Das Römische Theater Mainz


Seminararbeit, 1999

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Teil I

Das Römische Theater

„The development of the theater building always follows the development of dramatic literature. Both were slower in Rome than in Athens. For a long period chariot and horse races, athletic contests, and gladiatorial fights were the main entertainments in Rome. The circus therefore was the first public permanent building for spectacles.(...) The Etruscan players brought with them temporary wooden stands which could be erected everywhere for the spectators. (...) These scaffoldings developed later into the Roman auditorium built up freely from the level ground, instead of against a hillside as did the Greek theatron, although occasionally the Greek method was also used by the Romans.“

The History of the Greek and Roman Theater, Margarete Bieber, Princeton University Press, New Jersey: 1961.

Generell kann man sagen, daß die Römer sich immer an den Geschmack der Zuschauer anpaßten. Wollten die Besucher viel Blut, dann gab es das auch im Theater. Sie unterschieden nicht zwischen subtilen und groben Darstellungen. So ist es nicht verwunderlich, daß im Laufe der Jahre die Possen und Komödien immer schlüpfriger wurden. Es ist also nicht verwunderlich, daß dem Christentum (durch Konstantin eingeführt) besonders die öffentlichen Spiele der Römer ein Dorn im Auge waren.

Es existierten von da an drei verschieden genutzte Aufführungsräume: das halbrunde Theater nach dem Muster der Griechen ? Tragödie, Komödie, Mimus und Pantomimus das Amphitheater ? gladiatoria munera (Galdiatorenspiele), venationes (Tierhetzen) und naumachiae (Seeschlachten) der Circus ? Wagenrennen und Reiterspiele

Des Weiteren entwickelten sich mit der Zeit verschiedene Stückgattungen. Zu erst übersetzte man nur griechische Tragödien und moderne Komödien, doch auch römische Theaterstücke fanden ihre Zuhörerschaft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

? Mimos/Mimus: Schon im Hellenismus gab es diese Art zu spielen, ebenso, wie den Pantomimus.

Er trug keine Maske, hatte einen kahl geschorenen Schädel und eine bunte Flickenjacke

(centunculus). Er ist der Vorgänger des Harlekins oder Hanswurst und verulkte den römischen Alltag. Er diente als Zwischenspiel oder trat nach den Tragödien auf. Seinen Vortrag begleitete er durch Gesang, und unterstützte ihn durch Laute.

Auch der ? Pantomimus hat seinen Ursprung im Hellenismus. Allerdings kamen diese beiden Gattungen erst in Rom zur ihrer Blüte, verdrängten dort aber mit der Zeit die herkömmlichen dramatischen Gattungen. Im Pantomimus wurde nur durch Tanz eine Handlung dargestellt. Auch diese Darstellungsart ist aus der Tragödie entwachsen, und erzählte anfangs nur griech. Mythen in kultischen Tänzen. Durch Flöte, Kithara oder sogar Orchester wurde der einzelne Darsteller begleitet. Er wechselte seine Maske, um anzudeuten, daß er nun eine andere Person mimte. Auch diese Darsteller waren meist freigelassene Sklaven.

? Atellana beschreibt eine derb-groteske Posse über das Landleben. Zu ihren volkstümlichen feststehenden Typen zählt der gewitzte Tölpel Maccus, der pausbäckige Aufschneider Bucco, der einfältige Alte Pappus und der pfiffige Bucklige Dossenus.2

„Die Veranstaltung der Aufführungen übernahm jeweils der Leiter einer Schauspieltruppe (dominusgregis), der allein die Verantwortung trug. In der Regel kaufte er dem Dichter dessen Stück ab, schloß mit dem Ädilen einen Vertrag über die Aufführung und erhielt von ihm die benötigte Geldsumme, mit der er Schauspieler und Musiker anwarb und die Ausstattung bestritt. - Die Aufführungen selbst werden sich von denen in Griechenland kaum wesentlich unterschieden haben.“

Lexikon der alten Welt, Artemis Verlag Zürich und Stuttgart, E.-R.Sch.S.3029.

Bis zum 1.Jh. v.Chr. gab es jedoch einen gravierenden Unterschied: es durften keine Masken (nur Perücken) getragen werden, da die Schauspieler keine Freien, sondern sich aus Sklaven und Freigelassene rekrutierten. Nur die Atellane wurde von Freien (sogar auch von Frauen) gespielt, und es durften Masken (personae) getragen werden.

In der Kaiserzeit (ab 30/27 v.Chr. bis 284 n.Chr.), der Blüte des römischen Theaters, entstanden immer prächtigere Theaterbauten. Das Szenengebäude (scaena) wurde in mehreren Stockwerken für Garderoben, Magazine usw. bis auf die Höhe des nur noch halbkreisförmigen Zuschauerraums (cavea) aufgestockt, und bildete im Gegensatz zum griech. Theater nun einen nach allen Seiten gleich hohen Steinbau als architektonische Einheit. Im Inneren bot es einen abgeschlossenen Raum, und nach außen ein monumentales Gebäude. Die Fassade wurde immer reicher verziert, und mit Marmor verkleidet. Kleinere Theater hatten oft ein Dach, während über größere Theater farbige und verzierte Tücher (vela) gezogen wurden, um die Zuschauer vor Sonne oder Regen zu schützen.

Die nun halbrunde Orchestra wurde kaum zum Spielen genutzt. In ihr saßen die Mitglieder der Behörden auf thronähnlichen Sitzen (sellae magistratus), durch steinerne Mauern von der cavae abgetrennt. Bei Tierhetzen konnten die unteren Sitzreihen zu Gunsten einer Brüstung wegfallen, die die Zuschauer schützen sollte.

Auch im Römischen Theater gab es verschiedene Ränge (gradationes) mit horizontalen Umgängen (praecinctiones) und abgeteilten Kreisausschnitten (cunei cum scalis oder scaliis). Die Zugänge (aditus, vomitoria) waren ein ausgeklügeltes System aus unter- (und bei Hangbauten auch über-) irdischen Gängen. Der Besucher konnte anhand seiner Platzmarke leicht seinen Platz finden und ihn nach Beendigung der Veranstaltung auch schnell wieder verlassen können. Man muß sich das wie in einem modernen Fußballstadion vorstellen. Für die Ädilen gab es Plätze von denen sie auch das Publikum beobachten konnten. Das Gleiche gilt wohl auch für die Kaiserlogen. (Nebenbei bemerkt: Wie wichtig das Theater den Römischen Kaisern war, macht folgende Anekdote klar: Bis zu 200.000 Sesterzen soll Kaiser Vespasian für einen einzigen Lyrikvortrag gezahlt haben! „So lebten sie zur Zeit der Römischen Legionäre“, Pierre Miquel, Tesslov Verlag, Hamburg:1981) Die Bühne selbst war ein Podest, das meist auf marmornen, verzierten Sockeln stand. Sie war nicht mehr sehr hoch (1,5m), doppelt so lang wie der Orchestradurchmesser und breiter als die Griechische. Ein Holzboden mit darunterliegendem tiefen Graben (hyposcaenium) sorgte für gute Resonanz und für die Versenkung (voragines). Die Bühnenseiten (versurae) entsprachen den griech. Paraskenien, und hatten Türen für die Auftritte und darüberliegende logenartige Öffnungen.

3 Zumeist gab es 5 Eingänge durch die Bühnenwand, wobei die Mittlere die Tür des Königspalastes (valva, aula regia) darstellte und oft zu einer reich verzierten Nische ausgestaltet wurde, z.B. in Leptis Magna, Sabratha, Korinth. Die seitlichen Türen waren für die Gäste (hospitalia) gedacht. Dagegen steht die flächige Bühnenwand, die sich in Kleinasien, z.B. Aspendos durchsetzte. Außerdem waren die Römer sehr erfinderisch, was Auftrittsmöglichkeiten angingen. Sie bauten unterirdische Zugänge durch die Orchestra, versuchten mit Kränen und Flügeln auch aus der Luft zu „landen“, und scheuten kein Menschenleben bei ihren Versuchen publikumswirksam zu agieren. Die Bühnenwand repräsentierte den Reichtum und die Macht des Stifters oder Stadt. Den Ausschmückungen und Dekorationen waren keine Grenzen gesetzt, und Statuen und verzierte Säulen fanden sich fast überall.

Zu Beginn einer Theateraufführung wurde der bemalte Vorhang (aulaeum) von einer besonderen Maschine von oben nach unten (!) hinuntergelassen. Er verschwand in einer dafür vorgesehenen Versenkung und wurde bei Szenenwechsel oder nach dem Ende wieder hinaufgezogen.

Für die römischen Komödien, die meist auf der Straße spielten, (? Plautus und Terenz) mußte die Bühne simultan dekoriert werden, so daß es mehrere Spielorte gleichzeitig gab. Getragen wurde in römischen Tragödien das Schleppgewand mit langen Ärmeln (palla) und eine Art überdimensionierter Plateauschuh (cothurnus). In der Komödie allerdings nur eine Art Schläppchen, der soccus. In griech. Stücken wurde griechische Kleidung getragen. Besonders interessant ist auch die Farbensymbolik, die zur Anwendung kam. Weiß stand für alte Männer und Weisheit, eine rote Perücke deutete auf einen Sklaven, ein purpurrotes Gewand bezeichnete einen Jüngling, und so weiter. Es gibt auch da verschiedene Ansichten, und es ist nicht klar, ob diese Deutungsweise durchweg als gültig angesehen werden kann. Doch Farbensymbolik hat sich in vielen verschiedenen Kulturkreisen ausgebildet und wird zum Teil noch verwendet (Peking Oper). Es ist also nicht verwunderlich, daß die Römer auch das ausprobierten.

Auch war das Maskentragen in der Kaiserzeit allen Schauspielern erlaubt. Sie trugen pathetisch überzeichnete Gesichtsausdrücke zur Schau und hatten hochgezogene Augenbrauen, einen großen Mund und sehr hohen Perückenansatz. Der Pantomimus trug Masken mit kleinem Mund, da er nicht sprach. Die darin vorkommenden Tänzer, Götter, Naturgeister und Figuren der Mythologie waren in ein feines Schleiergewand gehüllt (tunica talaris), das die körperlichen Reize nicht verhüllte. Im Mimus, ebenso wie in der Atellane, in denen auch Frauen mitspielten, wird angenommen, daß Masken nicht immer zur Tagesordnung gehörten, Perücken dagegen gelten als sicher.

Seit Cesars Tod umfaßten die sechs Jahresfeste 59 Tage, von denen an 42 Tagen gespielt wurde. Im Kalender des Furius Dionysius Philocalus (354 n.Chr.) waren sogar 102 von 176 Festtagen für Theateraufführungen reserviert.

Zum Beispiel:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Wichtigsten Werke römischer Dramatiker:

Seneca (um 4v.Chr. - 65 n. Chr.) bearbeitet Stoffe der griechischen Tragiker, die jedoch zu seiner Zeit nie aufgeführt wurden.

Plautus (vor 250 v.Chr. in Sarsina (Umbrien) - 184 v.Chr. in Rom) Miles gloriosus (Die Bramarbas)

Menaechmi (Die beiden Zwillinge) Amphitruo (Amphitryon)

Rudens (Das Seil)

Terenz (um 200v.Chr. in Karthago - 159 v.Chr. in Griechenland) Andria (Das Mädchen von Andros 166v.Chr.)

Heautontimorumenos (Der Selbstquäler 163 v.Chr.) Phormia

Hekyra

4 Mogontiacum

Legionslager und Zivilstadt

Um das Jahr 13 v. Chr. war im Gebiet des heutigen Kästrich und südwestlich davon ein Zweilegionenlager (ca.36 ha) errichtet worden. Zusammen mit Vetera bei Xanten am Niederrhein hatte es zunächst die Aufgabe, Basislager für die verschiedenen Feldzüge in germanischen Gebiet zu sein und später, nach Aufgabe der Offensivpläne, als zentraler

Eunuchus (Der Eunuch 161.v.Chr.) Adelphoe (Die Brüder 160 v.Chr.) rückwärtiger Versorgungspunkt für die Truppen am Limes zu dienen. Die Lagermauer bestand anfangs aus einer Holz-Erde-Konstruktion, die in vespasianischer Zeit durch eine Steinmauer ersetzt wurde. Militärische und politische Aktionen im römischen Germanien wie auch im gesamten römischen Reich führten im Standort Mogontiacum im 1. Jh. n. Chr. zu häufigem Truppenwechsel, so daß inschriftliche Zeugnisse neben den für diese frühe Zeit wichtigen Legionen, der XVI Gemina und XVI (Gallica), noch die legio I adiutrix, IV Macedonica, XXI rapax und XXII Primigenia erwähnen. Letztere blieb schließlich ab ca. 92/97 n. Chr. als Hauslegion mit dem neuen Namen legio XXII Primigenia Pia Fidelis bis ungefähr zur Mitte des 4. Jh. n. Chr. am Ort stationiert.

Südwestlich vom Lager entwickelte sich im 1. Jh. n. Chr. eine halbmilitärisch geprägte und vermutlich im 3.Jh. durch eine Mauer geschützte Lagervorstadt. Das zivile Mogontiacum bildete sich dagegen nach und nach nordöstlich und östlich des Legionslagers heraus. Über das Aussehen der Stadt ist fast nichts bekannt, so daß über die Lage der öffentlichen Bauten und Straßen nur Vermutungen angestellt werden können. In den Nachkriegsjahren gab es zwar mehrfach aussagekräftige Geländeaufschlüsse, doch fehlt eine entsprechende archäologische Dokumentation der Befunde. Als annähernd gesichert können nur weite Strecken des Verlaufs der Stadtmauer gelten, die Mitte des 3. Jh. errichtet wurde und annähernd das heutige Innenstadtgebiet umschloß, nicht aber die Siedlung in Bretzenheim, am Zollhafen (Dimesser Ort) und in Weisenau. Wie andernorts auch liegen [die] zum Lager bzw. zur Stadt gehörigen Gräberfelder an den Ausfallstraßen im Bereich Zahlbachtal, Wallstraße, Forsterstraße und Albansberg, um nur die größten und wichtigsten zu nennen. Als um die Mitte des 4. Jh. das Legionslager schließlich aufgegeben und abgerissen wurde (nachdem die 22. Legion wahrscheinlich im Verlauf von innenpolitischen Thronkämpfen bei Mursa im heutigen Jugoslawien aufgerieben oder zumindest stark dezimiert worden war ), mußte die Stadtmauer im Bereich der Legionslagerlücke geschlossen werden, wobei die Steine des abgebrochenen Lagers als Baumaterial ihre zweite Verwendung fanden. Mit Hilfe dieser Spolien wurde in neuerer Zeit mehrfach versucht, die Bauten der Erstverwendung zeichnerisch zu rekonstruieren (...). Die Bauglieder des Dativius-Victor-Bogens stammen auch aus dieser Spolienmauer. Die seit 1983 auf dem Kästrich durchgeführten Grabungen erweitern durch die Freilegung des spätantiken Stadttores das Wissen über diese Zeit des Umbruchs zusätzlich.

Ab 406, als Vandalen, Sueben und Alanen in breiter Front bei Mogontiacum den Rhein überschritten, verloren die Mauer und Tore nach und nach ihre Funktion, da die römische Zivilisation verfiel und mit ihr die den Germanen fremden Bauwerke. Daß Mainz aber nicht unterging, sondern die Unruhen der Völkerwanderung überstand, verdankt es zu einem beträchtlichen Teil der neuen Kraft des Christentums; Mainz war Bischofssitz geworden.

Ausgewählte Hinterlassenschaften der Römer in Mainz

→Aquädukt: Um das auf einem wasserarmen Untergrund stehende Legionslager mit genügend Frischwasser versorgen zu können, wurde vom Quellgebiet „Ober den Sandmühlen“ und „Königsborn“ in Mainz-Finthen (ad fontes?) eine fast 9 km lange Wasserleitung zu diesem Lager gebaut. Nach anfänglich unterirdischem Verlauf in einer steinernen, abgedeckten Rinne erhielt die Leitung auf ihren letzen 3 km die Form des Aquäduktes. Ihre größte Höhe erreichten die Pfeiler im Zahlbachtal mit über 25 m, bei einem Achsenabstand von ca. 8,5 m. Als „Römersteine“ sind die heute ihrer regelmäßigen Steinverblendung beraubten Gußmauerkerne dort noch auf knapp 600 m Länge zu sehen. Von Pfeiler zu Pfeiler waren einst gemauerte Bögen gespannt, die die wasserführende Steinrinne trugen. Sie bestand im einzelnen aus Hunderten aneinadergesetzter, u-förmig hergerichteter monolithischer Sandsteine (L 2 m, lW 88X35 cm). Steinplatten deckten die Rinne ab. Auf ihrer Gesamtlänge wies die Leitung ein durchschnittliches Gefälle von 0,9% auf. Aus der daraus resultierenden Fließgeschwindigkeit darf bei genanntem Rinnenquerschnitt eine Tagesfödermenge von 6000 bis 7000 m³ Wasser abgeleitet werden. Das Ende des Aquäduktes bildeten vor der Südecke des Militärlagers zwei große Mauerblöcke, in denen die Fundamente von Sammel- und Verteilerbecken gesehen werden müssen.

Vom Nordblock nahm mindestens eine Tonrohrleitung ihren Ausgang. Stempel auf diesen Rohren sowie im Mauerwerk der Leitung verbaute, von der legion I audiutrix und XIV gemina Martia victrix gestempelte Ziegel datieren die Erbauung der Anlage in flavische Zeit (69-96n.Chr.), in der zudem der erstmalige Ausbau des Legionslagers in Stein erfolgt ( unter Kaiser Vespasian). Entsprechend der vorherigen Holz-Erde-Konstruktion des Lagers dürfte auch die Wasserleitung als unabdingbare Voraussetzung für das längst auf Dauernutzung angelegte Lager einen hölzernen Vorläufer gehabt haben.

Die Leitung versorgte das Lager, ihre Bäder und wohl auch die Lagervorstadt (canabae). Inwieweit auch die Zivilstadt unterhalb des Lagers mitversorgt wurde, ist noch offen. Einzelne Funde von Wasserleitungsröhren im Stadtgebiet machen diese Anbindung jedoch wahrscheinlich, da sie die beträchtlichen Innendurchmesser von 18-20 cm (Tonrohr), von 29 cm (Steinrohr) und von ca. 10 cm (Bleirohr) aufweisen und aufgrund ihrer Wandstärke zugleich auch in Druckrohrleitungen verwendet werden konnten (Höhenunterschied zwischen Legionslager und Stadt ca. 30m).

→Eichelstein: Im Inneren der Südspitzbastion der Zitadelle, einer unter Kurfürst Johann Philipp von Schönborn 1659-1661 angelegten sternförmigen Befestigung auf dem Jakobsberg, steht ein Gußmauerwerkblock (Höhe ca. 19,60 m), der Eichelstein oder auch Drususstein genannt wird. Wie bei den Pfeilern des Aquäduktes ist auch er der ehemaligen regelmäßigen Steinverblendung beraubt, seine Höhe zudem um mehr als die Hälfte dezimiert und selbst der Gußmauerkern durch unpassende Restaurierung entstellt. Das Denkmal weist heute folgende Form auf: Basis (14,6 X 14,6 m, H 2 m), zur Zeit im Erdreich verborgen; Podest (12,2 X 12,2 m H ca. 9,3 m); zylindrischer Aufbau (Dm 10,6 m, H ca. 10,3 m), durch eine Einschnürung vom darunterliegenden Podest optisch abgetrennt.

Dieser Mauerweksklotz stellt den Überrest des Ehrengrabmales für Drusus den Älteren dar.

9 v. Chr. war der Augustinerstiefsohn auf dem Rückmarsch von einer Expedition an die Elbe verunglückt und kurz darauf gestorben. Sein Leichnam wurde in das Winterlager Mogontiacum überführt, wo die Legionen von ihrem Feldherrn Abschied nahmen. Anschließend geleitete der spätere Kaiser Tiberius seinen toten Bruder nach Ticinum-Pavia; von da ab führte Kaiser Augustus selbst den Trauerzug nach Rom. Während ihres Traueraktes in Mogontiacum stimmten die Legionen spontan für die in den folgenden Jahren ausgeführte Errichtung eines Denkmals (Eutrop 7, 13,1 : qui [Drusus] apud Mogontiacum monumentum habet), an dem jährlich zu Ehren ihres beliebten Heerführers eine Parade mit eingeübten Manöverfiguren veranstaltet werden solle (decursio militum). Zudem beschloß der Landtag der drei gallischen Provinzen (consilium Galliarum; dazu zählte damals noch das gesamte Gebiet bis an den Rhein), ergänzend zur alljährlichen Gedächtnisfeier der Legionen, am Drusus-Denkmal den Manen des Toten Opfer darzubringen (supplicatio). Es gibt gute Gründe, auch das Bühnentheater am Südbahnhof (ca. 300 m Nordöstlich des Eichelsteines) im Zusammenhang mit diesen Feiern zu sehen, vielleicht sogar seinen Ursprung.5 Die größte nördlich der Alpen in situ erhaltene Ruine eines Grabmales wurde in der Forschung schon im 19. Jh. nach entsprechenden Vorbildern in Italien als Rundbau auf quadratischem Podium rekonstruiert. Die in der Ruine vor der „Restaurierung“ um 1962 noch sichtbare Einschnürung in halber Höhe ist demnach als Ausbruchzone der großen monolithischen [aus einem Stein bestehend] Abschlußgesimsquader am Podium zu deuten. Auch der sich darüber erhebende Rundbau muß ein Gesims als obere Begrenzung gehabt haben. Als Abschluß darf wohl ein mit Steinen verkleidetes stumpfkegelförmiges „Dach“, vielleicht mit krönendem Pinienzapfen, vermutet werden.

Durch Bäume, Festungsanlagen und Gebäude wird der Eichelstein heute weitgehend verdeckt. In römischer Zeit war er, gegenüber der Mainzmündung gelegen, von allen römischen Siedlungs- und Lagerplätzen aus zu sehen.

→ Das Bühnentheater. Als 1884 der Bahnhof „Mainz-Süd“ entstand, kamen römische Mauerwerkspartien von über 100 m Länge zutage, die jedoch wegen des Geleisbaus sofort abgetragen wurden. Erst 30 Jahre später erkannte man die Bedeutung der damals freigelegten Architekturteile und ergänzte die skizzenhaften Bahningenieuraufzeichnungen durch kleine Nachgrabungen. Sichtbar konnte von alledem nichts erhalten bleiben. Es handelt sich um ein mit den aufsteigenden Sitzreihen in den Hang gebautes römisches Bühnentheater üblichen Grundrisses mit Bühne, Orchestra, Zugängen und halbrundem Zuschauerraum. Bemerkenswert ist der Durchmesser des Zuschauerraumes mit 116,25 m sowie die Breite der Bühne mit 41,25 m. Damit war das Mainzer Theater größer als die südgallischen von Arausio -Orange und Arelate -Arles sowie das der gallischen Provinzhauptstadt Lugudunum -Lyon (108,5 m).

Sollte die Theorie stimmen, daß das Theater im Zusammenhang mit den jährlichen Drususgedenkfeiern am nur ca. 300 m südwestlich gelegenen Eichelstein stand6, so wäre seine Bauzeit in die frühe Kaiserzeit zu setzen. Aus einer Textstelle bei Sueton (Galba 6,2) ließe sich die Existenz eines Theaters in Mogontiacum mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sogar für das Jahr 39 n. Chr. ableiten. Der archäologische Beweis für eine derartige Frühdatierung steht allerdings noch aus. Seine besondere Größe könnte ebenfalls in diesen Feierlichkeiten begründet liegen, kamen doch nicht nur Abordnungen aus 60 gallischen Gebietskörperschaften (civitates), sondern auch Soldaten und Zivilisten aus Mogontiacum und wohl dem ganzen römischen Germanien. Obwohl nicht mit einem üblichen Stadtrecht ausgestattet, hatte Mogontiacum bei diesen Anlässen mehr als normale Zentralortfunktionen, hier manifestierte sich Zusammengehörigkeitsgefühl und Identitätsempfinden, geboren aus militärischem Erfolg und überzeugendem Zivilisationsangebot: ein für Gallien und Germanien politischer Wallfahrtsort.

Die Römer in Rheinland-Pfalz, hrsg. von Heinz Cüppers, Stuttgart: Theiss 1990, S.458-464.

Die Unterschiede zwischen Griechischen und Römischen Theaterbauten

Grundsätzlich gilt: Die Orchestra wurde wohl nicht mehr bespielt. Sie wurde halbiert, und die Bühne somit nach vorne gezogen. Die Bühne war nun viel breiter als das zu Zeiten der Griechen der Fall war, dafür konnten die Zuschauer allerdings nicht mehr von allen Sitzen gleich gut sehen, da die Versurae im Weg stand. Die Scenea fronts wurde als architektonische Einheit mit allen Mitteln der Kunst ausgeschmückt. Sie war die Vorderseite eines Gebäudes, indem Maske, Garderoben usw. Raum fanden. Vitruvius beschreibt desweiteren, daß sich die Orchestra nun mathematisch durch 4 Dreiecke an Stelle der 3 Quadrate aufteilen läßt (Script S. 6/1). Die Parodoi wurden überdacht und als Eingänge für die Zuschauer benutzt. Der Zuschauerraum wurde größer und das Pulpitum lag zur Orchestra erhöht. Die raffinierten Tricks der Griechen zur Darstellung des Spielortes (Pinakes und Periakte) fanden keine Anwendung mehr, der Ort ging aus dem Text hervor. Durch die 5 Türen in der Scenae fronts traten die Schauspieler auf die Bühne und verließen sie auf dem selben Weg. Die Rampen wurden überflüssig. Es gab Treppen im Inneren des Scenae-Gebäudes, denn die verschiedenen Stockwerke konnten bespielt werden.

Ob die Römischen Theater nur in Ausnahmefällen in einen Hang hineingebaut wurden, das ist wissenschaftlich nicht bewiesen, doch ist zu bemerken, daß sich die Römer in ihrer Architektur des Theaters alle Erfahrungen der Griechen zu Nutzen machten und ich es deshalb für eingängiger halte, daß nur dort, wo es keinen nutzbaren Hang gab, ein Theater auf dem platten Land gebaut wurde (in der Wüste, z.B.).

Abbildungen zur Darstellung der Unterschiede:

Das Theater von Eretria (Script S. 30) ist dafür besonders gut geeignet.

Eine Nachbildung eines römischen Theaters befindet sich auf Seite 7, eine Nachbildung des griechischen eine Seite vorher. Hier läßt sich die Architektur vorbildlich vergleichen. Auf Scpritseite 10, 24, 30, sowie die Abbildungen des Dionysostheaters auf der Akropolis, Segestras, Leptis Magnas und Sabrathas bieten viele verschiedene Vergleiche an. Besonders an den Plänen Dörpfeld-Reisch auf Scriptseite 7/1 kann man, nachdem man sich in die Art der Zeichnung eingefunden hat, den deutlichen Wandel erkennen. Man folgt am besten der Linie der Orchestra, um die Skizze zu verstehen.

Abschließend soll die Gegenüberstellung von Bieber zusammen mit der Skizze von Dörpfeld als genereller Überblick über die Unterschiede hinreichend erklären, in wie weit die Römer anders bauten.

TEIL II

Ausgrabungsgeschichte des römischen Bühnentheaters in Mainz

Erste Funde 1884

Bei der Anlage des Südbahnhofs stieß man auf umfangreiches Mauerwerk, das auf die Ruinen eines größeren Bauwerks schließen ließ. Der geheime Baurat Kramer beauftragte den Bezirksingenieur Peisker, detaillierte Aufzeichnungen von den Funden zu machen, bevor ein Großteil der freigelegten Mauern zugunsten der Bahnhofsanlage entfernt werden mußten. Die so entstandenen Pläne sind, wie sich bei späteren Forschungen herausstellte, sehr verläßlich. Diese Aufzeichnungen wurden erstmals 1915 in der Mainzer Zeitschrift veröffentlicht7 (vgl. auch die Abbildungen 1-3 im Anhang).

In dem den Plänen beigefügten Bericht Peiskers stellt dieser erste Vermutungen über die Funde an. Aufgrund einer bei den Bauarbeiten gefundenen Münze aus der Zeit Kaiser Konstantins und mehrerer mit Inschriften versehener Steine werden die Mauern als Überreste eines Bauwerks aus römischer Zeit identifiziert. Durch die Anordnung der verschiedenen Erdschichten ließ sich erkennen, daß das Bauwerk an einen Abhang gebaut worden war und sich vermutlich noch weiter den Hang hinauf in Richtung der damaligen Bastion Albani (östlich der Zitadelle) ausdehnte.

Bei den Funden handelte es sich offensichtlich um Überreste eines Gewölbes, da mehrere Bögen und parallel verlaufende Mauern freigelegt wurden. Peisker schloß zunächst auf eine Art Torweg, war sich jedoch aufgrund der fehlenden Beweise für eine dort verlaufende Straße nicht sicher.

Weiterhin glaubte er, das Bauwerk müsse noch bis ins 17. Jahrhundert oberhalb der Erdoberfläche gewesen sein, da in dieser Zeit die Befestigung der Stadt, also auch der Umbau der Schweikhadtsburg8 zur heute noch erhaltenen Zitadelle, genau in diesem Gebiet von Kurfürst Johann Philipp von Schönborn (1647-1673; Umbau zur Zitadelle), Lothar Franz von Schönborn (1695-1729) und Philipp Karl von Eltz (1732-1743) erweitert wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, daß hierfür auch Steine des römischen Theaters als Baumaterial dienten.

Wie sich später bei der Forschungsgrabung 1916 endgültig herausstellte, handelte es sich bei den Mauern unter dem Bahnhofsgelände um große Teile des römischen Bühnentheaters. Freigelegt wurde das Proscenium, die Scenae frons (Hinterwand der Bühne) sowie das Postscenium (vermutlich waren hier Ankleideräume für Schauspieler), außerdem ein kleines Stück der Orchestra und des Zuschauerraumes. Auch die seitlichen Zugänge zur Bühne sind in Peiskers Plan zu erkennen. Man nahm zunächst an, daß dies die - den Parodoi des griechischen Theaters entsprechenden - seitlichen Zugänge zur Bühne seien, stellte jedoch später fest, daß sie viel tiefer gelegen haben müssen als die Orchestra. Somit kann es sich eigentlich nur um unterirdische, überwölbte Gänge gehandelt haben, die unterhalb der Parodoi verliefen, und zu Bühnenzwecken genutzt wurden. So führten wohl auch die seitlich von diesen Gängen abzweigenden Treppen nicht in den Zuschauerraum, sondern in hinterszenische Anlagen oder in die Gewölbegänge unterhalb des Zuschauerraumes.

Wie gesagt ist ein Großteil dieser Funde dem Bahnhofsbau zum Opfer gefallen. Dank der so detaillierten Aufzeichnungen Peiskers sind die Mauern jedoch zumindest auf dem Papier erhalten geblieben und haben die Nachforschungen zu späteren Zeitpunkten erheblich erleichtert.

Weitere Ausgrabungen 1914

Anläßlich der Forschungsgrabung 1916 wurde in der Mainzer Zeitschrift von 1917/19189 ein Artikel veröffentlicht, indem auch von 1914 erfolgten Funden die Rede war. Die südliche Fortsetzung des 1884 entdeckten Bauwerkes wurde in einem schmalen Streifen bei Kanalisierungsarbeiten zum Bau der Straße Nr. 2310 (vor der Bastion Germanikus, der östlichen Eckbastion der Zitadelle) freigelegt (vgl. auch Abbildung 1). Der Graben war lediglich einen Meter breit und so hielten sich die Ausgrabungen in Grenzen. Es wurden Mauerklötze freigelegt, die vermutlich die Fundamente freistehender Pfeiler waren.

Ganz in der Nähe der Grabungsstätte, ungefähr dort, wo heute die Straße Auf der Steige auf die Salvatorstraße trifft, wurden drei gedrehte Säulen und zwei Wandstücke mit eingearbeiteten Säulen gefunden, die aus spätrömischer oder merovingischer Zeit stammen11. Deshalb brachte man das Bauwerk zunächst mit einem Palast des merovingischen Königs Dagobert in Verbindung. Für diesen Zusammenhang spricht außerdem, daß die Gegend im Mittelalter den Namen Dagobertswig (Dagobertis viguas) trug. Später wurde diese These modifiziert: Es ist möglich, daß König Dagobert das römische Theater als Palatium nutzte. Verwunderlich war, daß - wie auch beim Bau des Südbahnhofs - auffallend wenig römisches Scherbenmaterial gefunden wurde. Außerdem wies die Zusammensetzung der Mauern große Ähnlichkeit mit aus karolingischer Zeit stammenden Bauten, die zum Teil im Bereich der heutigen Albanskirche lagen, auf. Es konnte also keine eindeutige Zuordnung der Funde erfolgen.

Tatsächlich verlief der Kanalisierungsgraben quer durch einen Teil des Zuschauerraumes. Bei dem gefundenen Mauerwerk handelte es sich um die Stützpfeiler, die die strahlenförmig auf die Orchestra zulaufenden Keilmauern unterbrachen und das Gewölbe unterhalb der Zuschauerränge trugen.

Die Forschungsgrabung 1916

Trotz des ersten Weltkrieges versuchte man im Sommer 1916 unter der Leitung von Herrn Neeb endgültig herauszufinden, um was für ein Bauwerk es sich handelte. Schon mehrfach war die Vermutung geäußert worden, daß alles auf ein römisches Theater hindeute. Der Nachweis sollte nun anhand von Versuchsgrabungen geführt werden.

Zunächst wurde im Zitadellengraben und am östlichen Ende der Straße Nr. 2312 nach weiteren Mauerresten gesucht, um sich von außen her durch den Zuschauerraum der Orchestra zu nähern. Die Grabung blieb jedoch erfolglos. Also schlug man den umgekehrten Weg ein und suchte nach der Orchestramauer, die ja schon 1884 ein kleines Stück an ihrer Ostseite freigelegt worden war und dicht bei der Straße 2313 liegen mußte. Der an dieser Stelle (nahe der heutigen Ausgrabungsstätte) angelegte Versuchsgraben war neun Meter lang und einen Meter breit. In fast vier Metern Tiefe befand sich tatsächlich ein Mauerstück, das der Lage nach zu einer Keilmauer gehören könnte. Diese Mauer wurde in Richtung auf die vermutete Orchestramauer verfolgt, und die Vermutung wurde bestätigt: Die Keilmauer stieß auf eine fast senkrecht zu ihr verlaufenden Mauer, war jedoch bemerkenswerter Weise nicht direkt mit ihr verbunden, sondern durch eine Fuge, die zwischen beiden Mauern verlief, abgesetzt. Die geringe Breite des Versuchsgrabens, die ständige Erschütterung durch die nahe der Grabungsstätte vorbeifahrenden Züge und die geringe Festigkeit des Bodens, der hier zum größten Teil aus mittelalterlichem Bauschutt bestand, führte immer wieder zu Erdrutschen, die die Ausgrabungsarbeiten erschwerten, und ein weiteres Freilegen der Ochestramauer unmöglich machten. Auf der Grundlage der Peiskerschen Pläne von 1884 wurde also unweit von der ersten Grabung entfernt ein neuer Graben angelegt, um eine der Keilmauern in ihrer Längsrichtung zu verfolgen. Bereits dicht unter der Erdoberfläche befand sich ein größerer Mauerklotz, und erst in größerer Tiefe lagen die gesuchten Keilmauern. Diese waren von feinen Rissen durchzogen, die auf eine Sprengung (vermutlich bei der Anlage der Bastion Albani oder beim Bau des Südbahnhofs) hinwiesen. Wahrscheinlich hatte sich bei dieser Sprengung der oben erwähnte Mauerbrocken losgerissen und war liegengelassen worden. Die gefundene Keilmauer sollte nun bis zur Orchestramauer freigelegt werden. Allerdings nahm die Tiefe, in der sich die Mauerreste befanden, immer weiter zu, so daß man den Graben auf vier Meter Breite erweitern mußte. Dennoch drohte der lockere Boden die Grabungen zu gefährden. In Abständen von jeweils 4 Metern mußte deshalb ein Erdwall stehenbleiben, um die Seitenwände des Versuchsgrabens zu stützen, so daß die Keilmauer nur stückweise freigelegt werden konnte. Schließlich kam die gesuchte Orchestramauer und sogar noch die Enden benachbarter Stützmauern zutage. (vgl. Abbildung 7). Diese Grabung zeigte deutlich, daß die Keilmauer in ihrem Verlauf mehrmals durch breitere Blöcke unterbrochen wurde, die wohl die Sockel größerer Stützpfeiler waren. Hier bestätigen sich die Vermutungen im Zusammenhang mit der Ausgrabung von 1914, bei der ebenfalls solche Sockel freigelegt wurden.

Um die Peiskerschen Aufzeichnungen von 1884 noch weiter auf ihre Genauigkeit hin zu überprüfen, suchte man nach der Stelle, an der die Orchestramauer mit dem östlichen seitlichen Zugang, der, wie oben ausgeführt wurde, vermutlich unter dem eigentlichen Parodos verlief, zusammenstieß. Diese Mauern lagen nur 20-30 cm unterhalb der Erdoberfläche, und ihre tatsächliche Lage wich hier nur 40 cm von den Peiskerschen Aufzeichnungen ab (zu den drei Ausgrabungsstätten von 1916 vgl. Abb. 5-7).

Die 1916 vorgenommenen Ausgrabungen mußten zwar wieder zugeschüttet werden, allerdings ließen ihre Ergebnisse wesentlich eindeutigere Zuordnungen der einzelnen Funde zu und machten es möglich, das Theater in seiner Gesamtheit zu erfassen (vgl. Abbildung 8).

4.) Die Ausmaße des Theaters

Die angestellten Forschungsgrabungen bewiesen endgültig, daß die Mauern Überreste eines römischen Bühnentheaters sind und ließen sogar relativ genaue Angaben über die Ausmaße dieses Theaters zu.

Die Breite der Bühne betrug 41,25 m, an der Bühnenrückwand gemessen 40 m. Sie war bis zum Parodos 7,75 m und bis zur Orchestra 11,25 m tief. Die Orchestra selbst hatte einen Durchmesser von 41,25 m und der des Zuschauerraums betrug bis zum äußeren Ende der Parodoi gemessen 116,25 m. Das freigelegte Mauerwerk war zwischen 0,5 m und 1,2 m hoch. Der Grundriß des Mainzer Römertheaters weist Ähnlichkeit zu den Theatern in Arles und Orange auf, war jedoch möglicherweise noch größer. Rund 10.000 Zuschauer fanden hier Platz.

5.) Das Gelände des Theaters

Beim Bau der Schweikhardtsburg 1620-162914 wurde ein Graben angelegt, der später für die Anlage der Bastionen Salvator und Albani und wiederum beim Bau der Zitadelle im Zusammenhang mit der Erweiterung der Stadtbefestigung um 1700 (vgl. S.1) verlängert wurde. Dieser Graben muß durch das Bühnentheater verlaufen sein, und zwar durch die Orchestra und den Zuschauerraum.

Da anzunehmen ist, daß das Gelände vor allem durch diese Bauten erheblich verändert wurde, ist eine Beschreibung der Gegend, wie sie zur Zeit der Nutzung des Theaters aussah, sinnvoll. Das römische Bühnentheater wurde mit Ausnutzung des Geländes an den Nordhang des Berges gebaut, auf dem sich heute die Zitadelle befindet (Jakobsberg). Der Hang reichte ursprünglich in etwa gleichbleibender Steigung bis in die Gegend der heutigen Baustelle des „Cine-Star“ (Neutorstraße/Holzhofstraße). Den höchsten Punkt dieses Abhangs bildete und bildet auch heute noch das Drususdenkmal, das in der südlichen Eckbastion der Zitadelle steht. Vor der nach Osten ausgerichteten Germanikusbastion, in der Gegend des heutigen Südbahnhofs, neigt sich der Abhang leicht Richtung Osten (etwa entlang der Straße Auf der Steige). Der sich hier anscließende Berg heißt Albanberg. Es bot sich geradezu an, diese Neigung zum Bau des Zuschauerraumes auszunutzen, denn so öffneten sich die Sitzreihen nach Norden, und die Zuschauer wurden nie von der Sonne geblendet.

Das römische Theater lag zur Zeit seiner Nutzung außerhalb der römischen Bürgerstadt. Das Stadtgebiet erstreckte sich höchstwahrscheinlich bis zur mittelalterlichen Stadtmauer, die an vielen Stellen auf die römische Stadtbegrenzung aufgesetzt wurde (der Verlauf der Mauer ist der Abbildung 4 zu entnehmen). Eine Straße führte von den oberen Teilen der Stadt zum Drususdenkmal und dann weiter zum Theater (vgl. auch Abbildung 4; oben rechts: „Römische Straße“). Vermutlich verlief eine weitere Straße unterhalb des Theaters, und zwar aus Richtung Stadt kommend am Theater vorbei zum römischen Friedhof auf dem Albanberg. Dabei ist es durchaus denkbar, daß die mittelalterliche „Dieterpforte“ (in der Abbildung 4 bei G) auch schon in römischer Zeit einen Zugang zur Stadt darstellte.

6.) Das Mauerwerk

Vom frühen Mittelalter an (z.T. sogar noch früher) dienten die römischen Bauten als Steinbrüche. Im Mainzer Römertheater ist in diesem Zusammenhang die Orchestramauer besonders interessant. Sie ist an ihrer Innenseite stark beschädigt, während die zum Zuschauerraum weisende Seite sehr gut erhalten ist. Wahrscheinlich war die Innenseite der Mauer mit größeren Platten verkleidet, die man dann im Mittelalter herausbrach und an anderer Stelle verwendete.

Es ist außerdem zu vermuten, daß Steine des Theaters zum Bau der Klöster auf dem Jakobsund Albanberg und auch beim Bau der Zitadelle benutzt wurden.

Das unterirdische Fundament des Bauwerks wurde bei keiner der bisherigen Grabungen freigelegt, es ist aber zu vermuten, daß man Gußmauerwerk in eine Grube schüttete und darauf eine oder zwei Lagen Ziegel schichtete. Auf diese geebnete Grundlage baute man die Mauern des Theaters nach monolithischer Bauweise mit dem typischen Wechsel von Bruchmauerwerk und Quadern.

Literaturliste Teil I: Die Römer und ihre Theater

„The History of the Greek and Roman Theatre“, Margerete Bieber, Princeton University Press, New Yersey: 1961.

„Lexikon der Alten Welt“, Artemis Verlag Zürich und Stuttgart, Eintrag: „Theater“, E.-R.Sch. Spalte 3029.

„Die Römer in Rheinland-Pfalz“, hrsg. von Heinz Cüppers, Theiss, Stuttgart: 1990, S. 458- 464.

„Die Welt der Römer“, Mike Corbishley, Tesslov Verlag, Hamburg: 1987.

Literaturliste Teil II: Ausgrabungsgeschichte in Mainz

Bericht über die Vermehrung der Sammlungen des Altertumsmuseums der Stadt Mainz. Arbeiten in den Sammlungen. Neeb: In: Mainzer Zeitschrift, 10. Jahrgang. 1915. Seiten 74-78.

Bericht über die Vermehrung der Sammlungen des Altertumsmuseums der Stadt Mainz. Das römische Bühnentheater beim Südbahnhof. Neeb: In: Mainzer Zeitschrift, 12./13. Jahrgang. 1917/18. Seiten 68-76.

ANLAGE: Video, ca. 20 Minuten

Interview mit Dr.Gerd Rupprecht von der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz

1 Die erste Tragödie wurde 240 v.Chr. in Rom aufgeführt. Livius Andronicus übersetzte ein griechisches Stück und bot es in einem dieser „tragbaren Theater“, nach dem Vorbild der Etrusker, an den Ludi Romani dar. Auch Plautus‘ Stichus wurde um 200 v. Chr. in einem Circus, im Circus Flaminius, aufgeführt, da zu diesen Ludi Plebeii auch Rennen und Wettkämpfe stattfanden. So wurde der Circus anfangs für Theateraufführungen genutzt. Es mußte nur eine hölzerne Bühne aufgestellt werden.

Der erste Theaterbau entstand erst im Jahre 68 v.Chr. durch Mucius Scaurus in Rom. Er war nach außen wohl ein rechteckiges Gebäude. Im Inneren gab es die cavea, halbkreisförmig angeordnete Sitze und eine Bühnenwand mit Statuen.

Der Prototyp des steinernen Theaters erbaute Pompeius in Rom 55 v.Chr. Es diente sogleich als Vorbild für weitere Konstruktionen im ganzen Römischen Reich.

Ein multifunktionales Theater schuf Scibonius Curio 53 v. Chr. Er baute zwei hölzerne Theater nebeneinander, jeweils mit halbkreisförmigem Zuschauerraum. Diese standen auf einem Drehwerk, das um 180° gedreht werden konnte. So erfand er den Vorgänger moderner, drehbarer Zuschauerräume. Außerdem konnte die Bühnenwand entfernt, und die beiden Theater als Amphitheater genutzt werden.

[...]


1 Vgl. „Lexikon der Alten Welt“, Artemis Verlag, Bd. L-Z, Zürich und Stuttgart.

2 „Die Welt der Römer“, Mike Corbishley, Tesslov Verlag, Hamburg: 1987.

3 Vgl. „De architectura libri decem“, Vitruvius, Rom : 1486. ( Auch im Script).

4 „Die Römer in Rheinland-Pfalz“,hrsg. von Heinz Cüppers, Stuttgart: Theiss 1990, S.458-464.

5 Nach Dr.Rupprechts Aussage gilt diese Annahme heute als wissenschaftlich gesichert.

6 s. Fußnote 2

7 Mainzer Zeitschrift. 10. Jahrgang, 1915. Seiten 75-78.

8 Die sogenannte Schweikhardtsburg war die direkte Vorgängeranlage der Zitadelle. Ursprünglich befand sich an dieser Stelle eine einfachere 1329 angelegte Schanzenanlage rund um das 1050 gegründete Benedikterkloster. Nach mehrmaligen Erneuerungen baute Kurfürst Johann Schweikhardt von Kronberg während des 30jährigen Krieges dieses Bauwerk zu einer fünfeckigen Anlage mit Bastionen um (1620-1629).

9 Mainzer Zeitschrift. 12/13. Jahrgang, 1917/18. Seiten 68-76.

10 Der Verlauf der Straße 23 entspricht heute dem Zitadellenweg, an dem auch die derzeitigen Ausgrabungen stattfinden, und dem nach Osten weisenden Ende der Salvatorstraße. Die Straße verlief also parallel zu den Bahnhofsgleisen.

11 Franken wurde ungefähr in dem Zeitraum von 480-640 von den Merowingern beherrscht. Der im Text erwähnte König Dagobert (629-639) war der letzte merowingische Herrscher. Mit Pippin dem Mittleren schloß sich die karolingische Zeit an.

12 vgl. Fußnote 10

13 vgl. Fußnote 10

14 vgl. Fußnote 8.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Römische Theater Mainz
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltung
SE Theatergeschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
20
Katalognummer
V101535
ISBN (eBook)
9783638999519
ISBN (Buch)
9783656761242
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In Mainz wurde 1998 ein römisches Theater entdeckt. Diese Arbeit ist die erste Zusammenfassung über die Ausgrabungen und geschichtlichen Wurzeln.
Schlagworte
Römische, Theater, Mainz, Theatergeschichte
Arbeit zitieren
Nadja Annette Friederici (Autor:in), 1999, Das Römische Theater Mainz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101535

Kommentare

  • Gast am 2.4.2003

    Danke für Ihre Hilfe.

    Ich bin sehr an römische Sachen interessiert! Deshalb danke ich Ihnen noch einmal, weil ich werde am Freitag einen Bericht über das Römische Theater Mainz in meiner Klasse halten. Ich habe alle informationen die ich brauche! DANKE! Vielleicht wird unsere Klasse sogar eine Ausstellung in der Schule über alle römischen Funde in Mainz ausstellen. Wenn Sie noch ein paar bilder von römischen funden hätten, könnten Sie mir die bitte geben? Sie können sich auch mal mit Frau Girke unterhalten. Sie ist eine gute Geschichtslehrerin. Aber sagen sie ihr nicht das ich sie gefragt habe. Wenn Sie bei uns in der Schule eine Schulstunde mal darüber erzählen möchten dann schicken sie bitte zurück. Ich bin auf dem Gutenberg-Gymnasium. Leider kann ich sie nicht bezahlen, aber ich würde mich freuen wenn Sie kommen. Die Telefonnummer weis ich leider von Frau Girke nicht. Vielen Dank!!! Patrick Martens

  • Gast am 13.11.2001

    Römer und ihre Feste.

    Liebe Nadja,

    deinen Text finde ich ausgezeichnet. Ich selbst habe mich sehr intensif mit dem Mainzer Theater beschäftigt, denn ich arbeite an einem Projekt über das Theater.Ich habe so einige Stunden mit dem Theater verbracht.Ich habe allerdings einige Fragen, gibt es eine Möglichkeit, dass du mir meine Fragen beantwortest?
    Schreib mir bitte schnell!!!

    Dein Christian.

  • Gast am 8.7.2001

    Das Römische Theater.

    Liebe Nadja,
    herzlichen Glückwunsch. Sag mir, zu welcher Familie Friederici gehörst Du ? Siehe www.friederici.de
    Herzliche Grüsse aus Santiago de Chile
    Georg Roberto Friederici
    georgfriederici@entelchile.net

Blick ins Buch
Titel: Das Römische Theater Mainz



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