Sprachreflexion und Sprachkritik. Jugend- und Fremdwortkritik des Deutschen in sozialen Medien

Klassifikation qualitativer Wortkritik nach Jochen A. Bär


Hausarbeit, 2021

21 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1 Einführung

2 Sprachreflexion

3 Sprache als Metasprache

4 Sprachkritik
4.1 laienlinguistische Sprachkritik
4.2 Die Angst vor dem Sprachverfall
4.3 linguistische Sprachkritik

5 Klassifikation qualitativer Wortkritik nach Jochen A. Bär

6 Illustration der Theorie an konkreten Beispielen der Jugend- bzw. Fremdwortkritik

7 Jugendsprache mit dem Fokus der Fremdwortverwendung als Thema im Deutschunterricht

8 Ausblick

Quellen- und Literaturverzeichnis

Anhang

1 Einführung

„Sprache kann […] nicht nur als das gesehen werden, was sprachlich geschehen ist, geschieht und nach den grammatischen Regeln gesehen könnte. Zu einer Sprache gehört auch, was Menschen, die sie gebrauchen, von ihr meinen, was sie von ihrem eigenen Sprachgebrauch und dem anderer Menschen halten, kurzum ihre Spracheinstellungen.“ (Stickel 1999, 17).

Die Sprache ist das wichtigste Medium der menschlichen Kommunikation. Sie dient dem Erkennen und der Erkenntnis und kann auf vielfältigste Art und Weise und zu den verschiedensten Zwecken eingesetzt werden. Wie bereits aus der Äußerung von Gerhard Stickel hervorgeht, nimmt neben der Sprachsystemgeschichte und der Sprachkontaktgeschichte auch das Bewusstsein über die Sprache einen immer wichtigeren Stellenwert in der Sprachgeschichte ein (vgl. Bär 2002a, 133). Verbunden mit der Individualität der Menschheit sind die unterschiedlichen Haltungen mit Blick auf die Sprache und den Sprachgebrauch. So kommt es in einer Sprechergemeinschaft nicht selten zu Auseinandersetzungen und Streitigkeiten über die Sprache und ihren Gebrauch, denn nicht jede Wortwahl ist angemessen, nicht jeder Ausdruck für jedermann nachvollziehbar. Infolgedessen ist auch der Umstand, dass Sprache einer Kritik unterzogen werden kann und muss, nicht verwunderlich. Man schaue hierfür nur auf die Medien, in denen im umfangreichen Ausmaß immer wieder über die „Richtigkeit“ bestimmter Wörter, Wortgruppen oder anderer sprachlicher Phänomene zumeist ohne ausreichendes sowie fachkundiges Wissen spekuliert und geurteilt wird. Besonders im Fokus dieser Kritik steht der immer weiter zunehmende Fremdwortgebrauch im Deutschen, welcher für zahlreiche Menschen als Untergang für die Muttersprache anzusehen ist, für andere jedoch als natürliches Phänomen der Sprache selbst, wie in dieser Hausarbeit noch ersichtlich wird, zu deuten ist.

Um eine erste Grundlage zu schaffen, bedarf es zunächst der Annäherung und Klärung einiger Begriffe.

2 Sprachreflexion

Der Begriff Sprachreflexion setzt sich aus den zwei Wörtern Sprach[e] und Reflexion zusammen. Das Lexem Reflexion wird laut Duden (https://www.duden.de/rechtschreibung/Reflexion 13.03.21) auch als >Nachdenken<, >Überlegung< und/oder >prüfende Betrachtung< bezeichnet. Demzufolge kann im allgemeinen Sinne unter dem Begriff Sprachreflexion das Nachdenken über die Sprache und den Sprachgebrauch verstanden werden. Darüber hinaus versteht Bär (2011, 160) unter Sprachreflexion

„[…] alle zusammenhängenden oder beiläufig in anderem Kontext erfolgenden Aussagen über Sprache […].“

Grundsätzlich kann es sich nach diesem Verständnis um jegliche Art von Aussage handeln, ganz gleich ob mit gezielter Überlegung vorgenommen oder durch bloße Trivialitäten geäußert (vgl. ebd., 160). Des Weiteren kann die bewusste Reflexion von Sprechenden und Schreibenden über die eigene Sprachverwendung oder die anderer Personen, über unterschiedliche Gebrauchsmuster, über denkbare Eigenschaften von Einzelsprachen und ihren Ausprägungen sowie über die Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Sprachvermögens im Allgemeinen vollzogen werden. (vgl. Bär 2019, 407).

Aus diesem Kapitel wird deutlich, dass es zu einem bewussten Umgang mit Sprache Sprachreflexion bedarf und sich Sprechende im Hinblick darauf der metasprachlichen Funktion der Sprache bewusst sein müssen.

3 Sprache als Metasprache

Die Eigenschaft, mit Sprache über Sprache sprechen zu können, wurde erstmals in der Philosophie behandelt. Diese Möglichkeit brachte aus philosophischer Sicht jedoch ein Problem hinsichtlich der Trennung reflexiven und nichtreflexiven Sprechens mit sich, da ohne diese Unterscheidung logische Pseudo-Paradoxa bzw. semantische Widersprüche entstehen konnten (vgl. Spitzmüller 2019, 12). Aus dieser Problematik heraus entwickelte die Sprachphilosophie eine Differenzierung der Begriffe Metasprache und Objektsprache (vgl. ebd.). Nach zahlreichen Auseinandersetzungen über diese Differenzierung stellte der aus Moskau stammende Philologe und Linguist Roman Jakobson mit Blick auf die tägliche Verwendung von sprachlichen Äußerungen fest, dass die Metasprache über eine sprachlogische Referenzstufe hinaus auch eine Form kommunikativen Handelns mit essenzieller Funktion darstellt. Im Gegensatz zu vorherigen Überlegungen anderer Philologen und Sprachwissenschaftlern betrachtet Jakobson die Metasprache und die Objektsprache nicht als zwei voneinander getrennte Einheiten, sondern als zusammenhängendes Konstrukt. Im Rahmen seines Sprachfunktionenmodelles unterscheidet er demnach anstelle verschiedener Sprachstufen sechs sprachliche Funktionen, mitunter und für diese Hausarbeit von größter Bedeutung die metasprachliche (vgl. ebd., 12-15).

Die metasprachliche Funktion bezeichnet in der Linguistik also die Möglichkeit, mittels Sprache auf Sprache Bezug nehmen zu können. Dabei ist die Metasprache die Sprache, mit der Reflexionen bzw. Aussagen über Sprache, beispielsweise über ein beliebiges Wort, vollzogen werden. Die Sprache, auf die sich die Metasprache bezieht und über die Aussagen getroffen werden, fungiert demnach als Objektsprache. Im oben herangezogenen Fall dient also das beliebige Wort als Objekt. Daraus lässt sich ableiten, dass jede Sprache als Meta- und/oder Objektsprache dienen kann (vgl. ebd., 14).

Diesem Verständnis nach kann Sprache auf der einen Seite als Gegenstand einer Reflexion verstanden werden, auf der anderen Seite kann sie aber auch das Mittel zur Reflexion selbst sein. Diese Annahme wird bestätigt durch Spitzmüller (ebd., 11f.): „Wenn Sprache reflektiert wird, geschieht dies in aller Regel mittels Sprache in Form sprachlicher Handlungen […].“

Die metasprachliche Funktion ist also die wesentliche Voraussetzung zur Ausübung von Sprachkritik. Da der Gebrauch der Sprache als Metasprache in ihrer Natur und folglich auch in der des Menschen liegt, findet sie im alltäglichen Sprechen und Schreiben, nicht selten auch in Form sprachkritischer Äußerungen, Anwendung (vgl. Kilian/Niehr/Schiewe, 2016, 1). Dies wird im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit anhand konkreter Beispiele noch manifest.

4 Sprachkritik

Das Phänomen der Sprachkritik hat eine lange Tradition. Sprache und Sprachgebrauch müssen sich demnach bereits seit geraumer Zeit vielerlei Kritik unterwerfen. Diese Kritik äußert sich immer dann, wenn jemand etwas Gesagtes als unpassend, unbrauchbar, respektlos oder gar als beleidigend empfindet (vgl. Bär 2002a, 134). So kann unter Sprachkritik

„[…] die ohne direkten Frageanlass erfolgende Bewertung konkreter sprachlicher Äußerungen oder auch allgemein gebräuchlicher Klassen von sprachlichen Äußerungen verstanden [werden, Anm. d. Verf.].“ (Bär 2002b, 240).

Daraus lässt sich schließen, dass sprachkritische Aussagen in vielen Situationen Anwendung finden und zudem ganz unterschiedliche Kategorien wie etwa individuelle Äußerungen, Sprachnormen eines bestimmten Kollektivs, „geltende Regeln“ des öffentlichen Sprachgebrauchs und etablierte Normen der Sprache selbst beurteilen (vgl. Tereick 2009, 363). Des Weiteren äußert sich die Kritik durch vollkommen individuelle und damit einhergehend ebenso unterschiedliche Spracheinstellungen, nach Stickel (1999, 17) auch verstanden als wertende Dispositionen gegenüber sprachlichen Phänomenen. Dem Begriff wertend kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu, denn so ist nicht jede metasprachliche Aussage über die Sprache und/oder ihren Gebrauch gleich als Sprachkritik zu verstehen. Als Beispiel hierfür dient der ohne jegliche Wertung geäußerte Satz: „Das Wort Kleiderschrank hat 14 Buchstaben.“ Damit eine Aussage eben speziell die Funktion einer sprachkritischen erfüllt, muss sie „ein explizit wertendes Moment“ (Schiewe 2003, 402 zit. N. Tereick 2009, 380f.) enthalten. So beispielsweise der Satz: „Es muss ,wegen des Wetters‘ gehe ich mit meiner Freundin ins Freibad heißen, denn ,wegen dem Wetter‘ hört sich schlichtweg nicht schön und falsch an.“ (vgl. Tereick 2009, 381). Anzumerken ist hierbei, dass es sich um positiv als auch negativ wertende Urteile handeln kann, in dieser Hausarbeit jedoch ausschließlich die negativen in den Blick geraten.

Bis auf die Fähigkeit der Sprache mächtig und sich ihrer metasprachlichen Funktion bewusst zu sein, benötigt es zur Ausübung solcher sprachkritischen Äußerungen keiner weiteren Fachkenntnis über die Sprache (vgl. Bär 2019, 408). So kann jeder Mensch, der es zu tun vermag, wertende Äußerungen über die Sprache vornehmen. (vgl. ebd.) Aus diesem Grund herrschen in einer Sprachgemeinschaft unzählige

„Urteile über […] [einen, Anm. d. Verf.] ‚guten‘ oder ‚schlechten‘ […]“ (Antos, Niehr, Spitzmüller 2019, 1) verbunden mit der „[…] Sehnsucht nach einem […] ‚richtigen‘ oder ‚humanen‘ Sprachgebrauch […].“ (Tereick 2019, 364).

Daraus resultierende Veränderungen der Sprache lassen sich nicht vermeiden, was aber keineswegs negativ aufzufassen ist, denn so soll es mit Sprachkritik zu einer neuen Auffassung von Sprache, Welt und Wirklichkeit kommen (vgl. Schiewe 2019, 218f.).

Es lässt sich also zusammenfassen, dass die metasprachliche Funktion es den Menschen ermöglicht, über Sprache und Sprachgebrauch zu reflektieren und daraufhin auch kritisch in den Blick zu nehmen. Geht diese Kritik mit einer positiven oder negativen Wertung einher, handelt es sich dabei um Sprachkritik.

Es versteht sich also von selber, dass Sprachkritik genauso wenig eindimensional ist wie die Sprache an sich. Der Gebrauch der Sprache ist ein unverzichtbarer Bestandteil im Alltag der Menschen. Passend dazu hat sich ein breiter öffentlicher Sprach-Diskurs entwickelt, an dem sich jedes Mitglied einer Gesellschaft beteiligen kann. Infolgedessen bildeten sich zwei große und klar voneinander zu trennende Bereiche heraus: Auf der einen Seite stehen die Laien-Linguisten und auf der anderen Seite die Sprachwissenschaftler, welche sich beide mit der kritischen Auseinandersetzung sowohl über die eigene als auch über andere Sprachkulturen befassen.

4.1 laienlinguistische Sprachkritik

Die Ausübung sprachkritischer Äußerungen ist also „[…] auch und sogar insbesondere linguistischen Laien möglich […].“ (Bär 2019, 408).

Dabei ist die laienlinguistische Sprachkritik so stark verbreitet, dass ihnen eine eigene Bezeichnung erteilt wurde: Laien-Linguistik. Gerd Antos definiert den Begriff der Laien-Linguistik wie folgt:

„,Laien-Linguistik‘ ist eine an die breite Öffentlichkeit gerichtete praxisorientierte Sprach- und Kommunikationslehre zur Lösung muttersprachlicher Probleme. Sie ist eine für und bisweilen auch von (gebildeten) Laien betriebene handlungsorientierte Thematisierung des Gebrauchs von Sprache in Kommunikation in Form von bestimmten Publikationen und Lehrangeboten […]. In laien-linguistischen Angeboten spiegeln sich praxisorientierte gesellschaftliche Bedürfnisse nach Wissen, Beratung, Qualifikation, aber auch nach Unterhaltung im Bereich von Sprache und Kommunikation wider. […].“ (Antos, 1996, 13).

Dementsprechend scheint es selbsterklärend, dass Laien-Linguisten Sprachkritik hinsichtlich unterschiedlichster Situationen als auch auf verschiedenste Art und Weise in einem sehr umfangreichen Maße ausüben. Hierfür treffen sie außerdem ganz zum Bedauern der Sprachwissenschaft bei vielen Menschen auf Gehör. So heißt es aus sprachwissenschaftlicher Sicht,

„[…] dass die Laienlinguistik die Rolle im öffentlichen Diskurs übernommen hat, die eigentlich der Fachwissenschaft zukäme.“ (Strauss 2018, 109).

Die Tatsache, dass die laienlinguistische Sprachkritik so einen großen Stellenwert in der Öffentlichkeit einnimmt, ist dem Grund zuzuschreiben, dass sie den Menschen weitaus verständlicher erscheint als die linguistisch wissenschaftlich begründete (vgl. Schwinn 2005, 39). So nutzen die sprachinteressierten Laien diesen Vorteil besonders im Hinblick auf die Sprachnormenkritik. Unter dieser Form der Sprachkritik versteht Wimmer folgendes (1988, 295 zit. N. Bär 2019, 409):

„Über Normen versuchen Sprecher und Sprechergruppen, die Handlungsweise anderer zu beeinflussen; und genau hier liegt der Ansatzpunkt für Kritik. Normen enthalten einen Impetus zur Reglementierung und damit auch zur Veränderung von Handlungsmustern. Auf diesen Impetus in reflektierter Weise zu reagieren (vielleicht sogar mit dem Ziel, zur Etablierung einer Gegennorm beizutragen), ist Sinn und Aufgabe der Sprachkritik.“ (Wimmer 1988, 295).

Aus diesem Zitat wird deutlich, dass Sprachnormen und Sprachnormierungsprozesse unmittelbar mit Sprachkritik zusammenhängen. Folglich ist es das wesentliche Ziel von Laien-Linguisten, mittels sprachkritischer Äußerungen rigide Sprachnormen auszubilden, die ihrem Verständnis – genauer gesagt – ihrem Empfinden nach einer „schönen“ und „richtigen“ Sprache entsprechen und an welche sich schließlich die gesamte Sprechergesellschaft zu halten hat (vgl. Felder, Jacob, Schwinn 2017, 54ff).

Ihre sprachkritischen Urteile im Sinne von „schön“ und „hässlich“ oder „richtig“ und „falsch“ lassen sich dabei größtenteils an bestimmten Wortgebräuchen und/oder als Stilkritik ausfindig machen (vgl. Kilian/Niehr/Schiewe 2016, 71.). Verbunden mit der Forderung rigider Sprachnormen ist weiterhin problematisch, dass linguistische Laien sprachkritische Äußerungen nicht aus der Intention heraus tätigen, um einen Erkenntnisgewinn über Sprache um seiner selbst Willen auszudrücken (vgl. Brekle 1985, 145 zit. N. Antos/Bock 2019, 67), sondern um ästhetischen oder politischen Motiven nachzugehen (vgl. Kilian/Niehr/Schiewe 2016, 71). Ihr persönliches Empfinden und stark subjektiv geprägtes Sprachgefühl stehen dabei über alle noch so grundlegenden Erkenntnisse und empirischen Belege der Sprachwissenschaft. Verständlicherweise findet diese subjektive, mit Vorurteilen verbundene als auch normative Ausrichtung für gewöhnlich keine Übereinstimmung mit den wissenschaftlich begründeten Erkenntnissen der Sprachwissenschaft (vgl. Griesbach 2006, 45ff.). Letztendlich äußert sich die laienlinguistische Sprachkritik im Gegensatz zur linguistischen

„[…] meist ohne theoretisch-methodische Grundlage und ohne eine empirisch gesicherte Untersuchung des Sprachgebrauchs […].“ (Kilian/Niehr/Schiewe 2016, 71).

4.2 Die Angst vor dem Sprachverfall

Laien-Linguisten halten oftmals immer noch an einem veralteten Sprachbegriff fest. So sehen sie den linguistisch begründeten Sprachwandel als Sprachverfall, der mit allen Mitteln zu verhindern gilt. Demzufolge zielen sie mit ihren Bestrebungen hauptsächlich aus Angst vor diesem Phänomen auf die „Pflege“ und die „Reinhaltung“ der deutschen Sprache ab (vgl. ebd., 90).

Obwohl Fremdwörter den Menschen seit langer Zeit bekannt sind, in der deutschen Sprachgemeinschaft ihren festen Platz besitzen und darüber hinaus wichtige Funktionen erfüllen, etwa wenn mit einem deutschen Wort ein Sachverhalt nur umständlich umschrieben werden kann (vgl. Bär 2001, 121), gibt es von laienlinguistischer Seite aus immer wieder weitreichende Klagen über die fremdsprachlichen Einflüsse auf das Deutsche.

Schließlich hat sich im Jahr 1977 zur „Wahrung der deutschen Sprache“ der „Verein deutsche Sprache“ gegründet. Das übergeordnete Ziel des Vereins besteht darin, die deutsche Sprache als Kultursprache zu erhalten, zu fördern, und diesbezüglich die immer weiter fortschreitende Anglisierung zu stoppen (vgl. Satzung | Verein Deutsche Sprache e. V. (vds-ev.de), 13.03.21). Der Verein deutsche Sprache hat seinen Sitz in Dortmund und nach eigenen Angaben ca. 36.000 Mitglieder (vgl. ebd., 13.03.21). Darunter befinden sich auch (gebildete) Fachleute wie beispielsweise Lehrer*innen, Journalist*innen und Politiker*innen.

Als einen bedeutenden Grund gegen den Gebrauch von Wörtern englischer Herkunft geben die Laien-Linguisten an, dass Menschen deutscher Herkunft, die dem englischen Sprachgebrauch nicht oder nur gering mächtig sind (dies betrifft vor allem die ältere Generation), in erheblichem Maße an der Kommunikation ausgeschlossen werden. So der Verein Deutsche Sprache auf einer Pressemitteilung im Juli 1998:

„Wenn Fahrgäste auf deutschen Bahnhöfen dreimal vergeblich zum Service-Point gerufen werden, bis dann beim vierten Aufruf die Bitte zum Erscheinen bei der Auskunft von Erfolg begleitet wird […], darf man sich durchaus fragen, wen die Benutzer solcher Anglizismen eigentlich ansprechen wollen […].“ (Pressemitteilung des VDS vom 08.07.98, zit. n. Zabel 2001, 261f.)

Neben dem Aspekt der Verständlichkeit – oder eher gesagt – der Unverständlichkeit von Anglizismen spielt auch die Ästhetik eine große Rolle. So sind englische Wörter ihrem Empfinden nach „unschön“ und „passen“ somit nicht in den deutschen Sprachgebrauch. Des Weiteren beläuft sich ihre Kritik auf die übermäßige Verwendung der Fremdwörter und damit einhergehend auf den Verlust der deutschen Muttersprache (vgl. Niehr 2018, 544f.) Die Argumente, auf die sich die Laien-Linguistik gegen den Fremdwortgebrauch stützen, sind also die gleichen, wie in dieser Arbeit bereits kennengelernt: größtenteils pauschalisierend, subjektiv, verurteilend und normativ ausgerichtet (vgl. Kreuz 2020, 123).

Aus diesem Kapitel wird deutlich, dass neben weiteren Faktoren insbesondere der Gebrauch von Anglizismen aus laienlinguistischer Sicht eine große Bedrohung für die deutsche Sprache darstellt. Diese Ansichten treffen jedoch nicht bei allen an der Sprache und am Sprachgebrauch interessierten Personen einer Sprachgemeinschaft auf Verständnis, weshalb nun die zweite Form der Sprachkritik in den Fokus gelangt.

4.3 linguistische Sprachkritik

„Dadurch dass – in verschiedenen Formen – Sprache kritisiert wird [und dies für immer mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit sorgt, Anm. d. Verf.][,] muss sich die Sprachwissenschaft angesprochen fühlen.“ (Tereick 2019, 364).

Zweifelslos fühlt sich die Sprachwissenschaft angesprochen und hat sich mit der linguistischen Sprachkritik zum Ziel gesetzt, zu einem reflektierten Umgang mit Sprache und daran anknüpfend zu einer gelingenden Kommunikation beizutragen. Zur Erreichung dieser Ziele bedient sie sich dem sogenannten „Maßstab der funktionalen Angemessenheit“ (vgl. http://www.ak-sprachkritik.de/, 13.03.2021), auf den im weiteren Verlauf noch ausführlicher eingegangen wird.

Vorab sollte erst einmal erwähnt werden, dass besonders der Begriff des „Sprachverfalls“ aus linguistischer Sichtweise nicht vertretbar ist. Für sie befindet sich die deutsche Sprache in einem permanenten Prozess des Wandels (vgl. Bär 2002, 225). Infolgedessen kann und kommt es durchaus vor, dass die eigene Muttersprache in gewissen Teilen verlernt wird, wenn sie lange Zeit keine Berücksichtigung erfährt. Sie kann sich aber auch gleichermaßen wieder einstellen, indem sie schließlich erneut gehört und gesprochen wird. Logischerweise bedarf es einer dauerhaften und aktiven Teilhabe an der Sprache, um diese immerfort aufrechtzuerhalten (vgl. Bär 2009, 59). Neben dem Verlust von Sprache ist aber auch die Aneignung neuer Sprachen möglich. So nehmen bereits in der Schule die Fremdsprachen wie beispielsweise „Englisch“, „Französisch“, und „Latein“ einen bedeutenden Platz im Leben von Heranwachsenden ein.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Sprachreflexion und Sprachkritik. Jugend- und Fremdwortkritik des Deutschen in sozialen Medien
Untertitel
Klassifikation qualitativer Wortkritik nach Jochen A. Bär
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta
Note
1,0
Jahr
2021
Seiten
21
Katalognummer
V1014741
ISBN (eBook)
9783346417039
ISBN (Buch)
9783346417046
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprachreflexion, Sprachkritik Linguistik
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Sprachreflexion und Sprachkritik. Jugend- und Fremdwortkritik des Deutschen in sozialen Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1014741

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