Der Kuppelraum


Hausarbeit, 2001

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


I. Einleitung

„ Du sollst dir kein Schnitzbild machen, noch irgendein Abbild von dem, was droben im Him- mel oder auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde ist! “.1 Trotz dieses Verbots lie- ßen es sich die Christen nicht nehmen, für Gott ein ebenbürtiges Gebäude zu bauen. Aber wie sollte Gottes Haus oder eine Kirche aussehen? Diese Frage hatte im Laufe der Jahrhunderte viele Antworten. Einheitlich in den ganzen Bauten war, die Herrlichkeit Gottes und seine Verheißung darzustellen. Es mußte ein Raum sein, der Himmel und Erde umfaßt. Ein Raum von Licht, Farbe und Glanz war zu schaffen. Die Christen assoziieren Gott seit jeher mit Licht und Glanz. Im Johannes-Evangelium manifestiert sich die Symbolik Gottes als das Licht innerhalb einer Kontrastierung von Licht und Finsternis. Dieser Glaube war fundiert im 21. Kapitel der Apokalypse: Die Schilderung des heiligen Jerusalems. Johannes sah einen neuen Himmel und eine neue Erde.2 Der Himmel wurde schon in der frühchristlichen Archi- tektur als Kuppel dargestellt. Die Vorstellungen des Himmelabbildes veränderten sich im Laufe der Geschichte, welche auch abhängig von den technischen Voraussetzungen jeder Zeit waren.

Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die Entwicklung und die Bedeutung der Kuppel darzustellen. Der erste Teil konzentriert sich auf den technischen Aspekt. Nach dem Erläuterung des Ursprungs der Kuppel folgt eine Beschreibung der Kuppeltypen.

Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Himmelssymbolik der Kuppel vom frühen Christentum bis ins 19. Jahrhundert.

Literaturgrundlage der Arbeit bilden in erster Linie Josef Fink „Die Kuppel über dem Viereck“ und Werner Roemer „Kirchenarchitektur als Abbild des Himmels“. Des weiteren wurden Beiträge der Autoren Miron Mislin, Wilhelm Koch, Louis Bouyer und Herbert Pothorn herangezogen. Die Computer- Software von Microsoft Encarta diente zur oberflächlichen Orientierung. Als Quellen dieser Arbeit dienten die „Heilige Schrift“ und auserwählte Kapitel des Architekturtraktas von Leon Batista Alberti „Zehn Bücher über die Baukunst“. Die vollständigen Titel sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen.

II. DIE KUPPEL als konstruktives Problem: Kuppeltypen und -bautechniken

1. Ursprung der Kuppeltechnik

Die ersten Kuppeln dieser Menschheit sind keine richtigen Kuppeln, sondern „Kragkuppeln“. Diese entstanden durch ringförmige Schichtung der Steine und Verkürzung des Durchmessers von Schicht zu Schicht. Es wurde darauf geachtet, daß die Fugen so waagerecht wie möglich waren und die Steine so flach wie es ging, am besten plattenförmig.3 Diese Kraggewölbekon- struktion kam in der griechischen Architektur vor allem im Grabbau seit der mykenischen Periode vor. Zu dieser Periode gehörte auch das „Schatzhaus von Atreus“ (Abb. 1). Es war ein Kuppelgrab aus der Zeit um 1325 v. Chr. in Mykene auf dem Peloponnes. Das Konstruk- tionsprinzip der Kuppel bestand darin, daß ein Stein über den anderen vorgeschoben wurde. So erreichte die Kuppel eine Höhe von 13 m über einem Durchmesser von 14,5m. Nach meh- reren Auskragungen hatte sich der Schwerpunkt über den Ausgangspunkt hinaus verlagert. Diese runde Anlage (Tholos) bestand aus einem kreisrunden Raum, zu dem ein langer Korri- dor führte. Das Grab erschien äußerlich wie ein Erdhügel, weil man die Kuppel mit Erde be- deckte.4

Diese Kuppelgrabkonstruktion entwickelte sich ca. 1700 v. Chr. in der minoischen Kultur. Aber schon vorher existierten Rundgräber (Tholoi), die mit bienenkorbigen Kuppeln über- deckt waren und deren Durchmesser und Lichtweite 2,50 bis 13m erreichte.5 In diesen und anderen Grabarchitekturen wurde die Technik des „falschen“ Gewölbes ange- wandt, wie eingangs beschrieben.6 Das „echte“ Gewölbe hingegen ist aus recht komplizierten Überlegungen entstanden. Diese Überlegungen führten dazu, daß man die Steine trapezförmig behaute, da die Fugen nicht mehr waagerecht, sondern radial auf den Mittelpunkt des Krüm- mungskreises ausgerichtet waren. Hier ist es auch nicht mehr möglich die Wölbung frei aus- zuführen, wie bei den Kragkuppeln. Damit die Steine also nicht während des Baus herunter- fielen, mußte ein Innengerüst aufgestellt werden. Das Gewölbe, ob Bogen, Tonne oder Kup- pel war erst dann fest und in sich ruhend, als es fertig war. Die Voraussetzungen für einen „echten“ Gewölbe- oder Kuppelbau waren sorgfältiges Planen und genaues, akribisches Mes- sen. Die Festigkeit des Werkes hing von der Genauigkeit der Wölbung und von der Stetigkeit der Krümmungskurve ab.7

Ursprungsgebiet der Bogen- und Kuppeltechnik ist der Orient. Josef Fink belegte in seinem Buch „ Die Kuppelüber dem Viereck “ auch diese These.8 Schon um das Jahr 2000 v. Chr. war die Technik schon fast vollkommen. Besonders ausgeprägt war sie in den vorderasiati- schen Kulturen. Man wundert sich noch heute, warum die alten Ägypter und Griechen kein Interesse an dieser Wölbung hatten, obwohl es schon zu frühen Kontakten dieser Kulturen gekommen war. Das liegt wahrscheinlich daran, daß die Dächer über den Mauern aus Pfosten und Balken errichtet wurden. Diese Technik lehnt eindeutig an den Holzbau an. Bald aber wurde sie auf vielfache Weise weiterentwickelt und auch auf den Steinbau übertragen. Es wurden z. B. aus den Pfosten die Säulen und aus dem Trägerbalken wurde der Architrav.9

Die Römer griffen diese Bogen- und Kuppeltechnik um 300 v. Chr. auf. Stein und Backstein waren die üblichen Baustoffe der Römer. Die Entdeckung eines neuen Baustoffes war sehr zum Vorteil, denn dieser war für den Gewölbebau besonders gut geeignet. Es handelt sich hier um ein Material, welches so groß war wie faustgroßer Steinotter und das Bindemittel war ein sogenannter hydraulischer Naturzement aus Vulkanasche. Dies entdeckten die Römer in Palestrina.10 Dort standen die Ruinen der Heiligen Fortuna aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.. Es ist eine zweigeschössige Anlage aus nebeneinanderstehenden Tonnengewölben. Das Beson- dere an dieser Anlage ist, daß die Gewölbe nicht gemauert sind, sondern über eine sogenannte Schalung gegossen sind. Dieses Gewölbe war demnach betoniert. Es sei noch mal zu erwäh- nen, daß diese Technik nicht von den Römern erfunden worden ist. Im frühen Altertum war diese Technik in vulkanischen Gegenden bekannt und weit verbreitet.11

2. Kuppeltypen

Die Kuppel ist eine Wölbeform, dessen Mantelfläche im Längsschnitt einen Halbkreis beschreibt. Sie ist oft über eine kreisrunde Basis errichtet. Es können allerdings auch verschiedenartige Grundrisse mit Kuppeln überwölbt werden.12 Dem Aufriß nach unterscheidet man Flachkuppel, Stutzkuppel („Böhmische Kappe“), Halbkuppel, Zwiebelkuppel, Faltkuppel und Spitzkuppel (Abb. 2).13 Die statischen Voraussetzungen sind beim Bau einer Kuppel von großer Wichtigkeit. Es gibt verschiedene Techniken eine Kuppel zu bauen. Neben der Massivkuppel gibt es die Kassettenkuppel, die Rippenkuppel und die Schalenkuppel. Bei der Schalenkuppel werden die zwei Schalen durch Stege miteinander verbunden.14

Bei einer kreisrunden oder ovalen Basis entstehen keine Probleme den Raum zu überwölben, denn hier kann man zur Überhöhung des Raumes einen Tambour, der oft durchfenstert ist, einsetzen. Bei einem quadratischen Grundriß ergeben sich drei Überwölbungsmöglichkeiten: a.) Hängekuppel, b.) Pendentifkuppel und c.) Trompenkuppel.15

a)Hängekuppel

Bei der Hängekuppel oder Außenkreiskuppel bildet ein gedachter Kreis die Basis der Kuppel. Dieser gedachte Kreis umschreibt das Grundrißquadrat, d. h., das die Diagonale zwischen den Ecken des Quadrats und der Durchmesser des Kreises gleich lang sind.16 Über das Quadrat gehen seitlich Kugelsegmente hinaus. Diese muß man sich gekappt vorstellen. Ist der Kuppel- raum dem zu überwölbten Raum17 aufgesetzt, entstehen über den Ecken „Raumreste“ (Abb.

3). Diese Raumreste müssen in harmonischer und konstruktiv tragbarer Weise überbrückt werden.18

Legt man also die Kuppel auf die Ecken, so steht die Form hinweg an den Ecken über. Wenn man nun diese Tatsache auf den Vierecksraum reduziert, so entstehen bei geschlossenen Wänden Schildbögen und bei offenem Pfeilerquadrat Arkaden. Eigentlich wäre hier der Name Stützkuppel zutreffender, weil die Kuppel mit ihren Reststücken ihrer unteren Zone auf die Ecken gestelzt ist.19

In Europa war dieser Kuppeltyp die Idealform wegen ihrer geometrischen Exaktheit und ihrer räumliche Schönheit. In der Praxis aber wurde sie meist überhöht, da sie in ihrem unteren Teil Zugspannungen enthält. Diese Zugspannungen erforderten entsprechende Maßnahmen, besonders bei Baustoffen von geringer Zugfestigkeit.. Eine Lösung waren äußere Strebepfeiler und andere Widerlager und Auflasten über der Kuppelbasis. Statistisch günstiger waren deshalb überhöhte Querschnitte. Sie steigerten außerdem noch die äußere Erscheinung.20 Das ist besonders vorteilhaft, denn Hängekuppeln wirkten oft optisch flach. Die Halbkugelform war nicht erkennbar und man dachte, daß die Stücke in den Ecken die Träger fortzusetzen scheinen, während sie in Wirklichkeit Teile der Kuppel selbst waren.21

Wie sich herausstellte lag das künstlerische Problem beim Bau einer Kuppel in den Ecken. Somit bestimmte die Ecklösung den ganzen Charakter der Raumform.22

b.) Pendentifkuppel

Die Pendentifkuppel ist im Gegensatz zur Hängekuppel eine Innenkreiskuppel. Sie ist eine weitere Ecklösung oder auch besser gesagt die klassische Ecklösung.23 Genauso wie die Hän- gekuppel ermöglicht sie den Übergang von einem quadratischen Grundriß zu der kreisförmi- gen Grundfläche einer Kuppel (Abb. 4). Dazu werden die Ecken des unterlagernden Kubus abgerundet, so daß Bögen entstehen, die die Kuppel tragen. Dabei entstehen zwischen den Bögen und der Kuppel sphärische Dreiecke, welche man auch Pendentifs nennt (Abb. 5). Man kann diese Pendentifs auch als Raumreste einer unterlagernden Hängekuppel auffassen, die in Höhe der Scheitel der Gurtbögen horizontal abgeschnitten ist und auf deren kreisförmigen Schnitt die eigentliche Kuppel sitzt.24

Die Pendentifkuppel ist also auch ein Übergang vom viereckigen Grundriß zur Rundung des Kuppelgrundrisses, welcher durch sphärische Dreiecke oder auch Pendentifs bewirkt wird.

Diese Kuppelform wurde in der byzantinischen Architektur entwickelt. Der entscheidende Auftakt zur Geschichte des Pendentifs liegt im zweiten Kuppelbau der Hagia Sophia.25

c.) Trompenkuppel

Die Trompenkuppel ist ebenso wie die Pendentifkuppel eine Innenkreiskuppel. Ein vierecki- ger Unterbau wird in vier halbe Hohlkegel in ein Achteck überführt, auf der eine Rundkuppel oder ein achtteiliges Klostergewölbe ruht (Abb. 6). Die Trompen, sind Gewölbezwickel in Gestalt eines nach unten geöffneten halben Hohlkegels, der im Kuppelbau zur Überführung des Kubus zur Kugel diente. Der imaginäre Kreis der Grundfläche ist dem Achteck einge- schrieben, weil bei dieser Kuppelform die Ecken so gekappt werden, daß ein Achteck ent- steht.26

Entwicklungsgeschichtlich stammt die Trompe aus dem spätrömischen Gewölbebau. San Lorenzo in Mailand aus dem frühen 5. Jahrhundert ist ein Beispiel hierfür. Auch die oströmische und später byzantinische Architektur verwendete im Kuppelbau häufig Trompen. Die Kathedrale von Clermont- Ferrand27 zeigt, daß die Trompenbaukunst in der Romanik wieder in das Abendland zurückgekehrt ist.28

Über die Entwicklung der Trompenkuppel sagt Strzygowski im siebten Band der „Zeitschrift für Geschichte der Architektur“: „ Es macht bei kleineren Bauten keine Schwierigkeiten, dasüber den Ecken aufgeführte Gewölbe in der Mitte flach oder spitz zu schließen. Erst bei Quadraten von mehr als drei bis vier Metern Seitenlänge wird man zu der auf den Mauermit- ten aufliegenden Kuppel greifen, die Ecktrompen werden dann auseinandergerückt, das heißt nicht mehr in einer Vertikalen zusammenstoßen, sondern durch die zwischen ihnen aufruhen- de Kuppel getrennt sein “ 29 Die wichtigste Beobachtung in dieser Aussage ist das Aufliegen der Kuppel auf den Mauermitten. Die Aufgabe der Kuppelbildung stellten nicht die Trompen in Verbindung mit einer bestimmten Spannweite dar, sondern die Kuppel selber. Ihr größtes Widerlager, welches auf Wänden oder Bogenrücken ruht, nötigt zu einer besonderen Form der Überleitung zu den Stützen der Vierung. Die Lösung fand man in dem Trompengewölbe. Es entstehen Halbkreisbögen mit nischenartiger Vertiefung unmittelbar über den Ecken. Diese Erscheinung ist das gemeinsame Kennzeichen aller derartigen Ecklösungen, die im einzelnen noch variieren.30

Abschließend kann man sagen, daß die Trompen eigentlich von oben her entworfen worden sind und praktisch eine Verlängerung jener Schalenteile darstellen. Die Schalenteile finden keine Widerlager, da sie frei im Raum enden und an die Ecken anschließen.

III. DIE KUPPEL als Symbol: Himmelsgewölbe und göttliche Sphäre

1. Die Himmelssymbolik in frühchristlichen Kirchen

Der Zentralbau spielt in der frühchristlichen Zeit eine große Rolle. Dieser wird auch von Kai- ser Konstantin sehr gefördert. Ein bedeutendes Beispiel dieser Art ist die Grabesrotunde in Jerusalem.31 Die Idee oder der Typus dieser Grabrotunde wurde um die Mitte des 4. Jahrhun- derts im Mausoleum S. Constanza in Rom (Abb. 8) wiederaufgegriffen. Dieses Mausoleum, welches Konstantin für seine Tochter Constantia erbaute, hat einen kreisförmigen Grundriß. Es ist ein überkuppelter Zentralbau. Um den Zetralraum liegt ein Umgang mit zwölf gekop- pelten Säulen. Dieser Umgang ist nur mäßig beleuchtet. Der Zentralraum wird von sehr hel- lem Licht erleuchtet, da sich an dem Tambour zwölf Fenster befinden. Man nimmt an, daß diese Lichtmasse ursprünglich durch ein Opaion, eine runde Öffnung im Kuppelscheitel, ver- stärkt wurde.32

S. Constanza greift architektonisch zwar auf die Grabesrotunde zurück aber in Bezug auf ihre Kuppel hatte sie ein anderes Vorbild: das Pantheon. Der metaphorische Ausdruck die Kuppel als Himmelsgewölbe darzustellen, wurde auf das Mausoleum übertragen. Den Beweis hierfür erbringt eine Nachzeichnung des zerstörten Kuppelmosaiks von Bartoli. Der Kuppelscheitel zeigt die Darstellung eines ausgebreiteten Himmelzelts nach antikem Muster. In den radial angelegten zwölf Feldern waren alt- und neutestamentalische Szenen gegenübergestellt. Diese figürliche Darstellungen repräsentieren ein universales Erlösungsgeschehen und außerdem finden sie ihre Entsprechung in der Himmelsbedeutung der Kuppelarchitektur. Der Himmel wird als Ort himmlischen Heilwirkens gesehen und das wird in der Kuppel nicht nur figürlich, sondern auch architektonisch dargestellt. Die Christen übernahmen somit die Kuppel als Himmelsvorstellung von der römischen Architektur.33 Sie haben damit die traditionelle Him- melsbedeutung übernommen und entsprechend ihrem Himmelsverständnis präzisiert.34

In der römischen Architektur ist das Pantheon etwas Besonderes, schon allein wegen seiner raffinierten Statik. Zahlreiche Entlastungsbögen im Gemäuer und überhöhte Außenmauern stützen die zweischalige Kuppel. Die Kuppel bildet innen eine exakte Halbkugel. Der Durch- messer dieser Halbkugel und die Höhe betragen genau 43,6 m. Die einzige Lichtquelle ist das Kuppelauge mit 9 m Durchmesser (Abb. 9).35 Nach außen wird die Kuppel durch Abtreppun- gen verstärkt.36

In der frühchristlichen Zeit gab es noch viele Bauten, welche die Kuppel als Himmelsbild dargestellt haben. Ein Bau dieser Art ist das ca. 450 erbaute Mausoleum der Galla Placidia. Der quadratische Mittelraum wird von einer Hängekuppel überwölbt. Auf der Kuppel ist ein dunkelblaues, goldgestirnes Himmelszelt dargestellt und auf den Zwickel erscheinen auf Wolkenbänken die vier Evangelistensymbole. Genau am Scheitel erscheint dann das Kreuz, zu dem vier Apostelpaare an den Wänden emporblicken und weinen.37 In der Mittelkuppel wird Christus als Pantokrator dargestellt, umgeben von den vier Erzengeln. Hier macht sich schon eine hierarchische Ordnung bemerkbar. Der Gipfel dieser Ordnung ist das Bild des Er- lösers im Scheitel der Kuppel.38

2. Der kosmische Himmel in byzantinischen Kirchen

In der byzantinischen Epoche entwickelte sich ein neuer Gebäudetypus und dieser dauerte noch bis zum Ende des byzantinischen Reiches an. Es handelte sich um eine würfelförmige Kirche mit einer halbkugelartiger Kuppel. Da man traditionsgemäß die Kuppel als Abbild des Himmels verstanden hatte, mußte der untere kubische Baukörper als Abbild der Erde begrif- fen werden. Diese Vorstellung vom dem Kubus als Abbild der Erde ist auch literarisch belegt. In der Apokalypse steht, daß vier Engel an den vier Ecken der Erde standen.39 Es existieren auch andere literarische Belege über diese Himmels- und Erdvorstellung. Kosmas Indi- kopleustes bezeichnete die Erde als viereckig, von vier Wänden umgeben und von einer Kup- pel überwölbt.40 Diese und noch genügend andere Belege vermitteln, daß der überkuppelte Würfelbau des 6. Jahrhunderts als ein Abbild des gesamten Kosmos gilt. Auch das um 900 n. Chr. festgelegte byzantinische Dekorationssystem verstärkt diese Aussage.

Der oben genannte Bautypus hatte sich aus einem räumlichen und liturgischen Problem her- aus entwickelt. Das Problem bei den Basiliken bestand darin, daß nur das Hauptschiff eine versammelte Gemeinde aufnehmen konnte und an den Seiten standen getrennte Gruppen. Die Lösung sah man darin, die längliche Basilika durch einen quadratischen Bau ohne jegliche

Säulen zu ersetzen. Das Zentrum sollte direkt unter der Kuppel sein. Dort ließ sich auch die Bema mit der Bundeslade, dem Lesepult, dem Bischofstuhl und den anderen Sitzgelegenhei- ten für die Priester unterbringen ohne jemanden zu behindern. Halbkugeln über dem Chor, Narthex und Apsis hebten die ganze Bedeutung des Bauwerkes noch hervor und erzeugten gleichzeitig noch ein Gleichgewicht am Gebäude. So war eine Teilnehmergruppe nie richtig abgetrennt.41

Ein Beispiel für diesen Gebäudetypus, natürlich in erweiterter Form, ist die Hagia Sophia in Konstantinopel (Abb. 10). Kaiser Justinian ließ die Kuppelbasilika zwischen 532-37 errich- ten.42

Fünf Jahre nach Baubeginn wurde die Kuppel überwölbt, doch diese stürtzte 25 Jahre später wieder ein. Die wahrscheinlichste Erklärung für diesen Einsturz sind Erdstöße, da die neue Schale, die bis heute noch steht, eine nur unwesentlich dickere Schale hatte.43 Die Zentral- kuppel der Hagia Sophia ruht auf vier Kuppelpfeilern über einem Quadrat. Gleichzeitig über- wölbt sie auch einen längstgerichteten Raum. Die Kuppel liegt nicht auf mächtigen Stützen, sondern auf sphärischen Dreiecken (Abb. 11). Es wird ein Eindruck der schwebenden Archi- tektur erweckt. Der Eindruck verstärkt sich, wenn man bemerkt, daß das ganze Konstrukti- onssystem in die nur von außen sichtbaren Strebepfeilern und die Umgangszone verlegt wor- de waren.44 Der Seitenschub des Gewölbes wird im Norden und Süden vom Strebewerk über den Seitenschiffen gestützt. Im Westen und Osten wird das Gewölbe von zwei Halbkugeln gestützt, die ihrerseits von je zwei kleinen Halbkuppeln widerlagert werden.45 Das Konstruk- tionssystems bleibt also dem Auge des Betrachters entzogen und das hat zur Folge, daß eine Illusion entsteht und zwar die, der immateriellen und schwebenden Architektur.

Die erste Kuppel der Hagia Sophia war eine Hängekuppel und wurde von Atthemios und Isodoros erbaut. Sie war ca. 6m niedriger als die zweite.46 Diese zweite Kuppel erbaute Isodoros, der Neffe des Ersten. Sie hob sich kräftiger vom Unterbau ab als die flache Wölbung der Alten. Diese Kuppel war eine Rippenkonstruktion und somit die Erste dieser Art mit einer solchen Spannweite. Darum ist es hier auch möglich den Kuppelfuß mit 40 Fenstern zu durchbrechen (Abb. 12). Die Rippen, welche außen durch Widerlager abgestützt sind, sind das Skelett der Wölbung. Die Kuppeldicke beträgt 65-100 cm.47

Prokop, der Geschichtsschreiber Kaiser Justinians, hatte der Kuppel eine besondere Aufmerk- samkeit gewidmet. Er schrieb, daß sie voll von Licht sei und ihren Glanz hat sie aus sich selbst heraus. Des weiteren schrieb er, daß die Kuppel an einer goldenen Kette vom Himmel herabhängt. Seine Schilderung ähnelt der apokalyptischen Darstellung der himmlischen Got- tesstadt.48 Folglich wurde in der Hagia Sophia ein Abbild der apokalyptischen Gottesstadt gesehen. Der Kirchenraum war das Abbild des Kosmos und der untere Raum war das Abbild der irdischen Welt49

In der Tat gab es nichts Vergleichbares in der kirchlichen Baukunst Europas. Auch architek- tonisch war die Hagia Sophia eine Einzelerscheinung geblieben. Der Scheitel der Hauptkup- pel ist höher als der höchste Gewölbescheitel einer hochgotischen Kathedrale.50 Vergegenwärtigen muß man sich auch, daß in byzantinischen Kirchen die christliche Iko- nographie sich zum ersten Mal voll und zusammenhängend entwickelt wurde. Viele Elemente des urchristlichen Gottesdienstes stammen aus dem Kult der Synagoge. Die ersten christli- chen Darstellungen folgten genau der älteren jüdischen Auswahl von Geschehnissen und deu- teten sie auf christliche Weise neu aus.51

Auch andere byzantinische Kirchen waren nach diesem Gebäudetyp gebaut worden. In der Kirche Hagios Theodorus aus dem 10. Jahrhundert wurde der Eindruck der schwebenden Ar- chitektur erweckt. Die massiven Stützen der Kuppel sind durch dünne Säulen ersetzt worden und so wirkt diese leicht und gestreckt. Die Kirche Hagios Lukas in Phokis aus dem 11. Jahr- hundert war auch ein Beispiel für einen byzantinischen Kuppelbau. Das Mosaik auf der Kup- pel zeigt den Pantokrator von Engeln und Propheten umgeben. Der Kosmos ist unter seiner Herrschaft.52

3. Die Himmelsstadt des frühen Mittelalters und in der romanischen Zeit

Auch zu dieser Zeit hatte der Kirchenbau einen starken religiösen Hintergrund. Karl der Gro- ße ließ um das Jahr 800 in Aachen eine Palastanlage errichten, welche sakraler Mittelpunkt eines zweiten Rom repräsentieren sollte. Die S. Vitale in Ravenna (Abb. 13) war sein Vorbild für die Aachener Pfalzkapelle. Das Mosaikbild der Kuppel ist für den Bedeutungsgehalt des Innenraumes ausschlaggebend. Die heutige Fassung stammt aus dem Jahr 1881. Diese Fas- sung versuchte das karolingische Bild wiederaufzufassen, in dem die vierundzwanzig Ältesten dem Opferlamm in der Mitte ihre Kronen dabrachten. Diese Darstellung entspricht der apoka- lyptischen Schilderung und damit wurde auch hier die Himmelstadt zum Ausdruck gebracht.

53 Im Scheitel der Gewölbekappen erschien das Lamm. Die 24 Ältesten erhebten sich von ihrem Thron und waren im Begriff, ihre Kronen vor dem Thron des Lammes niederzulegen (Abb. 14).54 Der zentrale Mittelraum, welcher durch eine achteckige Faltkuppel überwölbt ist, ist achteckig. Die Symbolik der Achtzahl wies auf die ewige Seligkeit des Himmels.55 Die Kuppelhöhe beträgt 100 Fuß. Diese Zahl galt schon seit der Antike als heiliges Maß und als Vervollkommenheitssymbol.

Mit dem Bau der Aachener Pfalzkapelle übernahm man nicht nur byzantinische Traditionen, sondern auch traditionell biblische Ideen der Apokalypse. Hier wurde durch eine biblische Symbolik wieder ein Bild des Himmels wiedergegeben.56

Weitere Beispiele aus dieser Zeit waren S. Satiro in Mailand, S. Stefano in Bologna, S. Ange- lo in Perugia, S. Martin in Bonn und Germigny-des-Pres. Die letztere Kirche hatte zwar eine niedrige Kuppel, aber wollte ihren Zweck nicht verfehlen und den Tempel von Jerusalem wiedergeben. S. Stefano aus dem 12. Jahrhundert hatte auch dieses Ziel. Der runde Zentral- raum wurde von einer Kuppel überwölbt, welche das apokalyptische Lamm darstellte.57

St. Georg in Regensburg ist ein Beispiel aus der romanischen Zeit. Die Kirche wurde 1164 erbaut und ging auf den byzantinischen Zentralbautyp zurück. Die Kuppel wurde als Abbild des Himmels aufgefaßt und der untere Kernbau als Abbild der Erde. Die Kuppel ist achteckig. Auf ihr sah man den Pantokrator im Himmelskreis, umgeben von acht großen Engelsfiguren in einem weiteren Himmelskreis.58

4. Der sinnenhaft veranschaulichte Himmel in der Gotik

Der Zentralbau nahm in der Gotik eher eine Sonderstellung ein, da das Raumideal dieser Epoche der Langbau war.59 Auch hier wurde der Typus des Zentralbaus zur Aufbewahrung und Auszeichnung von Reliquien und Heiligengräbern genutzt.60

Das Problem des kirchlichen Zentralbaus in der Gotik war eher ein liturgisches Problem. Die Mitte des Raums konnte nie als liturgisches Zentrum genutzt werden, weil im christlichen Kult der Altar nicht in der Mitte der Gemeinde, sondern ihr gegenüber stand.61 Trotzdem blieb als wichtigstes Zentralbaumotiv das Kuppelgewölbe. Gewölbe traten in Zentralbauten des 8 bis 10. Jahrhunderts regelmäßiger auf als an langerstreckten Kirchen dieser Zeit.62 Das Zentralbauten im Mittelalter nicht so verbreitet gewesen sind wie in anderen Epochen, schließt man daraus, daß den Autoren im Mittelalter die Beschreibung dieses Gebäudetypus sehr schwer fiel. Auch ikonologische Darstellungen über Zetralbauten fehlen hier fast voll- kommen. Das Pantheon war schon seit Jahrhunderten bekannt, aber die Öffnung der Kuppel wird in Abbildungen des Monuments vor 1280 gar nicht erwähnt. Das Pantheon wird erst später zum Vorbild für andere Bauten und im Mittelalter kann man annehmen, daß es keine Nachbauten des Pantheons gab.63

Ein Bauwerk sollte aber mit dem Pantheon verglichen werden, besser gesagt die Kuppel des im Jahre 1296 begonnenen Florentiner Doms S. Maria del Fiore (Abb. 15). Im Jahre 1367 beschloß ein Baukomitee, daß die achteckige Vierungskuppel eine Höhe von 144 Ellen (94,95 m) und einen Durchmesser von 72 Ellen (42,00 m) erhalten sollte. Damit hätte diese Kuppel die Größe der Pantheonkuppel von 42,70 m erreicht und sie auch in der Höhe weit übertrof- fen. Schon in der Planungsphase traten technische Probleme auf, die zum Ausschreiben eines Wettbewerbs führten. Im Jahre 1418 siegten Ghiberti und Bruneleschi und schon 1426 hatte Brunnelschi die alleinige Aufschicht über den Bau der Kuppel. Die Kuppel wurde im Jahre 1436 vollendet und ist somit das größte noch mittelalterliche konzipierte Gewölbe.64 Die zweischalige Kuppel wird von einem Tambour getragen und besteht im unteren Teil aus Stein und im oberen aus Ziegelstein. Große Rippen verbinden sie miteinander und nach außen ist die weiße Marmorverkleidung der Rippen sichtbar. Es entsteht der Eindruck über ein unge- heures Gesamtvolumen der Kuppel (Abb. 16).65

Auch in dieser Kuppel spielte der Himmelsvorstellung eine große Rolle. Je weiter die Entwicklung über das 15. Jahrhundert hinausdrang, um so mehr schien sich die Idee des Himmelsglaubens in den Kirchenbauten niederzuschlagen.66

5. Schönheit und Harmonie des Himmels in der Renaissance und die Transzendenz des Himmels im Manierismus

Die Kirchenarchitektur der Renaissance unterscheidet sich sehr zum gotischen Kathedralbau. Die Kirchenarchitektur der Gotik enthielt viele Elemente, die verweisend und verbunden waren. In der Renaissance hingegen ist alles überschaubar. Das neue Formideal beinhaltete abgeschlossene Räume wie z. B. den Würfel, den Quader, den Zylinder und auch die Halbkugel. Der Kreis spielt eine sehr große Rolle n der Renaissance. Nicolaus Kues.67 sah im Kreis die Unendlichkeit Gottes. Er war auch der Meinung, daß Gott nicht erkannt werden kann, da die Unendlichkeit Gottes nicht rational faßbar ist.

Auch Albertis Gottesvorstellung entsprach den geometrischen Symbolen. Er sieht im Kreis und im Quadrat vollkommene Formen, die für den Kirchenbau vorausgesetzt werden mußten. Als Architekt und Architekturtheoretiker verfaßte Alberti 1450 seine Abhandlung „De re ae- dificatoria“. Es ist die erste umfassende Abhandlung über die Architektur der Renaissance.68 Seine Abhandlung „Zehn Bücher über die Baukunst“ ist, wie der Titel es schon sagt, in zehn Bücher eingeteilt und diese noch mal in mehrere Kapitel. Im 14. Kapitel des dritten Buches schreibt er über die Arten des Gewölbes. Neben Tonne, Kreuzgewölbe ist als dritte Art das Kuppelgewölbe aufgeführt.69

Man kann mit Sicherheit sagen, daß die beeindruckendste Kuppel dieser Zeit die des Peters- doms war (Abb. 17). Sie wurde von Michelangelo geplant und gezeichnet. 1588 wurde mit der Konstruktion begonnen. 22 Monaten lang arbeiteten die Arbeiter in Schichten bei Tag und bei Nacht. Der ausführende Architekt war Giacomo della Porta. Er erhöhte die Kuppel um 7 Meter und veränderte somit den ursprünglichen Entwurf von Michelangelo.70 Die Petersdom- kuppel ist die größte Konstruktion, die in dieser Höhe jemals realisiert worden ist.71

Insgesamt 96 Figuren beinhaltet das Kuppelmosaik. Dieses Kuppelmosaik ist in den drei, von den im Mittelalter bevorzugten Farben, dekoriert. Diese Farben sind leuchtendes Himmelblau, Gold und Rot. Am Ansatz der Kuppel ist noch ein kreisförmiges Mosaikband mit den folgen- den Worten: „Selig bist, Sohn des Jonas“ und „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen. Dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches geben“.72 Die Deko- ration ist in 16 Sektoren unterteilt, die von der Wölbung ausgehen, an deren Höhepunkt zu-sammenlaufen und von dort aus in 16 horizontale Kreise geteilt sind.73 G. Cesari entwarf diese Dekoration, welche 1603 vollendet wurde. Bevor man zum Himmlischen übergreift, sieht man noch die Büsten der ersten 16 Päpste, die in der Basilika begraben sind. Die große Gestalt des triumphierenden Christus durfte nicht fehlen. Er ist von der heiligen Jungfrau, vom heiligen Johannes dem Täufer, vom heiligen Paulus und den 12 Aposteln umgeben. Es folgen 16 Engel, die das Symbol und die Instru- mente des Leiden Christi halten. Nach den Gesichtern geflügelter Cherubine folgen wieder Engel, die ehrfurchtsvoll zum darunterliegenden Petrigrab blicken. Danach erblickt man in die Gesichter geflügelter Seraphine (Abb. 18). Es ist eindeutig, daß die Kuppel eine Theologie der Herrlichkeit darstellt. Es darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die Kuppel auf den Pfeilern ruht, welche die Reliquien des Leidens Christi bewahren. Es beinhaltet somit auch eine Theologie des Schmerzes. Hier wird auf die christliche Offenbarung hingewiesen, daß man Gott nur durch den Schmerz erreicht.74

Im Manierismus hatte eine Veränderung stattgefunden und diese lag im Menschen selber. Denn erst seine subjektive Erfahrung ließ den Raum zu einem architektonischen Sinnbild werden. Die mehr objektive Symbolsprache des 15. Jahrhunderts scheint im Erleben des Bet- rachters umgedeutet. Der Kuppelraum wurde schon seit der Antike als Himmelsbild verstan- den, aber hier wurde er durch seine visionäre Ausmalung mehr vom emotionalen Erlebnis des Betrachters erfahren.75 Ein Beispiel ist die Domkuppel des Doms zu Parma. Diese löst sich ganz in Malerei auf. Durch die subjektive Erfahrung der Betrachter bricht hier die himmlische Realität in die irdische Sphäre ein. Der Betrachter erfährt auch eine Raumerweiterung. Der reale Kirchenraum geht in einen atmosphärisch aufgefaßten und unendlichen Raum des Him- mels über. Diese Vorstellung wird im Barock weiterentwickelt. Es gelingt einen übergangslo- sen Einheitsraum zu schaffen.76

6. Unendlichkeit des Himmels im Barock und die Festlichkeit des Himmels im Rokoko

Der Himmel im Barock wurde nicht wie im Mittelalter durch Symbolzeichen charakterisiert, sondern durch Auftreten des Übernatürlichen und der Darstellung des Wunderbaren. Die Ar- chitektur und der Bildraum wurden zu einer unlösbaren Einheit, so daß sie die gleiche Realität benutzten.

Barromini baute in den Jahren 1638-41 die Kirche S. Carlo. Der eliptische Einheitsraum wird durch eine ovale Kuppel überwölbt. Ein dichtes Netz von achteckigen, sechseckigen und kreuzförmigen Kasseten füllen die Kuppel. Die Formen werden ständig wiederholt und es scheint, als sei dieses System unausschöpflich. Barromini wollte auf diese Weise auf das Un- endliche verweisen. In der kettenhaften Wiederholung ähnlicher Motive findet er die architek- tonische Ausdrucksmöglichkeit für die Grenzenlosigkeit Gottes. Die Lichtöffnungen am Kuppelansatz waren nicht sichtbar und die Kuppel schien wie das himmlische Jerusalem her- abzuschweben. Die Kuppel hatte somit eine große theologische Bedeutsamkeit.77

Auch Guarino Guarinini befaßte sich mit dem Unendlichkeitsthema in der Kirchenarchitektur. Das beweist Santa Sindone in Turin (Abb.19). Die Kuppel besteht aus sieben gegeneinander versetzten Ringen, die in einem durchbrochenen zwölfstrahligen Wölbungssystem gipfeln. Guarini rief nicht nur das Unendliche hervor, er betonte auch das irrationale und visionäre der göttlichen Welt. Er hebte mit illusionistischen Mittel die Raumgrenzen auf.78

Ab 1720 entstand eine neue Bildauffassung. Es erschienen ganze Landschaften mit Bergen und Bäumen oder dem Meer. Also bedeutet dies nicht mehr die Fortsetzung des Raumes in das Übernatürliche, wie im Barock. Im Rokoko wollte man eine Verzauberung durch das Malerische erreichen und nicht mehr mit den perspektivischen Künsten der Illusionslehre. Die große Flachkuppel der Wallfahrtskirche von Steinhausen zeigt ein buntes Paradiesfresko. Die Wände sind weiß gelassen worden, damit die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters zur Kuppel gezogen wurde. Man wollte die jubelierende Himmelswelt als die eigentliche, höhere Wirklichkeit erscheinen lassen. Mit den Kirchenbauten des Rokoko, wollten die Architekten den Betrachtern die überirdische Welt des Himmels erleben lassen.79

7. Säkularisierung des Himmelbildes im 19. Jahrhundert

Der strenge Rationalismus des 19. Jahrhundert verdrängte die illusionistische Raumwirkung des Barock und die Verzauberung durch die Raumdekoration des Rokoko. Mit strengem Rati- onalismus war die nüchterne Sachlichkeit und die logische Gesetzmäßigkeiten gemeint. Der Klassizismus (ca. ab 1750) strebte nach Einfachheit und Klarheit der Formen und sein Vor- bild war die griechische Kunst. Und wenn es zu Nachahmungen kam, waren diese ohne jegli- chen religiösen Gehalt.

Die Austauschbarkeit der Funktion eines Gebäudes führte u.a. dazu, daß das Bestreben, den Kirchenbau als Bild des Himmels zu verstehen, weitgehend abhanden gekommen war. Die Neugotik setzt sich vom eben genannten „klassischen“ Kunstideal des Klassizismus ab. Sie fühlte sich dem mittelalterlichen Formen und deren Geist und Inhalt verbunden. Trotzdem zeigte die Neugotik kein großes Interesse an Himmelsdarstellungen im Kirchenbau. Das Thema Himmel war in dieser Epoche aktuell, aber nur auf die Ausmalung des Chorraumes beschränkt. Die Tradition der Darstellung des Himmels war nicht mehr lebendig.80

IV. Zusammenfassung

Die Kuppel entstand vor etwa 6000 Jahren als Dachform der runden Lehmziegelhütten in Mesopotamien. Im 14. Jahrhundert v. Chr. bauten die Griechen in Mykene Gräber mit steilen, auf Steinfundamenten ruhenden Dachkuppeln, die die Form von spitz zulaufenden Bienenkörben hatten. Diese Gräber nannte man auch Tholosgräber. Ansonsten hatte die Kuppel in der antiken griechischen Architektur keine Bedeutung.

Die Römer entwickelten die Kuppel in ihrer reinsten Form. Die Entdeckung eines Naturze- mentes aus Vulkanasche perfektionierte den Kuppelbau. Der Höhepunkt dieser Entwicklung bildete das Pantheon. Es ist das erste in Beton ausgeführte Beispiel in der Geschichte der Ar- chitektur.

Man kann verschiedene Grundrisse mit einer Kuppel überwölben. Bei einer kreisrunden oder ovalen Basis entstehen keine Probleme, aber bei einem quadratischen Grundriß ergeben sich drei Möglichkeiten. Bei der ersten Möglichkeit wird die Kuppel auf den zu überwölbenden Raum gesetzt. Man nennt diesen Typ Hängekuppel. Die zweite Möglichkeit eine Kuppel über einem rechteckigen Grundriß zu errichten ist die Pendentifkuppel. Bei ihr werden die Ecken des unterlagernden Kubus so abgerundet, daß Bögen entstehen, die die Kuppel tragen. Zwi- schen den Bögen und der Kuppel ergeben sich die Pendentifs. Diese Kuppelform wurde in der byzantinischen Architektur entwickelt. Der entscheidende Auftakt liegt im zweiten Kuppel- bau der Hagia Sophia. Bei der Trompenkuppel werden die Ecken des Quadrats gekappt, so daß ein Achteck entsteht. Die herausgeschlagenen Eckennennt man auch Trompen oder Ge- wölbezwickel. Beim Kuppelbau war also die Ecklösung bestimmend für den ganzen Raum- charakter.

In der frühchristlicher Zeit wurden Kuppeln bei kleineren Gebäuden oder Baptisterien aus Mauerwerk errichtet. Ein typisches Beispiel war die S. Constanza in Rom. Neben der Grabes- rotunde in Jerusalem war das Pantheon auch ein Vorbild dieses Mausoleums. Von ihm übernahm S. Constanza den Sinngehalt, die Kuppel gleiche dem Himmelsgewölbe. Somit übernahmen die Christen die traditionelle Himmelsvorstellung der römischen Architektur. In der byzantinischen Architektur wurde die Himmelsvorstellung übernommen und weiterentwickelt. Aus einem liturgischen und räumlichen Problem heraus, entwickelte sich eine neuer Gebäudetypus. Es handelte sich um eine würfelförmige Kirche mit einer halbkugelartiger Kuppel. Die Kuppel wurde als Abbild des Himmels gesehen und der untere Kubus als Abbild der Erde begriffen. Ein Beispiel dieses neuen Typus war die Hagia Sophia. Sie wurde als Abbild der apokalyptischen Gottesstadt gesehen.

Auch die Darstellung des Kuppelmosaiks vom Aachener Dom stellte eine apokalyptische Szene dar. In der Romanik und im frühen Mittelalter war die Himmelsvorstellung der vorhe- rigen Zeiten noch sehr aktuell. In der Gotik nimmt der Zentralbau allerdings eine Sonderstel- lung ein, daher waren überkuppelte Zentralräume selten. Die Himmelsvorstellung der Floren- tiner Domkuppel spielt eine große Rolle, weil hier wieder die Herrlichkeit Gottes, architekto- nisch und liturgisch, dargestellt wurde. Je weiter die Entwicklung über das 15. Jahrhundert hinausgeht, um so mehr schien sich die Idee des Himmelsglaubens in den Kirchenbauten nie- derzuschlagen.

Das beeindruckendste Beispiel der Renaissance ist der Petersdom. Michelangelo plante die Kuppel und Cesari entwarf die Innendekoration der Kuppel. Hier macht sich die religiöse Hierarchie bemerkbar, wie bei den Kuppeln der vorherigen Epochen. Bei der Petersdomkuppel wird nicht nur eine Theologie der Herrlichkeit dargestellt, sondern auch eine Theologie des Schmerzes. Man erreicht Gott nur durch den Schmerz, denn die Kuppel ruht auf den Pfeilern, welche die Reliquien des Leiden Christi bewahren.

Im Manierismus spielte die subjektive Meinung des Betrachters eine große Rolle. Durch seine Erfahrung brach die himmlische Realität in die irdischen Sphäre ein. Durch die veränderte Auffassung des Himmelbildes im Manierismus, erfolgte im Barock und Rokoko die nächste grundlegende Veränderung. Die Himmelsdarstellung im Barock stellte das Übernatürliche und das Wunderbare dar. Das Unendlichkeitsthema spielte in der Kirchenarchitektur eine große Rolle. Die ständige Wiederholung bestimmter Formen in der Kuppel hinterließen den Eindruck, als sei dieses System unausschöpflich. Im Rokoko erfolgte nicht eine Fortsetzung des Raumes ins Übernatürliche. Diese Epoche ersuchte seine Verzauberung durch das Maleri- sche zu erreichen. Man wollte den Betrachter die überirdische Welt des Himmels erleben las- sen.

Der Kuppelraum wurde seit der Antike als Himmelsbild verstanden. Der strenge Rationalis- mus des 19. Jahrhundert verdrängte diese Himmelsvorstellungen. Der Klassizismus strebte

einfache und klare Formen an. Seine Vorbilder fand er in der griechischen Kunst. Bei Nachahmungen aber, wurde der religiöse Aspekt ganz außer Acht gelassen. Die Tradition der Darstellung des Himmels in der Architektur war nach Jahrhunderten gestorben.

[...]


1 Vgl. Hamp, 1976, Ex 20,4.

2 Vgl. ebd, Apk. 21, 1.

3 Vgl. Pothorn, 1997, S. 10.

4 Vgl. Mislin, 1997, S. 49f. und 83.

5 Vgl. ebd., S. 49.

6 Vgl. ebd.

7 Vgl. Pothorn, 1997, S. 10.

8 Vgl. Fink, 1958, S. 5.

9 Vgl. ebd.

10 Dem alten Praeneste, östlich von Rom. Aus: Pothorn, 1997, S. 10.

11 Vgl. Pothorn, 1997, S. 10f.

12 Vgl. Lexikon der Weltarchitektur, 1971, S. 338f und Encarta.

13 Vgl. Koch, 1993, S. 463.

14 Vgl. Lexikon der Weltarchitektur, 1971, S. 339.

15 Vgl. ebd.

16 Vgl. Koch, 1993, S. 463.

17 Es existiert eine Gleichheit des Halbmessers im gesamten Wölbungsbereich. Aus: Fink, 1993, S. 8.

18 Vgl. Lexikon der Weltarchitektur, 1971, S. 339.

19 Vgl. Fink, 1958, S. 7.

20 Vgl. Lexikon der Kunst, 1992, S. 167.

21 Vgl. Fink, 1958, S. 7.

22 Vgl. ebd., S. 4.

23 Vgl. ebd, S. 17.

24 Vgl. Wolfgang Blümel in Encarta, 1993-98.

25 Vgl. ebd.

26 Vgl. Claudia List in Encarta, 1993-98.

27 Clermont-Ferrand liegt in Zentralfrankreich. Die Kathedrale stammt aus dem 13 Jahrhundert. Aus: Encarta, 1993-98.

28 Vgl. ebd.

29 Vgl. Fink, 1958, S. 12.

30 Vgl. ebd.

31 Die Grabeskirche steht in Jerusalem, wo sich das Grab Christi befunden haben soll. Im 4. Jahrhundert ließ Konstantin einen Kuppelbau auf Säulen errichten. An diesem Kuppelbau schloß sich ein offener Hof und eine Basilika mit westlichem Chor an. Aus: Encarta, 1993-98.

32 Vgl. Koch, 1993, S. 46 und Roemer, 1993, S. 16.

33 Vgl. Roemer, 1997, S. 16.

34 Vgl. ebd., S. 20.

35 Vgl. Koch, 1993, S. 34.

36 Vgl. Mislin, 1997, S. 120.

37 Vgl. Stange, 1964, S. 32.

38 Vgl. ebd., S. 37.

39 Vgl. Hamp, 1976, Apk. 7,1.

40 Vgl. Roemer, 1997, S. 21.

41 Vgl. Bouyer, 1993, S. 61-64.

42 Vgl. Roemer, 1997, S. 22.

43 Vgl. Pothorn, 1997, S.30.

44 Vgl. Roemer, 1997, S.22.

45 Vgl. Koch, 1993, S. 47.

46 Vgl. Fink, 1958, S. 48 und Mislin, 1997, S. 148.

47 Vgl. Jantzen, 1967, S. 34-36.

48 Vgl. Hamp, 1976, Apk. 21,11, 1,21, 21,23 und 21,10.

49 Vgl. Roemer, 1997, S. 22f.

50 Vgl. Jantzen, 1967, S. 25 und 33.

51 Vgl. Bouyer, 1993, S. 65-67.

52 Vgl. Roemer, 1997, S. 24f.

53 Vgl. Hamp, 1976, Apk. 4, 9- 11.

54 Vgl. Grimme, 1997, 42f.

52 Vgl. Roemer, 26f.

56 Vgl. ebd.

57 Vgl. ebd., S. 27-29.

58 Vgl. ebd., S. 39f.

59 Vgl. Koch, 1993, S. 185.

60 Vgl. Untermann, 1989, S. 147.

61 Vgl. ebd., S. 1.

62 Vgl. ebd., S. 31.

63 Vgl. ebd., S. 31, 39 und 50.

64 Vgl. ebd., S. 255f.

65 Vgl. Zucconi, 1995, S. 62.

66 Vgl. Roemer, 1997, S. 64.

67 Nikolaus Kues, 1401-64, Mathematiker, Naturwissenschaftler, Philosoph und Theologe. Aus : Encarta 1993- 1998.

68 Vgl. Roemer, 1993, S. 69f.

69 Vgl. Alberti, 1975, S. 158-164.

70 Hermann Reinhard Alker versucht in seinem Buch „ Michelangolo und seine Kuppel von St. Peter in Rom “ Michelangelos Urheberschaft am Petersdom in gründlicher Forschung zu klären.

71 Vgl. Guiliani, 1995, 11f.

72 Vgl. Hamp, 1976, Mt 16,18.

73 Vgl. ebd., 30.

74 Vgl. ebd., S. 30f.

75 Vgl. Roemer, 1993, S. 77f.

76 Vgl. ebd., S. 78.

77 Vgl. ebd., S. 79.

78 Vgl. ebd., S. 81.

79 Vgl. ebd., S.86f.

80 Vgl. ebd. S. 90-95.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Kuppelraum
Note
2,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
18
Katalognummer
V101690
ISBN (eBook)
9783640001033
Dateigröße
381 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kuppelraum
Arbeit zitieren
Elena Tsifouti (Autor:in), 2001, Der Kuppelraum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101690

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