Der Vietnamkrieg - Amerikas längste militärische Auseinandersetzung


Seminararbeit, 2000

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Kolonisation Vietnams von 1867-1945

III. Der französische Krieg

IV. Der amerikanische Krieg
IV.1. Eisenhower und der Beginn des amerikanischen Engagements
IV.2. Kennedys Anti-Guerilla-Krieg
IV.3. Johnson und die Eskalation
IV.3.1. Golf von Tonkin- Resolution
IV.3.2. Operation ‚Rolling Thunder’
IV.3.3. Innere Unruhen
IV.3.4. Die Tet- Offensive
IV.4. Nixon und die Vietnamisierung des Krieges

V. Der Bürgerkrieg

VI. Warum haben die Amerikaner nicht gesiegt?

VII. Folgen des Krieges

VIII. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Vietnam War ( 1955 - 75 ), a protracted and unsuccessful effort by South Vietnam and the United States to prevent the communists of North Vietnam from uniting South Vietnam with North Vietnam under their leadership.

Diese Definition der < Encyclopedia Britannica > gibt im Wesentlichen das Ergebnis einer 20 Jahre andauernder amerikanischen Kriegsführung wieder, unter dessen Folgen noch heute sowohl die Amerikaner als auch die Vietnamesen zu leiden haben. Denn es war nicht nur ein in die Länge gezogener und erfolgloser Krieg, vielmehr war der Vietnamkrieg vermutlich das größte außenpolitische Trauma der USA. Kein anderer Krieg wurde so kritisiert wie dieser. Eine ganze Generation lehnte sich dagegen auf, unter dem Deckmantel des Weltfriedens einen Krieg für ein anderes Land zu führen. Der kalte Krieg hatte seinen Höhepunkt erreicht und jeder fürchtete einen dritten Weltkrieg mit Einsatz atomarer Waffen. Jeder kannte die Bedeutung des „Domino Effekts“ und der „Roten Gefahr“. Die USA wollte gegen diese vermeintlichen Bedrohungen angehen, musste am Ende aber die größte Niederlage in der amerikanischen Geschichte hinnehmen.

Diese Arbeit soll die Ursachen für die Eskalation eines ursprünglich nur Frankreich und Nordvietnam betreffenden Konfliktes und den Verlauf des amerikanischen Engagements in Vietnam darstellen.

II. Die Kolonisation Vietnams von 1867 bis 1945

Vietnam erstreckt sich heute über eine Fläche von ca. 330000 km² und hatte 1990 ca. 70 Millionen Einwohner. Es grenzt im Norden an China, im Westen an Laos und Kambodscha, im Süden an den Golf von Thailand und im Osten an das südchinesische Meer.

1867 besetzte Frankreich unter dem Vorwand, seine dorthin entsandten Missionare schützen zu müssen, ganz Südvietnam, obwohl man in Paris den Beginn der Kolonialexpansion nur als ein Sprungbrett für die Ausdehnung des Einflusses auf China ansah. 1887 dehnte Frankreich seinen Machtbereich noch weiter aus und gründete die Indochinesische Union, die aus folgenden vier Bereichen bestand:

- Cochinchina - mit der Hauptstadt Saigon
- Annam - in der Mitte Vietnams
- Tonkin -im Norden, mit Hanoi als Zentrum
- Kambodscha

Etwas später folgte dann auch die Kolonisation von Laos.

Bis zum ersten Weltkrieg ‚verwestlichte’ Frankreich seine Kolonien immer mehr und bemühte sich, die von buddhistischen Traditionen geprägte Gesellschaft in eine kapitalistisch- westliche umzuwandeln. Anfänglich erfolgreich durch den wirtschaftlichen Nutzen, den das Land aus der Verbindung mit Frankreich zog, verstärkte sich nach und nach die Unzufriedenheit unter den Vietnamesen. Mit dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise [...] begannen [ die ] Intellektuellen die sozio-ökonomischen und politischen Zustände offen zu diskutieren. Während sich der Kapitalismus in seiner schwersten Krise befand, erzielte die Sowjetunion Josef Stalins mit dem Aufbau des ‚ Sozialismus in einem Land ’ wirtschaftliche Erfolge. ( FREY, 1999:13 ). 1941 bildete sich im Zuge dieser Unzufriedenheit die ‚Liga für die Unabhängigkeit von Vietnam’ (‚Viet Minh’) , eine kommunistische Gruppierung unter der Führung von Ho Chi Minh.

1945 fielen dann überraschend japanische Truppen in Vietnam ein und beanspruchten das ganze Land für sich, konnten aber aufgrund ihrer geringen Truppenanzahl nur in wenigen Städten die Macht übernehmen. Die Franzosen sahen sich weiterhin als Herrscher über Vietnam und es entstand ein unerträgliches Führungschaos. Schließlich gab Japan auf und zog seine Truppen wieder ab. Obwohl Frankreich versuchte, die Herrschaft über das Land zurückzugewinnen, war es Ho Chi Minh während der japanischen Besetzungszeit gelungen, immer mehr Einfluss im Norden des Landes zu gewinnen. Im September 1945 rief Minh schließlich die ‚Demokratische Republik Vietnam ( DRV )’ aus, die sich von Frankreich unabhängig machen wollte.

III. Der französische Krieg

Minh forderte von Frankreich die uneingeschränkte Souveränität für ganz Vietnam. Die jedoch wollten ihren früheren Einflussbereich zurückgewinnen und begannen, Ho Chi Minh militärisch zurückzudrängen. Am 23. November 1946 kam es zum ersten Angriff der Franzosen - sie beschossen Haiphong, eine Stadt im Norden Vietnams. Daraufhin begannen die Nordvietnamesen im Dezember 1946 den Indochinakrieg, der im Ganzen fast 30 Jahre andauern sollte.

Bis 1949 gelang es den Franzosen, die Viet Minh zurückzudrängen. Im März des Jahres ernannten sie eine südvietnamesische Marionettenregierung unter der Führung des reaktivierten Bao Dai und im Juli bildeten sie eine südvietnamesische Armee. Nachdem jedoch einige Monate später Mao Tse-tungs kommunistische Truppen im chinesischen Bürgerkrieg gesiegt hatten und ab 1950, gemeinsam mit der Sowjetunion, Minhs kommunistischen Staat anerkannten, wendete sich das Blatt. Die Chinesen entsandten modern ausgerüstete Truppen nach Nordvietnam, die helfen sollten, die Franzosen zu besiegen.

Frankreich und Südvietnam erhielten von nun an verstärkte Unterstützung von Seiten der Amerikaner.

Die Verstrickung der USA in den Vietnam-Konflikt begann bereits Jahre vor dem eigentlichen Krieg. Schon nach dem Einfall der Japaner in Vietnam unterstützten die Amerikaner Ho Chi Minh in seinem Guerilla-Krieg gegen die Besetzer. Die Viet Minh retteten verschleppte amerikanische Soldaten, indem sie japanische Gefangenenlager ausfindig machten. Ho Chi Minh wurde kurzzeitig sogar zum amerikanischen Agenten. Später jedoch hielten die Amerikaner Minh plötzlich nicht mehr für glaubwürdig. Das Amerika der fünfziger Jahre war geprägt von der anti- kommunistischen Haltung der McCarthy-Ära, es wurden regelrechte ‚Säuberungsaktionen’ gegen die Kommunisten im Land vorgenommen. Nach einer aufsehenerregenden Rede des Senators aus Wisconsin wollte kein Politiker sich nachsagen lassen, er steuere einen weichen Kurs in Bezug auf die Kommunisten. Truman hatte 1947 die Truman-Doktrin in seiner Botschaft an den Kongress formuliert. Hier heißt es : I believe that it must be the policy of the United States to support free people who are resisting attempted subjugation by armed minorities or by outside pressures. I believe that we must assist free people to work out their own destinies in their own way. ( in JUNKER, 1995:75) .

Damit legte Truman die politische Grundlage einer langjährigen Außenpolitik, die übertrieben und schon fast hysterisch jeden Vorstoß gegen den Kapitalismus als destruktiv und zutiefst verabscheuungswürdig betrachtete. Sie war geprägt von der Angst vor einer Ausbreitung des Kommunismus. Trotz des Friedensvertrages mit Japan, der Schaffung der NATO und der Aufnahme der Bundesrepublik in die demokratisch - kapitalistische Ordnung fürchtete man den Vormarsch der kommunistischen Staaten. Ost - Europa war an die UdSSR gefallen und in China regierte der kommunistische Mao Tse-tung. Die amerikanische Regierung glaubte, sie könne es sich nicht leisten, auch noch Südost-Asien zu verlieren. Truman- Doktrin und wirtschaftliche Reintegration waren somit zwei Seiten derselben Medaille: Die sicherheitspolitische Komponente diente der Eindämmung des kommunistischen Machtbereichs, dieökonomische Komponente der Entwicklung der liberal- kapitalistischen Ordnung. [...]. In diesem System kam Südost-Asien eine wesentliche Funktion zu. Die Region sollte zunächst als Rohstoff- und Absatzmarkt für Japan und Europa dienen, um allmählich selbst zu einem eigenständigen Akteur heranzuwachsen, einem wirtschaftlich integriertem und weltweit eingebundenen Sub-Zentrum, das amerikanisch-westlichen Werten und Gesellschaftsmodellen freundlich zugeneigt sein würde. ( FREY, 1999:23).

Nachdem ihm vorgeworfen wurde, in China Tschiang Kai-scheck nicht genügend unterstützt zu haben und den Kommunismus nicht genügend bekämpft zu haben ( FREY, 1999:25 ), sah Truman im Juni 1950 keine andere Möglichkeit, als in den aufkeimenden Korea-Krieg einzugreifen und schärfste militärische Maßnahmen gegen die koreanischen Kommunisten zu ergreifen. Truman glaubte, dass die dortige kommunistische Bewegung von Moskau zentral gesteuert wurde und dass nur ein Eingreifen der Amerikaner weitaus schlimmere weltpolitische Konflikte verhindern könnte.

Ähnlich bewertete die Truman-Regierung auch den Krieg der Franzosen gegen die Nordvietnamesen. Man beschloss, den Franzosen, die immer noch keine nennenswerten Ergebnisse erzielt hatten, militärisch unter die Arme zu greifen. Zwischen 1950 und 1954 flossen amerikanische Gelder, Kriegsgeräte und militärische Dienstleitungen im Gesamtwert von 2,76 Milliarden Dollar nach Frankreich und Vietnam [...]. ( FREY, 1999:28).

1953 entschied sich auch der neue amerikanische Präsident, Dwight D. Eisenhower, die Militärhilfe weiterzuführen und sogar noch zu verstärken. Er formulierte die ‚Domino-Theorie’, in der er die Ausbreitung des Kommunismus mit einer Reihe von Dominosteinen verglich : Es steht da eine Reihe von Dominosteinen. Sie stoßen den Ersten um und was mit dem Letzten geschieht, ist die Gewissheit, dass es sehr schnell gehen wird. So könnte der Anfang eines Zerfalls mit außerordentlich weitreichenden Folgen aussehen. ( in CZIEMPIEL / SCHWEITZER, 1984:154 ).

Eisenhower glaubte, dass die Amerikaner in Korea den Westen verteidigen müssten und die Franzosen in Vietnam. Er verurteilte den Truman-Kurs als zu unentschlossen und sanft und begann, besonders nach dem Sieg in Korea, Paris mehr und mehr unter Druck zu setzen, diesen Krieg siegreich zu beenden. Frankreich verstärkte daraufhin seine Truppen, war aber eigentlich schon nicht mehr wirklich daran interessiert, weiter zu kämpfen. Eisenhower, der auf Hilfe aus Großbritannien gehofft hatte, entschied sich, nachdem London diese Hilfe versagt hatte, dazu, keinen Alleingang mit Frankreich zu wagen. So gelang es den Viet Minh am 7. Mai 1954, den französischen Truppen bei Dien Bien Phu die entscheidende Niederlage beizubringen. Sie hatten den Stützpunkt 55 Tage lang eingekesselt und zwangen so die Franzosen zur Aufgabe.

Schon einen Tag später, am 8. Mai 1954, begann in Genf die sogenannte ‚IndochinaKonferenz’, in der über die Zukunft Vietnams entschieden werden sollte. Vertreter aus Frankreich, Großbritannien, der UdSSR, China, Amerika, Vietnam, Laos und Kambodscha nahmen an der Konferenz teil und fassten unter anderem den Beschluss, Vietnam in zwei Staaten aufzuteilen, mit dem 17. Breitengrad als Demarkationslinie. Außerdem stimmten außer den USA alle Teilnehmer der Vereinbarung zu, dass 1956 freie, demokratische Wahlen abgehalten werden sollen, um das Land wieder zu vereinigen ( vgl. VON BORCH, 1984:155).

Die USA glaubten weiterhin an ihre Domino-Theorie und hatten folglich gar kein Interesse an einem wiedervereinigten und vermutlich kommunistischen Staat. Sie traten deshalb an die Stelle der Franzosen und beschlossen, für die Sicherheit von Südvietnam, Laos und Kambodscha einzustehen. ( FREY, 1999:40 ). Diese Erklärung wurde Teil des SEATO ( South East Asia Treaty Organization )- Vertrages, der 1955 zum ersten Mal relevant werden sollte.

IV. Der amerikanische Krieg

Dieser von dem amerikanischen Außenminister Dulles ins Leben gerufene Südostasienpakt hatte zum Ziel, die Ausdehnung des kommunistischen Staatensystems zu verhindern (‚containment’). Zu den Gründungsmitgliedern gehörten die USA, Australien, Frankreich, Neuseeland, Großbritannien, Pakistan, die Philippinen, und, entgegen der Genfer Beschlüsse, auch indochinesische Staaten, denen eigentlich ausdrücklich verboten war, einem Militärbündnis beizutreten. Darin verpflichteten sich die Signatarstaaten zu gegenseitigen Konsultationen für den Fall eineräußeren - kommunistischen - Bedrohung. [...]. SEATO sah nur wechselseitige Beratungen vor, jedoch keine weitergehenden Verpflichtungen. ( FREY, 1999:45 ).

Am 16. Juni wurde Ngo Dinh Diem zum neuen Staatsoberhaupt ernannt. Als dieser seinen Dienst antrat, befand sich Südvietnam in einer annähernd chaotischen Situation. Weite Teile des Landes wurden von Sekten regiert, die ihre eigenen Armeen unterhielten und Steuern eintrieben. Nachdem es ihm gelang, [...] die Privatarmeen der politisch-religiösen Sekten und Banden Hoa Hao, Cao-Dai und Binh-Xuyen auszuschalten,[...] ( PFETSCH, 1991:129), konnte er seine Macht mehr und mehr ausbauen und hatte [...] die Armee, die Polizei und die Hauptstadt Saigon, nicht aber das Land fest unter Kontrolle. ( ebda.).

IV.1. Eisenhower und der Beginn des amerikanischen Engagements

Eisenhower, dessen vorrangiges Ziel in diesem Konflikt es war, Südvietnam zu einer eigenständigen, kapitalistisch geprägten Gesellschaft heranzuziehen, sagte Diem militärische und wirtschaftliche Hilfe zu, erklärte sich bereit, amerikanische Soldaten zur Ausbildung der südvietnamesischen Armee zur Verfügung zu stellen und erkannte Südvietnam als eigenständigen Staat offiziell an. Er verfeinerte mit diesem System des ‚nation building’ Trumans Eindämmungspolitik, indem er darauf vertraute, dass eine selbstbewusste, starke, westlich-orientierte Nation erstens benachbarte Länder von der Qualität des Kapitalismus überzeugen würde und außerdem selbst mit allen Mitteln eine Ausbreitung des Kommunismus verhindern würde. Währenddessen handelte Diem, gänzlich unbeeindruckt von Eisenhowers Vorstellungen, jedoch völlig konträr und besetzte alle hohen Regierungsämter mit Freunden und Verwandten und schuf damit eine völlig korrupte Regierung, die ein starkes ‚Arm - Reich - Gefälle’ zu verantworten hatte und der das Volk kein Vertrauen entgegenbringen konnte. Es gelang ihm, die Wahlen zu verhindern, was ihm weitere Sympathie der Amerikaner, jedoch noch verstärkteres Misstrauen der eigenen Bevölkerung entgegenbrachte. Er tat weder etwas für die Schulen im Land, die Gesundheitsvorsorge oder andere dringend benötigte Sozialeinrichtungen. Das Verhältnis zwischen ihm und seinem Volk verschlechterte sich zusehends. Robert McNamara, amerikanischer Verteidigungsminister während der Präsidentschaften von John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson, schilderte 1962 Diem als autokratisch, misstrauisch, unzugänglich und von seinem Volk isoliert.( McNAMARA, 1996:67 ). Eisenhower hingegen hielt ihn für geeignet und engagiert und übersah die wachsende Unzufriedenheit des südvietnamesischen Volkes.

Zusätzlich infiltrierten vietnamesische Kommunisten, die im Süden geboren waren und wieder dorthin zurückkehrten, die Bevölkerung. Diese ‚ Vietcong’ gingen besonders grausam und radikal gegen südvietnamesische Regierungsbeamte und amerikanische Berater vor. In den Jahren bis 1965 wuchs die Guerillatätigkeit der NLF ( National Liberation Front), eine Organisation, zu der sich alle Widerstandskämpfer in Südvietnam 1960 zusammengeschlossen hatten, immer weiter an.

IV.2. Kennedys Anti-Guerilla-Krieg

1959 trat dann ein Gesetz in Kraft, das Diem erlaubte, allen Personen, die verdächtigt wurden, mit den Vietcong zu sympathisieren, den Kopf abzuschlagen. Aus Angst vor dieser Willkürherrschaft Diems schlossen sich immer mehr Südvietnamesen der NLF an. Die USA versäumten es, diese Entwicklung richtig zu deuten und formulierten 1961 erneut ihre Unterstützung für Saigon. John F. Kennedy, seit dem 20.Januar des Jahres amerikanischer Präsident, unterschrieb einen Freundschafts- und Wirtschaftsvertrag und verstärkte die militärische Präsenz in Vietnam. Die [südvietnamesische Armee] ARVN sollte um 50000 Soldaten vergr öß ert und von deutlich mehr Beratern ausgebildet werden. Vierhundert Mann der Eliteeinheit

’ Green Berets ’ wurden in den Dschungel geschickt, um ethnische Minderheiten im westlichen Bergland zu mobilisieren und mit diesen die Pfade entlang der laotisch- vietnamesischen Grenze zuüberwachen. Außerdem ermächtigte Kennedy die CIA, Infiltrationstrupps zusammenzustellen, die im Norden Sabotageakte unternehmen sollten. Darüber hinaus stockte er die Militär- und Wirtschaftshilfe beträchtlich auf ( um zunächst 42 Millionen Dollar ) und ließden südvietnamesischen Selbstverteidigungskräften moderne Waffen zukommen. ( FREY, 1999:85).

Der Konflikt in Vietnam stellte zu dieser Zeit jedoch nicht das größte politische Problem der USA dar. Kennedy und sein Regierungsstab sahen sich von Anfang an einer Reihe innen- und außenpolitischer Konflikte gegenübergestellt, die bewältigt werden mussten. Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem pro-sowjetischen Kuba nach der Beschlagnahme von US- Ölraffinerien und anderem US-Eigentum, Erfolglosigkeit des Versuchs, den kubanischen Regenten Castro zu stürzen, die Entdeckung von sowjetischen Raketen in Kuba ,der Sputnik-Schock, der Bau der Berliner Mauer und der damit einen neuen Gipfel erreichende kalte Krieg ( vgl. MOLTMANN, 1998:134ff ), Chruschtschows materielle Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegungen ( vgl. FREY, 1999:82) und ungelöste Bürgerrechtsfragen im eigenen Land beschäftigten die Kennedy - Regierung weitaus mehr als die Zustände in Vietnam. Trotzdem sah man den Krieg dort als Teil einer großen kommunistischen Bedrohung an. Robert McNamara schreibt in seinen Erinnerungen : Wir fühlten uns eingekreist und gefährdet. Diese Angst lag auch unserer Einmischung in den Vietnamkonflikt zugrunde. ( McNamara, 1997:53). An Bedeutung gewann Vietnam dann nach dem Scheitern in Kuba.

Washington entschloss sich, nachdem es nicht gelungen war, Diems Regierung zu stabilisieren, zu der sogenannten ‚counterinsurgency-strategy’, einem Anti-Guerilla- Krieg. Dies bedeutete eine abgestufte, flexible Antwort auf drei Ebenen, die 1. die militärische Sicherung südvietnamesischer Dörfer, 2. den Aufbau einer integeren Lokalverwaltung und 3. die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen der Dorfbewohner vorsah. ( vgl. FREY, 1999:88). Doch mangelnde langfristige Planung und das Fehlen einer Konsequenz in der Umsetzung ließen diese Strategie schon nach kürzester Zeit scheitern.

Am 2. November 1963 wurden Ngo Dinh Diem und sein Bruder und Berater Ngo Dinh Nhu während eines Staatsstreichs getötet. Eine Pentagon-Studie stellte fest, dass Washington den Staatsstreich gegen Diem [ zwar] nicht veranlasste und die amerikanischen Streitkräfte auch in keiner Weise intervenierten, [...], aber seit Wochen [...] von jedem Schritt unterrichtet [war]. ( SHEEHAN, 1971:153f). Drei Wochen später, am 22. November 1963, wurde John F. Kennedy in Dallas, Texas, unter nie ganz geklärten Umständen erschossen und sein Stellvertreter, Lyndon B. Johnson, wurde 36. Präsident der USA.

IV.3. Johnson und die Eskalation

In seiner Regierungserklärung legte Johnson seinen politischen Schwerpunkt auf innenpolitische Aspekte. Schwarze und Weiße, Reiche und Arme, Männer und Frauen sollten gleiche Chancen und Möglichkeiten erhalten. ( FREY, 1999:114). Motiviert von dieser Vision einer ‚Great Society’ ve rnachlässigte er anfangs das Problem Vietnam . Außenpolitisch eher unerfahren und desinteressiert, trat er ein Erbe an, mit dessen weitreichenden Auswirkungen er sicher nie gerechnet hatte.

Diem hinterließ in Saigon eine Regierung, die nach nur dreimonatiger Amtszeit zurücktreten musste. Es folgte ein totaler Verfall der staatlichen Autorität. Im Januar 1964 übernahm dann General Nguyen Khan die Macht in Südvietnam, sehr zur Erleichterung der Amerikaner, denen er versicherte, sich mehr als seine Vorgänger auf den Rat der amerikanischen Militärmission zu verlassen. ( FREY, 1999:101).

Trotz allem wechselte im Laufe des Jahres noch fünfmal die Regierung und der NFL gelang es, 13 der 44 Provinzen zu erobern und in weiteren 22 so aktiv zu sein, dass sie offiziell zur Gefahrenzone erklärt wurden. ( vgl.PFETSCH, 1991:133).

Johnson trieb währenddessen die schon von Kennedy eingeführten geheimen Militäraktionen ( OPLAN 34-A) weiter voran. Es wurden Nordvietnamesische Einrichtungen sabotiert, Flugblätter verteilt und der Luftraum heimlich überwacht. ( vgl. FREY, 1999:102). Außerdem ließ er detaillierte Pläne für eine Bombardierung Nordvietnams ausarbeiten. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt hielt Johnson es jedoch nicht für nötig, oder vielleicht sogar für taktisch unklug, seine ‚Great Society’ darüber zu informieren, was im Pentagon in Bezug auf Vietnam vor sich ging. Johnsons Gleichberechtigungsgedanke schloss offenbar das Recht auf politische Informationen und Mitbestimmung des Volkes nicht ein. Ein Fehler, den er während seiner Amtszeit immer wieder beging und der letztendlich seinen Fall mitbegründete.

IV.3.1. Golf von Tonkin - Resolution

Am 2. August 1964 beschossen nordvietnamesische Boote den US - Zerstörer Maddox, von dem sie glaubten, er wäre an dem Beschuss der nordvietnamesischen Insel Hon Me einen Tag vorher beteiligt gewesen. Es gab weder Verletzte noch Beschädigungen am Schiff. ( McNAMARA, 1997:176). Johnson sah von einem Vergeltungsschlag ab, stufte den Vorfall aber öffentlich als militärische Provokation ein. ( vgl. McNAMARA, 1997:177 und FREY, 1999: 103).

Am 4. August meldeten die Maddox und ein inzwischen zusätzlich in den Golf beorderter Zerstörer, die C. Turner Joy, erneut Angriffe der Nordvietnamesen. Später stellte sich heraus, dass es diese Vorfälle nie gegeben hat, und auch die Regierung bezweifelte von Anfang an den Wahrheitsgehalt dieser Meldungen. So erhielt Robert McNamara direkt nach dem angeblichen Angriff von verschiedenen Seiten Informationen, die besagten, dass wahrscheinlich falsche Radarbeobachtungen und fehlerhafte Auslegung von Echolotgeräuschen zu diesen Meldungen geführt hätten.

( vgl. McNAMARA, 1997:180).

Johnson jedoch benutzte diesen Vorfall dazu, den Befehl zum Zurückschießen zu geben und eine bereits Wochen zuvor formulierte Resolution im Kongress einzubringen, die [ ihn] ermächtigte, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um

die Angriffe zurückzuschlagen und um künftige Aggressionen zu verhindern ’ . ( FREY, 1999:104).

Mit diesen ersten amerikanischen Angriffen auf kommunistisches Territorium begann im eigentlichen Sinne der amerikanische Krieg in Vietnam. Aufgrund der bevorstehenden Wahlen und seiner innenpolitischen Anstrengungen jedoch zögerte Johnson noch bis Februar 1965, Nordvietnam tatsächlich anzugreifen.

IV.3.2. Operation ‚Rolling Thunder’

Am 7. Februar 1965 jedoch führte der Angriff auf einen US- Luftwaffenstützpunkt bei Pleiku zu einer Welle von Vergeltungsangriffen gegen Nordvietnam und Laos. [ ...] Ein paar Wochen später greifen die ersten US- Erdkampftruppen in die Kämpfe ein . ( PFETSCH, 1991:135).

Am 10. Februar begann Johnson mit der Operation ‚ Rolling Thunder’, nachdem die NLF erneut eine US-Luftwaffenbasis beschossen hatte und 20 Amerikaner dabei ums Leben gekommen waren. Aufgrund mangelnder Kenntnisse über die landschaftlichen Gegebenheiten setzten die Vereinigten Staaten hauptsächlich auf Luftangriffe und übersahen dabei, dass in dem dichten Dschungelgebiet und dem unübersichtlichen Bergland diese relativ wirkungslos blieben. Die Bodentruppen litten unter genau den gleichen Problemen - niemand kannte das Terrain und die bis zum Ende des Krieges gelang es den Amerikanern nie, den ‚ Heimvorteil’ der vietnamesischen Kämpfer wettzumachen.

Trotzdem wirkte sich die Operation in Washington anfänglich wie ein reinigendes Gewitter aus. Endlich passierte etwas Konkretes und viele waren davon überzeugt, dass es sich nur um Wochen handeln könne, bis die Guerillas besiegt wären. Der Optimismus hielt jedoch nicht lange vor, zu selten erreichten Washington Meldungen über tatsächliche Erfolge und auch für das amerikanische Volk vor dem Fernseher passten Grauensbilder und positive Berichterstattung nicht mehr zusammen.

Immer mehr kritische Stimmen wurden laut, viele Einzugsbefehle wurden zerrissen und die Regierung stand immer öfter am Pranger.

Johnson, dessen politisches Hauptaugenmerk immer auf der innenpolitischen Seite gelegen hatte, und der seine Vision der ‚ Great Society’ im Dschungel des Vietnamkrieges untergehen sah, reagierte schließlich mit der Signalisierung einer Gesprächsbereitschaft und stellte Hanoi sogar amerikanische Wirtschaftshilfen in Aussicht, sollten die Gespräche zu einem Friedensschluss führen. ( vgl. SCHWEITZER, 1969:36). Hanoi, angesichts der instabilen Lage des Regimes in Saigon, der Erfolge der NLF und der zunehmenden chinesischen und sowjetischen Unterstützung ( FREY, 1999:123) fest davon überzeugt, den Krieg bald gewonnen zu haben, antwortete mit einem für Washington inakzeptablen 4-Punkte-Programm und Johnson beschloss, weitere Truppen nach Vietnam zu senden.

Die amerikanische Kriegsführung hatte jedoch von Anfang an das Problem, dass die eigenen Truppen genauso wenig wie die südvietnamesischen Truppen motiviert waren, diesen Krieg zu gewinnen, während die NFL und die Vietcong sich als Vorkämpfer des sozialen Fortschrittes empfinden und entschlossen sind, ohne Rücksicht auf eigene Verluste bis zum totalen Siegüber ihre Gegner zu kämpfen. ( PFETSCH, 1991:135).

Die USA wollten dagegen Hanoi eigentlich nur solange militärisch unter Druck setzen, bis man dort einen Teilungskonsens erreicht hätte. Im Laufe der Jahre 1966 und 1967 verstärkte Amerika seine Kampfhandlungen zwar konsequent, erreichte aber nie mehr als ein militärisches Patt. Es gelang weder, den Nordvietnamesen den Versorgungsweg - Ho-Chi-Minh-Pfad, ein unterirdisches Tunnelsystem, dass sich bis nach Laos und Kambodscha erstreckte - abzuschneiden, noch irgendwelche anderen relevanten Anlagen zu zerstören, hauptsächlich bedingt durch den ohnehin nur sehr geringen Grad der Industrialisierung, der es natürlich unmöglich machte, Entscheidendes zu zerstören. Selbst der Einsatz chemischer Gifte wie ‚ Agent Orange’, die dazu dienten, den Urwald zu entlauben, um so den Piloten eine bessere Sicht zu ermöglichen, brachten keine wesentliche Erfolge.

Zur gleichen Zeit schlossen sich immer mehr Menschen den Vietcong und der NFL an, die ohne Rücksicht auf das eigene Leben und von China und der UdSSR militärisch unterstützt, einen immer grausameren Guerilla-Krieg führten und sich immer mehr darüber bewusst wurden, dass der Krieg gegen die Weltmacht USA letztlich nicht auf den Schlachtfeldern in Indochina, sondern an der Front der amerikanischen Innenpolitik gewonnen werden musste - und zwar durch Geduldsproben, durch psychologische Abnutzung und durch eine Politik der permanenten Nadelstiche, die jede Siegesmeldung Lüge strafen und die beim Gegner Nachdenklichkeit und Zweifel auslösen sollte. ( WEGGEL, 1987:73).

Die Amerikaner kämpften unterdessen nicht nur mit den Kommunisten, sondern auch mit der Unfähigkeit der Südvietnamesen, sich zu einer erfolgreichen Armee zu entwickeln. Gründe dafür waren einerseits die geringe Besoldung der Soldaten, zum anderen die hohe Zahl unausgebildeter und zu junger Soldaten, die massenhaft desertierten und sich nur selten wirklich engagierten. Außerdem entwickelten sich die kulturellen Unterschiede zwischen Amerikanern und Vietnamesen immer mehr zum Problem. ( vgl. FREY, 1999:135ff).

IV.3.3. Innere Unruhen

In den USA selbst mehrten sich mehr und mehr die Stimmen, die eine sofortige Beendigung des Krieges forderten und die nicht mehr an den von Präsident Johnson bislang propagierten ‚Sauberen Krieg’ glaubten.

Dieser Krieg war der erste, den die Bevölkerung am Fernseher miterlebte und der durch die Programmgestaltung und Bildauswahl der Fernsehsender praktisch mitentschieden wurde. In den ersten Jahren trugen diese Punkte noch nicht zur Antikriegsstimmung bei, doch ab 1965 begannen die Sender, mehr und mehr die zahlreichen Gegenbewegungen in den Vordergrund zu stellen und statt zuversichtlich lächelnder Generäle aufgebrachte Wehrdienstverweigerer zu interviewen.

Studentenschaften, Frauenvereinigungen und Bürgerrechtler gingen auf die Straße und demonstrierten. Besonders die Kritik durch die Bildungselite der USA verwirrte und ärgerte Johnson. Er ließ deshalb im November 1967 den Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee in Vietnam, General Westmoreland, einfliegen, der sich bemühte, ein positives Bild des Verlaufes des Krieges zu zeichnen und den bevorstehenden Sieg ankündigte. ( vgl. FREY, 1999:150ff).

Grundloser Optimismus, Lüge oder eine völlig falsch eingeschätzte Situation - was auch immer Westmoreland zu dieser Aussage bewegt hat, kaum ein anderer teilte diese Ansicht. Verteidigungsminister McNamara war schon seit langem von der Sinnlosigkeit des Krieges überzeugt und brachte dies in einem Memorandum an Johnson im Herbst 1967 zum Ausdruck. Neben seiner persönlichen Einschätzung über den weiteren Verlauf des Krieges, sowohl innen- wie auch außenpolitisch, empfahl er eine Politik der Stabilisierung anzukündigen; die Bombardierung Nordvietnams noch vor Jahresende einzustellen, um Verhandlungen herbeizuführen; die Bodenoperationen im Süden zuüberdenken, um die amerikanischen Verluste zu reduzieren, den Südvietnamesen gr öß ere Verantwortung für ihre Sicherheit zuübertragen und den Schaden zu mindern, den der Krieg in Südvietnam anrichtet. ( McNAMARA, 1997:393/394).

Johnson befolgte leider diese Ratschläge nicht, sondern enthob McNamara kurz darauf seines Amtes.

IV.3.4. Die Tet-Offensive

Den Preis für diese Fehleinschätzung musste Johnson dann im Januar 1968 bezahlen, als die NFL eine völlig überraschende Großoffensive startete. Die Vietcong und die NFL nutzten die Kampfruhe des buddhistischen Neujahrfestes ( Tet ) und griffen an allen wichtigen Plätzen in Südvietnam an. 36.000 nordvietnamesische Soldaten und Vietcongs griffen nach einem vorher genau festgelegten Plan mit grausamen Terror 28 von den insgesamt 44 südvietnamesischen Provinzhauptstädten an, lieferten sich tagelange Straßenschlachten mit den Gegnern und konnten sogar für einige Tage die amerikanische Botschaft in Saigon besetzen. ( vgl. D ÄNIKER, 1969:167ff).

Den Amerikanern gelang es zwar, letztendlich die Nordvietnamesen zurückzudrängen, dennoch strafte dieser Vorfall die Beteuerungen des US-Militärs Lügen, sie habe die Situation unter Kontrolle.

Mag der Schlag für die Kommunisten militärisch eine Niederlage gewesen sein, war indessen eine große politisch-psychologische Wirkung unverkennbar. [...],bewirkt sie ein Umdenken in den USA: Die im Jahre 1965 entstandene Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg nimmt an Intensität unaufhaltsam zu. Immer mehr Jugendliche wehren sich gegen ihre Einberufung zu einem Krieg, dessen Sinn sie nicht verstehen. Die herannahende Präsidentschaftswahl konsolidiert im Verlauf des Jahres 1968 die Opposition gegen Johnson auch innerhalb seiner eigenen Partei. Zum totalen Misserfolg seiner Außenpolitik kommt für ihn deshalb noch die Gefahr der innenpolitischen Niederlage, ja sogar der Ablehnung durch die eigene Partei.In dieser Situation gibt er schließlich auf. [...]. ( PFETSCH, 1991:138). Johnson kündigte an, die Bombardierung Nordvietnams einzustellen und die amerikanische Truppenpräsenz in Südvietnam systematisch zu reduzieren. Außerdem gab er bekannt, bei den anstehenden Wahlen nicht mehr als Präsidentschaftskandidat anzutreten.

IV. 4. Nixon und die Vietnamisierung des Krieges

Der neue Präsident, Richard Nixon, glaubte zwar wie seine Vorgänger an die Dominotheorie, hielt aber einen Sieg in Vietnam nicht mehr für sehr wahrscheinlich. Er hielt daher die schon im Mai 1968 begonnenen Friedensverhandlungen in Paris aufrecht und unterbreitete im Mai 1969 ein 8-Punkte-Programm für eine Friedensregelung in Vietnam, das eine Deeskalation des Krieges durch einen US Truppenabzug und durch die ‚ Vietnamisierung ’ der Kriegsführung vorsieht. Am 25. Juli 1969 verkündet er auf Guam seine Guam- oder Nixon-Doktrin, die im Wesentlichen anerkennt, dass Asien den Asiaten gehöre und die USA ihe Engagement schrittweise abbauen würden, wobei sie allerdings zuvor Südvietnam in den Stand versetzen wollen, sich selbst zu verteidigen. ( PFETSCH, 1991:139).

Aber auch Nixon konnte sich den Realitäten nicht entziehen, mit denen seine Vorgänger schon gekämpft hatten. Der Preis, den Amerika bis jetzt schon bezahlt hatte, sowohl finanziell wie auch an Menschenleben, war einfach zu hoch, als dass man jetzt einfach die Truppen zurückziehen und sich aus Vietnam verabschieden könnte. Zusätzlich gab es da auch die durch die Dominotheorie begründete außenpolitische Gefahr, dass eine Aufgabe in Vietnam massive Auswirkungen auf den Stand der USA in anderen Ländern haben könnte. Allein in Europa hätte der plötzliche Rückzug aus Vietnam schwere Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit Amerikas.

Nixon musste also versuchen, den Balanceakt zwischen Abzug aus Vietnam und Wahrung des Gesichts zu bestreiten. Er begann, zur gleichen Zeit amerikanische Truppen aus Südvietnam abzuziehen und die südvietnamesische Armee zu verstärken. Die Amerikaner stellten modernste Waffen zur Verfügung, zwangen die südvietnamesische Regierung zu einer wirksamen Landreform und sorgten dafür, dass die Dorfräte wieder etwas mehr Verantwortung und Autonomie erhielten. ( vgl. FREY, 1999:194).

Obwohl er damit Anfangserfolge erzielen konnte, machte ihm die stetig sinkende Bereitschaft der Südvietnamesen, für ihren Staat einzustehen, immer mehr Probleme. Viele Menschen waren korrupt, nur auf den eigenen Vorteil bedacht, kriegsmüde oder einfach politisch desinteressiert. Den Nordvietnamesen gelang, nach dem Tod von Ho Chi Minh unter neuer Führung, eine Großoffensive gegen Südvietnam, wodurch sich Nixon im März 1972 zu Vergeltungsschlägen gezwungen sah. ( vgl. PFETSCH, 1991:139).

Es folgten die schlimmsten Bombenangriffe seit Beginn des Krieges. Erneut verstärkten sich innerhalb der USA die Proteste gegen den Krieg, die Nixon bislang relativ unter Kontrolle halten konnte. Die internationale Öffentlichkeit, selbst der Papst, drückten offen ihren Unmut über die Geschehnisse aus. Die Friedensverhandlungen von Paris waren 1971 ergebnislos abgebrochen worden und Angriffe auf Laos und Kambodscha, wo die USA Rückzugsgebiete der Vietcong vermuteten, erwiesen sich als wirkungslos, zogen aber beide Länder sinnlos in stärkste Mitleidenschaft.

Dass es Nixon dennoch gelang, den Krieg schließlich zu beenden, lag hauptsächlich an seinem strategisch äußerst geschickten Schachzug, die Beziehungen zu den UdSSR und China wieder aufzunehmen und allmählich zu verbessern. Da sowohl die UdSSR als auch die VR China ihre verbesserten Beziehungen zu den USA nicht aufs Spiel setzen wollten, reagieren sie auf die Brutalisierung seitens der USA lediglich mit Protestnoten und setzen ihre bilateralen Treffen mit den USA fort. ( PFETSCH, 1991:140). Währenddessen traf sich sein nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger wiederholt zu geheimen Gesprächen mit dem nordvietnamesischen Unterhändler Le Duc Tho. Bislang waren alle Gespräche ergebnislos gewesen, die Nixon- Administration und die Führung in Hanoi erkannten jedoch zunehmend, dass der Krieg nicht endlos weitergehen konnte. Innenpolitischer Druck in den USA und die Erschöpfung in Nordvietnam boten somit die wesentlichen Voraussetzungen für erfolgreiche Friedensverhandlungen ( FREY, 1999:208).

Am 27. Januar 1973 wurde dann in Paris das ‚Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam’ von Nordvietnam, Südvietnam, der ‚Provisorischen Volksregierung der NLF’ sowie den USA unterzeichnet. Im wesentlichen wurde hier festgelegt, dass die Amerikaner sich gänzlich aus Vietnam zurückziehen sollten, die nordvietnamesischen Truppen im Süden bleiben durften und Hanoi die amerikanischen Kriegsgefangenen freiließ. ( vgl. FREY, 1999:211).

Damit endete das amerikanische Engagement in einem Krieg, der nicht nur der längste ihrer Geschichte, sondern auch einer der grausamsten Kriege der Geschichteüberhaupt ist. ( PFETSCH, 1991:140).

V. Der Bürgerkrieg

Trotz aller Kriegsmüdigkeit ging in Vietnam der Krieg weiter. Sowohl Nord- als auch Südvietnam versuchten, ihre Gebiete zu verteidigen bzw. auszuweiten. Erst 1975 kapitulierte die südvietnamesische Regierung, als Nordvietnamesen in Saigon einmarschierten. Erst jetzt war für die Vietnamesen ein dreißig Jahre langer Krieg zu Ende.

VI. Warum haben die Amerikaner nicht gesiegt?

Es gibt unzählige Thesen darüber, warum es den militärisch gut ausgerüsteten Amerikanern nicht gelungen ist, ihren Gegner trotz aller Bemühungen zu besiegen. Schon 1969, vor Beendigung des Krieges, hat Gustav Däniker versucht, die Gründe darzulegen. Seiner Meinung nach machte Amerika vor allem den Fehler, die gesamte Situation in Vietnam falsch einzuschätzen. Ho Chi Minh wollte zwar ein kommunistisches Regime durchsetzen, war jedoch weder von Moskau noch von China dazu angehalten worden, sondern handelte aus rein nationalistischen Interesse. Während die Amerikaner in Vietnam hauptsächlich gegen eine verschwommene kommunistische Weltbedrohung ankämpften, ve rfolgten die NFL und die Vietcong ganz realistische, greifbare Ziele und konnten somit viel leichter das Vertrauen und die Unterstützung der Bevölkerung erlangen. Die USA verzettelte sich in einem Gewirr von Zögern, Unentschlossenheit, der Angst vor innenpolitischen Auswirkungen, Lügen gegenüber der Öffentlichkeit sowie undurchdachten und inkonsequenten Versuchen, den Gegner einzuschüchtern. Sie konnten keine Glaubwürdigkeit vermitteln, da es ihnen nicht gelang, Siegeswillen zu zeigen. Vielmehr machten sie allzu deutlich, dass es ihnen nur um ein begrenztes Ziel ging. ( vgl. D ÄNIKER, 1969:298ff).

36 Jahre später gelangte Detlef Junker dann zu ähnlichen Erkenntnissen: [ Johnsons] Erfahrungen und seine Weltsicht ließen es nicht zu, den Vietnamkrieg als nationalen und antikolonialen Befreiungskampf zu deuten.( JUNKERS, 1995:88). Er stellt aber zusätzlich noch Johnsons Angst heraus, innenpolitisch zu versagen. Zusätzlich stellt er fest, dass sich die Grundannahme, der sowohl Eisenhower als auch Kennedy, Johnson und Nixon gefolgt waren, nämlich eine Ausbreitung des Kommunismus nach dem Prinzip der Domino-Theorie, als falsch herausgestellt hat. Folglich sieht Junker die gesamte Vietnam-Politik als Grund für das Versagen der Amerikaner. ( vgl. Junker, 1995:98).

Marc Frey unterstützt alle vorangegangenen Thesen, sieht aber den Hauptgrund für die Niederlage in dem Auseinanderbrechen des innenpolitischen Konsens in den Vereinigten Staaten. Empörung und Kriegsmüdigkeit erlaubten es Nixon nicht mehr, diesen Krieg weiterzuführen. Zusätzlich unterstreicht er, dass nach der Annäherung an Moskau und China ohnehin jeder weitere Grund für eine militärische Auseinandersetzung entfiel. ( vgl. FREY, 1999:224).

Zusammenfassend ist wohl zu sagen, dass durch eine stärkere Beschäftigung der Amerikaner mit den wirklichen Vorgängen im kommunistischen Teil der Welt der Krieg von vornherein hätte verhindert werden können. Hätte Amerika darauf verzichtet, eine Art Weltpolizei zu spielen und sich stattdessen viel früher zu Gesprächen mit den ‚wirklichen’ Gegnern bereiterklärt, wären ihnen und vor allem den Vietnamesen die schrecklichen Folgen dieses Krieges erspart geblieben.

VII. Folgen des Krieges

Dieser Krieg ohne Sieger hatte jede Menge Verlierer: 56000 US-Soldaten, 188000 südvietnamesische und ca. 5000 Soldaten der übrigen SEATO-Staaten, 920000 vietnamesische Kommunisten, 350000 nordvietnamesische und 450000 südvietnamesische Zivilisten kamen ums Leben. ( vgl. PFETSCH, 1991:140). Im Norden waren die sechs städtischen Industriezentren sowie 4000 der 5800 landwirtschaftlichen Genossenschaften schwer beschädigt. Im Süden waren 9000 von 15000 Dörfern zerstört, Millionen Hektar Land durch Minen, Herbizide und Bomben unbrauchbar gemacht, riesige Waldgebiete durch Entlaubungs- und Pflanzengifte vernichtet.

Allein im Süden hinterließ der Krieg 900000 Waisen und eine Million Witwen. Die unmittelbaren Kriegskosten für die USA beliefen sich auf 167 Milliarden Dollar. ( vgl. FREY, 1999:222) .

Bis heute wirkt sich der Einsatz der chemischen Gifte auf die Bevölkerung aus : Untersuchungen des amerikanischen Umweltexperten Arnold Schecter ergaben, dass die Dioxin-Belastung in dieser Region ( Quang Tri) an manchen Stellen über 100mal höher ist als etwa im Norden des Landes, wo es keine ‚Agent Orange’ - Abwürfe gab. Vietnamesische Forscher stellten fest, dass in der stark verseuchten Provinz besonders viele Totgeburten zu beklagen sind; 69 von 10000 Babys kommen dort ohne Gehirn auf die Welt - in anderen Landesteilen ist dies im Schnitt nur bei 10 Säuglingen der Fall. ( STERN, 24/2000 ).Bis heute weigern sich alle beteiligten Parteien, Verantwortung für die Schäden des Krieges zu übernehmen. Obwohl beide Länder sich allmählich wieder aneinander annähern und die amerikanische Regierung alles dafür tut, diesen Krieg vergessen zu machen, wird er in den Köpfen der verwundeten Soldaten, der Kriegswitwen und -waisen und der Mütter der Dioxin-geschädigten Kinder für immer verankert sein.

LITERATURVERZEICHNIS

Czempiel, Ernst Otto & Schweitzer, Carl-Christoph Weltpolitik der USA nach 1945 Leske & Budrich-Verlag, Opladen 1984

Däniker, Gustav Warum sie nicht siegten Huber-Verlag, Frauenfeld 1969

Frey, Marc Geschichte des Vietnamkriegs Beck-Verlag, München 1999

Junker, Detlef Von der Weltmacht zur Supermacht B.I.-Taschenbuchverlag, Mannheim 1995

McNamara, Robert S. Vietnam - das Trauma einer Weltmacht Goldmann-Verlag, München 1997

Moltmann, Günter Staatengeschichte zum Nachschlagen Ploetz-Verlag, Freiburg 1998

Pfetsch, Frank ( Hrsg.) Konflikte seit 1945 Ploetz-Verlag, Freiburg 1991

Schweitzer, Carl - Christoph Die USA und der Vietnamkonflikt 1964-1967 Westdeutscher Verlag, Köln & Opladen 1969

Sheehan, Neil Die Pentagon - Papiere Droemer - Knaur-Verlag, München & Zürich 1971

STERN Enkel des schmutzigen Krieges Heft 24, Seiten 30 - 40 2000

von Borch, Herbert ( Hrsg.) Die großen Krisen der Nachkriegszeit List-Verlag, München 1984

Weggel, Oskar Indochina Beck-Verlag, München 1987

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Vietnamkrieg - Amerikas längste militärische Auseinandersetzung
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Veranstaltung
Internationale Politik
Note
2,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
17
Katalognummer
V101484
ISBN (eBook)
9783638999007
Dateigröße
376 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vietnamkrieg, Amerikas, Auseinandersetzung, Internationale, Politik
Arbeit zitieren
Nicole Theemann (Autor:in), 2000, Der Vietnamkrieg - Amerikas längste militärische Auseinandersetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101484

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Vietnamkrieg - Amerikas längste militärische Auseinandersetzung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden