Harry Hallers innere Welten und sein Individuationsprozess

Eine Analyse von Hermann Hesses Steppenwolf


Hausarbeit, 2019

31 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Esoterik
2.1. Esoterik als Religionswissenschaft und Denkform
2.2. Reiki und mentale Praktiken
2.3. Individuationsprozess
2.4. Seele
2.5. Lotman, Räume

3. Romananalyse: Persönlichkeitskonzept
3.1. Individuation
3.1.1. Steppenwolf
3.1.2. Andere Werke
3.2. Spiegel welten
3.2.1. Spiegelungen von Harry Haller
3.2.2. Hallers Seele als Landschaft
3.3. Parallelen zu Mentalen Praktiken
3.3.1. Hallers Individuationsprozess nach Eckhart Tolle
3.3.2. Warum Spiegelungen

4. Konklusion

5. Literaturverzeichnis

1. Einführung

In der heutigen Zeit lenken immer mehr Menschen ihre Aufmerksamkeit auf das eigene Wohlergehen. Dies führt dazu, dass sie die Antworten zu ihrer Heilung in Religion, Trends und Weltanschauungslehren suchen. Spirituelle Lehrer nennen das 21. Jahrhundert: Das Zeitalter des Erwachens, denn nicht umsonst dringen, zum Beispiel, ostasiatische spirituelle und mentale Lehren in Wissenschaften, wie Theologie, Psychologie und Management ein.

Östliche Praktiken, genauso wie auch Magie und Schamanismus gehören zu einer Sammeldenkform der Esoterik. Obwohl es dieses Pantheon schon sehr lange gibt, hat den Auftakt der Auseinandersetzung mit dem eigenen Seelenfrie­den das 20. Jahrhundert geliefert, in dem Künstler und Wissenschaftler das See­lenheil im Zusammenhang mit der Identitätsfrage erforscht haben. Der Schwer­punkt dabei wird auf die Bewusstmachung vom Leben und eigene Bewusstwer- dung gelegt.

Bei der Romananalyse von Hermann Hesses Steppenwolf bietet sich nicht nur Jungsche Herangehensweise als Instrument an. Ein sogenannter Erleuchteter, Eckhart Tolle beschreibt philosophisch und auch ausgehend von seiner Erfahrung mit dem Thema der Individuation, buddhistisch angehauchten Heilungs- und In­dividuationsprozess und fällt somit mit Hesse zusammen in die Domäne der Eso­terik.

Der Gedanke, der zur Analyse in dieser Arbeit geführt hat, besteht aus der Erkenntnis, dass es zwischen Tiefenpsychologie und einer spirituellen Anschau­ung starke Parallelen gibt. In dieser Arbeit soll der Individuationsprozess von Harry Haller untersucht werden, indem die Individuationstheorie von C.G. Jung angewendet und E. Tolles Werke zur spirituellen Entwicklung herangezogen werden. Im Laufe der Untersuchung werden Esoterik, mentale und spirituelle Praxis Reiki, Konzept der Seele und Lotmans Raumstruktur vorgestellt. Im Rah­men des Persönlichkeitskonzept werden Hallers Spiegelwelten und sein Seelen­raum im strukturalistischen Ansatz untersucht.

Von dieser Arbeit wird erwartet, die parallelen Analyseansätze gleichwer­tig zu stellen. Die Frage, die beantwortet werden soll, ist ob Harry Hallers Indivi­duationsprozess erfolgreich war und, ob er das notwendige Grad an Bewusstwer- dung erreicht hat um Seelenheil und Unsterblichkeit zu erfahren.

2. Esoterik

2.1. Esoterik als Religionswissenschaft und Denkform

Laut dem aktuellen Forschungsstand gibt es keinen wissenschaftlichen Consensus darüber, was Esoterik in ihrer Ganzheit bedeutet. Um zu erklären, wie Esoterik zu analysieren und anzuwenden ist, muss man zunächst sowohl historisch als auch theologisch vorgehen. Historisch gesehen, gab es immer innerhalb und außerhalb der europäischen religiösen Weltanschauung Traditionslinien, die sich von traditi­onellen Vorstellungen abwichen oder ganz gegensätzlich waren. Um die Konzepte einzugliedern, sprach man von „Gnossis“, „Mystik“ u. ä.1 Der Begriff Esoterik „wird vom spätgriechischen Adjektiv esoterikos, innerlich, gebildet“ und ist in sei­ner ursprünglichen Begriffsbedeutung eine philosophische Lehre, die nur für einen begrenzten Personenkreis zugänglich ist, was auf ihre Entstehung zurückzuführen ist. Andere Wortbedeutungen beziehen sich auf einen inneren, spirituellen Erkennt­nisweg, oder auf ein „höheres“, „absolutes“ Wissen, das bei der spirituellen Ent­wicklung eines Menschen eine wichtige Rolle spielt.2

Esoterik als Subkultur und religiöser Gegenentwurf zu den etablierten Reli­gionen wurde bis in die 1950er wissenschaftlich betrieben.3 Da es hierbei um spi­rituelle Entwicklung eines Menschen geht, schlug Antoine Faivre 1992 vor, die Esoterik als eine Art Denkform zu bezeichnen4, die Wirklichkeit konzipiert5 A. Faivre hat mehrere Traditionslinien und Disziplinen, wie Okkultismus, Astrologie, Alchemie, und Magie zusammengefasst und erarbeitete daraus einen systemati­schen Entwurf der esoterischen Denkform.6 Ein gemeinsames Auftreten der fol­genden Kriterien beschreibt diese Systematik: (1) Denken in Entsprechungen: In einfachen Worten - die Welt symbolisch, wie ein Spiegeltheater zu betrachten. In spirituellen Lehren heißt das, dass es zwischen allen Existenzebenen im Univer­sum sichtbare und unsichtbare Bezüge aufeinander gibt, Veränderungen auf allen Ebenen der Wirklichkeit parallel passieren und sich das Innere im Äußeren abbildet. Zum Beispiel: Ein negatives oder positives Erlebnis referiert auf unser Wohlbefinden und den inneren Zustand und gibt uns somit ein Signal, damit wir unsere Lebensweise, Benehmen und Einstellung entsprechend anpassen können.7 (2) Die Auffassung der Natur als lebendiges Wesen, „fasst den Kosmos als kom­plexes, beseeltes System auf, das [durch] eine[] lebendige[] Energie“8 verbunden wird. (3) Die esoterische Praxis benötigt eine hohe symbolische Vorstellungs­kraft9:

Die Anwendung von Techniken der Imagination und Mediation zum Zwecke des Aufstieges der Seele durch verschiedene Realitätsebenen. [...] Ziel dieser Praktiken [ist die Vermittlung und Erlangung des Wissens darüber], was [unsere] Welt im In­nersten zusammenhält‘10.

(4) Die Erfahrung der Umwandlung, beschreibt eine parallele zwischen den äußeren Geschehnissen und dem inneren Erleben. Eins der Ziele der Esoterik ist es die Menschen währen der spirituellen Entwicklung von charakterlichen Schwä­chen und Fehlern zu befreien, um durch Erkenntnis und Vernunft eine Metamor­phose oder auch Erleuchtung zu ermöglichen.11

Ein soziologisches Phänomen der Esoterik, das auch für die nachstehend be­schriebenen Mentalen Praktiken wichtig ist, ist die Notwendigkeit einer Initiation, die von einer dazu spirituell autorisierten Person geleitet werden muss.12 Die Auf­gabe eines Menschen, die die höchste Priorität hat, sei dabei die Individuation - die Vervollkommnung im Einklang mit den kosmischen Dimensionen.13

Insgesamt wird in der Esoterik von einem ganzheitlichen Weltbild ausgegangen, in dem Welt, Kosmos und Mensch in wechselseitigen Beziehungen stehen und eine [...]

Einheit bilden. Alles [sei] in einem Zustand ständiger Evolution und Transformation, wobei der Mensch [...] die Fähigkeit [und] die Aufgabe hat, sich fortzuentwickeln, um einen „höheren Zustand“ zu erreichen.14

Die bislang verschiedenen Herangehensweisen an die Esoterik basieren auf Generalisierungen des zeitgenössischen Selbstverständnisses, die sich schwer in historische Fragestellungen übersetzen lassen.

Die Konsequenz dieses Ansatzes ist also, dass Esoterik als Forschungsgegenstand vorausgesetzt wird und selbst nicht hinterfragt werden kann und damit sogar die Gefahr besteht, dass sich bereits in der Gegenstandsbestimmung eine esoterische Agenda fortsetzt.15

Daher schlägt Kocku von Stuckrad vor, Esoterik als ein „Diskurselement“ zu betrachten, das durch (1) den „Anspruch auf höheres Wissen“ und (2) „das Vor­handensein eines Weges, um dieses [...] Wissen zu erlangen“ charakterisiert wird.16 Esoterik „ist keine Religion. [Sie] ist ein Korpus von Techniken zur Be­wusstseinsveränderung, eine Bewusstseinstechnologie“.17

2.2. Reiki und mentale Praktiken

Esoterischer Diskurs wird also entweder zeitlich und räumlich - im theologischen Kontext oder philosophisch analysiert. Wenn es aber um bestimmte esoterische Praktiken geht, gibt es kein „entweder oder“, sondern stößt man einfach auf grup­penkulturelle Interpretationsmöglichkeiten, die oft eins gemeinsam haben - Zeit- losigkeit. Spirituelle Praktiken werden oft als Identitätsmarkierungen angesehen, weil es bei solchen im Kern darum geht sich selbst als Identität zu kennen. Um Identität und geistiges Heilen geht es auch bei mentalen Praktiken des Reiki. Reiki, von Japanischen rei Seele und ki Lebensenergie, ist ein esoterisches Konzept von Usui Mikao, in dem es in erster Linie darum geht, Menschen physisch und auch als Individuum zu heilen. Als eine von vielen Formen der sogenannten Arbeit mit Energie, ermöglicht Reiki hierbei physische und seelische Heilungsprozesse so­wohl durch direkten Kontakt, durch Händeauflegen, als auch auf Distanz. Die für eine Heilung erforderlichen Praktiken basieren auf Vorstellungskraft und Glauben. Der Glaube soll uneingeschränkt sein und das, was während der Meditation prak­tiziert werden soll, wird visualisiert. Z.B., wenn man einen Schmerz hat, stellt man diesen bildhaft und anatomisch vor und visualisiert das Entfernen des Schmerzes und die Heilung der verletzen Stelle. Eine Befreiung von störenden Gedanken funktioniert ähnlich.

Grundlegend für solche Praktiken ist die Kenntnis darüber, dass jegliches Sein auf grobstofflichen wie auch feinstofflichen Ebenen existiert, also neben der materiellen Manifestation auch immer eine geistige Ebene vorhanden ist.18

Das seelische Heil ist jedoch nicht der zentrale Punkt der Reikipraktiken, sondern eine unabdingbare Zwischenstation. In diesem Konzept der Esoterik geht es im Endeffekt nämlich um Satori - Erleuchtung und Aszendenz. Das Hauptka­pitel auf dem Weg zum Ziel ist die Individuation. Die spirituelle Individuation basiert unter anderem auf der Erkenntnis der Spiegelmotive im realen Leben, die nicht nur Menschen oder Situationen, sondern auch Landschaften sein können, und auch auf der Bewusstwerdung des „Moments“. Dabei wird eine deutliche Parallele zu Jung ersichtlich. Wenn man mit den Gedanken im „Hier und Jetzt“ lebt, macht man das das unbewusste bewusst.

Ein spiritueller Lehrer, Eckart Tolle, führt diese Thematik in seinen Werken, wie Leben im Jetzt (2002) und Stille spricht. Wahres Sein berühren (2003), mit der Wichtigkeit des Lebens in der Gegenwart ein. Zu viele Gedanken an die Vergan­genheit und die Zukunft verursachen psychisches Leiden und sollten vermieden werden.

2.3. Individuationsprozess

Carl Gustav Jung beschreibt den Individuationsprozess als Selbstverwirklichung und Verwirklichung von Möglichkeiten.

Individuation bedeutet: zum Einzelwesen werden, und, insofern wir unter Individu­alität unsere [...] Einzigartigkeit verstehen, zum eigenen Selbst werden. Man könnte „Individuation“ darum auch als „Verselbstung“ oder als „Selbstverwirklichung“ übersetzen.19

Bei der Individuation geht es also um Bewusstwerdung der Ganzheit eigener Persönlichkeit und der umgebenden Geschehnisse.18 19 20 Der Prozess der Individuation besteht also darin, unbewusste Vorstellungs- und Handlungsmuster bewusst zu machen, indem sich ein Individuum von Archetypen löst. Eins solcher Urbilder wird Schatten genannt und beinhaltet psychische und physische Inhalte, wie Re­aktionen und einige Tätigkeiten, die verdrängt werden, weil sie mit der bewussten Lebensform augenscheinlich nicht vereinbar sind. So werden beispielsweise be­stimmte Abläufe im Alltag automatisiert und nicht wahrgenommen, selbst wenn diese eine Quelle der „Selbsterfahrung“ darstellen.21 Ein weiteres Bild heißt Anima. Es ist nach Jung die Äußerung der Weiblichkeit in der Seele eines Mannes, die eine direkte Verbindung zum Unbewussten darstellt.22 Solche Abläufe und un­bewusstes Empfinden zeigen sich uns ganz offen als unsere Spiegelbilder in ande­ren Personen.23

Unbewusstes sei hierbei das Vergessen von Inhalten, die durch Traum, Hyp­nose oder Assoziationen rückgängig gemacht werden können. Bei Freuds Phäno­men der Verdrängung, werden bewusste Inhalte mit Absicht vergessen. Diese be­einflussen das aktive Bewusstsein bei aktiven Gedankenabläufen und im aktiven Handeln. Ebenfalls ging Jung davon aus, dass es „unbewusste psychische Zusam­menhänge gibt, die z. B. Mythologische Bilder, welche niemals Gegenstand des Bewusstseins waren, die also ganz aus unbewusster Tätigkeit hervorgehen.“24 Ar­chetypen sind allgemeine Strukturdominanten der Psyche, die als unbewusste Wir­kungsfaktoren das menschliche Verhalten und das Bewusstsein beeinflussen25

2.4. Seele

Die Untersuchungen des Seelenverständnisses als „wahren Kern“ und höheren Existenzebene rühren nicht nur aus dem historischen oder philosophisch-religiösen Hintergrund, sondern auch aus der Psychologie. In diesem Abschnitt wird die Seele als Teil der menschlichen Existenz erklärt. Ferner, um Reflexionen des see­lischen Zustandes in die Realität besser analysieren zu können, wird die Seele als Raumkonzept untersucht.

Im Neo-Schamanismus, der mit der Esoterik einhergeht, existiert eine For­mulierung der Seele. Sie sei „einfach die Essenz des Menschen, der lebendige Teil von uns selbst.“26 Demnach sei der Körper unbelebt. Nach dieser Definition deckt sich die Seele also nicht mit unserem Ich, sondern ist ein Teil von Uns.27 Diese Definition steht in einem leichten Widerspruch zudem, was in östlichen spirituel­len Praktiken angenommen wird, denn da wird angenommen, dass die Seele die Essenz des Daseins ist, somit sei das Ich sowohl die existentiell-spirituelle Energie als auch der Raum, in dem man seine Erfahrungen, Wissen und Gefühle speichert. Sandra Ingermann nähert die westliche Anschauung dieser Annahme an die Östli­che an, indem sie Uccusics Definition erweitert: „Hier wird die Seele [...] als ei­gene Entität ontologisiert [und] als ,Sitz‘ der [Emotionen oder Empfindungen] charakterisiert.“28

Diese Räume, die von der Esoterik und dem Neo-Schamanismus benannt werden, sind sehr nah an dem tiefenpsychologischen Versuch das unbewusste be­wusst zu machen. In anderen Worten, in unseren Seelen können wir Teile des ei­genen Daseins sowohl „lagern“ als auch verlieren.29 Beispielsweise Seelen oder Teile davon, gehen im Schamanismus und in Theologischen Kontexten in soge­nannten Ober- und Unterwelten verloren. Diese werden überwiegend, als Land­schaften dargestellt.30 Da diese Denkweise sich bereits gut etabliert hat, arbeitet man in Meditationssessions ebenfalls mit Landschaftsvisualisierungen als Spiege­lungen der eigenen Seele. Durch die Seele als Landschaft zu reisen und sich zu entdecken erlaubt einem Individuum mehr Kenntnis über den eigenen aktuellen Zustand und Verständnis des umgebenden Geschehens.

Egal, wie wir uns unsere Seele in diesem Diskurs vorstellen: ob als Land­schaft oder Räumlichkeit, in Hallers Fall ist es wichtig die Raumstruktur auch der Immateriellen Räume zu untersuchen.

2.5. Lotman, Räume

Die Wirklichkeitsmodelliereung erfolgt in einem „künstlerischen Raum“. Dieser ist, laut Lotman, ein Raum innerhalb eines literarischen Textes, der abgegrenzt ist, jedoch unbegrenzt viel Platz für die Abbildung der Wirklichkeit bietet. Der litera­rische Raum unterteilt sich in Unterräume.26

Lotman definiert Räume nicht nur topografisch und topologisch, sondern auch über ihren Inhalt, wie zum Beispiel Figuren, Zustände oder Funktionen. Demnach seien Gedanken- und Traumwelten auch Räume. Räume haben seman­tische Eigenschaften und drücken damit auch nicht-räumliche Sachverhalte aus. Zwischen den Teilräumen befinden sich Grenzen, die für beinahe alle Figuren fast undurchdringlich seien.27 Er folgt Kants Theorie, nach welcher „Raum“ und „Zeit“ Grundbedingungen der menschlichen Anschauung seien. Sie entstammen also nicht den „Dingen an sich“, sondern der Wahrnehmung.

Ebenfalls orientiert sich Yuri Lotman an einer strukturalistischen Logik, die Bedeutungen grundsätzlich auf Gegensatzpaare zurückverfolgt. Während man in der Theorie grundsätzlich von zwei voneinander getrennten Räumen oder auch von mehreren binär entgegengesetzten Bereichen ausgeht, zeigt das Beispiel von Heesses Steppenwolf, dass Solche Kontraste nicht zwangsläufig in Paaren auftre­ten müssen. Wenn zwei tatsächliche Räume kontrastieren, kann einer davon einer Traum- oder Visionswelt gegenüberstehen.

Infolgedessen wird die Struktur eines Textes zum Modell der Struktur des Raumes der ganzen Welt, und die interne Syntagmatik der Elemente innerhalb des Textes - [...] zur Sprache der räumlichen Modellierung.28

Figuren können „als Funktionen der ihnen zugeteilten semantischen Raume betrachtet werden“29 Bei der Struktur literarischer Texte geht Lotman von der Weltanschauung und der visuellen Wahrnehmung aus.30 In imaginären Räumen können auch optische Darstellungen als Funktionen fungieren. Nach Forschungs­ergebnissen der Kognitionspsychologie fungieren Raumvorstellungen als Ge­dächtnisstützen und abstrakte Probleme werden als Raummodelle gedacht.31

Der symbolische Raum [...] wird bei Lotman jedoch nicht ausgehend von einem re­flexiven Erfahrungsobjekt gefasst. [...]der Raum weist bei Lotman über sich hinaus, selbst nicht-räumliche semantische Relationen werden verräumlicht dargestellt.32 33

Hier tritt der Raum als Erzeugnis kulturell bestimmter Zeichenverwendun­gen ein.

Cassierer und Ingarden dagegen untersuchten die Räume als „Externalisie- rungen psychischer Vorgänge“ und „Implikationen“ auf ein Geschehnis.34 Eine gute Mischung aus beiden Herangehensweisen: Raum als Struktur des Gesche­hens und Raum als das Spiegelbild psychischer Vorgänge sind in dieser Hausar­beit notwendig, denn es ist hier nachteihaft nur strukturalistisch vorzugehen und nur ein geschlossenes Raummodell zu untersuchen.

3. Romananalyse: Persönlichkeitskonzept

3.1. Individuationsprozess

3.1.1 Steppenwolf

Harry Hallers Identitätsproblematik ist sowohl im Inhalt des Romans, als auch an dem Aufbau dessen zu erkennen. Die drei Romanteile beschreiben ihn aus unter­schiedlichen Perspektiven und mit drei Menschenkonzepten, die Hallers Person bilden: der Bürger, der Wolf und der Unsterbliche, zu dem er werden möchte, und gleichzeitig nicht realisiert, dass die Möglichkeit besteht, dass er ebenfalls einer der „unsterblichen“ bereits geworden ist.

[...]


1 Vgl. Von Stuckrad, Kocku: Was ist Esoterik, Kleine Geschichte des geheimen Wissens. Mün­chen 2004, S. 10

2 Vgl. Bernecker, Helene: Alpenschamanismus - des, he, des bin i! Strategien zur Legitimierung eines neoschamanischen Begriffs. Diplomarbeit an der Universität Wien, 2011, S. 8

3 Vgl. Von Stuckrad, Kocku: Was ist Esoterik. München 2004, S. 11

4 Vgl. Kippenberg, Hans G. und Von Stuckrad, Kocku: Einführung in die Religionswissenschaft. München, Verlag C.H.Beck, 2003, S. 27 und 47. (kein Sammelband)

5 Vgl. Von Stuckrad, Kocku: Was ist Esoterik. München 2004, S. 27

6 Vgl. Von Stuckrad, Kocku: Was ist Esoterik. München 2004, S. 12-15

7 Vgl. Von Stuckrad, Kocku: Was ist Esoterik. München 2004, S.12-15

8 Ibid

9 Ibid

10 Bernecker, Helene: Alpenschamanismus - des, he, des bin i! Wien 2011, S. 9

11 Vgl. Von Stuckrad, Kocku: Was ist Esoterik. München 2004, S. 12-15

12 Vgl. Handbuch der Religionswissenschaften, 2003, S. 489f

13 Vgl. Von Stuckrad, Kocku: Was ist Esoterik. München 2004, S. 222

14 REMID e.V.: Esoterik. www.remid.de/info_esoterik/ Copyright 2011. Last access 24.02.2019

15 Bergunder, Michael: Was ist Esoterik? Religionswissenschaftliche Überlegungen zum Gegen­stand der Esoterikforschung. In: Monika Neugebauer-Wölk, Andre Rudolph (Hgg.): Aufklärung und Esoterik. Rezeption - Integration - Konfrontation. Tübingen 2008, S 485

16 Ibid

17 Rätsch, Christian: Schamanismus, Techno und Cyber Space. In: Christian Scharfetter, Christian Rätsch (Hg.): Welten des Bewusstseins. Bd.9: Religion - Mystik - Schamanismus. Berlin 1998, S. 220

18 Vgl. REMID e.V.: Esoterik. www.remid.de/info_esoterik/ Copyright 2011. Last access 24.02.2019

19 Jung, Carl Gustav: Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewussten, Zürich 1933, S. 91

20 Vgl. Jung, Carl Gustav: Die Archetypen und das kollektive Unbewusste. Bewusstsein, Unbe­wusstes und Individuation, in: Carl Gustav Jung, Gesammelte Werke, Band 9, Freiburg im Breis­gau 1976, S. 293-302

21 Jung, Carl Gustav. Freiburg im Breisgau 1976, S. 293-302

22 Vgl. Jung, Carl Gustav: Gesammelte Werke. Bd. 6, Psychologische Typen. Sonderausgabe Auf­lage 3, Ostfildern 1995, S. 437-520

23 Vgl. Jung, Carl Gustav. Zürich 1933, S. 117ff

24 Vgl. Jung, Carl Gustav: Gesammelte Werke. Bd. 6 Psychologische Typen, Zürich 1960, S. 526

25 Vgl. Jung, Carl Gustav: Gesammelte Werke. Bd. 11. Zur Psychologie westlicher und östlicher Religionen, Zürich 1963, S. 162f.

26 Vgl. Lotman, Juri M.: Die Struktur des künstlerischen Textes. Frankfurt a. M. 1973, S. 327-329

27 Lotman, Juri M.: Die Struktur des künstlerischen Textes. Frankfurt a. M. 1973, S. 327-329

28 Lotman, Juri M.: Die Struktur literarischer Texte. München 1972, S. 312

29 Warning, Rainer: Chaos und Kosmos. Kontingenzbewältigung in der Comedie humaine, in: Hans Ulrich Gumbrecht, Karlheinz Stierle, Rainer Warning (Hg.), Honoré de Balzac. München 1980, S 11.

30 Vgl. Lüdeke, Roger: Einleitung zu Teil VI. Ästhetische Räume, in: Jörg Dünne, Stephan Günzel (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. Main 2006, S. 459

31 Vgl. Lotman, Juri M.: Die Struktur literarischer Texte. München 1972, S. 312

32 Lilla Bálint: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum. Das Relativistische Raumkonzept und die Erzähltheorie, in: Klára Berzeviczy, Zsuzsa Bognár, Péter Lökös (Hgg.): Gelebte Milieus und virtuelle Räume: Der Raum in der Literatur- und Kulturwissenschaft s 38-39

33 Vgl. Lüdeke, Roger: Ästhetische Räume. Frankfurt a. Main 2006, S. 459

34 Vgl. Taubenböck, Andrea: Die binäre Raumstruktur in der Gothik novel: 18-20. Jahrhundert. München 2002, S. 12-25

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Harry Hallers innere Welten und sein Individuationsprozess
Untertitel
Eine Analyse von Hermann Hesses Steppenwolf
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Germanistik)
Veranstaltung
Wahrheit und Erfindung - Fiktion und Realität
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
31
Katalognummer
V1019615
ISBN (eBook)
9783346412003
ISBN (Buch)
9783346412010
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herman, Hesse, Harry, Haller, Wahrheit, Erfindung, Tolle, Eckhard, Fiktion, Realität, Esoterik, Schamanismus, Jung, Carl, Gustav, Reiki, Raumstruktur, Lotman, Seele, Individuation, Religionswissenschaft, Spiegelwelt, Stuckrad, Landschaft
Arbeit zitieren
Anton Schmidt (Autor:in), 2019, Harry Hallers innere Welten und sein Individuationsprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1019615

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