Der Eintritt der USA ins internationale System unter Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson


Seminararbeit, 1998

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


GLIEDERUNG

1. Vorbemerkung

2. Grundzüge der internationalen Ordnung

3. Der außenpolitische Werdegang der USA

3. Roosevelt: Außenpolitik als Nationalinteresse

4. Wilson: Die Rechtfertigung des Machtstrebens

5. Der Schritt über die Schwelle: Der erste Weltkrieg

6. Fazit

Vorbemerkung

In der folgenden Arbeit soll es anhand der ersten beiden Kapitel von Kissingers Geschichtswerk “Diplomacy” um verschiedene Grundkonzepte internationaler Ordnung gehen, insbesondere um die Unterschiede der Weltordnung vor und nach dem Eintritt der USA ins internationale Gefüge; deren heutige Bedeutung, und die Personen und Ereignisse, die den Weg für ihren Aufstieg ebneten.

Dabei dient wie erwähnt Kissingers als literarische Hauptgrundlage, nur ergänzt von anderen Darstellungen.

Grundzüge der internationalen Ordnung

Kissinger geht davon aus, daß die Weltordnung bis dato in jedem Jahrhundert wesentlich von einer hegemonialen Nation beeinflußt worden sei.

In der europäischen Politik hat sich nach Zusammenbruch des mittelalterlichen Universalreiches das System der Balance of Power als Alternative zu einem von einem einzigen Staat dominierten System herausgebildet. In diesem Konzept der Austarierung der Kräfte wurde die in Europa vorhandene Konkurrenzsituation mehrerer annähernd gleichstarker Staaten zum Ordnungsprinzip erhoben, wobei es eher um den Erhalt einer Stabilität als um eine Friedensordnung ging. Aufgrund dieser internen Wettbewerbssituation, die sich aus dem Prinzip des freien Spiels der Kräfte ergab, war Europa für Jahrhunderte in der Lage, die Geschehnisse der Welt zu bestimmen1.

Seit Beginn dieses Jahrhunderts hat sich mit der beginnenden Dominanz der USA in der internationalen Politik dieses System der Gleichgewichtsbeziehungen geändert. Dabei wurden die USA - abgesehen von ihrer wachsenden ökonomischen Stärke, die auf wirtschaftliche Expansion ausgelegt war, erst durch den Zusammenbruch des europäischen Systems in die internationalen Beziehungen hineingezogen. Vorherrschend waren in dieser Periode zwei unterschiedlichen Auffassungen, zum einen die, daß die Teilnahme am internationalen Geschehen dem Nationalinteresse diene, und außerdem ein stabiles Gefüge ohne Mitwirken der USA als ökonomischer Macht gar nicht möglich sei, zum anderen die zumindest oberflächlich messianistischen Motivation, daß die USA als erster Staat, der die Freiheitsideale in seiner Verfassung garantiert hatte, als Garantor für Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit in die Welt treten müßten.

Sowohl der vorherige Isolationismus als Abkehr von der “schmutzigen” Politik Europas, als auch der Einsatz machtpolitischer Mittel zur Durchsetzung nationaler Interessen im Kampf gegen “das Böse” wie unter Roosevelt, als auch der Messianismus Wilsons sind dabei Produkte der individuellen Geschichte der USA, in der der “Amerikanismus” als Glaube an die Überlegenheit amerikanischer Werte als Integrationsfaktor der neuen Nation diente.2

Der außenpolitische Werdegang der USA

Zunächst hielten sich die USA nach dem Erreichen ihrer Unabhängigkeit dem machtpoltischen Ringen in Europa fern und konzentrierten auf die territoriale Expansion auf ihrem Kontinent, der sie als “manifest destiny” absolute Priorität einräumten.

Dank der einzigartigen Kombination aus Distanz von den alten Großmächten und ökonomischer und militärischer Stärke mußten die USA nur auf akute Bedrohungen reagieren und brauchten zu ihrer Sicherheit kein System, das schon die Möglichkeit einer Bedrohung durch das Verhindern einer einseitigen Machtakkumulation ausschaltete.3

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die sich ausbreitende Industrialisierung die Gewichte der internationalen Macht von den alten Mächten zu den aufsteigenden Nationen verschob,4 stiegen die USA abgesehen von ihrem territorialen Machtzuwachs auch zur führenden Wirtschaftsmacht auf.

Daneben leitete das Erreichen des “manifest destiny” einen Expansionismus unter neuen Vorzeichen ein: Mit einem “an Besessenheit grenzende[n] Interesse an der Erschließung neuer Absatz- und Rohstoffmärkte.”5 wurde nun auf außerkontinentale Gebiete Zugriff genommen wobei durch Erlangung der Handelssuprematie über die ganze Welt ein “informal Empire” angestrebt wurde.

Nach Schröder kann man Expansion zur Erschließung neuer Märkte als Leitmotiv der amerikanischen Geschichte bezeichnen6.

Obwohl die USA schon 1898 zu einer Seemacht wurden7, strebten sie nicht nach der globalen Herrschaft, sondern wollten sich lediglich ihre Interessen in der westlichen Hemisphäre sichern.

Dazu wurde in der Idee des “white man´s burden” ein moralisches Element auf die imperialistische Bewegung übertragen, nach dem der Gemeinschaft die Verantwortung für schwächere Glieder auferlegt wurde,8 was den Eingriff in innerstaatliche Angelegenheiten labil scheinender Staaten rechtfertigte.

Die Verbindung der Expansionsideologie der Gründerväter mit der damals vielzitierten Idee9 vom göttlichen Auftrag der angelsächsischen Rasse, speziell der Amerikaner zur Verbreitung ihrer Institutionen, lief so auf einen globalen amerikanischen Handelsimperialismus hinaus.10

Schon die Monroe-Doktrin hatte den USA eine als interne Angelegenheit bezeichnete Expansionspolitk erlaubt,11 während gleichzeitig das Expansionsstreben der alten Mächte verurteilt wurde.12 Dabei rechtfertigte die Monroe-Doktrin mehr als das Prinzip der Balance of Power bereits die Ausschaltung der Möglichkeit einer Bedrohung und lieferte ein Instrument zum Ausbau einer Hegemonie im Westen.

Als Weg zur Expansion in bereits in Interessensspären geteilte Welt gegen die Konkurrenz Europas wurde zur Errichtung eines auf wirtschaftlicher Durchdringung beruhenden Weltreiches die Politik der “open door” implementiert. Unter der Prämisse, die USA seien allen anderen Nationen wirtschaftlich überlegen, wurde die formale Forderung nach Gleichberechtigung gestellt, was nur eine andere Methode des Imperialismus bedeutete. Somit waren die Politik der “offenen Tür” und die Monroe-Doktrin machtpolitische Mittel,13 mit deren Hilfe die USA zu einer Großmacht werden konnten, ohne dafür offensichtliche Machtpolitik betreiben zu müssen.

Auch in ihrem Einsatz für die Demokratie, der mit der Sorge um den äußeren Frieden gerechtfertigt wurde,14 ging es in Wirklichkeit um die Sicherung des Handels durch Investitionen und direkte Einflußnahme auf die politische Herrschaftsausübung Es zeigt sich also, daß sich seit den 1870ern im außenpolitischen Verhalten der USA der Konflikt zwischen weltweiter Durchsetzung des Selbstbestimmungsprinzips zur Sicherung des Handels und eigener imperialer Expansion anbahnte. Die Verknüpfung dieser beiden Aspekte im Imperialismus war eine neue Erfahrung für USA, die bis dahin weder auf außenpolitische Gefährdung reagieren noch außenwirtschaftliche Abhängigkeiten beachten mußten.15

Das stärkere Interesse der USA an der Außenpolitik drückte sich in einer entschlosseneren Diplomatie und weltpolitischer Rhetorik16 aus, während sich der Untergang des eurozentrischen Weltsystems, in der durch koloniale Rivalitäten und Wettrüsten verursachten Instabilität Europas schon bemerkbar machte.17 Insofern kann man sagen, daß die “vier Jahrhunderte europäischer Weltherrschaft [...] bereits vor der Katastrophe von 1914 zu Ende” gingen.18

Trotzdem sie zunächst noch als zweitrangige Macht behandelt wurden, traten die USA als Großmacht der westlichen Hemisphäre bald auf die Bühne des internationalen Geschehens,19 und es wurde klar, daß eine Beteiligung an der internationalen Politik nicht mehr zu vermeiden war.

Roosevelt: Außenpolitik als Nationalinteresse

In dieser Situation war Präsident Roosevelt der erste, der die herausgehobene Stellung der USA aufgab und Amerikas Einfluß auf eine von Nationalinteressen dominierte Welt im eigenen nationalen Interesse zeigen wollte. Dabei verzichtete er weitgehend auf eine Angleichung der Machtpolitik an die Terminologie des Reformgeistes20 und stellte insbesondere in Lateinamerika militärische Handlungen in den Vordergrund, allerdings unter dem Vorwand der Sorge um das Wohl der Menschheit21 und unter Leugnung eines nationalen Interesses an diesen Gebieten22

“Das wirklich neue Merkmal der am. AP in dieser Zeit” aber waren “die Interventionen und die Beteiligung an Ereignissen außerhalb der westlichen Hemisphäre.”23

Die “wichtigste außenpolitische Maßnahme Theodore Roosevelts”24 zur Festigung des internationalen Ansehens der USA war seine Vermittlerrolle zwischen Japan und Rußland, die seine Bereitschaft zeigte, sich in der großen Politik zu engagieren. Dabei darf nicht übersehen werden, daß der russisch-japanische Krieg eine Gefahr für die “offene Tür” darstellte, und Washington überdies aus der Schwächung beider Kontrahenten einen großen Nutzen zog,25 wenn auch nach Einschätzung Kennans Roosevelts Einmischung nicht auf nüchterner Berechnung amerikanischer Interessen beruhte, sondern auf einer ethnozentrischen Naivität im Glauben an die Überlegenheit der USA.26

Eine weitere wichtige außenpolitische Maßnahme war die Ausdehnung der Monroe Doktrin in seinem sogenannten “Corollary”, die durch die Festlegung eines grundsätzlichen Interventionsrechts der “zivilisierten Nationen” in innenpolitisch instabile Länder die Grundlage bildete für Maßnahmen südlich der USA und damit für die Vorherrschaft über Lateinamerika.27 Indem sie, ohne Interventionen der europäischen Mächte in ihrer Hemisphäre zuzulassen, für Ruhe in Lateinamerika garantierten und sich aus strategischen und Sicherheitsüberlegungen selbst als “international police power” deklarierte, verschaffte sich “die neue Weltmacht internationalen Respekt”.

In seiner Einschätzung, daß Friede nur durch militärische Präsenz und Allianzenbildung erhalten werden könne, brach Roosevelt den amerikanischen Glauben, daß die USA vor den Umbrüchen der Welt sicher isoliert seien und der Friede durch eine moralische Weltordnung gesichert sei.

Da er die Welt in Einflußsphären eingeteilt sah, in denen jeweils die relativen Kräfte zwischen den Mächten die Vorherrschaft regeln sollten, gab es keinen Anlaß, sich an der europäischen Gleichgewichtspolitik zu beteiligen. Die Erhaltung der Balance of Power in Europa war aber für Roosevelt ein wichtiges Ziel, da diese, solange sie funktionierte, den USA erlaubte, ihrer eigenen Wege zu gehen, und nur sie in der Lage war, die Vorherrschaft einer Macht über den eurasischen Kontinent zu verhindern.

In einer ähnlichen Position wie Großbritannien ein Jahrhundert zuvor, hoffte Roosevelt, das 20. Jahrhundert gestalten zu können, indem er gegen eine Störung des Systems durch eine aufstrebende Macht eingreifen würde. Dabei sah er in Europa Deutschland als wirtschaftlich expandierende Nation als die Gefahr28, während er in Asien durch Ausarbeitung des Friedensvertrags zwischen Japan und Rußland beide Kontrahenten zu schwächen versuchte, ohne ein Machtvakuum entstehen zu lassen.

In der Amtsperiode Roosevelts glich sich die amerikanische Außenpolitik der traditionellen europäischen Staatsführung an, was dem Staat das Auftreten als Weltmacht ermöglicht hätte. Allerdings war die Bevölkerung der USA noch zu sehr auf die Wertvorstellungen der Isolation eingestellt, so daß sich die Prinzipien des Präsidenten nicht durchsetzen konnten, und sich die USA 1913 trotz all ihres Potentials immer noch “am Rande des Großmachtsystems” befanden, während in Europa die Erstarrung der Allianzblöcke schon auf eine neue Veränderung der Machtverhältnisse hindeutete.29

Wilson: Die Rechtfertigung des Machtstreben

Woodrow Wilson hingegen, Präsident von 1913-21, schaffte es, die USA ins internationale Geschehen einzubinden, indem er dem historischen Anspruch der USA als exzeptioneller Nation Genüge tat. Er plädierte für die Überwachung der Weltordnung von einer übergeordneten Warte aus und überzeugte die Nation, daß es ihre Aufgabe sei, als Garantor des Friedens zu fungieren. In der Erkenntnis, daß die USA nur in der Lage seien, außenpolitische Engagements aufrechtzuerhalten, wenn dafür eine moralische Verpflichtung zu bestehen scheint, liegt nach Kissinger seine eigentliche historische Leistung.

In der Amtszeit Wilsons fand ein Übergang von den rohen Frühformen imperialer Machtinteressen zu einer verfeinerte Form des “Einflusses” statt, “die den geheiligten politischen Traditionen Amerikas, den Prinzipien der Selbstbestimmung und Selbstregierung, dem Antikolonialismus und einer freiheitlichen Gesellschaftsverfassung, wenigstens nach außen hin einigermaßen gerecht wurde.”30 Auch Wilsons Hauptziel war die Ausweitung der Exporte; dabei bemühte er sich aber stärker um Angleichung seiner Politik an demokratische Traditionen, besonders in Bezug auf seinen erklärten Antikolonialismus in Lateinamerika31 Um die Gefährdung ideologischer, vor allem aber materieller Interessen der USA durch Revolutionen vor allem in Lateinamerika zu verhindern, stellte er die Durchsetzung amerikanischer Ordnungsvorstellungen als “mission of America” vor das Erreichen kurzfristiger außenwirtschaftlicher Interessen. Im Bemühen um die langfristige Etablierung des liberal-kapitalistischen Systems verband er damit die Expansion der Ökonomie noch fester mit einem Export seiner Wertvorstellungen.32

Er verknüpfte Reformpolitik, ökonomische Expansion und Intervention im Namen der Selbstbestimmung unauflösbar, und setzte seinen Demokratie- und Freiheitsbegriff gleich mit einem privatkapitalistischem Wirtschaftssystem,33 das er als alternativlose Form von Staat und Gesellschaft darstellte. Indem er das amerikanische System so als universal und einzig darstellte,34 war er, obwohl er die traditionelle Machtpolitik ablehnte, außenpolitisch machtorientierter als Roosevelt, in dessen Konzept die USA eine Macht unter vielen gewesen wären.

Da aber Wilson statt der Gleichgewichtspolitik die Vorbildfunktion der USA hervorhob, ließ sich aus diesem Anspruch die Verpflichtung ableiten, gegen alle Aggressoren oder potentiellen Aggressoren gegen die Demokratie vorzugehen, indem deren Bedrohung irgendwo auf der Welt gleichgesetzt wurde mit einer konkreten Bedrohung für die USA.

Interessant ist hierbei die Umdeutung der Maxime Washingtons: indem alles die Menschheit betreffende als Interesse der USA gedeutet wurde, zogen die USA die unbegrenzte Möglichkeit, sich in internationale Belange zu involvieren paradoxerweise genau aus dessen Warnung vor internationalen Verwicklungen und definierten so den Begriff der “Neutralitätspolitik” um.35

Indem Wilson jegliches nationale Eigeninteresse verleugnete, und nur für die Durchsetzung amerikanischer Prinzipien mobilisierte, gelang es ihm, die USA zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg zu bewegen.

Der Tritt über die Schwelle: Der erste Weltkrieg

Die Kriegserklärung der USA an Deutschland stellt den Abschluß einer jahrzehntelangen Annäherung der USA an das Mächtesystem dar.36

Als in Europa der Erste Weltkrieg ausbrach, hatten die USA seit zwei Jahrzehnten am internationalen Geschehen mitgewirkt, wobei sie vornehmlich in Lateinamerika von der militanten Durchsetzung ihrer Interessen umgeschwenkt waren auf die äußerlich friedfertige, von reformerischem Ethos getragene Politik der Offenen Tür, die implizierte, daß nur verwandte politische Formen wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Staaten garantieren könnten.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Wilson gerade innenpolitisch eingespannt, und wollte um jeden Preis eine neutrale Haltung bewahren37, trotzdem war er durch die Kriegsunterstützung an die Alliierten, die den USA den Weg aus der Rezession wiesen, bereits in einer diplomatischen Situation, wo ihm schließlich der U-Boot-Krieg Deutschlands keine Alternative zur Kriegserklärung mehr ließ.38

Da Deutschland als expansive Macht als Hauptrivale betrachtet wurde, und die Vorherrschaft einer Macht in Eurasien die Interessen der USA bedrohte, war die Neutraltität nie eine wirkliche Ausgewogenheit der Sympathien gewesen,39 was letztendlich in einer Vermischung politischer, wirtschaftlicher und moralischer Momente zum Kriegseintritt der USA führte. Somit war der Kriegseintritt eigentlich die Folge einer immer engeren Verflechtung von Weltwirtschaft und Weltpolitik. Der Krieg wurde außerdem nicht als Folge gegensätzlicher Nationalinteressen gesehen, sondern als unprovozierter Schlag des Kaisers gegen die internationale Ordnung, die verteidigt werden mußte. Um des Aufbaus einer neuen Ordnung willens mußte es deshalb durch einen absoluten Sieg zur Eindämmung des Hegemonialstrebens Deutschlands kommen, im Gegensatz zum Kompromißfrieden, den Wilson noch im Januar 1917 als “Krieg ohne Sieg”40 proklamiert hatte.

Schon vor Kriegseintritt vertrat Wilson die Ansicht. daß es zu einem Frieden kommen müsse, der durch eine organisierte Übermacht der Menschheit gesichert sein sollte, was ohne Beteiligung der USA nicht möglich wäre. Dabei müsse Freiheit, nicht die Erhaltung eines Gleichgewichts angestrebt werden.41

Da es nominell nicht um die Wahrnehmung eigener Interessen ging, beziehungsweise die amerikanischen Interessen, indem sie als Wiederherstellung einer gerechten internationalen Ordnung definiert wurden, denen aller freiheitsliebenden Menschen gleichgesetzt wurden42, konnte es keine letztlich Alternative zum Kriegseintritt geben.

Die idealistische Komponente war dabei natürlich nur ein Aspekt der Kriegsführung, da es vielmehr um die Aufrechterhaltung eines liberal-kapitalistischen Systems ging, das weder durch den Imperialismus Europas, noch durch den Sozialismus gefährdet war. Durchaus aus Nationalinteressen erhoffte man sich, aus dem Krieg als “moralischer und wirtschaftlicher Führer einer neuen befreiten internationalen Ordnung”43 hervorzugehen, in der durch den Völkerbund die politische und ökonomische Vorherrschaft der USA durchgesetzt werden konnte.

Da der Krieg als Kreuzzug für die Ideale der am. Lebensform geführt wurde, konnte sein Ausgang kein Kompromißfriede sein, sondern im Gegenteil erhielt er durch Wilson eine “Wendung zur Reform des Weltstaatensystems”44 da zur Errichtung einer sicheren Welt eine Änderung der Regierungsformen der Mittelmächte vorausgesetzt wurde.

Die Geschehnisse in Europa wurden als unvermeidliche Folgen der Balance of Power als System der organisierten Rivalitäten begründet, und als Alternative dazu ein System kollektiver Sicherheit entwickelt, in dem die internationale Ordnung durch den moralischen Konsens friedliebender Nationen aufrechterhalten werden sollte.

Wilson begnügte sich damit nicht mit dem Hinweis auf die Gefährdung durch das deutsche Reich, sondern verwandelte die Bedrohung in eine globale und prognostizierte den Untergang der USA, würden diese es nicht schaffen, ihr System auf der ganzen Welt zu verbreiten.45

Diese Lesart rief bei der Bevölkerung den geforderten Idealismus hervor, und ließ ihn die nötige Unterstützung für diesen Krieg finden.

Seine Kriegsziele sind in Wilsons 14 Punkten verankert, nach denen Voraussetzungen für den Frieden in einer kooperativen, offenen Diplomatie und der Verbreitung demokratischer Institutionen auf der ganzen Welt durch die Zusammenarbeit aller friedliebenden Nationen geschaffen werden sollte.

Wilsons Hauptanliegen war dabei die Errichtung eines “Völkerbund[es] als Instrument einer neuen, auf den Prinzipien von Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung ruhenden Ordnung der Völkergemeinschaft”46

Nach Kis senger lag der Fehler im Denken Wilsons darin, daß seine Forderungen nach Stärkung der öffentlichen Meinung und Schaffung demokratischer Institutionen als alleinige Maßnahmen zur Sicherung des Friedens für die europäischen Mächte gerade nach dem Krieg unrealistisch waren. Die erprobte Austarierung der Kräfte sollte plötzlich allein durch moralische Überzeugungen ersetzt werden, bei denen Sicherheit nur noch ein Nebenergebnis sein sollte.

Das idealistische Friedenskonzept eines “peace without victory” scheiterte an den europäischen Machtverhältnissen und Sicherheitsbedürfnissen47 und nur die Idee des Völkerbundes konnte sich durchsetzen.

Daß die USA selbst dem Völkerbund nicht beitraten, war schließlich das “Ende des von Wilson für Demokratie und Freiheit geführten Kreuzzuges” und zeigt, daß sie zu diesem Zeitpunkt innenpolitisch noch nicht bereit für ihre Rolle als “Weltsheriff” waren, wobei diese Entscheidung mehr den Differenzen zwischen den Befürwortern der kollektiven Sicherheit und denen der alten Machtpolitik des Kräftegleichgewichts zuzuschreiben ist, als daß es sich um wirklichen Isolationismus gehandelt hätte.48

Die Ideale für die man gekämpft hatte, schienen unerreichbar, eine wirkliche Abkapselung vom Weltsystem war allerdings aufgrund der eingegangenen kommerziellen und finanziellen Bindungen nicht mehr möglich.49

Durch die Absage an den Völkerbund versagten sich die USA jedoch die Teilnahme an der Errichtung einer stabilen Weltordnung, die dann auch, wie der Völkerbund, scheiterte.50

Durch das Verschwinden der USA nach dem Weltkrieg, war die Weltordnung in künstlicher Form eurozentrisch,51 und das internationale System Europas geschwächter als je zuvor. Die USA fungierten im Hintergrund lediglich als Wirtschaftsmacht,52 und waren von den europäischen Machtkämpfen durch den “cordon sanitaire” der englischen Marine isoliert und geschützt.53

Letzten Endes konnte sich die Idee des Völkerbundes in der Nachkriegsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg in der Organisation der UNO durchsetzen, so daß die USA durch ihre Kreation zu ihrer schon von Roosevelt propagierten Führungsrolle kamen; nun allerdings unter den Prinzipien Wilsons.

Die neue Weltordnung

Das Konzept Wilsons implizierte, daß die USA keine strategischen Interessen hätten, die sie auch verteidigen würden, wenn sie auf - im Sinne amerikanischer Denkweise - legalem Wege bedroht würden. Tatsächlich diente der Filter der Moral aber eher der Uminterpretation von Machtpolitik, wie etwa auch im Kalten Krieg, als die USA als Gegenleistung für die Verteidigung der westlichen Welt die Durchsetzung ihrer Prinzipien fordern konnten. Die allgemein herrschenden Prinzipien der internationalen Beziehungen unterschieden sich im von den USA geprägten Kalten Krieg wesentlich von denen der “Balance of Power”. Nach dem Untergang der UDSSR stehen nun einige Veränderungen im internationalen Gefüge an, die die Stellung der USA wesentlich beeinflussen werden.

Aufgrund der schnellen Veränderungen der Produktionsverhältnisse in den letzten Jahrzehnten, ist die Welt zumindest aus wirtschaftlicher Sicht bereits wieder multipolar,54 wobei wirtschaftliche Macht nicht mehr gleichbedeutend sein muß mit politischer Macht, so daß das Entstehen einer absolut hegemonialen Großmacht wie in früheren Jahrhunderten kaum mehr möglich ist. Da n der Geschichte wirtschaftliche Verlagerungen meist den Aufstieg neuer Großmächte ankündigen,55 kann man, auch in Einklang mit Kissinger, davon ausgehen, daß sich die Ressourcen und Machtverhältnisse wieder symmetrischer verteilen, und sich das System zum militärischen und ökonomischen Gleichgewicht zurückbewegen und durch die Vorherrschaft mehrerer Weltmächte eher den Systemen des 18. und 19. Jahrhunderts ähneln wird.

Nach dem Zerbrechen der festen Machtblöcke fällt den USA auch ihre Rolle als Hüterin der Demokratie zunehmend schwerer, und die Auseinandersetzung mit Nationalinteressen, denen man immer entfliehen wollte, ist nicht mehr vermeidbar.

Ebensowenig wie sie es dominieren können, können sich die USA dem internationalen Geschehen aber auch nicht entziehen, so daß sie sich wohl auf eine völlig neue Rolle im Weltgeschehen einstellen müssen.

Schluß

Beobachtet man die Entwicklung der USA seit dem 19.Jahrhundert, läßt sich sagen, daß sich ihre weltpolitische Bedeutung lange vor ihrem offiziellen Eintritt ins internationale Geschehen abzeichnete. Daß dabei allerdings die Terminologie des amerikanischen Idealismus einer freien Weltordnung wenigstens oberflächlich bis heute über machtpolitische Interessen gestellt werden konnte, ist ein Verdienst der geschickten Lenkung der öffentlichen Meinung durch Woodrow Wilson.

VERZEICHNIS DER VERWENDETEN LITERATUR

KISSINGER, Henry: Diplomacy, New York 1994

ANGERMANN, Erich: Die Vereinigten Staaten von Amerika seit 1917; München (6. Aufl.) 1978

GUGGISBERG, Hans R.: Geschichte der USA, Stuttgart (2. Aufl.) 1988

KENNEDY, Paul: Aufstieg und Fall der gro ß en M ä chte. Ö konomischer Wandel und milit ä rischer Konflikt von 1500 bis 2000; Frankfurt am Main 1996

SAUTTER, Udo: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Stuttgart 1976

SCHRÖDER, Hans-Jürgen: Amerika als Modell? Das Dilemma der Washingtoner Au ß enpolitik gegen ü ber revolution ä ren Bewegungen im 20.Jahrhundert in: HZ, Beiheft 5 (1979), S.189-242

WASSER, Hartmut: USA: Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Opladen (2.Aufl.) 1993

[...]


1 Vgl.: KENNEDY, Paul: Aufstieg und Fall der gro ß en M ä chte, Frankfurt a.Main 1996, S. 13

2 Vgl.: WASSER, Hartmut (Hrsg): USA, Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Opladen 1993; S. 35ff

3 Vgl. KISSINGER, Henry: Diplomacy; New York 1994 , S. 31

4 Vgl.:KENNEDY, S.15

5 Vgl. ANGERMANN, Erich: Die Vereinigten Staaten von Amerika seit 1917, München 1978, S. 14

6 Vgl. :SCHRÖDER, Hans-Jürgen: Amerika als Modell? in: HZ, Beiheft 5 (1979), S. 139

7 Vgl.: SAUTTER, Udo: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Stuttgart 1976, S.312

8 Vgl.:ANGERMANN, S. 17f

9 z.B. Vgl. SAUTTER, S.311

10 Vgl.: SCHRÖDER, S.196

11 Vgl. KISSINGER, S. 36:

12 Vgl. Williams, zitiert in SCHRÖDER, S. 198

13 Vgl.: SAUTTER, S. 307

14 Vgl. Paine, zitiert in: KISSINGER, S.33

15 Vgl.: ANGERMANN, S. 24

16 Vgl.: KENNEDY, S.374

17 Vgl.: KENNEDY, S.16

18 Vgl.: KENNEDY, S.371

19 Vgl. KISSINGER S. 38:

20 SAUTTER, S. 321

21 Vgl.: Roosevelt, zitiert in: SCHRÖDER, S. 196 f

22 Vgl.: Jahresbotschaft vom 06.12.1904, zitiert in SCHRÖDER, S.197/198

23 Vgl.: KENNEDY, S.375

24 GUGGISBERG, Hans R.: Geschichte der USA, Stuttgart 1988, S. 166

25 Vgl. SAUTTER, S. 325

26 Vgl.: KENNEDY; S. 375

27 Vgl.: SAUTTER, S.325

28 Vgl. ANGERMANN, S. 25

29 Vgl. KENNEDY, S. 378

30 ANGERMANN, S. 21

31 Vgl. The Papers of Woodrow Wilson, zitiert bei SCHRÖDER, S. 202

32 Vgl. SCHRÖDER, S. 208 ff.

33 Vgl.: R. Freeman Smith, zitiert in : SCHRÖDER, S. 207

34 Vgl. SCHRÖDER, S. 214

35 Vgl.: KISSINGER, S. 47f.

36 ANGERMANN, S. 11

37 Vgl. GUGGISBERG, S. 167

38 Vgl. ANGERMANN, S.27

39 Vgl.. SAUTTER, S. 329

40 Vgl.: KISSENGER, a.a.O.; S.49:

41 Vgl. Wilson, zitiert in SCHRÖDER, S. 210

42 Vgl. SCHRÖDER S. 211

43 Vgl. Levin, zitiert in SCHRÖDER S. 212

44 Vgl. ANGERMANN, S.28f

45 Wilson, zitiert in: KISSINGER, S. 50:

46 ANGERMANN, S. 46

47 Vgl. GUGGISBERG, S. 173

48 Vgl. ANGERMANN, S. 54f

49 Vgl. SAUTTER, S. 344

50 Vgl.: GUGGISBERG, S.175

51 Vgl. KENNEDY, S. 419

52 Vgl. KENNEDY, S. 17

53 Vgl. KENNEDY, S. 279

54 Vgl. KENNEDY; S. 18 f.

55 Vgl. KISSINGER; S. 31

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der Eintritt der USA ins internationale System unter Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson
Hochschule
Universität zu Köln
Note
2,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
13
Katalognummer
V101493
ISBN (eBook)
9783638999090
Dateigröße
364 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eintritt, System, Theodore, Roosevelt, Woodrow, Wilson
Arbeit zitieren
Ursula Plath (Autor:in), 1998, Der Eintritt der USA ins internationale System unter Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101493

Kommentare

  • Gast am 30.5.2002

    :-).

    Super! Endlich habe ich das verstanden! Vielen Dank dafür!!!

  • Gast am 4.3.2002

    Besser als 2,0.

    Mein Name ist Professor Christian Seekay. Ich bin Profssor für Geschichte und Politik an der Universität zu Cambridge. Meiner Meinung nach ist diese Arbeit mehr als nur Gut. Die Studentin hat eine geordnete und logische Übersicht ihrer einzelnen Themenpunkte erstellt, inhaltlich zwar kompakt aber nicht zu kurz. Der Laie erkennt nach dem Durchlesen die wesentlichen Züge des Themas und kann sich bei dieser Arbeit bis auf eine kleine Ausnahme sicher sein, dass der Inhalt richtig wiedergegeben ist. Diese Ausnahme besteht in der Nichtmiteinbeziehung der Gegner Schröders, die die Argumente des besagten durch eigene, stärkere Thesen und Argument durchaus außer Kraft setzen können und tun. Deshalb würde ich unter diese Arbeit eine Note von 1,7 setzen.

    mfg

    prof. Christian Seekay

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Titel: Der Eintritt der USA ins internationale System unter Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson



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