Die Siemens AG und sein Compliance System. Der Korruptionsfall 2007


Akademische Arbeit, 2020

47 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

DARSTELLUNGSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1. EINFÜHRUNG (VON CHRISTIAN PICKS)
1.1 WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG UND GESCHÄFTSMODELL
1.2 DAS UMFELD

2. VERFAHRENSWEISE DES BETRUGES
2.1 AUSLÖSER UND MOTIVE
2.2 DURCHFÜHRUNG

3. DER EINFLUSS DES FRAUD FALLS (VON SKANDER BEN MILED)
3.1 DIEAUFDECKUNG
3.2 SCHADEN UND KONSEQUENZEN

4. AKTUALITÄT DES THEMAS KORRUPTIONSPRÄVENTION (VON LUKAS SCHNEIDER)
4.1 ALLGEMEINE INSTRUMENTE DER KORRUPTIONSPRÄVENTION
4.2 ANPASSUNG DER AUFBAU - UND ABLAUFORGANISATION

SCHLUSSFOLGERUNG

ANLAGE

LITERATURVERZEICHNIS

Darstellungverzeichnis

Abbildung 1 Der Vergleich der 3 stärksten Marktführer anhand von Kennzahlen. Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 2 Kennzahlen aus derBilanz und GUV aus dem Jahr2019. Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 3 Das komplexe Compliance System. Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 4 Korruptionsstraftaten 2010-2014 gemäß BKA, Quelle: Korruption Bundeslagebild 2014

Abbildung 5 Gleitende Mittelwerte, Quelle: (eigene Darstellung); Daten entnommen aus Korruption Bundeslagebild 2014

Abbildung 6Anzahl derKorruptionsstraftaten 2014-2018, Quelle Korruption Bundeslagebild2018

Abbildung 7 Instrumente der Korruptionsprävention Quelle: Stark, Carsten (2017). Korruptionsprävention Klassische und ganzheitliche Ansätze. Wiesbaden: Springer Gabler

Abbildung 8: Matrixorganisation SiemensAG, Quelle: http://www.online-lehrbuch- bwl.de/lehrbuch/kap3/trad_aufb/trad_aufb.PDF

Abbildung 9 Siemens - Die neue Konzernstruktur, Quelle: https://www.boerse- online.de/nachrichten/aktien/grafik-des-tages-das-ist-die-neue-siemens-konzernstruktur- 1000111969

Abbildung 10 Entwicklung derSiemens AG aufgrund von Unternehmenskennzahlen

Abbildung 11 DerAktienkurs derletzten 20 Jahre. Gelbmarkierte Balken zeigt das Jahr des Korruptionsfalls an.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABB Asea Brown Boveri

AG Aktiengesellschaft

BIP Bruttoinlandsprodukt

BKA Bundeskriminalamt

DCGK Deutscher Corporate Gover­

nance Kodex

GE General Electric

GuV Gewinn-und Verlustrechung

ICN Information Communication

Network

IG Metall Industriegewerkschaft Metall

KPMG Klynveld, Peat, Marwick und

Goerdeler1

LLP Limited Liability Partnership*

PWC PricewaterhouseCoopers In­

ternational

StGB Strafgesetzbuch

*Limited Liability Partnership = Personengesellschaft nach amerikani- schem/britischem Recht

*KPMG = Die Namen der Gründer

1. Einführung

Das Thema Wirtschaftskriminalität hat heutzutage in unserem Alltag einen hohen Stellenwert. Von Jahr zu Jahr gewinnt sie zunehmend an Bedeutung. Dies können wir anhand von Zahlen belegen. Aus einer Statistik der Wirt­schaftsprüfungsgesellschaft PWC geht hervor, dass circa 47 % der weltweit befragten Unternehmensvertreter Opfer von Wirtschaftskriminalität wurden. Für den Standort Deutschland ergibt sich hierbei ein Anteil von 47%. Somit entsteht die Notwendigkeit gegen das Problem „Wirtschaftskriminalität“ massiv vorzugehen. Diese Quote ist die zweithöchste seit 20 Jahren und bestätigt die großen Schwierigkeiten für eine Vorgehensweise gegen die Wirtschaftskriminalität.

In der Studie wurden 500 Führungskräfte aus insgesamt 99 Ländern - da­runter aus Deutschland 100 Führungskräfte - innerhalb der letzten 24 Mo­naten befragt.2

Nach derVeröffentlichung des Bundeslagebildes für Wirtschaftskriminalität wird der wirtschaftliche Schaden für das Jahr 2018 vom Bundeskriminalamt auf 3,356 Milliarden beziffert. Zwar ist hier ein Rückgang von 10,2 % im Vergleich zum Jahr 2017 erkennbar, dennoch ist die Summe im Jahr 2018 außerordentlich hoch.3 Die Bereiche Cyberkriminalität, Vermögensdelikte und Korruption sind stark vertreten.4 Auf die Thematik „Korruption“ werden wir im Schwerpunkt Cooperate Governance und Compliance anhand des Korruptionsfalles der Siemens AG im Jahr 2006/2007 noch näher eingehen. Hierbei stellen wir die Auslöser und Motive des Korruptionsfalles der Sie­mens AG, sowie die Aufdeckung und den Schaden bzw. die Konsequenzen dar.

Ausführungen zur Korruptionsaufklärung, Prävention, sowie Aufarbeitung des Skandals und schließlich ein Resümee hinsichtlich der Corporate Governance und Compliance über den Korruptionsfall der Siemens AG bil­den den Abschluss derArbeit.

Für ein besseres Verständnis der Problematik sind Begriffe, wie „Cooperate Governance“ und „Compliance“ zu verdeutlichen.

„Cooperate Governance“ ist ein Begriff, der sehr vielfältig und umfangreich beschrieben wird: „Organisation der Leitung und Kontrolle eines Unterneh­mens mit dem Ziel des Interessenausgleichs zwischen den beteiligten An­spruchsgruppen“.5 Unter dem Begriff „Anspruchsgruppen“ verstehen wir die Aufgliederung von Shareholder und Stakeholder. Die Shareholder sind grundsätzlich in Aktiengesellschaften die Aktionäre. In der Shareholder­Theorie hat die Aktiengesellschaft die Pflicht seine Aktionäre über das ak­tuelle Marktgeschehen des Unternehmens aufzuklären und trägt im Weite­ren die Verantwortung des Konzerns gegenüber seinen Eigentümern bzw. seinen Aktionären. Beim Shareholder-Ansatz steht das Interesse der eige­nen Anteilseigner im Mittelpunkt.6 Im Unterschied zum Shareholder-Ansatz sind beim Stakeholder-Ansatz alle Anspruchsgruppen, die einen Bezug zum Unternehmen haben, involviert. Beim Stakeholder-Ansatz sind die Ak­tionäre inbegriffen. Unter den Stakeholdern gehören unter anderem diese Gruppen dazu: Lieferanten, Kunden, eigene Mitarbeiter, die Politik und ihre Gesetzgebung, Kapitalgeber und Banken, weitere Handelspartner, sowie Verbände.

Fundamentale Aspekte beim Stakeholder-Ansatz sind vor allem die Verhal­tensweisen von Unternehmen gegenüber seinen Lieferanten und Kunden. Aber auch interne Aspekte, wie Erwartungshaltung und Zufriedenheit der Mitarbeiter, gewinnen an immenser Bedeutung und sind ein weiterer wich­tiger Gesichtspunkt der Stakeholder-Analyse. Außerdem versuchen Unter­nehmen den hohen staatlichen Anforderungen gerecht zu werden, sowie eine gute Außenvermarktung mittels der Öffentlichkeitsarbeit zu gewähr­leisten.7

Der Begriff „Cooperate Governance“ wird, wie bereits erwähnt, verschie­denartig repräsentiert. Cooperate Governance wird oftmals in Verbindung mit Grundsätzen der Unternehmensführung und -kontrolle, sowie unter der Berücksichtigung und Festlegung von Regeln dargelegt. Die Gesetzesvorschriften, Richtlinien und Unternehmensverhaltensweisen soll­ten mit einem Cooperate Governance-System übereinstimmen.8 Deutsche Unternehmen können sich an den Deutschen Corporate Governance Ko­dex orientieren. Der DCGK wurde am 20 März 2020 überarbeitet und im Bundesanzeiger unter Berücksichtigung des Aktiengesetzes nach §161 pu­bliziert.9 Mittels DCGK wird durch Anwendung bestimmter Grundsätze eine verlässliche und verantwortungsbewusste Unternehmensführung in Unter­nehmen gewährleistet.

Das deutsche Corporate Governance System soll anhand des DCGK für jeden verständlich sein. Im Fall des Korruptionsskandals der Siemens AG im Jahr 2006/2007 wurde das Corporate Governance System leichtsinnig missachtet bzw. bewusst billig in Kauf genommen. Weiterhin ist auf den Begriff „Cooperate Compliance“ näher einzugehen. Beim Cooperate Com­pliance geht es hauptsächlich um die regelkonforme Arbeit der Unterneh­men. Unternehmen sollen nicht nur Gesetzen nachgehen, sondern auch ihre Richtlinien befolgen. Die Richtlinien beinhalten vor allem Zertifizierun­gen. Das Cooperate Compliance System ist ein breitgefächertes Konstrukt, in dem vor allem relevante Punkte in den Bereichen Finanzen, Recht, Infor­mationstechnologie, sowie im Sozialen enthalten sind.

Beispielsweise sollte der Finanzbereich im Cooperate Compliance System die Vorbeugung gegen Delikte, wie Korruption, anwenden und nachweisen können.

Eine Ausnahme zeigt sich im Versagen des Cooperate Compliance Sys­tems bei der Siemens AG im Jahr 2006/2007.10

1.1 Wirtschaftliche Entwicklung und Geschäftsmodell

Bevor wir umfassender auf die Teilbereiche des Korruptionsfalles „Auslöser und Motive“, sowie die Durchführung eingehen, ist die unternehmensge­schichtliche und wirtschaftliche Entwicklung, sowie das Umfeld der Sie­mens AG darzustellen:

Die Siemens AG wurde von Werner von Siemens im Jahr 1847 gegründet und beschäftigte 10 Mitarbeiter. Das Unternehmen begann sich in ihrer frü­hen Unternehmergeschichte vor allem mit der Spezialisierung von elektri­schen Telegrafen zu beschäftigen. Somit erfolgte auch ein Auftrag für die erste Ferntelegrafenverbindung Europas, durch die Nachrichten zwischen den Städten mit einem gewissen zeitlichen Unterschied übertragbar waren. Für die kleine Firma war dieser Einstieg in die Kommunikationstechnik der erste Meilenstein zu einem erfolgreichen Konzern. Im Jahr 1866 erfand Werner von Siemens mit seinen Mitarbeitern das dynamoelektrische Prin­zip. Der Dynamo konnte 1875 in Serie gehen und es entstanden moderne Großgeneratoren. Es folgten große internationale Projekte, wie der Bau ei­nes Drehstromkraftwerkes in Südafrika, für den damaligen Zeitpunkt eine große Revolution und dementsprechend konnte das Unternehmen unauf­haltsam seine Marktführung bestätigen.

In den Jahren 1966-1988 wurde eine Ausweitung des Betriebes durch die Bildung mehrerer Unternehmenssparten möglich. Im Jahr 1966 entstand aus dem Betrieb eine Aktiengesellschaft, die sogenannte Siemens AG, die zu dem damaligen Zeitpunkt sich das Ziel setzte, in mehreren Bereichen global aktiv zu sein. Demzufolge war die Vorgehensweise für die Gründung einer Aktiengesellschaft ein elementarer Schritt. Die Siemens AG entwi­ckelte vier neue Unternehmenssektoren. Neben den bereits bestehenden zwei Unternehmenssparten kamen die Geschäftsfelder Energie, Installati­onstechnik, Nachrichtentechnik, sowie medizinische Technik hinzu.

Im Jahr 1980 und 1984 konzentrierte sich die Siemens AG auf den Einstieg in die digitale Telefonie und den Start der Chipentwicklung.

In den folgenden Jahren hat die Siemens AG ihre Geschäftsfelder weiterhin ausgebaut, so dass die Unternehmensstrukturen nicht mehr ineinander stimmig waren. Der Konzern wurde überverhältnismäßig groß aufgebaut und somit mussten neue Organisationsstrukturen gebildet werden. Im Jahr 1989 versuchte der Konzern durch ein selbst konzipiertes Lean Manage­ment System eine neue Organisationsstruktur einzurichten, sowie seine Kosteneffizienz zu steigern. Die Einführung des Lean Management System zeigte nur halb Erfolg. Im Jahr 1998 forderte der Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer zur Einhaltung seines „10 Punkte Programmes“ auf.

Die Siemens AG musste reagieren, da es zu Lieferverzögerungen bei der Bahntechnik, zu Umsatz- und Gewinneinbrüchen in der Kraftwerktechnik, weiterhin zu schlecht berechenbaren Kalkulationen im Bereich des Mobilte­lefonmarktes, sowie zu großen Wirtschaftseinbußen auf dem Asienmarkt kam. Folglich platzierte die Siemens AG nur ihre wettbewerbsfähigsten Pro­dukte mit Erfolg auf den Markt. Im Jahr 2001 erfolgte bei der Siemens AG der Börsengang an der größten Wertpapierbörse New York Stock Exchange. Dennoch eher mit mäßigem Erfolg, da die Transaktionen von Investoren und Privatanlegern über außerbörslich elektronische Handels­plattformen getätigt wurden. Im Jahr 2008 konnte der Konzern mit einer neuen Ausrichtung seiner Unternehmensstruktur überzeugen. Die Siemens AG gliederte sich in drei große Sektoren. Die Sektoren Industry, Energy und Healthcare bilden bis heute das wichtigste Konstrukt im Konzern und zählen zu den wettbewerbsfähigsten Sektoren, auch wenn aufgrund der Digitalisie­rung die Siemens AG zum Umdenken gezwungen wurde. Zum jetzigen Zeit­punkt gliedert sich der Konzern in die Bereiche Siemens Healthineers, Sie­mens Renewable Energy und Siemens Mobility. Weitere bedeutsame Sek­toren sind die Information and Communications, sowie die AutoMotion und Control Sparte11.

Vorwiegend geht der Siemens Konzern folgenden Visionen nach:

- Erhöhung der Kapitaleffizienz von 15 auf 20 Prozent
- Verringerung der Kosten um eine Milliarde Euro
- Höhere Erwartungshaltung im Bereich der Kundenzufriedenheit
- Eine Aufarbeitung der Prozessvorgänge von Umsatz- und wachs­tumsschwachen Regionen
- Größeres Verantwortungsbewusstsein der Siemens Mitarbeiter

1.2 Das Umfeld

Zur Beurteilung des globalen Stellenwertes der Siemens AG wird der Kon­zern mit anderen Unternehmen der gleichen Branche verglichen. Ein har­tumkämpfter Konkurrent der Siemens AG ist der Global Player General Electric, abgekürzt GE. Eine weitere Großmacht auf dem Markt ist das Un­ternehmen ABB, das sich in den Bereichen Antriebstechnik, Automation, Elektrifikation, sowie Robotik spezialisiert hat. ABB ist unter den drei Global Player nach den Unternehmenskennzahlen die schwächste Kraft, so dass der Platz um die Marktführung sowohl von der Siemens AG als auch von General Electric beansprucht wird. Die General Electric konzentriert sich hauptsächlich auf die Unternehmenssparten Turbinen, Medizintechnik, Inf­rastruktur und Kraftwerksbau.

Eine Abbildung der Unternehmenskennzahlen zeigt einen Überblick über die großen Konzerne11. Der Vergleich der drei Unternehmen bezieht sich aufdas Geschäftsjahr2019.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Der Vergleich der 3 stärksten Marktführer anhand von Kennzahlen. Quelle: eigene Darstellung

Die Unternehmenskennzahlen im Schaubild dokumentieren die wirtschaft­liche Situation der Siemens AG in Relation zu den zwei anderen Unterneh­men. Aus den Kennzahlen geht hervor, dass der Siemens Konzern im Jahr 2019 eine Eigenkapitalquote von 32,03 % und eine Fremdkapitalquote von 66,07 % aufweist. Dagegen hat die General Electric nur eine Eigenkapital­quote von 10,33 % und eine hohe Fremdkapitalquote von 88,95 %. Aus den Kennzahlen derABB lässt sich erkennen, dass eine Eigenkapitalquote von 29,34 % und eine Fremdkapitalquote von 69,68 % existiert12'14. Aus einer Eigenkapitalquote wird der Anteil am Eigenkapital gegenüber dem Gesamt­kapital in Relation gesetzt. Dagegen weist eine hohe Fremdkapitalquote ei­nen hohen Anteil an fremden Mitteln gegenüber dem Gesamtkapital aus. Fremde Mittel können langfristige und kurzfristige Kredite von der Bank o­der auch Steuer- und Pensionsrückstellungen sein. Eine hohe Eigenkapi­talquote hat den Vorteil einer niedrigeren Abhängigkeitsquote gegenüber Fremdkapitalgebern und Investoren. Des Weiteren sind Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalquote krisenfester und können schwierige wirt­schaftliche Situationen besser überleben. Von Seiten der Shareholder ist eine Beteiligung durch Erwerb von Aktienanteilen bei der Siemens AG im Jahr 2019 am rentabelsten.

Die Siemens AG wirft eine Dividendenrendite von 3,91 % ab und ist den anderen zwei Konkurrenten deutlich voraus. Es könnte eine Hypothese sein, dass die Siemens AG aufgrund einer hohen Rendite mehr Kapital von Kapitalgebern bzw. Aktionären in nächster Zeit erhalten könnte, dass zu einem größeren Wachstum des Konzerns führen könnte.

Im zweiten Schaubild werden die Kennzahlen aus der GuV und der Bilanz der Unternehmen verglichen.12

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Kennzahlen aus der Bilanz und GUV aus dem Jahr 2019. Quelle: eigene Darstellung

Im Bereich der Umsatzerlöse ist die GE gegenüber der Siemens AG und der ABB führend. Die Umsatzerlöse der GE wird im Jahr 2019 mit einem Betrag von 95,055 Milliarden beziffert. Dagegen kommt die Siemens AG auf 57,139 Milliarden und die ABB nur auf 27,996 Milliarden13. Aus den Um­satzerlösen lässt sich erkennen, dass diese Konzerne auch weltweit zu den größten gehören. Die GE zählt seit 2014 zu den zehn größten Unternehmen weltweit, gefolgt von der Siemens AG, die umsatzbezogen zu den 50 größ­ten Unternehmen weltweit gehört. Die Bilanzen der Unternehmen weisen noch weitere wichtige Kennzahlen auf, wie die Summe des Anlage- und Umlaufvermögens, sowie auf der Passiva Seite die Summe der Verbind­lichkeiten. Deren Erkenntnisse geben Rückschlüsse auf die Eigenkapital­quote und die Fremdkapitalquote. Ein wesentlich entscheidender Indikator für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist der Jahresüber­schuss, der aus der Gewinn- und Verlustrechnung, abgekürzt GuV, zu entnehmen ist. Die Siemens AG kam im Jahr 2019 auf einen Jahresüber­schuss von 5,174 Milliarden14.

Im Gegensatz dazu wird aus der GuV-Rechnung von GE ersichtlich, dass ein Jahresfehlbetrag von 4,979 Milliarden den negativen Trend des Unter­nehmens von GE belegen.

Der letzte positive Jahresüberschuss wurde aus dem Jahr 2016 erwirtschaf­tet. Der Trend geht bereits zu diesem Zeitpunkt abwärts, denn die GE er­reicht 2014 noch +15,233 Milliarden, im Jahr 2016 nur noch ein Plus von 8,831 Milliarden. Die ABB erzielt eher konstante Jahresüberschüsse im Be­reich von 1.4 - 2.5 Milliarden15.

Aus den Jahresüberschusszahlen ist klar ersichtlich, dass die Siemens AG langfristig am kontinuierlichsten wirtschaftet, unabhängig von wirtschaftli­chen schwierigen Phasen des Unternehmens. Ein weiterer Beobachtungs­punkt ist die prozentuale Steigerung der Mitarbeiter bei der Siemens AG. Zahlen bestätigen, dass die Mitarbeiterzahl stetig steigt, auch wenn bei dem ein oder anderem Unternehmensstrukturwandel Arbeitsplätze reduziert wurden.

Dagegen baut der stärkste Konkurrent GE drastisch Arbeitsplätze ab. Die prozentuale Veränderung vom Jahr 2018 zum Jahr 2019 beträgt -27,56 %. Die Siemens AG ist auf einem sehr guten Weg Marktführer auf langer Sicht in ihren Unternehmenssektoren zu werden. Dies belegen auch Vergleiche aus den einzelnen Geschäftsberichten der Siemens AG aus den Jahren 2005, 2007 und aus dem letzten Geschäftsbericht vom Jahr 2019. In unse­rer wissenschaftlichen Arbeit wurde bewusst ein Geschäftsbericht vor dem Korruptionsfall 2006/2007 analysiert, sowie während des Zeitraums des Korruptionsskandals und vom letzten Geschäftsjahr 2019. Anhand des Schaubildes 10 in der Anlage lässt sich die prozentuale Steigerung der Un­ternehmenskennzahlen aufzeigen.16

Die Stellung Chinas und Indiens als Wachstumstreiber führte unter ande­rem für die Siemens AG zu einer Erhöhung des globalen BIP.

Eine weitere Abbildung im Anhang (Schaubild 11) weist auf den positiven Verlauf des Aktienkurses der letzten 20 Jahre der Siemens AG hin.17 Der Kurswert der Aktie kommt durch Angebot und Nachfrage zustande. Bei ei­ner höheren Nachfrage in Relation zum Angebot steigt der Kurswert der Aktie.

Die Wertsteigerung der Aktie begründet einerseits eine Kapitalerhöhung des Eigenkapitals, andererseits zeigt sie die positive Entwicklung des Kon­zerns auf. Dadurch fällt es den Unternehmen leichter und schneller zusätz­liche Shareholder und neue qualifizierte Mitarbeiter zu akquirieren. Der Kurswert derAktie kann sehr elementarfür das Unternehmen sein. Zumindest hat sich der Korruptionsskandal aus dem Jahr 2006/2007 nur gering auf den Aktienkurs ausgewirkt. Zu berücksichtigen sind Kursschwan­kungen bzw. Verluste durch unerwartete globale wirtschaftliche Ereignisse, wie zum Beispiel die Finanzkrise aus dem Jahr 2008.

2. Verfahrensweise des Betruges

2.1 Auslöser und Motive

Im Kapitel „Verfahrensweise des Betruges“ werden die Hintergründe der Auslöser, Motive und der Durchführung am Korruptionsskandal der Sie­mens AG aus den Jahren 2006/2007 dargestellt.

Korruption finden wir heutzutage in vielen unterschiedlichen Wirtschaftssek­toren. Der Begriff „Korruption“ ist breitgefächert und schwer definierbar. Zur Klärung des Begriffs ist das StGB hinzuziehen. Die Thematik der Korruption wird im StGB vereinzelt in den Paragrafen erfasst. Dennoch ist es schwer eine umfassende Definition bzw. Eingrenzung des Begriffs abzugeben. Be­züglich des Korruptionsskandals der Siemens AG vom Jahr 2006/2007 würde größtenteils Paragraph 299 aus dem StGB Anwendung finden, der den Tatbestand der Bestechlichkeit und der Bestechung im geschäftlichen Verkehr beinhaltet. Eine Identität von Korruption und Bestechlichkeit lässt sich bejahen. Der Paragraph 299 StGB zeigt die Folgen bei Nichteinhaltung des Gesetzes auf.18

Es stellt sich die Frage, ob die Strafbarkeit durch Korruption im wirtschaftli­chen Bereich genauso geahndet wird wie die Bestechlichkeit und die Be­stechung im geschäftlichen Verkehr gemäß dem Paragraphen 299 StGB und wird vermutlich nach dem situationsbedingten Sachverhalt von der Jus­tiz beurteilt.

Aus wirtschaftlicher Sichtweise geht es bei der Korruption darum, dass ein Unternehmen einen Vorteil aus seiner Sicht oder gegenüber der Konkur­renz durch einen Missbrauch einer Vertrauensstellung erlangt, ohne dass es rechtskonform ist.19 Korruption ist in zwei verschiedenen Sektoren zu gliedern: der aktiven und der passiven Korruption. In der aktiven Korruption verschafft sich der Verantwortungsträger einen Vorteil durch eine pflichtwid­rige Vorgehensweise. Verantwortungsträger können unter anderem Mitar­beiter eines Amts im Unternehmen sein, die unter Beeinflussung von Be­stechungsgeldern Aufträge erlangen möchten. Der Verantwortungsträger versucht bewusst und gezielt neue Aufträge zu erhalten, in dem er sein Ge­genüber mit Bestechungsgeldern beeinflusst.

Im Gegensatz dazu beschreibt die passive Korruption die Annahme von Bestechungsgeldern, die der Verantwortungsträger akzeptiert.20 Es ist da­von auszugehen, dass es sich bei einer aktiven Korruption um eine Bestechung im Geschäftsverkehr und bei einer passiven Korruption sich um die Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr handelt.

„Wir haben uns hohen moralischen Standards verpflichtet und arbeiten da­ran den Alltag der Menschen überall auf der Welt zu erleichtern“. Dieses Zitat stammt aus dem Jahr 2003 von Herrn Heinrich von Pierer, dem dama­ligen Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG. Skeptiker zweifeln an der Wahrheit des Zitats. Die Siemens AG geriet nicht zum ersten Mal negativ in die Schlagzeilen. Schon in den 80er und 90er Jahren ist die Siemens AG durch Korruption negativ aufgefallen. Hierbei ging es um ausländische Auf­träge, die abgewickelt wurden. Damals hatte die Auftragsabwicklung unter Einflussnahme von korrupten Maßnahmen keine derartigen verheerenden Folgen für die Reputation des Unternehmens. Die Gesetzeslage schien in Deutschland auf derartige Korruptionsfälle, die mit ausländischen Kun- den/Auftraggeber stattfanden, nicht vorbereitet zu sein. Eine weitere nega­tive öffentliche Außenwirkung sollte nach den Korruptionsfällen in den 80er und 90er vermieden werden. Aus diesen Gründen appellierte der damalige Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer an die moralischen und ethischen Werte des Unternehmens. Nach dem Zitat des früheren Aufsichtsratsvorsit­zenden Karl-Herman Baumann „wir sind daher der Transparency Internati­onal beigetreten, einer Organisation, die sich die weltweite Bekämpfung der Korruption zum Ziel gesetzt hat“, wurden die ersten Maßnahmen gegen die Korruption eingeleitet.

Kunden und Lieferanten sahen es zu dem damaligen Zeitpunkt als einen einmaligen Vorgang an und vertrauten dem Konzern wieder. Auch Aktio­näre investierten aufgrund der generellen guten Entwicklungslage wieder in die Siemens AG. Es hatte den Anschein, dass die Siemens AG zumindest nach außen von Jahr zu Jahr an Reputation gewann. Bekannt ist, dass die Siemens AG sehr hohe Ansprüche voraussetzt. Dies hat sich vor allem auf der Führungsetage bestätigt.

[...]


1 KPMG = Die Namen der Gründer

2 PWC Global Economic Crime and Fraud Survey, Wirtschaftskriminalität-Ein niemals endender Kampf, (2020), https://www.pwc.de/de/consulting/forensic-services/wirtschaftskriminalitaet-ein-niemals-endender-kampf.pdf, Abruf am 04.11.2020

3 Wirtschaftskriminalität Bundeslagebild, 2018

4 PWC Global Economic Crime and Fraud Survey, Wirtschaftskriminalität-Ein niemals endender Kampf, (2020), https://www.pwc.de/de/consulting/forensic-services/wirtschaftskriminalitaet-ein-niemals-endender-kampf.pdf, Abruf am 04.11.2020

5 Witt, Peter, Corporate Governance Systeme im Wettbewerb,(2003), S.1-3, Abruf am 02..11..2020

6 E.Waibl, AngewandteWirtschaftsethik, 1. Auflage, Deutsche Biblothek,(2005), Abrufam 12.10.2020

7 Dr. Fleig, Jürgen, business-wissen.de Stakeholderansatz, https://scholar.google.pt/scholar?q=Dr.+Fleig+busi- ness+-wissen.de+Stakeholder+Ansatz&hl=de&as_sdt=0&as_vis=1&oi=scholart, (2016), Abruf am 10.11.2020

8 Witt, Peter, Corporate Governance Systeme im Wettbewerb,(2003), S.1-3 f., Abruf am 02..11..2020

9 Dr.Faßhauer, Jan, BDO Deutschland (2020), https://www.bdo.de/de-de/blogs/deutscher-corporate-gover- nance-kodex-2020-dcgk, Abruf am 11.11.2020

10 Heinzeimann, Regula, Cooperate Compliance, (2019), https://www.haufe.de/compliance/management-pra- xis/corporate-compliance_230130_441202.html, Abruf am 28.10.2020

11 Siemens Homepage, Siemens Unternehmensgeschichte, https://new.siemens.com/global/de/unterneh- men/ueber-uns/geschichte/unternehmen.html, Abrufam 14.10.2020

12 finanzen.net, https://www.finanzen.net/bilanz_guv/siemens, Abrufam 18.10.2020; finanzen.net, https://www.finanzen.net/bilanz_guv/abb_1, Abrufam 18.10.2020; finanzen.net, https://www.finanzen.net/ak- tien/general_electric-aktie,Abruf am 18.10.2020

13 finanzen.net, https://www.finanzen.net/bilanz_guv/siemens, Abruf am 18.10.2020; finanzen.net, https://www.finanzen.net/bilanz_guv/abb_1, Abrufam 18.10.2020; finanzen.net, https://www.finanzen.net/ak- tien/general_electric-aktie,Abruf am 18.10.2020

14 finanzen.net, https://www.finanzen.net/bilanz_guv/siemens, Abrufam 18.10.2020; finanzen.net,

15 https://www.finanzen.net/bilanz_guv/abb_1, Abrufam 18.10.2020; finanzen.net, https://www.finanzen.net/ak- tien/general_electric-aktie,Abruf am 18.10.2020

16 boerse.de, https://www.boerse.de/aktien/General-Electric-Aktie/US3696041033, Abrufam 18.10.2020; Sie­mens Geschäftsbericht, https://www.siemens.com/investor/pool/en/investor_relations/downloadcenter/sie- mens_ag_1337999.pdf, Abrufam 16.10.2020; Siemens Geschäftsbericht, https://assets.new.siemens.com/sie- mens/assets/api/uuid:570eaae4-b022-4119-80cd-3d41d38e6c8e/jahresabschluss-siemens-ag.pdf, Abruf am 16.10.2020

17 Finanzen.net, https://tradingdesk.finanzen.net/, Abrufam 04.11.2020

18 Bundesministerium für Justiz, https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ 299.html, Abrufam 05.11.2020

19 Dr.jur. Böttner, Sascha, https://www.strafrecht-bundesweit.de/strafrecht-stichwort/korruption/, Abrufam 05.11.2020

20 Transparency International Deutschland e.V., Was ist Korruption, https://www.transparencv.de/ueber- uns/was-ist-korruption/. Abruf am 05.11.2020

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Die Siemens AG und sein Compliance System. Der Korruptionsfall 2007
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)
Veranstaltung
Corporate Governance and Compliance
Note
2,0
Jahr
2020
Seiten
47
Katalognummer
V1019736
ISBN (eBook)
9783346412911
Sprache
Deutsch
Schlagworte
siemens, compliance, system, korruptionsfall
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Die Siemens AG und sein Compliance System. Der Korruptionsfall 2007, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1019736

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