Manipulation und Demagogie in Reden. Sprachliche und inhaltliche Vergleichspunkte bei Björn Höcke und Joseph Goebbels


Hausarbeit (Hauptseminar), 2021

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Exposé

1. Annäherung und Bedeutungsmuster der Fachbegriffe Sprache und Manipulation
1.1 Machtpotential und Wirkmechanismen manipulativer Sprachstrategien in politischer Rhetorik
1.2 Struktur und Wirkung rhetorischer Agitation und ihre Funktion im Nationalsozialismus

2. Politische Rhetorik im Nationalsozialismus: Aufbau und Inhalt der Sportpalastrede Joseph Goebbels von 1943

3. Nationalsozialismus und Neue Rechte im Vergleich – Ähnlichkeiten des manipulativen Sprachgebrauchs
3.1 Vokabular und Metaphorik
3.2 Manipulative und agitative Sprache in sozialen Medien
3.3 Politische Rhetorik Björn Höckes und Joseph Goebbels – Sprachliche und inhaltliche Vergleichspunkte

Abschließende Schlussbetrachtungen

Bibliographie

Exposé

Die rechtsextreme Szene in Deutschland wächst. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag erfuhr, stieg die Zahl der Menschen, die der Verfassungsschutz dem rechtsextremen Spektrum zurechnet, 2019 auf mehr als 30.000 Personen. […] Zum Vergleich: 2018 lag das rechtsextremistische Personenpotential bei 24.100 Personen, darunter 12.700 Gewaltorientierte

(Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Diese erschreckende Statistik offenbart uns, dass die Thematik Rechtsextremismus aktueller denn je ist. Die vorliegende Facharbeit setzt sich daher mit der Anwendung und Bedeutung manipulativer Sprachtechniken im rechtsradikalen Spektrum auseinander. Anhand ausgewählter Zitate, Quellen und Ausschnitte politischer Inszenierungen wird dem Rezipienten ein weitläufiger Einblick in besagte Materie verschafft. Die Struktur dieser Abhandlung gliedert sich in zwei Bestandteile, der erste Part widmet sich einleitend der Begriffserklärung der Termini Sprache und Manipulation, welche eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die anschließende Analyse innehaben. Das erste Kapitel umfasst somit den theoretischen Teil und beinhaltet zuallererst den Versuch einer Determination zentraler Begrifflichkeiten, hierbei unterstützend wirkt vor allem das Metzler Lexikon Literatur, sowie das Metzler Lexikon Medientheorie/Medienwissenschaft. Im zweiten Teil der Arbeit werden praxisorientierte Methoden vorgestellt und diskutiert. Anhand einiger politischen Inszenierungen aus unterschiedlichen Zeitspannen werden konkrete rhetorische Mittel ausfindig gemacht und als manipulative Strategie untersucht.

Ziel und Fokus dieser kritischen Auseinandersetzung ist aufzuzeigen, inwiefern rhetorische Methoden als demagogisches Werkzeug zum Zweck der Manipulation in der politischen Rede fungieren. Vornehmlich wird für die Anfertigung Bezug genommen auf die theoretische und praktische Ausübung rechtsradikaler Rhetorik. Hierfür hilft die analytische Gegenüberstellung politischer Reden Joseph Goebbels und Björn Höckes die Ordnung, Funktion und Wertevorstellungen rechts gesinnter Strömungen besser nachvollziehen zu können und eröffnet die Fragestellung nach der Wirkung und Konsequenz solcher Inszenierungen.

„Weltanschauung und politische Programmatik wollen im Nationalsozialismus als Glaube begriffen werden, der Berge versetzt, als Höchstes und Heiligstes, für das es sich lohnt zu sterben, als Dogma, das als unbeirrbare Wahrheit gelehrt werden muss“ (Grieswelle, Agitationsrhetorik 277). Die genannte Textstelle aus dem Handbuch Politische Rhetorik soll nochmals exemplarisch Aufschluss darüber geben, weshalb sich diese Facharbeit speziell mit Lektüren und Reden des Nationalsozialismus und der Neuen Rechten auseinandersetzt und diese auch bis zu einem gewissen Grad „verstehen“ möchte. Der knappen Ausarbeitung steht das Ausmaß dieser Thematik gegenüber, weshalb ich folgende Theoreme auf die wesentlichen Aspekte begrenze.

1. Annäherung und Bedeutungsmuster der Fachbegriffe Sprache und Manipulation

Vorliegende Zeilen befassen sich mit der Determination von Sprache und Manipulation, da eine konkrete Klärung der Begrifflichkeiten den Grundstein für weiteres analytisches Vorgehen schafft. Das Metzler Lexikon Literatur definiert Sprache als „System von Lauten und […] Zeichen, das der mündlichen und schriftlichen Äußerung […] von Vorstellungen und Gefühlen dient, ebenso der zwischenmenschlichen Kommunikation sowie der Orientierung in der Welt“ (Schweikle 723). Demnach ist der Terminus Sprache eine kommunikative und wechselseitige Handlung, welche uns Zugang zu Mitmenschen und zur elementaren Umgebung eröffnet. Damit dient Sprache dazu, menschliche Emotionen und Empfindungen in Schrift und gesprochenem Wort auszudrücken. Gleichzeitig wird unser Agieren, Denken und unsere Imagination durch Sprache geprägt.

Weiterhin ist die Sprachkompetenz eines Individuums an soziale, regionale und spezifische Faktoren gebunden und entwickelt sich durch ständigen Austausch mit der Sprachgemeinschaft weiter, dadurch befindet sich Sprache in einem stetigen Wandel zwischen Differenzierung und Normierung (vgl. Schweikle 723). Maßgebender Bestandteil für die arbiträre Veränderung von Sprache ist folglich ihre Verknüpfung mit unterschiedlichen soziokulturellen Kausalitäten. Auf gesellschaftlicher Ebene hat Sprache eine dialogische und identitätsstiftende Funktion und ist an soziale und kulturelle Zusammenhänge gebunden. Außerdem verleiht der Gebrauch rhetorischer Mittel der Aussage mehr Intensität, während die Verwendung von Metaphern den Rezipienten höheres Verständnis und Sinnhaftigkeit verschafft (vgl. 723). Somit nutzen metaphorische Mittel bereits bekannte Muster um leichter greifbar und überzeugender zu wirken. Dabei ist die Gefahr der Manipulation und Verschleierung hoch, denn Metaphorik hat das Potential dazu in die Irre zu führen, den Inhalt zu vereinfachen oder zu verzerren.

Anschließende Zeilen helfen zur Klärung des Terminus Manipulation; etymologisch stammt der Vorläufer des Wortes Manipulation aus dem Lateinischen und bedeutet Hand- und Kunstgriff (vgl. Schanze, Pütz 192). Wie genau sich das dehnbare Konzept der Manipulation definieren lässt, verdeutlicht folgender Absatz aus dem Metzler Lexikon Medientheorie Medienwissenschaft:

[D]ie Vermittlung oder Übertragung vorgeformter Denkmodelle, Anschauungen, Weltbilder, Interpretationen, die vor allem in Massengesellschaften mit Massenkommunikationsmedien, sozusagen als Erfahrungen aus zweiter Hand übermittelt werden. Vergleichbar der ideologischen Funktion der Medien steht auch die Frage einer Manipulation der Öffentlichkeit im Zentrum des […] Diskurses (Schanze, Pütz 192).

Dieser Versuch einer Bestimmung beinhaltet einige interessante Anhaltspunkte. Der Stellenwert von Massenmedien als politisches Kommunikationsmittel ist in einer modernen Zivilisation essentiell. Kommunikationsmedien sind demzufolge der fundamentale Kontaktpunkt zwischen Bevölkerung und Politik. Die Präsenz neuer Formen der Verständigung mittels digitaler Medien und sozialer Netzwerke regen zu einer näheren Recherche indoktrinierter Mechanismen an. Manipulation ist eine bewusste und gezielte Einflussnahme, durch welche die jeweilige Aussage im affektiven Sinne positiver oder negativer erscheint. Hierbei ist besonders spannend, dass Manipulation in der Lage ist, die Menschen in ihrer Wahl so zu beeinflussen, dass diese trotzdem als frei gewählt empfunden wird. Demgemäß sind handlungsorientierte Entscheidungsprozesse wenig rational, sondern vielmehr individuell und unbewusst gesteuert.

Sprache als Medium wurde bereits im alten Griechenland genutzt, um das Bürgertum mit rhetorischen Mitteln zu überreden und umzustimmen. Ebenso euphemistische Formulierungen können die Haltung der Rezipienten lenken oder verändern (vgl. Elsen 454). Im Zentrum des medienkritischen Diskurses steht die Aufdeckung und Abwehr manipulativer Sprache der Massenmedien. Ihre Reichweite und Wirkung spielen eine entscheidende Rolle für die damalige und heutige Gesellschaft. Im Nationalsozialismus ist anhand der Propaganda des Dritten Reichs und der Kriegszeit die manipulative Tendenz des Rundfunks belegbar (vgl. Schanze, Pütz 192).

Zusammenfassend beinhaltet das Wort Manipulation eine vielseitige Variation an Definitionsversuchen. Auf semantischer Ebene stellt der Term das Beeinflussen, Überzeugen und Lenken von Zusammenhängen oder Ereignissen dar. Grob ausgedrückt dienen agitative Strategien dazu, eigene Ziele und Zwecke durchzusetzen mittels Übertreibung, Falschinformation, suggestiven Ansätzen und Realitätsverzerrung. Manipulation verschleiert und vereinfacht Sachverhalte und drängt den Manipulierten zur Handlung. Zum Beispiel werden im politischen Sektor Methoden angewandt, mit welchen Entscheidungen des Volkes bewusst beeinflusst werden sollen. Viele Wahlkämpfe informieren weniger rational über politische Inhalte, sondern profilieren sich affektiv durch Erscheinungsbild und Symbolik des Kandidaten, sodass dieser und seine Agenda den Wählern geeignet und signifikant erscheint. Sofern wir den Agitator als unpassend erachten, erscheint uns dies als offensive Manipulation.

Letztendlich wird bis heute die Bezeichnung Manipulation in solch umfangreichen Stil benutzt, wodurch die Grenzen des Wortkonstrukts undeutlich sind, teilweise miteinander verschwimmen und ineinander übergehen. Selbst wenn die Ungenauigkeit nicht ganz aufzuheben ist, so ist diese doch wenigstens zu verringern; Täuschung, Erpressung und Zwang als beeinflussende Formate sollten von manipulativen Mechanismen unterschieden werden. Das Einschränken, Täuschen und Verschleiern freier Handlungsvermögen kann allerdings Gegenstand manipulativer Strategien darstellen. Für das schemenhafte Konzept der Manipulation erscheint eine einheitliche und zufriedenstellende Definition beinahe utopisch, da der Begriff in seiner Erscheinungsform eine gewisse Vielfältigkeit und stetige Wandelbarkeit aufweist, wodurch dieser schwer greifbar ist.

1.1 Machtpotential und Wirkmechanismen manipulativer Sprachstrategien in politischer Rhetorik

Im Zentrum dieses Kapitels steht hauptsächlich die Auseinandersetzung mit der Wirkungskraft manipulativer Sprachperformanz in politischer Rhetorik. Manipulation durch das Medium Sprache ist in vielen Bereichen auffindbar; der Einsatz suggestiver Mittel ist besonders in Reklame und Politik allgegenwärtig. Allerdings wird im Rahmen dieser Arbeit bewusst auf die Bereiche Werbung und Verkauf verzichtet.

„Politische Rhetorik ist […] als Einflußnahme [sic!] zu begreifen und entsprechend in den Zusammenhang mit Macht und Herrschaft einzuordnen“ (Grieswelle, politische Rhetorik 26). Gesellschaft, Politik, Rhetorik und Sprache stehen also in engem Zusammenhang zueinander und bedingen sich gegenseitig. Außerdem spielt Sprache als zentrales Führungsinstrument für den Erfolg und die Überzeugungskraft des politischen Redners eine entscheidende Rolle. Die gewaltige Wirkungsmacht sprachlicher Kompetenz zeichnet sich charakteristisch in populären Slogans ab. Prägende Aussagen wie „Ich bin ein Berliner“ oder „Yes, we can!“ setzen wir quasi automatisch mit der historischen Führungsfigur in Verbindung. Solche Sätze skizzieren nicht nur die Person an sich, sondern ebenso ihre Führungsqualitäten; die Äußerung des amerikanischen Präsidenten verkörpert exemplarisch die optimistische Haltung und Willenskraft Barack Obamas, die amerikanische Bevölkerung zusammenzuführen und Gerechtigkeit walten zu lassen.

Politische Aussagen bewegen die Menschen nicht nur auf emotionaler Ebene, sondern motivieren sie auch zu aktivem Tatendrang. Sie bedeuten weitaus mehr als eine bloß situative Beschreibung oder Feststellung, sondern wirken auf kommunikativer Ebene, indem sie an das Volk appellieren und zu Handlungen führen. Die Absicht prägnanter Wahlkampfslogans lässt sich durchaus abzeichnen: das Erreichen von subjektiven Zielen und das Fremdsteuern von Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen oder Tätigkeiten. Solche Statements handeln durch Sprache und sind deshalb so wirkungsvoll und einprägsam, weil sie rhetorische Stilmittel auf gekonnte Weise einsetzen. Besonders durch eine komprimierte Formulierungsart entfalten sie ihre Macht und fassen ein ganzes Führungskonzept prägnant und kompakt auf das Wesentliche zusammen. Sprache ist das wichtigste Werkzeug für die Politik, ohne sie ist politisches Agieren kaum möglich. Die verbal-rhetorischen Raffinessen politischer Slogans sind kaum zu leugnen, dies ist mitunter ein Grund, weshalb gewisse Formulierungen stark polarisieren und gleichzeitig eine verschleiernde Wirkung haben. Dementsprechend ist die Anwendung rhetorischer Stilistik im Politikwesen durchaus kritisch zu betrachten und muss objektiv hinterfragt werden, da sie zumeist, wie die Vergangenheit und Gegenwart zeigen, für ideologische Zwecke instrumentalisiert wird.

1.2 Struktur und Wirkung rhetorischer Agitation und ihre Funktion im Nationalsozialismus

Aus dem Vorhergehenden ergibt sich für den Fortlauf meiner Untersuchung, dass Sprache das wichtigste Element in der politischen Rede darstellt, fehlt die sprachliche Komponente kann kein politisches Operieren entstehen. Damit ist Sprache nicht nur Mittel der Politik, sondern Bedingung ihrer Möglichkeit; da Politik mit und durch Sprache entworfen, beschrieben, beeinflusst, gesteuert und kritisiert wird (vgl. Kopperschmidt 10). Zunächst werden stilistische Aspekte nationalsozialistischer Rhetorik veranschaulicht, welche im weiteren Verlauf die Grundlage für die Funktionen der politischen Rede bilden. Für die Analyse dienen unterstützend einzelne Textausschnitte des Werkes Politische Rhetorik von Armin Burkhardt als literarisches Fundament. In diesem Handbuch für politisch-rhetorische Theorie und Praxis haben insbesondere die Thesen über nationalsozialistische Agitationsrhetorik von Detlef Grieswelle eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Vertiefung meiner Überlegungen.

Zu den zentralen Inhalten nationalsozialistischer Agitationsrhetorik zählen laut Grieswelles Theorieansätzen folgende Gesichtspunkte: Zuerst bedarf es einer charismatischen Führungsperson, welche sich gegen den Feind behauptet und von Seiten des Volkes verehrt wird. Weiterer Indikator einer nationalsozialistischen Volksgemeinschaft ist für Grieswelle ein dichotomisches Weltbild in Freund und Feind, welches von totalitären Denkmustern mitgeformt wird. Die Anhängerschaft ist gekennzeichnet durch hohe Bereitschaft Opfer in Kauf zu nehmen und versteht sich inhaltlich als elitäre Kampfgemeinschaft, mit dem Ziel die gegnerische Seite zu vernichten. Treibende Kraft und Vorsatz der politischen Rede sind die Etablierung einer neuen paradiesischen Zukunft, die Hoffnung auf Wiedergeburt, die Beseitigung von Konflikten, sowie die Befreiung Deutschlands aus Zeiten der Krisen und Erniedrigung. Diese aufgeführten Charakteristika arbeiten mit Methoden der Negation und Innovation, indem sowohl auf die alte verkehrte Welt als auch auf eine hoffnungsvolle Zukunft verwiesen wird (vgl. Grieswelle, Agitationsrhetorik 269).

Grundlegend stützt sich die Funktion der politischen Rhetorik des NS-Regimes auf verschiedene Konzepte, insofern orientiere ich mich weiterhin an den Schriften Grieswelles. Die Taktik der Reden baut auf keiner sukzessiven Steigerung der Hörerschaft auf, sondern beruft sich auf die Herstellung emotionaler Identifikation und Überwältigung der Rezipienten (vgl. 261, 262). Mithilfe affektiver Beeinträchtigung werden ideologische Ansichten aufgezwungen, um Rationalität und Denkvermögen zu beschneiden. Eine weitere Funktion bildet die Legitimation von Herrschaft; in der totalitären Bewegung basiert der Anspruch auf Herrschaft nach Grieswelle nicht mehr auf rationaler Begründung, sondern es bedarf neuer Gründe der Legitimierung in Gestalt persönlichen Charismas und Alleinstellungsmerkmale zur Machtstabilisierung, als repräsentatives Paradebeispiel dient hierfür die Führungsfigur Adolf Hitler (vgl. 266). Um eine Herrschaft zu legitimieren visiert politische Rhetorik also darauf an, jene Attribute explizit zu betonen. Als zusätzliche Funktionen nennt Grieswelle außerdem die Überwindung von Gegensätzen und Spannungen mithilfe des Glaubens an Harmonie, Gemeinschaft und Einheitlichkeit, sowie die Aktivierung der Massen (vgl. 268, 269).

2. Politische Rhetorik im Nationalsozialismus: Aufbau und Inhalt der Sportpalastrede Joseph Goebbels von 1943

Joseph Goebbels bekleidete im nationalsozialistischen Regime das Amt des Ministers für Volksaufklärung und Propaganda, zudem war er ein wichtiger Vertreter Hitlers (vgl. Vollmer). Nach der Schlacht von Stalingrad und der ersten großen Niederlage Hitlers, sah sich die deutsche Zivilisation mit einer Kehrtwende des Krieges konfrontiert. Die Illusion von deutscher Unbesiegbarkeit begann zu bröckeln; das Volk wurde sich der eigenen Vulnerabilität bewusst und viele waren skeptisch gegenüber dem Kriegserfolg, was für Hitler ein sichtbarer Vertrauensverlust darstellte.

In Anbetracht dieses historischen Hintergrundes beinhaltete die Aufgabe Goebbels in seiner Sportpalastrede am 18. Februar 1943 Hoffnung für die scheinbar aussichtslose Lage zu bringen. Höchste Priorität stellte die Überwindung der niedergeschlagenen Stimmung, Vertrauensherstellung in die nationalsozialistische Führungsmacht und Stärkung des Kriegswillens auf Seiten der deutschen Bevölkerung dar.

An diesem 18. Februar 1943 kommt es zu einer Séance nie gekannter Art. Der Minister für Volksaufklärung und Propaganda hat als Auftrittsort den Berliner Sportpalast gewählt, die Arena seiner schon frühen Hetzerfolge. An die 15000 Besucher sind da, handverlesen, Parteigenossen, Schauspieler, Fronturlauber mit schweren Verletzungen, [..] auch der Rundfunk sendet. […] Hinter ihm hängt ein riesiger Schriftzug: „Totaler Krieg – Kürzester Krieg“ (Bönisch 76, 77).

In der Audioaufnahme der Rede wird Goebbels von ständigem Beifall und tosendem Applaus seitens der Zuschauer begleitet: „Jawohl!“, „Sieg Heil!“ (Goebbels Tondatei 0:50-1:30). Sofern man sämtliche Zurufe addiert, welche die Rede unterbrechen, so beläuft sich das Ergebnis auf über hundert Ausrufe. Die Euphorie von Seiten des Volkes geht mit dem fast ununterbrochenen Beifall nach jeder beendeten Aussage des Propagandaführers einher. Der folgende Part untersucht hauptsächlich den Schlussteil von Goebbels Rede, welcher den Schwerpunkt seiner Rede abbildet. Dieses Kapitel dient dazu eine deutliche Akkumulation an sprachlich-rhetorischen Mitteln zu manipulativen Zwecken in der Rede Goebbels aufzuzeigen. Die nachfolgenden Thesen orientieren sich teilweise an den semiotischen und linguistischen Ausführungen Jens Kegels zur Rede Goebbels im Berliner Sportpalast.

Kegel beschreibt in seiner Gesamtanalyse die Aussage der Rede als „zielorientiert, da in ihr Wünsche der Bevölkerung nach Beendigung des Kriegs artikuliert werden“ (Kegel 121). Dies zeichnet sich zum Beispiel an den zehn Fragen ab, welche Goebbels direkt an das Auditorium richtet. Erwartet wird keine konkrete Zustimmung, sondern vielmehr das Kundtun der Begeisterung. Diese suggestiven Fragen erinnern an die zehn Gebote der Bibel und weisen damit einen religiösen Charakter auf. Darauf aufbauend betitelt Grieswelle eine politische Rede als „Fest, Andacht, Weihe, Gebet, Erweckung; es werden Zeichen gesetzt, […] die emotionale Erregung, die Erhabenheit der Sprache“ (Grieswelle, politische Agitationsrhetorik 278). Gleichzeitig bewirkt die verhältnismäßig hohe Anzahl an Fragen eine Steigerung der Euphorie und Beistimmung, wodurch eine Verminderung des kritischen Denkens des Publikums resultiert.

Ein weiteres wichtiges Mittel der Rhetorik Goebbels bildet die direkte Anrede an die Adressaten. Die meisten Sätze in seiner Rede beginnen mit der Ansprache „Ich frage euch“, mit dem bewussten Einsatz von Pronomen wie „ihr“ und „euch“ hebt Goebbels seine Rede auf eine persönliche Ebene und baut eine emotionale Verbindung zum Volk auf. Hierdurch suggeriert er der Hörerschaft ein Gefühl von Zugehörigkeit, Vertrautheit und Gemeinschaft, sowie Entscheidungsfreiheit und Mitsprachrecht. Darüber hinaus nimmt Goebbels mehrmals Bezug auf Antiautoritäten, als Beispiel verweist er auf scheinbare Aussagen der Engländer: „Die Engländer behaupten, das deutsche Volk habe den Glauben an den Sieg verloren“ (Goebbels Tondatei 0:01-0:07). In der darauffolgende Passage widerlegt er Gesagtes wieder, indem er die Stärke des deutschen Volkes betont und gleichzeitig den Hass auf den Feind schürt. Außerdem vermitteln Symbole der Ordnung, Einheit und Disziplin einen „sicheren“ Sieg, sind aber auch Imperative an das Auditorium durch Unstimmigkeit die Chancen nicht zu verspielen

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Manipulation und Demagogie in Reden. Sprachliche und inhaltliche Vergleichspunkte bei Björn Höcke und Joseph Goebbels
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Wie Rechte sprechen, damals und heute - Bildungsarbeit im Museum
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
20
Katalognummer
V1020789
ISBN (eBook)
9783346421470
ISBN (Buch)
9783346421487
Sprache
Deutsch
Schlagworte
manipulation, demagogie, reden, sprachliche, vergleichspunkte, björn, höcke, joseph, goebbels
Arbeit zitieren
Janis Alina Hindelang (Autor:in), 2021, Manipulation und Demagogie in Reden. Sprachliche und inhaltliche Vergleichspunkte bei Björn Höcke und Joseph Goebbels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1020789

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