kombination auftretende Verbindung einzelner Merkmale, die einen krankhaften Prozess bestimmen.“ (Schmidbauer, 2018, S. 9f.)

In der Psychologie ist der Übergang von gesundem Verhalten zu krankhaftem Verhalten fließend und kaum abzugrenzen.

Zudem betont Schmidbauer, dass es nicht die Intention seines Werkes ist zu zeigen, dass jemand, der andere hilft, zwangsläufig ein egoistisches Motiv verfolgt. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 9)

Menschen, die unter dem Helfersyndrom leiden, ist es nicht möglich auszudrücken, wie sie sich gerade fühlen oder was sie brauchen. Dies dient dazu, eine unantastbare Fassade aufrecht zu erhalten, damit ihre eigene Hilflosigkeit nicht erkannt wird. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 11)

Schmidbauer veranschaulicht dies durch ein Bild: „ein verwahrlostes, hungriges Baby, hinter einer prächtigen, starken Fassade.“ (Schmidbauer, 2018, S. 13)

Da sie nicht in der Lage sind, über ihre Wünsche zu sprechen, äußern sie diese in Form von Vorwürfen, um Bestätigung zu erhalten („Ich habe so viel für dich getan und so dankst du es mir.“). (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 19)

Im Gegensatz dazu wird es sehr begrüßt, wenn andere Menschen ihre Fassade fallen lassen und Einblick in ihre Gefühlswelt, sowie ihre Ängste, Wünsche und Schwächen geben (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 12f.). Die soziale Hilfe liegt im Fokus und wird „zu einer starren Lebensform gemacht“ (Schmidbauer, 2018, S. 19).

Die Helfer versuchen, einem Ideal zu entsprechen, was vor allem mit der Ausbildungspolitik der Institutionen zusammenhängt. Diese kopieren meist bestimmte Muster, „die in der Analyse von familiären Erziehungsprozessen bereits als neurotisierend erkannt wurden“ (Schmidbauer, 2018, S. 10).

Es wird versucht, nur die „guten Eigenschaften“ zuzulassen, wohingegen die „schlechten“ verdrängt werden, was Schäden in der Entwicklung zur Folge hat. Um diesem Perfektions-Ideal zu entsprechen, blenden sie die Wirklichkeit aus. Dementsprechend ist es ihnen nicht möglich, Enttäuschungen zu verarbeiten, was nicht selten in einem „Burnout“ resultiert. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 11)

2.3 Entstehung und Ursachen des Helfersyndroms

Genau wie die meisten pathologischen Befunde, entwickelt sich auch das Helfersyndrom aus der Wechselwirkung von individuellen und situativen Aspekten. (vgl. Draxler, 2017, S. 11)

Schmidbauer hat in seinen Therapiesitzungen im Rahmen seiner Arbeit bemerkt, dass die Berufswahl von Menschen, gerade in helfenden Berufen, oft auf eine unbewusste Abwehr zurückzuführen ist. Er ist in der Annahme, dass sich diese Abwehr gegen einen in der frühen Kindheit erlebten Liebesentzug richtet und es sich bei dem Helfersyndrom um ein Ergebnis aus schwerwiegenden Erfahrungen in der frühen Kindheit einer Person handelt. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 70)

Bei diesen schwerwiegenden Erfahrungen in der frühen Kindheit handelt es sich oftmals um Vernachlässigung und Missachtung der kindlichen Bedürfnisse, wie zum Beispiel die liebvolle Zuwendung oder die Versorgung durch die Eltern, welche sich als unterschiedliche Formen der Ablehnung zusammenfassen lassen. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 70; Zill, 2017, S. 15)

Im weiteren Verlauf seiner Forschung definiert Schmidbauer das herausgebildete Defizit als Grundstörung und beschreibt, dass die Helfersyndrom-Betroffenen ihr ganzes Leben unter dieser Störung leiden und entschlossen sind, dieses Defizit an fehlender Zuneigung auszugleichen. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 70)

Dadurch, dass die Eltern in der frühen Kindheit nicht auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen sind und deshalb auch nicht entsprechend auf die Gefühle des Kindes eingehen konnten, war es für das Kind von Anfang an schwer, seinen Eltern gegenüber Zutrauen zu entwickeln. Ebenfalls ist das Kind in der Fähigkeit, selbstständig seine Wünsche äußern und besitzen zu können, deutlich eingeschränkt. Aufgrund dieser Nichtbeachtung durch die Bezugspersonen, lernt das Kind früh, dass es nicht aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Charakters beachtet und geliebt wird, sondern vielmehr aufgrund seines, von den Eltern erlernten, angepassten Verhalten. (vgl. Schmidbauer, 1985, S. 78f.; Zill, 2017, S.15)

Die Betroffenen übertragen dann, beispielsweise im späteren Berufsleben, ihre eigene Verwundbarkeit auf die Patienten, welche sich im Schutz der Helfer befinden, wie zum Beispiel Senioren in einem Altenheim, welche unter dem Schutz der Pfleger stehen. Dies tun sie in der Hoffnung, als Gegenleistung die in ihrer frühen Kindheit vernachlässigte Zuneigung zu erhalten. Sie sind davon überzeugt, nur für ihre Taten und Handlungen geliebt zu werden und nicht für das, was sie tatsächlich sind, Pfleger. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 70; Zeltner, 2011)

Dabei soll aufgezeigt werden, dass sich die Betroffenen in Pflegeberufen an ihrer überlegenen Position festhalten und sich bewusst bei der Berufswahl auf schwächere Menschen konzentrieren. Dadurch erhalten sie Sicherheit, da sie helfen können und somit stärker erscheinen. (vgl. Elsässer, 2013, S. 64)

Ganz nach dem Motto: „Weil mir nicht geholfen wurde, werde ich Helfer.“ (Zeltner, 2011), versuchen die Betroffenen, die in der Kindheit entstandenen Defizite und das damit verbundene, geringe Selbstwertgefühl mittels ihres Berufes und ihrer Patienten zu kompensieren. (vgl. Zeltner, 2011)

Damit lässt sich aufzeigen, dass es sich bei dem Helfersyndrom nicht um eine Berufskrankheit handelt, da das Syndrom nicht durch die Arbeit verursacht wird, sondern die Betroffenen sich diese Berufe selbst auswählen. Damit wird auch gleichzeitig klargestellt, dass Menschen, welche nicht in einem helfenden Beruf arbeiten, ebenfalls am Helfersyndrom erkranken können. (vgl. Pötz, 2006, S. 49)

Vielmehr liegt es an den Einzelpersonen, welche aufgrund ihrer frühkindlichen Erfahrungen und ihrer Persönlichkeitseigenschaften eine stärkere Prädisposition aufweisen unter dem Helfersyndrom zu leiden als Menschen, die diese schwerwiegenden Erfahrungen nicht gemacht haben. (vgl. Draxler 2017, S. 11)

Die Tatsache, irgendwann unter dem Helfersyndrom zu leiden, weil man aufgrund der frühkindlichen Erfahrungen dazu veranlagt ist, ist nicht absolut, denn auch hier muss jeder Fall und dessen Einflussfaktoren einzeln betrachtet werden. Je nach Einflussfaktoren, wie zum Beispiel dem persönliche Umfeld oder gesellschaftliche Normen, welche auf das Individuum einwirken, kann sich das Helfersyndrom unterschiedlich bzw. gar nicht ausprägen.(vgl. Schmidbauer, 2002, S. 7; Draxler, 2017, S. 11)

2.4 Das Helfersyndrom – Die fünf Komponenten

Das Helfersyndrom ist, laut Schmidbauer, ein biographisches Modell, welches sich aus fünf Komponenten, die er als „Themen“ bezeichnet, zusammensetzt: Das abgelehnte Kind, die Identifizierung mit dem Über-Ich, die narzisstische Unersättlichkeit, die Vermeidung von Gegenseitigkeit und die indirekte Aggression. (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 43)

Das abgelehnte Kind

Das abgelehnte Kind beschreibt ein Motiv, welches im Inneren des Helfers verankert ist und dafür sorgt, dass der Helfer die Hilfe von anderen grundsätzlich verweigert. Er möchte sich stark fühlen und seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Empfindungen wie Schwäche oder Unvollkommenheit werden daher um jeden Preis vermieden.

Diese Verleugnung der eigenen Hilflosigkeit ist allerdings oftmals die Ursache dafür, dass der Helfer hilflos ist. (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 43)

Insgesamt ist das Thema des „abgelehnten Kindes“ sehr weitreichend, da das Helfersyndrom nicht nur bei Menschen auftritt, die in ihrer Kindheit von den Eltern vernachlässigt wurden, sondern auch bei Menschen, die von ihren Eltern besonders unter Druck gesetzt wurden oder sogar als „Partnerersatz“ dienten. (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 43)

Laut Schmidbauer entwickeln sich Kinder, die von ihren Eltern vernachlässigt wurden, entweder zu dissozialen oder übersozialen Menschen, da die Entwicklung eines Über-Ichs (normative Instanz), welches „freundlich mit ihren Trieben und Emotionen umgeht“ (Schmidbauer, 2020, S. 44), erschwert ist. (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 44)

Ein weiterer Grund, der zur Ablehnung der kindlichen Verhaltensweisen führen kann, ist in der Kindheit von Gleichaltrigen als unreif oder kindisch angesehen worden zu sein. Auch dies kann dazu führen, dass der Helfer seine individuellen Bedürfnisse verdrängt und Befriedigung nur dann erlangt, wenn andere Menschen diese verletzliche Rolle einnehmen. (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 44)

Die Identifizierung mit dem Ich-Ideal (Größenselbst)

Der deutsche Psychologe Sigmund Freud benannte 1923 in seinem „Strukturmodell der Persönlichkeit“ erstmals die drei Instanzen „Es“, „Ich“ und „Über-Ich“. (vgl. Esken, 2019, S. 38)

Das „Es“ ist laut Freud eine unbewusste Struktur und beinhaltet die Triebe und Bedürfnisse eines Menschen. Das „Ich“ baut auf dem „Es“ auf und entspricht dem Selbstbewusstsein. Es vermittelt zwischen dem „Es“ und dem „Über-Ich“. Das „Über-Ich“ steht für Normen, Werte und Moral. Es entsteht vorrangig durch die Erziehung und gibt dem Menschen die Möglichkeit, seine Triebregungen selbstständig zu kontrollieren. (vgl. Esken, 2019, S. 38ff.)

Durch ihr Zusammenspiel steuern diese drei Instanzen das Erleben und Verhalten einer Person. (vgl. Esken, 2019, S. 38ff.)

Laut Schmidbauer stehen die Begriffe Ich-Ideal, Über-Ich und Größenselbst im Zusammenhang. Während das Über-Ich über das Verhalten urteilt und kritisch eingestellt ist, ist das Ich-Ideal das übergeordnete Ziel, dass der Mensch erreichen möchte. (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 48)

Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, empfindet man gegenüber dem Über-Ich Schuld und gegenüber dem Ich-Ideal ein Gefühl von Versagen. Ist der Mensch hingegen glücklich und kommt seinen Verpflichtungen nach, können das Ich-Ideal, das Über-Ich und das Größenselbst im Erleben nicht unterschieden werden, da sie sich gegenseitig ergänzen. (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 48)

Des Weiteren spricht Schmidbauer von dem Vorgang der „strukturbildenden Identifizierung“. Dies beschreibt die Identifizierung eines Kindes mit einer Person aus seiner Primärgruppe. Das Kind orientiert sich an dem Verhalten dieser Person und lernt, dass die eigenen Triebe und Bedürfnisse gut sind und nicht unterdrückt werden müssen. (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 50)

Demgegenüber kann es nicht zu einer „strukturbildenden Identifizierung“ kommen, wenn auf die Triebe und Bedürfnisse in der Kindheit nicht eingegangen wird. Das Kind versucht dies folglich auf eine andere Art und Weise zu kompensieren und reduziert die Fähigkeit des Austausches zwischen den Trieben und der Vernunft. Somit wird „das Ich-Ideal übermächtig [und] das Über-Ich starr und gefühlsfeindlich“ (Schmidbauer, 2020, S. 50).

Die eigenen Bedürfnisse werden unterdrückt und fast vollständig durch die Bedürfnisse von Klienten ersetzt (vgl. Schmidbauer, 2020, S. 51).

Die narzisstische Unersättlichkeit

Die Zurückweisung der Liebe im Kindesalter führt zu Hass des Betroffenen gegenüber den Bezugspersonen. Diesen Hass versuchen die Betroffenen zu verdrängen und sich freundlich und zuvorkommend zu verhalten. Die Anerkennung, die aus diesem Verhalten resultiert, reicht jedoch nicht aus, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 40f.)

Dementsprechend sorgt eine abgeschlossene „Helfer-Interaktion“ (Schmidbauer, 2018, S. 40) nicht für vollkommene Zufriedenheit auf Seiten der Helfer, obwohl Liebe und Anerkennung für sie die höchsten Güter darstellen. Stattdessen entstehen Zweifel und sie fragen sich, ob sie nicht eventuell doch einen Fehler begangen haben. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 40)

Die Ursache dafür liegt in dem verdrängten Hass, welcher dennoch dauerhaft präsent ist und dazu führt, dass Bestätigung durch andere nicht für das eigene Selbstbewusstsein aufgenommen werden kann. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 40)

Die Vermeidung von Gegenseitigkeit

Die Gefühle von Abhängigkeit und Nähe werden aufgrund der Zurückweisung im Kindheitsalter von dem Betroffenen mit tiefem Schmerz verbunden und nun weitestgehend oder sogar vollständig gemieden. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 40)

Dies äußert sich im Erwachsenenalter nun häufig dadurch, dass in Beziehungen darauf geachtet wird, dass die Abhängigkeit des Partners von dem Betroffenen größer ist als die des Betroffenen vom Partner. In Beziehungen zwischen Helfer und Klient ist dies von vornherein gegeben, jedoch sind auch Intimbeziehungen der Betroffenen meist so beschaffen. (vgl. Schmidbauer, 2018, S. 41)

Die indirekte Aggression

Aggressionen, die der Betroffene gegenüber anderen empfindet, werden nicht öffentlich ausgelebt, sondern unterdrückt. (vgl. Schmidbauer, 2020, S.40)

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der hilflose Helfer. Auswirkungen des Helfersyndroms im sozialberuflichen und privaten Bereich
Veranstaltung
Wissenschaftliches Arbeiten in der Psychologie
Note
1,7
Autoren
Jahr
2021
Seiten
25
Katalognummer
V1014525
ISBN (eBook)
9783346407856
ISBN (Buch)
9783346407863
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Helfersyndrom, Helfer, Schmidbauer, Burnout, Kindheit
Arbeit zitieren
Tobias Schoeneis (Autor:in)Elisa Wortmann (Autor:in), 2021, Der hilflose Helfer. Auswirkungen des Helfersyndroms im sozialberuflichen und privaten Bereich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1014525

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