Emotionale Selbstregulation bei Kindern. Fördernde und hemmende Faktoren


Facharbeit (Schule), 2020

41 Seiten, Note: 1,5

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen und Begriffe

3. Bedeutung der emotionalen Selbstregulation

4. Entwicklungspsychologischer Hintergrund

5. Fördernde, begünstigende Faktoren

6. Hemmende Faktoren

7. Zwischenfazit

8. Das Konzept

9. Analyse des Ist-Zustandes

10. Konzept zur Förderung der emotionalen Selbstregulation

11. Fazit/Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Als ich vor drei Jahren anfing, in einer Kinderkrippe zu arbeiten, bestätigte sich die Erwartung, dass mein Wissen und meine Erfahrungen als Kinderkrankenschwester und Mutter nicht ausreichen würden, um diese Aufgabe professionell zu meistern. So begann ich, zunächst in der sogenannten Nachqualifizierung für pädagogische Fachkräfte, mein Wissen zu erweitern. Vielfältige Gespräche mit meinen erfahrenen Kolleginnen, deren Unterstützung und Reaktionen sowie die Rückmeldungen der Eltern und Kinder halfen mir dabei, viele Fragen zu beantworten.

In meiner täglichen Arbeit mit den Kindern fiel mir schnell auf, wie verschieden ihre Reaktionen in bestimmten Situationen waren, wie zum Beispiel beim Beenden eines Spiels, beim Teilen von Spielmaterialien oder aber beim bildnerischen Gestalten. Ich fing an, mich mit der Entwicklungspsychologie der Gefühlswelt von sehr kleinen Kindern zu beschäftigen und stellte fest, dass Kinder schon recht früh Strategien entwickeln, mit ihren Gefühlen umzugehen. Sei es bei der Eingewöhnung, dem gemeinsamen Spiel oder in der Interaktion mit den pädagogischen Fachkräften – jedes Kind hat seine ganz eigene Art, sich auszudrücken und uns zu zeigen, was es gerade braucht. Diese Vielfalt faszinierte mich. Ich wollte nun wissen, wie ich diese selbstregulatorischen Fähigkeiten fördern kann und ob dies in diesem jungen Alter der Kinder überhaupt möglich ist.

Ich stellte bald fest, dass selbstregulatorische Fähigkeiten von sehr großer Bedeutung für das gesamte Leben, die Gesundheit und Zufriedenheit der Menschen sind, und dabei bestimmte geistige Fähigkeiten, die sogenannten exekutiven Funktionen, eine große Rolle spielen. Sie unterstützen uns in allen Bereichen und sind „maßgeblich für Erfolg in der Schule, im Beruf und im gesamten Leben“ (Walk, L.; Evers W. 2013: S.7).

Die Suche nach einem Konzept, welches bereits für Krippenkinder geeignet ist, führte unter anderem zum ''ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen'' an der Universität Ulm. Hier wird das Konzept ''EMIL - Emotionen regulieren lernen'' für Kindergärten angeboten. Derzeit wird auch an einem Konzept für Krippenkinder gearbeitet. Leider befindet sich dieses in der Projektphase und ich konnte deshalb noch keine Informationen dazu erhalten. Es zeigt aber, dass Interesse an diesem Thema besteht und Ergebnisse dazu aus der wissenschaftlichen Forschung Einzug in den u3-Bereich halten.

Auf Nachfrage bei Frau Dr. Sabine Kubesch, der Geschäftsführerin und Leiterin vom Institut Bildung plus und Mitentwicklerin des Konzeptes ''BRAUSE'', erhielt ich allerdings wertvolle Tipps zur weiteren Recherche, denen ich neugierig nachging. So entstand die Idee, ein eigenes Konzept zur Förderung der emotionalen Selbstregulation für unsere Krippengruppe zu entwickeln, welches sich im besten Fall in den täglichen Ablauf einfügt und dennoch nachhaltig fördernd ist.

Zu Beginn meiner Arbeit schaue ich zunächst auf die Grundbegriffe der emotionalen Selbstregulation und der exekutiven Funktionen, und werde anschließend auf deren besondere Bedeutung eingehen.

Um herauszufinden, ob sich emotionale Selbstregulation schon in der Krippe fördern lässt, ist es wichtig zu wissen, wie sich diese Fähigkeit im Gehirn entwickelt und besonders wann. Deshalb werde ich den entwicklungspsychologischen Aspekt sehr ausführlich betrachten und herausarbeiten, welche Faktoren dabei besonders günstigen beziehungsweise hemmenden Einfluss haben.

Mit diesen Instrumenten sollte schlussendlich ein Konzept entstehen können, das in die tägliche Arbeit mit unserer Krippengruppe einfließen kann. Schauen wir zunächst auf die Begriffe.

2. Definitionen und Begriffe

Der Begriff der emotionalen Selbstregulation lässt sich schwer in seiner Gesamtheit erfassen und wird unterschiedlich definiert. Ich habe mich hier für die Definition von Kullik entschieden, da diese meines Erachtens die Vielschichtigkeit des gesamten Prozesses erfasst.

2.1 Emotionsregulation

„Emotionsregulation zeichnet sich durch den Einsatz spezifischer Strategien aus, die positive und negative Emotionen sowie die mit diesen einhergehenden Verhaltensweisen, sozialen Interaktionen und physiologischen Zustände regulieren“ (Kullik, A. 2013: S.10).

Es geht dabei um die Verarbeitung emotionaler Erregung mit dem Ziel, den Zustand zu verändern (bei Ärger, Wut) oder möglicherweise auch beizubehalten. Dies kann willentlich oder ganz automatisch ablaufen, je nach Strategie.

Dabei spielen, wie eingangs beschrieben, die exekutiven Funktionen eine wichtige Rolle.

2.2 Exekutive Funktionen

„Das exekutive System bildet die geistige Grundlage der Selbstregulierungsfähigkeit. Um sich 'gut im Griff' zu haben, benötigt man diese bewusste und kontrollierte Steuerung des eigenen Verhaltens und der eigenen Gefühle“ (Walk, Evers 2013: S.9).

Exekutive Funktionen bilden ein System für verschiedene geistige Prozesse, Regulationsvorgänge und situationsangepasstes Verhalten. Dieses komplexe System hat seinen Sitz im Frontalhirn, dem präfrontalen Cortex, und bildet die Steuerzentrale des Gehirns. Logisches Denken, planvolles Handeln, Aufmerksamkeitslenkung und Frustrationstoleranz bauen auf gut entwickelte exekutive Funktionen auf (vgl. ebd.)

Das exekutive System lässt sich in drei Teilaspekte untergliedern: das Arbeitsgedächtnis, die Inhibition beziehungsweise die Impulskontrolle und die kognitive Flexibilität (vgl. Kubesch 2019: S.15; Walk, Evers 2013: S.10).

2.2.1 Das Arbeitsgedächtnis

Das Arbeitsgedächtnis dient der Speicherung und Verarbeitung von Informationen. Es „ermöglicht eine aktive Aufrechterhaltung aufgabenrelevanter Informationen und deren Bearbeitung“ (Walk, Evers 2013: S.12). Das bedeutet, dass Kinder sich Aufgaben in mehreren Teilschritten merken können. Auch komplexe Funktionen, wie unsere Sprache entstehen mit Hilfe des Arbeitsgedächtnis' (vgl. Kubesch 2019: S.16).

2.2.2 Inhibition

Die Inhibition hilft, Impulse zu kontrollieren und unangemessenes Verhalten zu unterdrücken. Sie unterstützt zielgerichtetes Verhalten, indem sie uns hilft, Ablenkung und äußere Einflüsse auszublenden. Es fällt uns zum Beispiel durch eine gut ausgeprägte Inhibition leichter, einen Konflikt mit Worten auszutragen (vgl. Kubesch S.16).

2.2.3 Kognitive Flexibilität

„Die kognitive Flexibilität ist die Fähigkeit, sich auf neue Situationen oder Anforderungen einstellen zu können und gegebenenfalls eine Verhaltensänderung vorzunehmen“(Walk, Evers 2013: S.16). Mit ihrer Hilfe sind wir in der Lage, den Fokus der Aufmerksamkeit flexibel auf neue Anforderungen einstellen zu können sowie offen für Argumente zu sein.

3. Bedeutung der emotionalen Selbstregulation

Um zu beschreiben, wie wichtig es ist, die Selbstregulation in der Kindheit zu fördern, möchte ich Sabine Kubesch zitieren, die zu einem Beitrag Manfred Spitzers schreibt:

„[...] die kindliche Selbstregulation hat weit über die Schulzeit hinaus Einfluss auf Bildung, Gesundheit, Wohlstand und soziale Sicherheit“ (Kubesch 2019: S.10). Im Vorwort ihres Buches „Exekutive Funktionen und Selbstregulation“ erläutert sie deren Zusammenhang mit schulischem Lernerfolg, Intelligenz und sozial-emotionaler Entwicklung von Kindern und Jugendlichen: „All diejenigen, die Kinder in ihrer Entwicklung und beim Lernen begleiten, sollten über die Bedeutung und Förderung der exekutiven Funktionen und der Selbstregulation informiert sein“ (ebd. S.9).

In der Tat lassen sich zahlreiche Studien und Publikationen zur Bedeutung emotionaler Selbstregulation und exekutiver Funktionen finden.

Nachdem wir nun die grundlegenden Begriffe zur emotionalen Selbstregulation kennen, schauen wir uns wichtige, beziehungsweise für diesen Kontext aussagekräftige Studien und Forschungsergebnisse genauer an.

3.1 Adolescence-Limited and Life-Course-Persistent Antisocial Behavior

Aufbauend auf den Ergebnissen einer neuseeländischen Langzeitstudie untersuchte die amerikanische Psychologin und Kriminologin Terrie E. Moffitt, ob es einen Zusammenhang zwischen Selbstkontrolle in der Kindheit und dem weiteren Verlauf des Lebens dieser Kinder gibt. Aus dieser Studie geht hervor, dass eine gute Selbstkontrolle in der frühen Kindheit bedeutende Auswirkungen auf die Gesundheit, den wirtschaftlichen und sozialen Erfolg, Wohlstand und Kriminalität im Erwachsenenalter hat (vgl. Spitzer, M. 2019: S.64). Sehr deutlich war der Zusammenhang zwischen kindlicher Selbstkontrolle und späterer Suchterkrankung. Das bedeutet, dass eine Person, die sich schon in der Kindheit besser im Griff hat als Erwachsener gesundheitlich, wirtschaftlich und zwischenmenschlich besser dasteht als eine Person mit einer geringen Selbstkontrolle. Weiter geht aus dieser Studie hervor: „Wenn man in frühen Jahren, in Kindergärten und Grundschule, die Selbstkontrolle trainieren könnte, hätte dies deutliche Auswirkungen auf den gesamten Verlauf des weiteren Lebens gerade derjenigen Menschen, die in dieser Hinsicht Probleme haben“ (Spitzer M. in Kubesch 2019: S. 64). Es ergab sich zum Beispiel eine mehr als vierzigprozentige Wahrscheinlichkeit, als Erwachsener kriminell zu werden, wenn man als Kind nur über geringe selbstregulatorische Fähigkeiten verfügte.

3.2 Der Marshmallow-Test

Auch Walter Mischel, ein US-amerikanischer Persönlichkeitspsychologe, stellte in seinem Marshmallow-Experiment fest, dass diejenigen Kinder, die schon als Vierjährige einer Versuchung widerstanden, später deutlich bessere Chancen in Schule, Studium und Beruf hatten (vgl. Kubesch 2019: S.67). Mischel hatte Kinder vor die Wahl gestellt, ein Marshmallow sofort zu bekommen oder später zwei, wenn sie warteten, bis der Versuchsleiter wieder in den Raum zurückkam. Dieses Warten auf die Belohnung, die Impulskontrolle beziehungsweise Inhibition, ist einer von drei Teilaspekten des Sammelbegriffs der exekutiven Funktionen.

3.3 Self-Discipline Outdoes IQ in Predicting Academic Performance of Adolescents

Angela L. Duckworth und Martin E.P. Seligman, zwei US-amerikanische Psychologen, stellten in ihrer Studie "Self-Discipline Outdoes IQ in Predicting Academic Performance of Adolescents'' schon 2005 folgendes fest:

„In einer Längsschnittstudie unter 140 Achtklässlern sagt Selbstdisziplin (erfasst im Herbst durch Selbsteinschätzung, elterliche und Lehrereinschätzung sowie Fragebögen zu monetären Entscheidungen) Jahresendnoten, Anwesenheit in der Schule, Ergebnisse in standardisierten Leistungstests und die Auswahl für ein selektives weiterführendes Schulprogramm im folgenden Frühling vorher. In einer Replikationsstudie mit 164 Achtklässlern wurden eine Verhaltensaufgabe mit Belohnungsverzögerung, ein Fragebogen zu Lerngewohnheiten und ein gruppenbezogener IQ-Test hinzugefügt. Im Herbst gemessene Selbstdisziplin erklärte mehr als doppelt so viel Varianz in Jahresendnoten, der Auswahl für das Schulprogramm, der Anwesenheit in der Schule, der Stunden, in denen an Hausaufgaben gearbeitet wird, (invers:) der Stunden, die vor dem Fernseher verbracht werden, und die Tageszeit, an der Schüler mit den Hausaufgaben beginnen, wie der IQ. Der Effekt von Selbstdisziplin auf Jahresendnoten galt auch, wenn Halbjahresnoten, Ergebnisse in Leistungstests und gemessener IQ kontrolliert wurden. Diese Ergebnisse legen einen zentralen Grund dafür nahe, dass Schüler ihr intellektuelles Potenzial nicht ausnutzen: ihr Scheitern, sich in Selbstdisziplin zu üben.“

(Übersetzung Städter, Josef)

Ein hoher Intelligenzquotient allein kann schulische Lernleistung demnach nicht steigern. Dies gelingt nur, wenn er mit der Fähigkeit der Selbstkontrolle einhergeht. Das bedeutet, dass Kinder ihre Fähigkeiten nur dann voll ausschöpfen können, wenn sie ihr Verhalten gut regulieren können.

3.4 The Strength Model of Self Control

Roy F. Baumeister, Professor für Sozialpsychologie, fand heraus, dass die Willenskraft beziehungsweise die Fähigkeit zur Selbstregulierung wie ein Muskel funktioniert und ebenso rasch ermüden kann. Allerdings kann dieser ''Muskel'' auch trainiert werden und wächst bei regelmäßiger Beanspruchung (vgl. Baumeister in Kubesch 2019: S. 68 ff.): „Setzen wir unsere Selbstkontrolle in relativ geringer Dosis regelmäßig ein, scheint sie auf Dauer zu wachsen, sodass wir im Notfall größere Reserven besitzen“ (ebd.).

Um zu verstehen, wie ein solches Training beziehungsweise wie eine Förderung dieser Fähigkeit gelingen kann, muss man wissen, wie sich das kindliche Gehirn beziehungsweise dessen Funktionen entwickeln. Ich werde darauf an anderer Stelle genauer eingehen.

3.5 Emotionsregulation im Kindes- und Jugendalter: Konzeptdefinition, entwicklungsspezifische Diagnostik und Psychopathologie

„Zweifelsohne ist mittlerweile davon auszugehen, dass der Erwerb der Fähigkeit zur Emotionsregulation zu den wichtigsten Entwicklungsaufgaben im Kindes- und Jugendalter zählen“ (Thompson, R.A. 1994 in Kullik). Kullik geht in ihrer Dissertation auf den Zusammenhang unzureichender emotionaler Regulation und einer Prädisposition für die Entwicklung einer Psychopathologie ein und betont, es sei „demnach möglich, frühzeitig der Entwicklung und Stabilisierung dysfunktionaler Emotionsregulationsmuster entgegenzuwirken“ (ebd. S 55).

Aus diesen Studien, Publikationen und Forschungsergebnissen geht klar hervor, wie außerordentlich wichtig die Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation für uns ist, und was es bedeutet, wenn wir diese Kompetenzen nicht fördern.

Schauen wir zur Vervollständigung anschließend auf die Entwicklung der emotionalen Selbstregulation und der exekutiven Funktionen. Dazu führt uns ein kurzer Exkurs in die Entwicklung des kindlichen Gehirns und der Gefühlswelt von Kindern.

4. Entwicklungspsychologischer Hintergrund

Die exekutiven Funktionen bilden zusammen ein System, das seinen Sitz im Frontalhirn, dem Präfrontalen Cortex, hat. Es entwickelt sich „sehr langsam und über einen längeren Zeitraum hinweg. Arbeitsgedächtnis, Inhibition und kognitive Flexibilität bilden sich vom Kleinkindalter bis ins frühe Erwachsenenalter aus. Diese langjährige Entwicklungsphase hängt mit der allmählichen Reifung des Frontalhirns zusammen“ (Walk, Evers 2013: S.18).

Es handelt sich also demnach um Funktionen, die nicht angeboren sind, deren Entwicklungspotential aber durchaus schon in frühester Kindheit beeinflussbar ist. Schauen wir uns einmal genauer an, was mit dieser 'langjährigen Entwicklungsphase' und der Reifung des Frontalhirns beziehungsweise des präfrontalen Cortex gemeint ist.

4.1 Entwicklung des Präfrontalen Cortex

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1

Anhand dieser Grafik lässt sich gut erkennen, dass die Entwicklung der höheren kognitiven Funktionen beziehungsweise des Präfrontalen Cortex praktisch von der Geburt an über viele Jahre andauern. Den Höhepunkt erreicht diese Entwicklung etwa im Alter von zehn Monaten bis zum dritten Lebensjahr - also genau die Altersgruppe, die Kinderkrippen besucht. Es sollte also gerade in dieser Zeit besonderes Augenmerk auf die positive Einflussnahme gelegt werden.

4.2 Entwicklung emotionaler Selbstregulation

Emotionales Lernen beginnt bereits vor der Geburt und setzt sich über die gesamte Kindheit fort. Verena Frech, Diplom-Pädagogin mit den Schwerpunkten Pädagogik der frühen Kindheit und Sprachsonderpädagogik, beschreibt in ihrem Fachartikel ''Erkennen, fühlen, benennen... Grundlagen der emotionalen Entwicklung im frühen Kindesalter'' hierfür drei Bereiche, zu denen erworbenes Wissen über Emotionen zugeordnet werden kann: Emotionsausdruck, Emotionsverständnis und Emotionsregulation.

„Dabei ist dies nicht als Folge von Entwicklungsschritten zu sehen, die unabhängig voneinander gemacht werden. Die drei Fertigkeitsbereiche bedingen einander; sie sind verknüpft und laufen größtenteils parallel ab“ (ebd.). Das bedeutet: Kinder lernen über Erfahrungen in den täglichen Interaktionen mit anderen Menschen ihres Umfeldes sowie in der Reflexion eigenen Handelns, dem Erleben ihrer Selbstwirksamkeit mit dem Ziel, ein inneres Gleichgewicht und Stabilität der Emotionen zu entwickeln (vgl. Frech S.11).

Ich möchte anschließend die wichtigsten Entwicklungsschritte beschreiben. Hierbei liegt mein Schwerpunkt auf dem Altersabschnitt des zweiten und dritten Lebensjahres, da sich diese Altersgruppe in unserer Einrichtung befindet.

4.2.1 Vorgeburtliche Entwicklung

Schon im Mutterleib ist das Kind umgeben von verschiedenen Eindrücken, Geräuschen und Emotionen, welche sich zum Beispiel im Herzschlag der Mutter widerspiegeln. Dies wird bereits als Grundstein für die emotionale Entwicklung gesehen. Besonders wichtig ist die positive Einstellung, also die soziale Bindung der Mutter zum ungeborenen Kind (vgl. Frech 2008: S.2).

4.2.2 Entwicklung im ersten Lebensjahr

Im ersten Lebensjahr entwickeln Kinder die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden und auszudrücken: anfangs Gefühle von Zufriedenheit und Stress, im späteren Verlauf auch Interesse, Überraschung, Freude, Ärger und Angst. Das Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten wächst und wird sowohl nonverbal als auch verbal von den Kindern stetig erweitert. Den Eltern kommt in dieser Zeit eine große Bedeutung zu, denn die Kinder sind gerade zu Beginn des ersten Lebensjahres auf deren Hilfe und Unterstützung angewiesen. Ihnen ist es nämlich nicht möglich, ihre Emotionen selbst zu regulieren. Diese Fähigkeit entwickelt sich erst sehr langsam und beginnt etwa ab dem dritten Lebensmonat mit einfachen Strategien, wie zum Beispiel dem Abwenden des Blickes, physischen Selbstberuhigungsstrategien wie Schaukeln und Nuckeln und später auch der Rückzug aus emotionsauslösenden Situationen durch Wegrollen oder Wegkrabbeln (vgl. Kullik 2013: S.12).

4.2.3 Entwicklung im zweiten Lebensjahr

Bereits im zweiten Lebensjahr verfügen Kinder neben den nonverbalen Möglichkeiten, Gefühle auszudrücken, auch über einen stetig wachsenden Wortschatz. So können Emotionen gezielt benannt werden. Das Kind lernt die Zuordnung von positiven und negativen Gefühlen zu den passenden Gesichtsausdrücken. Es orientiert sich hierbei an Vorbildern. Das heißt, Interaktionen mit Bezugspersonen werden immer wichtiger und intensiver. Bereits in dieser Zeit können Bezugspersonen, also auch die Bezugserzieherin in der Krippe, dem Kind Strategien zur Selbstregulation aufzeigen. Um beispielsweise kurze Wartezeiten bei Übergängen angenehmer für die Kinder zu gestalten, setzen wir interaktive Lieder oder Fingerspiele ein.

Auch über die wachsenden sprachlichen Fähigkeiten können Kinder nun ihre Gefühle ausdrücken und damit bereits besser regulieren. Spontane Erregung und emotionales Verhalten kann schon zum Teil unterdrückt beziehungsweise moduliert ausgedrückt werden (vgl. ebd.).

4.2.4 Entwicklung im dritten Lebensjahr

Die Kinder lernen in dieser Zeit, dass der Gesichtsausdruck einer Person nicht immer mit dem empfundenen Gefühl übereinstimmen muss, sondern dass man auch etwas vortäuschen kann. Kinder nutzen diese Fähigkeiten zumeist im Spiel, sind aber auch in der Lage, Gefühle vorzutäuschen oder zu verstecken. „Bei anderen Menschen achten sie allerdings nur auf die Mundpartie und können dadurch lediglich positive von negativen Emotionen unterscheiden“ (Frech 2008: S.6). Außerdem lernen Kinder, dass Emotionen subjektive Empfindungen sind, die jeder Mensch unterschiedlich fühlt und ausdrückt. Sie lernen zu verstehen, dass Emotionen nicht nur durch äußere Einflüsse entstehen, sondern auch im Inneren des Menschen (vgl. ebd.), das heißt, dass sich Gefühle anderer von den eigenen unterscheiden können.

Kinder lernen am Ende des dritten Lebensjahres, dass sich die eigene Wahrnehmung von der anderer Menschen unterscheidet, ein großer Schritt im Verständnis dafür, was in anderen Menschen vorgeht (vgl. Hildebrandt F. 2013: S.9).

Auch die Strategien zur Selbstregulierung von Emotionen werden vielfältiger. Als Beruhigungsstrategien kommen jetzt zum Beispiel Selbstgespräche zum Einsatz. Kinder lernen, dass sie auf Unverständnis oder Ablehnung treffen, wenn sie ihre Gefühle nicht steuern beziehungsweise regulieren. „Das Hauptziel der Emotionsregulation ist ein inneres Gleichgewicht, welches eine Ausgewogenheit und Stabilität der Emotionen herstellt, die sich im Leben jedes Menschen widerspiegeln sollten“ (Frech 2008: S.11).

Zum besseren Verständnis möchte ich an dieser Stelle anfügen, dass Kinder erst ab dem Grundschulalter in der Lage sind, einzelne Emotionen differenziert zu unterscheiden und zu beschreiben. Auch wird erst in diesem Alter die Empathiefähigkeit entwickelt, das heißt, sich in andere hineinzuversetzen und deren Reaktion vorhersagen zu können (vgl. Stahl-von-Zabern, J. 2015: S.15)

4.3 Entwicklung exekutiver Funktionen

„Kinder im Säuglings- und Kleinkindalter reagieren vor allem auf Geschehnisse und Reize aus ihrem unmittelbaren Umfeld. Sie sind noch nicht im Stande, ihre Handlungen abzuwägen und vorauszuplanen. Sie können Folgen schwer abschätzen und agieren damit weniger bewusst und gezielt. Um diese geistigen Leistungen auszuführen, ist ein gutes Zusammenspiel der exekutiven Funktionen notwendig. Das Gehirn entwickelt sich gerade im Säuglingsalter rasant und lernt sehr schnell sehr viel. Auch die exekutiven Funktionen beginnen sich bereits im ersten Lebensjahr auszubilden“ (Walk, Evers 2013: S.19). Die vollständige Entwicklung ist aber erst im jungen Erwachsenenalter beendet.

Die Entwicklung des exekutiven Systems ist gerade im frühen Kindesalter sehr stark an die Erfahrungen und die Umwelt gebunden, das heißt die Interaktion zwischen Kind und Bezugspersonen, die räumlichen Bedingungen und die Erfahrungen der Selbstwirksamkeit sind von großer Bedeutung. Stress hingegen kann die Entwicklung des Gehirns und dessen Fähigkeiten beeinträchtigen (vgl. Kubesch 2019: S. 87). Daraus lassen sich gezielt Faktoren ableiten, welche die Entwicklung der exekutiven Funktionen und damit die emotionalen Selbstregulation fördern beziehungsweise hemmen können. Diese Faktoren möchte ich im nächsten Abschnitt genauer betrachten.

5. Fördernde, begünstigende Faktoren

5.1 Bindung und Sicherheit

Eine sichere Bindung ist die Grundvoraussetzung für die Bereitschaft zum Lernen, das Erforschen der Umwelt und eine gesunde Entwicklung des Kindes. Ist die Bezugsperson jederzeit zuverlässig verfügbar und einfühlsam, gewinnt das Kind tiefes Vertrauen und kann eine sichere Bindung aufbauen (vgl. Behnke B. 2018: S.171). Wie bereits oben beschrieben, ist dies der Grundstein für eine positive emotionale Entwicklung und das Explorationsverhalten des Kindes. Außerdem fördert eine positive Bindung, dass Kinder ihre Bezugsperson als Vorbild sehen (vgl. Frech, S.7).

„Da sich die Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation erst mit zunehmendem Alter entwickelt, sind Säuglinge und Kleinkinder in hohem Maße auf die feinfühlige Begleitung von kompetenten Erwachsenen angewiesen“ (Weltzien, D. 2016: S.11). Was dies für uns pädagogische Fachkräfte bedeutet, wird im folgenden Abschnitt beschrieben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Emotionale Selbstregulation bei Kindern. Fördernde und hemmende Faktoren
Hochschule
Fachschule für Organisation und Führung  (Silberburgschule Stuttgart)
Note
1,5
Jahr
2020
Seiten
41
Katalognummer
V1020903
ISBN (eBook)
9783346416964
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Emotionale Selbstregulation, exekutive Funktionen
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Emotionale Selbstregulation bei Kindern. Fördernde und hemmende Faktoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1020903

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