Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Aufbau der „ Politeia “
3. Die Frage nach Gerechtigkeit
4. Das Höhlengleichnis
4.1. Deutung des Höhlengleichnisses
4.2. Drei Deutungsmöglichkeiten nach Carl Friedrich von Weizäcker
5. Das Menschenbild nach Platon (Die drei Seelenteile)
6. Platons Erziehungstheorie
7. Fazit
8. Bibliografie
1. Einleitung
Platons Vater, „Ariston, soll ein Nachkomme der frühen Könige von Athen gewesen sein und seine Mutter, Periktione, eine entfernte Verwandte des athenischen Staatsmanns Solon“ (URL: http://www.scheffel-gymnasium.de/religion/platon.htm). Platon, der von 427 bis 347 vor Christus lebte, entstammte also einer der einflußreichsten Familien Athens. Für ihn war es daher schon von Geburt an bestimmt, einmal ein politisches Amt zu bekleiden. Von seinem 21. bis 28. Lebensjahr gehörte er zum Kreis des Sokrates und begeisterte sich derart für die Philosophie, dass er sich dazu entschloß, auf eine politische Karriere zu verzichten. In dieser Zeit „mußte er mit ansehen, wie Athen, das schon während seiner Kindheit und Jugend unter katastrophalen Zuständen in der Demokratie gelitten hatte, erneut in eine politische Sackgasse geriet: die Oligarchie der 30 Tyrannen [...], eine Herrschaft einiger Adliger“ (URL: http://www.info-antike.de/platon.htm). 399 vor Christus wurde sein Mentor Sokrates -aus Platons Sicht durch die Demokratie- hingerichtet: er war wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend angeklagt und zu Tode verurteilt worden, wodurch Platon jegliches Vertrauen in die Politik des Stadtstaates verlor. Dennoch gründete er 387 vor Christus in Athen die Akademie - eine Institution, die dazu bestimmt war, Politiker auszubilden und auf ihr Amt vorzubereiten. „In fast allen der in Dialogform abgefaßten Werke Platons steht Sokrates im Mittelpunkt - als Lehrer, als Sucher nach Wahrheit und als menschliches Vorbild. Von Sokrates selbst sind keine schriftlichen Aufzeichnungen überliefert, so daß es schwierig ist, in Platons Werken abzugrenzen, was seine eigene gedankliche Leistung ist und was auf Sokrates zurückgeht“ (Braun/Heine/Opolka: Politische Philosophie, 1998, S. 27).
Platon sah die Polis in doppelter Weise gefährdet: einerseits durch die aufkommende Kritik an traditionellen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit, andererseits durch die in seinen Augen willkürliche Herrschaft des Volkes, dessen Unvernunft sich bei Sokrates’ Verurteilung gezeigt hatte. In seiner Schrift „ Politeia “ beschreibt er seine Vorstellungen für einen gerechten Staat, der für ihn notwendigerweise von Philosophen beherrscht werden mußte. Um zu verstehen, warum das für Platon so war, ist es allerdings wichtig, seine Vorstellung von Gerechtigkeit, sein Menschenbild, seine Schrift von den drei Seelenteilen und das Höhlengleichnis genauer zu betrachten. Dies ist die Aufgabe folgender Arbeit.
2. Der Aufbau der „ Politeia “
„ Politeia “ ist wohl Platons berühmtestes Buch. Das komplexe Werk besteht aus zehn Büchern und ist in Dialogform verfasst. Hauptperson ist Sokrates, dem Platon die Worte in den Mund gelegt hat. Die Zwiegespräche werden hauptsächlich mit zwei Brüdern Platons -Glaukon und Adeimantos- geführt: Thema ist die Frage nach Gerechtigkeit und nach der besten Verfassung menschlicher Gemeinschaft. „Bevor Platon aber seine eigenen Gedanken zum Problem der Gerechtigkeit und des besten Gemeinwesens entwickelt, attackiert er im ersten Buch der „ Politeia “ (das wohl erheblich früher als die übrigen entstanden ist) Meinungen, die auch heute noch gängig und verbreitet sind. Auf diese Weise überliefert er dem heutigen Leser Teile einer sonst vielleicht verlorengegangenen Tradition der Antike, ein Denken, das entschieden diesseitig und <unidealistisch> orientiert ist“ (Braun/Heine/Opolka: Politische Philosophie, 1998, S. 29).
3. Die Frage nach Gerechtigkeit
Anfangen möchte ich mit der Grundfrage politischen Denkens, nämlich der Frage: „Was ist Gerechtigkeit?“ (Ich möchte an dieser Stelle gleich vorweg nehmen, dass das Gerechtigkeitsproblem nicht gelöst wird). Eine mögliche Antwort darauf, findet sich im ersten Buch der „ Politeia “. Das dort beschriebene Gespräch beginnt mit einem Dialog zwischen Kephalos und Sokrates. Dann greift Thrasymachos, ein großer Rhetoriker, in die Unterhaltung ein. „Schon während wir miteinander redeten, hatte Thrasymachos wiederholt einen Anlauf genommen, das Wort zu ergreifen; doch war er dann von den Anwesenden gehindert worden, weil sie gerne unser Gespräch bis zu Ende anhören wollten. Als wir aber nach meiner letzten Frage eine Pause machten, konnte er sich nicht mehr ruhig halten. Er duckte sich wie ein wildes Tier und schnellte auf uns los, als ob er uns zerreißen wollte“ (Platon: Der Staat, Buch I, S. 28f.).
Thrasymachos wird hier ungeduldig, „denn die Methode des Sokrates, eine Antwort so lange zu untersuchen, bis sich herausstellt, daß sie unzureichend oder widersprüchlich ist, scheint ihm eine Verschleierung des wahren Sachverhaltes zu sein“ (Braun/Heine/Opolka: Politische Philosophie, 1998, S. 30). Daraufhin beginnen Thrasymachos und Sokrates eine eifrige Diskussion darüber, was Gerechtigkeit ist.1 Thrasymachos erklärt: „ Ich nämlich behaupte, das Gerechte sei nichts anderes als das dem Stärkeren Zuträgliche (338 c). [...] Und jegliche Regierung gibt die Gesetze nach dem, was ihr zuträglich ist, die Demokratie demokratische, die Tyrannei tyrannische und die andern ebenso. Und indem sie sie so geben, zeigen sie also, daß dieses ihnen Nützliche das Gerechte ist für die Regierten (338 d, e).“
Er behauptet also, dass Gerecht gleich Gesetzestreue ist und nur die Herrscher etwas vom Gerechten haben. Sokrates sagt dazu: „[...], daß das Gerechte ein Zuträgliches ist, auch ich eingestehe, du aber hinzusetzend behauptest, es sei das dem Stärkeren, [...] (339 b). [...] Sind nun aber die Regierenden unfehlbar in jeglichem Staat, oder solche, daß sie auch wohl etwas fehlen? (339 b, c). [...] So geben sie einige [Gesetze] zwar richtig, andere aber auch nicht richtig? (339 c). [...] Ist es nicht eingestanden, daß, indem die Regierenden den Regierten befehlen, einiges zu tun, sie bisweil das für sie Beste verfehlen; was aber auch die Regierenden befehlen mögen, das sei für die Regierten gerecht zu tun? Ist das nicht eingestanden? - Das glaube ich freilich, sagte er [Thrasymachos]“ (339 d).
Sokrates stellt also fest, dass die Regierenden auch Fehler machen und Thrasymachos stimmt ihm zu. Im ersten Buch heißt es weiter: „Sage mir also, o Thrasymachos, war es dieses, als was du das Gerechte beschreiben wolltest, das dem Stärkeren als ihm Zuträglich erscheinende, es mag ihm nun wirklich zutragen oder nicht? Sollen wir sagen, so meinst du es? (340 c)“ In seiner Antwort macht Thrasymachos einen Fehler, denn er widerspricht damit seiner vorigen Zustimmung, dass Regierende auch Fehler machen: „Ganz und gar nicht [...]! Meinst du denn, ich nenne den Stärkeren den, der sich irrt, eben wenn er sich irrt? (340 c). [...] Das Genaue aber ist jenes, daß der Regent, insofern er Regent ist, nirgend fehlt, und wenn er nicht fehlt, das für ihn selbst Beste festsetzt. Und dieses hat der Regierte dann zu tun. Also, wie ich auch von Anfang an sagte, gerecht nenne ich das dem Stärkeren Zuträgliche tun“ (340 e, 341 a). Sokrates erklärt daraufhin, dass keine Wahrhafte Kunst das ihr selbst Zuträgliche im Auge hat. So sei beispielsweise ein wahrhafter Arzt ein Versorger der Kranken und nicht ein bloßer Gelderwerber und ein wahrer Steuermann der Schiffsleute Regierende und nicht nur ein einfacher Schiffender (nach 341 c). Im Dialog heißt es weiter: „Also [...] bedenkt auch wohl kein anderer in irgendeinem Amt, sofern er ein Regierender ist, das ihm selbst Zuträgliche noch befiehlt es, sondern das dem Regierten und von ihm selbst Gemeisterten; und auf dieses sehend und das diesem Zuträgliche und Angemessene [...]“ (342 e).
4. Das Höhlengleichnis
Das sogenannte Höhlengleichnis ist im siebten Buch der „ Politeia “ zu finden. Platon beschreibt in einem Gleichnis, das er wieder Sokrates in den Mund gelegt hat, wie schwierig es für den Philosophen ist, zum Licht der Erkenntnis zu gelangen und wie schwer es ist, mit der Wahrheit denen gegenüberzutreten, die in der Gefangenschaft ihrer „Scheinwelt“ zufrieden verharren. Platon veranschaulicht also den Bildungsgang der Herrscher-Philosophen und gleichzeitig seine Ideenlehre. Gesprächspartner des Sokrates ist in diesem Buch ausschließlich Glaukon, Platons Halbbruder. „Stelle dir Menschen vor in einer unterirdischen, höhlenartigen Behausung; diese hat einen Zugang, der zum Tageslicht hinaufführt, so groß wie die ganze Höhle. In dieser Höhle sind sie von Kind auf, gefesselt an Schenkeln und Nacken, so daß sie an Ort und Stelle bleiben und immer nur geradeaus schauen; ihre Fesseln wegen können sie den Kopf nicht herumdrehen. Licht aber erhalten sie von einem Feuer, das hinter ihnen weit oben in der Ferne brennt. Zwischen dem Feuer und den Gefesselten aber führt oben ein Weg hin; dem entlang denke dir eine kleine Mauer errichtet, wie die Schranken, die die Gaukler vor den Zuschauern aufbauen und über die sie hinweg ihre Kunststücke zeigen.“
(Platon: Der Staat, Buch VII, S. 299)
Es wird weiter beschrieben, wie längs der Mauer Menschen vorbeilaufen, die allerlei Gerätschaften mit sich tragen, die über die Mauer ragen. Einige reden dabei, andere schweigen. Die Menschen in der Höhle, die gefesselt mit dem Gesicht zur Wand sitzen müssen, sehen von allem was über die Mauer ragt nur die Schatten an der Wand. Das, was an Geräuschen als Echo in die Höhle dringt, ordnen sie wie selbstverständlich den Schatten zu. „Auf keinen Fall [...] könnten solche Menschen irgend etwas anderes für das Wahre halten als die Schatten jener künstlichen Gegenstände“ (Platon: Der Staat, Buch VII, S. 300).
Dann wird einer der Gefangenen von seinen Fesseln befreit und gezwungen aufzustehen, den Hals zu wenden und gegen das Licht zu schauen. All das, geschieht unter Schmerzen und er würde die Dinge, deren Schatten er vorher gesehen hatte nicht erkennen, weil er vom Licht geblendet wäre. Anschließend sagt Sokrates zu Glaukon:
„Was meinst du wohl, daß er antworten würde, wenn ihm jemand erklärte, er hätte vorher nur Nichtigkeiten gesehen, jetzt aber sei er dem Seienden näher und so, dem eigentlich Seienden zugewendet, sehe er richtiger? Und wenn der ihm dann ein jedes von dem Vorüberziehenden zeigte und ihn fragte und zu sagen nötigte, was das sei? Meinst du nicht, er wäre in Verlegenheit und würde das, was er vorher gesehen hat, für wahrer (wirklicher) halten als das, was man ihm jetzt zeigt?“
(Platon: Der Staat, Buch VII, S. 300)
Nun wird weiter angenommen, dass der Gefangenen gezwungen wird, den steilen Aufgang hinauf zu gehen und die Sonne zu sehen. Er würde wieder starke Schmerzen haben und sich nur widerwillig dorthin schleppen lassen. Wenn er eine Weile dort oben wäre, würde er von allem erst wieder die Schatten sehen, dann die Spiegelbilder der Menschen und Gegenstände im Wasser und dann erst sich selbst.
„Und daraufhin könnte er dann das betrachten, was am Himmel ist, und den Himmel selbst, und zwar leichter bei Nacht, indem er zum Licht der Sterne und des Mondes aufblickte, als am Tage zur Sonne und zum Licht der Sonne. [...] Zuletzt aber, [...], würde er die Sonne, nicht ihre Spiegelbilder im Wasser oder anderswo, sondern sie selbst, an sich, an ihrem eigenen Platz ansehen und sie so betrachten können, wie sie wirklich ist. [...] Und dann würde er wohl die zusammenfassende Überlegung über sie anstellen, daß sie es ist, die die Jahreszeiten und Jahre herbeiführt und über allem waltet in dem sichtbaren Raume, und daß sie in gewissem Sinne auch von allem, was sie früher gesehen haben, die Ursache ist.“
(Platon: Der Staat, Buch VII, S. 301f.)
Angenommen, dieser Mensch würde nun wieder in die Höhle zurückkehren, so könnte er in der Dunkelheit nicht richtig sehen, weil seine Augen von der Sonne noch geblendet wären und er sich erst an das schwache Licht gewöhnen müsste. Wenn er jetzt mit den anderen Gefangenen wie früher wetteifern sollte, wer die Schatten an der Wand am besten erkennen würde, so würden die anderen ihn auslachen. Sie wären der Meinung, dass sein Aufstieg aus der Höhle nicht gut war, da er nun mit verdorbenen Augen zurückgekehrt sei und
„[...] es lohne sich nicht, auch nur versuchsweise dort hinaufzugehen. Wer aber Hand anlegte, um sie zu befreien und hinaufzuführen, den würden sie wohl umbringen [dabei denkt Platon offenbar an das Schicksal seines Mentors Sokrates], wenn sie nur seiner habhaft werden und ihn töten könnten“ (Platon: Der Staat, Buch VII, S. 303).
4.1. Deutung des Höhlengleichnisses
Um dieses Gleichnis deuten zu können, ist es wichtig, die Symbole zu verstehen. Folgende Tabelle soll dabei helfen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Meine Ansicht darüber geht jedenfalls dahin, daß unter dem Erkennbaren als letztes und nur mit Mühe die Idee des Guten gesehen wird; hat man sie aber gesehen, so muß man die Überlegung anstellen, daß sie für alles die Urheberin alles Richtigen und Schönen ist. Denn im Sichtbaren bringt sie das Licht und seinen Herrn hervor; im einsehbaren aber verleiht sie selbst als Herrin Wahrheit und Einsicht. Sie muß man erblickt haben, wenn man für sich oder im öffentlichen Leben vernünftig handeln will“ (Platon: Der Staat, Buch VII, S. 303).
Für Platon ist also die Sonne das Sinnbild für die Idee des Guten.
„[...]; aber wenn sie dort oben zur Genüge geschaut haben, darf man ihnen nicht erlauben, was ihnen jetzt erlaubt wird: Dort zu bleiben [...] und nicht wieder zurückkehren zu wollen zu jenen Gefangenen, noch Anteil zu nehmen an ihren Mühseligkeiten und Ehrbezeugungen, mögen diese nun geringfügig sein oder bedeutend. [...] Ihr müßt also nun wieder herabsteigen, jeder in seiner Ordnung, zu der Wohnung der übrigen und euch mit ihnen gewöhnen, das Dunkle zu schauen. Denn gewöhnt ihr euch hinein: so werdet ihr tausendmal besser als die dortigen sehen und jedes Schattenbild erkennen, was es ist und wovon, weil ihr das Schöne, Gute und Gerechte selbst in der Wahrheit gesehen habt. [...] der Staat, in welchem die zur Regierung berufenen am wenigsten Lust haben zu regieren, wird notwendig am besten und ruhigsten verwaltet werden. [...] denn wird die Verwaltung etwas, worum man sich reißt und schlägt: so muß ein solcher einheimischer und innerer Krieg die Kriegsführenden selbst und den übrigen Staat verderben.“
(Sämtliche Werke 3 - Phaidon, Politeia, in der Übers. von Friedrich Schleiermacher, S. 228f.)
Zusammengefaßt bedeutet das, dass die Philosophen zwar nicht herrschen wollen, sie aber dazu gezwungen werden müssen, weil sonst Jemand schlechtes an die Herrschaft kommen könnte, was wiederum schlecht für die Philosophen wäre. Im Sinnbild des Höhlengleichnisses gesprochen, muß man die Menschen, nach ihrer Ausbildung zu Philosophen zwingen, wieder in die Höhle zurückzukehren. Gerade dadurch, dass die Philosophen eigentlich keine Lust haben, einen Staat zu regieren, sind sie gute Herrscher, denn auf diese Weise ist die Verwaltung nichts, worum man sich „reißt und schlägt“, wodurch der Staat am ruhigsten verwaltet werden kann.
4.2. Drei Deutungsmöglichkeiten nach Carl Friedrich von Weizäcker
Das Platons „ Politeia “ und das „ Höhlengleichnis “ auch in der heutigen Zeit durchaus noch relevanz hat, zeigt ein Text vom Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizäcker. Er deutet das Gleichnis gleich auf drei -meiner Meinung nach ziemlich Abstrackte- Weisen: eine theoretische, eine politisch-moralische und eine mystische.
„In der theoretischen Deutung sind die Schatten die Sinneswahrnehmungen; wer sie vorhersagen kann, bekommt einen Preis. Die Bilder in der Höhle sind die Gegenstände der theoretischen Physik, Atome und dergleichen; was man im Licht sieht, ist die Mathematik, das große Paradigma der griechischen Philosophie, und die ewigen Strukturen, in denen Mathematik wurzelt. In der politisch- moralischen Deutung sind die Schatten das sogenannte reale politische Leben; wer sie vorhersagen kann, gewinnt die Wahl. Die Bilder in der Höhle sind vielleicht die sozialen Realitäten, und was man im Licht sieht, sind die ewigen moralischen Gesetze, ohne die keine Gesellschaft bestehen kann. In der mystischen Deutung sind die Schatten die äußeren Ereignisse unseres Lebens; die Bilder in der Höhle sind vielleicht die seelischen Wirklichkeiten, die sich dem Psychologen erschließen; was man im Licht sieht aber ist die göttliche Wirklichkeit, deren Funken unsere Seelen sind“ (Gerd Gerhard: Grundkurs Philosophie, S. 134).
5. Das Menschenbild nach Platon (Die drei Seelenteile)
Im vierten Buch der „ Politeia “ macht sich Platon Gedanken über die Seele. In einem Dialog zwischen Sokrates und Glaukon teilt er die Seele in drei Teile ein:
„Nicht ohne Grund, [...], werden wir also der Meinung sein, daß die beiden zweierlei und voneinander verscheiden sind, wobei wir das, wodurch die Seele vernünftig überlegt, als ihr Ü berlegungsvermögen bezeichnen und das, womit sie liebt und hungert und dürstet oder sonst etwas mit Leidenschaft begehrt, als das Unvernünftige und Begehrungsvermögen, den Freund von Sättigung und Lüsten. [...] So wollen wir also bestimmt haben, fuhr ich fort, daß sich diese beiden Arten in unserer Seele finden. Was nun aber den Mut betrifft und das, wodurch wir mutig sind - ist das ein Drittes, oder welchem von jenen beiden wäre es wohl von Natur gleich?
[...] Ist es nun auch von diesem verschieden, oder ist es eine Art des Überlegungsvermögens, so daß nicht drei, sondern nur zwei Arten in der Seele sind, das Überlegungsvermögen und das Begehrungsvermögen? Oder ist es wie in der Stadt: wie diese aus den drei Ständen, dem gelderwerbenden, dem helfenden und dem ratgebenden bestand, so ist dieses Muthafte auch in der Seele eine Drittes, von Natur ein Helfer des Überlegungsvermögens, wenn es nicht durch schlechte Erziehung verdorben ist.
<< Es ist notwendig ein Drittes>>, sagte er [Glaukon].“
(Platon: Der Staat, Buch IV, S. 189ff.)
Platon beschreibt den Menschen also als „dreigeteilt“. Für jeden Teil gibt es eine Tugend, eine ordnende Kraft. Analog dazu teilt Platon die Bürgerschaft seines „Musterstaates“ in drei Klassen oder Stände ein:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Platons Idealstaat liegt die Idee zugrunde, dass jeder nur eine Sache perfekt ausführen könne. Jeder Stand hat deshalb seine Aufgaben. Der Nährstand soll für das körperliche Überleben sorgen , die Wächter sollen beschützen und den Staat verwalten und die Herrscher, also Philosophen dienen als Gesetzgeber und Richter. Wenn die Herrscher weise sind, die Wächter tapfer und das Volk besonnen ist; also jeder Stand seinen Aufgaben nachkommt und alle füreinander da sind, funktioniert der Staat. Folgendes Zitat unterstreicht die Wichtigkeit dieser Stände für Platon: „Die Vielgeschäftigkeit und das Vertauschen dieser drei Stände wird also für die Stadt der größte Schaden sein, und man könnte sie wohl mit vollem Recht ein Hauptverbrechen nennen“ (Platon: Der Staat, Buch IV, S. 179).
Seine wichtigste Forderung ist dabei, dass die Philosophen herrschen sollen (oder die Herrscher, wie beispielsweise Könige, wenigstens philosophieren sollen), weil nur sie die Idee des Guten erkennen können, wodurch es erst möglich wird, einen Staat zu regieren:
„Wenn nicht entweder die Philosophen Könige werden in den Städten, sagte ich, oder die , die man heute Könige und Machthaber nennt, echte und gründliche Philosophen werden, und wenn dies nicht in eines zusammenfällt: die Macht in der Stadt und die Philosophie, und all die vielen Naturen, die heute ausschließlich nach dem einen oder dem anderen streben, gewaltsam davon ausgeschlossen werden, so wird es, mein lieber Glaukon, mit dem Elend kein Ende haben, nicht für die Städte und auch nicht, meine ich, für das menschliche Geschlecht“ (Platon: Der Staat, Buch V, S. 240).
Um einen dauerhaften gesunden Staat garantieren zu können, sieht Platon eine strenge Ordnung vor. Den beiden oberen Ständen in kein Privateigentum gestattet. Auch Frauen und Kinder werden hier als „Gemeingut“ betrachtet.
Für Platon sind einige Menschen, kurzum gesagt, besser als andere und nur diese können Philosophen werden. Wie die Ausbildung in seinem Staat funktionieren soll, möchte ich in folgendem Punkt kurz beschreiben.
6. Platons Erziehungstheorie
Platons Erziehungstheorie im Ganzen darzustellen, würde an dieser Stelle zu weit führen und ist nicht Aufgabe dieser Arbeit. Daher werde ich nur auf einige Punkte eingehen und so einen groben Überblick verschaffen.
Durch folgende grundlegende Erziehung ist nach Platon eine Aussonderung der Besten möglich. Je länger man die Ausbildung beschreitet, desto höher ist der Stand, dem man zugeordnet wird. Nur wer die Ausbildung bis zum Ende besteht, kann ein „Philosophenkönig“ werden. Bis zum zwanzigsten Lebensjahr soll es nach Platon eine musische und gymnastische Ausbildung geben. Die gymnastische Erziehung soll den Willen härten und im Einklang mit der musischen Erziehung stehen, da zuviel von Erstem verhärtet und zuviel von Letztem verweichlicht. „Nach Ablauf dieser Zeit [...] also vom zwanzigsten Jahre an, werden den Auserlesenen größere Auszeichnungen zuteil als den anderen, und die unzusammenhängenden Lehrfächer, die ihnen im Knabenalter bei der Erziehung beigebracht wurden, die sollen für sie nun in Zusammenhang gebracht werden, damit sie die Verwandtschaft überblicken, die alle Lehrfächer miteinander und mit der Natur des Seienden verbindet“ (Platon: Der Staat, Buch VII, S. 335).
Entscheidend ist für Platon nun, ob jemand von Natur aus dialektische begabt ist, oder nicht. Wer diese Fähigkeit am meisten besitzt und Ausdauer beim Lernen, im Krieg und in den anderen Prüfungen zeigt, soll nach seinem dreißigsten Lebensjahr aus der Auslese nochmals ausgesondert werden. (nach Platon: Der Staat, Buch VII, S. 335).
„Sind sie dann fünfzig Jahre alt geworden, so muß man die unter ihnen, die sich bewährt und sich in jeder Hinsicht, im tätigen Leben und in den Wissenschaften ausgezeichnet haben, zum Ziele führen und sie nötigen, das Augenlicht der Seele emporzurichten und auf das selbst hinzublicken, was allem Licht verleiht. Und wenn sie das Gute selbst gesehen, so sollen sie es zum Vorbild nehmen und danach ihr übriges Leben lang abwechselnd die Stadt und die Mitbürger und sich selbst in Ordnung bringen. Dabei soll jeder zwar die meiste Zeit der Philosophie widmen; wenn aber die Reihe an ihm ist, dann soll er sich um die öffentlichen Angelegenheiten bemühen und der Stadt zuliebe das Regentenamt übernehmen, nicht als ob er damit etwas Schönes täte, wohl aber etwas Notwendiges. Und nachdem sie dann stets auch wieder andere zu solchen Menschen erzogen und sie an ihre Stelle der Stadt als Wächter zurückgelassen haben, sollen sie zu den Inseln der Seligen abscheiden, dort zu wohnen. Und die Stadt wird ihnen auf ihre Kosten Denkmäler setzen und Opfer darbringen ...“.
(Platon: Der Staat, Buch VII, S. 339f.)
Letztes Zitat zeigt wieder deutlich, dass Platon die Philosophen eindeutig für die besseren und fähigeren Menschen hält, denn ihnen zu Ehren soll sogar ein Denkmal errichtet und Opfer erbracht werden. Diese Gesten erinnern stark an die Gebräuche, die man Göttern entgegenbringt. Herrschaft ist für ihn also etwas göttliches.
7. Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass Platons „ Politeia “ bis heute das wirkungsreichste Werk der abendländischen Philosophie ist. Meiner Meinung nach ist Platon am ehesten als ein Verfechter der Aristokratie einzuordnen, einer „Staatsform, bei der ein Stand die Regierungsgewalt innehat, der sich durch die vornehme Herkunft seiner Mitglieder [...] von der übrigen Bevölkerung abhebt“ (Der Jugend Brockhaus, 1. Auflage, 1985). Zwar sollte nach Platon nicht der Stand, der sich „durch vornehme Herkunft“, im Sinne von den Adligen vom Rest der Bevölkerung abhebt regieren, aber im weitesten Sinn doch der Stand, der in seinen Augen der Bessere ist. Er kritisierte die damals bestehende Verfassung und lehnte sowohl die Oligarchie, als auch die Demokratie und die Tyrannis ab. Obwohl er kein Demokrat war, hatte er aber durchaus demokratische Ansätze, weil er beispielsweise (fast) allen Menschen eine Ausbildung zugestand, durch die erst dann die „Besten“ ausgelesen werden sollten. Auch gestand er den Frauen - was für die damalige Zeit absolut ungewöhnlich war - zu, im Wehrstand tätig zu sein. „Somit ist Platon zumindest in Ansätzen einer der ersten Verfechter der Gleichberechtigung (auch wenn er diese Forderung in seinem späteren Werk „ Gesetze “ widerruft) (URL: http:www.info-antike.de/platon.htm).
Platons philosophisches Erbe ist so groß und umfassend, dass es wohl kaum einen späteren Philosophen gibt, der sich nicht mit seinen Denkansätzen beschäftigt hat. Platons politische Vorstellungen sind auch in der heutigen Zeit keinesfalls wegzudenken.
8. Bibliografie
Braun, Eberhard/Heine, Felix/Opolka, Uwe (1998): Politische Philosophie - ein Lesebuch, 6. Auflage.
Der Jugend Brockhaus (1985), Wiesbaden, 1. Auflage.
Gerhard, Gerd (1992): Grundkurs Philosophie, 1. Auflage.
Olivier, Martyn (1998): Die Geschichte der Philosophie - Große Denker gestern und heute, 1. Auflage.
Platon: Der Staat; übersetzt von Rudolf Rufener (1998), 2. Auflage.
Platon: Sämtliche Werke 3 - Phaidon, Politeia; übersetzt. von Friedrich Schleiermacher.
Internet:
URL: http://www.scheffel-gymnasium.de/religion/platon.htm; abgerufen am 04. April 2000.
URL: http://www.info-antike.de/platon.htm; abgerufen am 04. April 2000.
[...]
1 Die folgenden Textstellen-Angaben beziehen sich alle auf das Buch: Sämtliche Werke 3 - Phaidon, Politeia, in der Übers. von Friedrich Schleiermacher, S. 81ff.
- Arbeit zitieren
- Ina Alabowitz (Autor:in), 2000, Die Notwendigkeit der Philosophenherrschaft in Platon's Politeia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101489
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